Legend: Hand of God16.10.2007, Mathias Oertel
Legend: Hand of God

Im Test:

Dieses Jahr konnten sich Action-Rollenspieler wahrlich nicht über fehlenden Nachschub beklagen. Silverfall, Loki, Dawn of Magic und viele mehr buhlten um die Gunst von Monster-Slayern und Schatzsuchern. Und mit Hellgate London steht schon das nächste in den Startlöchern. Hat ein klassischer Vertreter seiner Zunft da überhaupt die Chance, seinen Zauber wirken zu lassen?

Die Hand Gottes

Braucht ein Action-Rollenspiel alter Schule eine Story? Schaden kann´s nicht. Und so kommt es, wie es kommen muss: Ein einsamer Held muss eine von dunklen Gefahren bedrohte Welt durchstreifen, nicht enden wollende Monstermassen bekämpfen und schließlich ein Sagen umwobenes Artefakt finden. Die Hand Gottes, die allein den Untergang der Fantasywelt Aris aufhalten kann. So weit, so gut, so konventionell und vor allem so völlig belanglos.

Unten wartet schon ein weiterer Gegner mit Riesenkeule. Leider benötigt man keinerlei Geschick, sondern nur genügend Heiltränke, um schadlos aus allen Situation zu kommen...
Und diese Belanglosigkeit ist es, die sich leider durch ganz Aris zieht. Wo Titan Quest mit seiner Mythologie punktet, Silverfall einen außergewöhnlichen Grafikstil bietet oder Loki mit zufällig generierten Abschnitten Boden gutmacht, ist Legend in jeder Hinsicht herkömmlich.

Glückloses Händchen

Im Gegensatz zu einigen anderen Genre-Vertretern da draußen bietet die Hand Gottes keine eigene Charakter-Erstellung. Auf der einen Seite ist dies zwar verständlich, da sich die Geschichte um den Auserwählten namens Targon und seine Abenteuer rankt. Aber anderseits bietet selbst Two Worlds, bei dem auch ein einzelner männlicher Held im Mittelpunkt steht, zumindest minimale Möglichkeiten, die Spielfigur seinen Wünschen anzupassen.

Überhaupt scheint das Team von Master Creating sehr stark der Prämisse "Geht ja kein Risiko ein und verlasst euch auf das, was schon seit Jahren gut funktioniert!" zu folgen.

Dementsprechend fühlt man sich in Aris schnell wohl und hat mit Ausnahme des gelegentlichen Hängenbleibens der Hauptfigur in der Umgebung keine Probleme, Targon durch die Welt und durch die Monstermassen zu lotsen. Auch das übersichtliche Charakter-Entwicklungssystem, das euch zehn Klassenkombinationen vom Kampfmagier bis zum Paladin ermöglicht sowie der stets unaufgeräumt wirkende Rucksack, der wie bei allen Spielen dieser Art, immer zu klein zu sein scheint, geben keinen Grund zur Klage.

Und so sehr das Grundprinzip des Jagens und des Sammelns auch immer noch funktioniert und so umfangreich die offen zugängliche Welt mitsamt ihres umfassenden Teleportsystems auch ist, so wenig ist Aris mit Auftraggebern gefüllt. Man

Umgebung, Gegnerdesign, Effekte: Alles sehr ansehnlich und sauber!
nimmt zwar das übliche Haupt- und Nebenquest-System wahr, doch angesichts der üppigen und großen Gebiete, die man durchstreift, wurde an Aufgaben gespart - ein Manko, das auch die Monstermassen nicht wettmachen können. Man hackt, man slayt, man sammelt Gegenstände ein, verkauft diese - dabei gibt es eigentlich nichts, was sich für das Geld zu kaufen lohnt, man rüstet auf: Alles da, was auf der Checkliste für ein Action-Rollenspiel abgearbeitet werden muss.

Lichtelfe

Doch ausgerechnet ein wesentlicher Faktor fehlt Legend: Die Seele! Und das, obwohl Master Creating mit der Lichtelfe nicht nur das einzige frische Element einführt, sondern alles mitbrächte, um genau diese Seele zu bilden& Die Lichtelfe ersetzt euren üblichen Cursor, ist eure Lichtquelle (besonders in dunklen Höhlen hilfreich) und zugleich euer nie um einen Kommentar verlegener Sidekick.

Doch anstatt diese Figur zu nutzen, um z.B. die Höhlen und damit auch die Spielmechaniken durch sei es auch noch simple Schaltermechanik oder Rätsel mit Dunkelheitsfaktor aufzuwerten, oder den Figuren durch ihre Kommentare und/oder Einsichten erzählerische Tiefe zu geben, ist die Lichtauselfe leider nicht mehr als ein beleuchteter Cursor mit Stimme.

     

Dabei ist es beim ersten Mal in einer dunklen Höhle durchaus spannend und eine willkommene Abwechslung im Erzählrhythmus, wenn man mit ihr die dunklen Bereiche ausleuchtet. Doch sobald die Gegner dann wieder auf einen zustürmen, ist man wieder im alten Hack&Slay-Rhythmus.

Und als ob das noch nicht reichen würde, wird das Sprachtalent von Cosma Shiva Hagen in der Rolle der Lichtkeife fast vollständig verschwendet: Die mit enormen Druck auf kindlich getrimmten Singsang-Kommentare wie "Schau mal! Die Kappe sieht ja toll aus! Die steht dir bestimmt gut!" oder "Wow! Denen hast du es aber gezeigt!" oder (mein Favorit) "Hier geht´s zur nördlichen Ebene! Naja, was soll auch sonst im Norden sein?" stehen in einem absoluten Gegensatz zum ansonsten erwachsen gehaltenen Abenteuer.

Abhängig von Waffe und Gegner werden neue Animationen abgespult. Als Spieler hat man darauf aber keinen Einfluss...
Denn sobald es an die Kämpfe geht, dreht Legend auf: Okay, die Angriffsschreie der Gegner wiederholen sich sehr schnell, doch das knochenbrechende "Kronk", wenn mein Zweihand-Hammer mit dem Unterkiefer eines Goblins (wieso eigentlich schon wieder der Griff in die Klischee-Gegner-Schublade?) Bekanntschaft macht, ist auch nach dem x-ten Hören markerschütternd.

Und sowohl diese Akustik als auch die Ausschüttung an roter Flüssigkeit, die für ein erwachsenes Spiel sprechen, stehen in krassem Gegensatz zu der Kindergarten-Leuchtmücke, die sich euch anschließt.

Hier wurde allzu deutlich der Kniefall vor dem "Casual"-Publikum gemacht, der ja nach Ansicht des Producers nicht durch erwachsene Unterhaltung überzeugt werden muss, sondern durch Eingängigkeit und vermeintlich schnelle Identifaktion.

Kampfsystem für Einsteiger

Anders lässt sich auch nicht das auf Dauer sehr spröde Kampfsystem erklären: So einfach und so zugänglich wie möglich, ohne großartig zu fordern. Ihr klickt einen Gegner an, haltet die Maustaste gedrückt und werft bei Bedarf über die Leertaste einen Heiltrank ein bzw. aktiviert eine der Spezialattacken oder Zauber. Viel einfacher geht´s kaum - das ist gut. Dass allerdings nur bei sporadisch erhöhtem gleichzeitigem Gegneraufkommen der Hauch einer Anforderung aufkommt ist schlecht und hat mich das letzte Mal vor Urzeiten bei Brotherhood of Steel auf Konsolen zur Weißglut getrieben. So schlimm wie damals, als ich einen Bosskampf fast ohne auf den Bildschirm zu schauen, erledigen konnte, ist es zwar nicht, doch Spannung kommt bei den Auseinandersetzungen nur im allerseltensten Fall auf. 

Fein raus

So enttäuschend das Abspulen bekannter Mechanismen inhaltlich ist, so beeindruckend ist die technische Umsetzung. Die Welt Aris wirkt in sich sehr stimmig, bietet Wüsten ebenso an wie Schneegebiete oder Heide (samt entsprechendem Kraut). Da dürfen die Figuren natürlich nicht zurückstehen. Zwar findet man mit Goblins, Wildebern, Minotauren , Riesenkäfern etc. hauptsächlich die üblichen Verdächtigen, doch die Animationen können sich durch die Bank sehen lassen.

Leider ist die Lichtelfe (unten rechts) nicht mehr als ein sprechender Cursor mit Ausleuchtfunktion - und nervig noch dazu!
Besonders der Held, der je nach ausgerüsteter Waffe und Größe des Gegners eine andere Bewegung abspult, lässt die Kämpfe dynamischer erscheinen, als sie eigentlich sind, da ich als Spieler keinerlei Einfluss auf die Animation habe, die jetzt aus der Bibliothek geholt wird. Dennoch kann man die Kulisse im Allgemeinen und die Bewegungsabläufe im Besonderen nur als gelungen bezeichnen.

Gleiches gilt für den Soundtrack, der mit teils tragenden, teils pompösen Kompositionen immer wieder Bilder einschlägiger Filme ins Gedächtnis ruft. Wenn Master Creating es jetzt noch geschafft hätte, diese stimmigen Melodien dynamisch mit dem Spielgeschehen zu verknüpfen anstatt nur eine Playlist abzuspulen, wäre die Begeisterung noch größer ausgefallen.

Doch jeglicher Versuch, sich über die Technik ins Spiel zu finden und angesichts von Animationspomp und Akustiktrara über inhaltliche Schwächen hinwegzusehen scheitert spätestens in dem Moment, in dem sich Legend - Hand of God vollkommen unmotiviert mit einer Fehlermeldung auf den Desktop verabschiedet. Die Abstürze ließen sich in den meisten Fällen replizieren und hängen mit der Autoaufnahme-Funktion der auf dem Boden liegenden Gegenstände zusammen. Was wiederum die Frage nach einer funktionierenden Qualitätssicherung unbeantwortet lässt.

In anderen Momenten verabschiedet sich Targon jedoch ohne erkennbaren Zusammenhang und lässt daher nicht nur spielerisch Wünsche offen...    

Fazit

Lassen wir die sporadischen Programm-Abstürze mal beiseite, kann man Legend eigentlich nichts Schwerwiegendes vorwerfen. Die Entwickler haben sich haargenau an das Handbuch zur Erstellung eines Action-Rollenspieles gehalten und einen Punkt nach dem anderen abgearbeitet. Dementsprechend greift der Jäger-und-Sammler-Mechanismus nach wie vor. Und in Sachen Kulisse wirkt die Welt von Aris rundum stimmig und lädt zum Stöbern ein. Dennoch fehlen zwei wesentliches Elemente: Die Seele und die Eigenständigkeit. Wo fast jeder Konkurrenztitel dieses Jahres mit irgendetwas um Einzigartigkeit kämpfte, verschenkt Legend mit der Lichtelfe die einzige Hoffnung, die dazu beitragen könnte, die Suche nach der Hand Gottes zu etwas Besonderem zu machen. Statt den Figuren Tiefe zu geben, nerven die schnippischen Einsichten und kindlich-naiven Kommentare nach einiger Zeit nur noch. Wer keine hohen inhaltlichen Ansprüche an den Kloppmist seines Vertrauens stellt und Kulisse deutlich vor Atmosphäre stellt, hat mit Legend Spaß. Allen anderen empfehlen wir die Silverfalls und Lokis dieser Welt oder noch besser: Wartet auf Hellgate London!

Pro

stimmungsvolle Musik...
saubere Sprachausgabe...
schöne Kulisse
eingängiges Spielprinzip
einfache Steuerung
abwechslungsreiches Gegnerdesign
offene Welt

Kontra

- ... die leider nicht dynamisch genutzt wird- ... bei der die kindische Lichtelfe vollkommen Fehl am Platze wirkt
Abstürze
viel Leerlauf
zu wenig Missionen
eintönige, unspannende Kämpfe- Lichtelfe wird spielerisch kaum genutzt

Wertung

PC

Nichts Neues im Fantasy-Land: Action-Rollenspiel von der Stange mit nerviger Lichtelfe und schönen Kulissen.

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