Sunrise01.02.2008, Bodo Naser
Sunrise

Im Test:

Drei Freunde und eine Frau, eine verlassene Stadt und jede Menge Fragen - Sunrise (ab 4,90€ bei kaufen) von TML Studios macht mächtig neugierig. Die spannende Science-Fiction-Story, innovative Ideen und spritzige Dialoge locken Rätsel-Hungrige an den Rechner. Ob das Abenteuer im düsteren New York hält, was es verspricht, erfahrt ihr im Test.

Wie hättest du es gerne?

Seid ihr mehr für ein Warmluftgebläse oder doch eher ein Heizstrahler-Typ? Nein, das ist keine Butterfahrt, wo einem irgendwelche Geräte aufgeschwatzt werden, die dann daheim nicht funktionieren. Thema ist auch nicht, wie sich bibbernde

Im Lichte des Heizstrahlers trocknet Jenny genauso schnell wie im Fön des Warmluftgebläses, aber ihr dürft entscheiden. Abrubbeln ist leider nicht....
 Raucher vor ihrer Stammkneipe warm halten können. Es geht vielmehr darum, dass Sunrise bisweilen verschiedene Lösungswege für ein Problem anbietet. Das ist keinesfalls selbstverständlich für ein Point&Click-Adventure, da sich die meisten Genrekollegen damit begnügen, nur eine Lösung anzubieten. Kein Einzelfall, denn es ist sogar an mehreren Stellen im Spiel möglich. Leider wird dieses Konzept nicht konsequent durchgehalten. Zudem wird es mit steigernder Spieldauer zunehmend linearer.

Die Frage ist, wie ihr eine bewusstlose, hübsche und nasse Frau trocken kriegt, ohne dass es Verwicklungen gibt. Einige werden sicher sagen - ausziehen und abrubbeln, aber das ist -warum auch immer- nicht erlaubt. Der Held fürchtet angeblich die Folgen, was immer das auch heißen mag. Da es sich bei den drei Protagonisten um Technikverrückte handelt, bieten sich natürlich eher technische Lösungen an. Jedem Spieler fällt etwas anderes ein. Damit kommt das Konzept dem nahe, wie wir tatsächlich Probleme im Alltag lösen. Der eine nimmt lieber ein altes T-Shirt, der andere ein Handtuch und der dritte einen dreckigen Lappen, um etwas Heißes anzufassen. Eine Frage des Geschmacks und auch, wie man mit Problemen umgeht.

Überzeuge mich

Dieses Beispiel ist eng damit verbunden, wie Rätsel bei Sunrise angegangen werden. Positiv fällt auf, dass der Held Rydec nicht einfach alles einsteckt, wie ihr das von anderen Abenteuern kennt. Es gibt dementsprechend kein riesiges Inventar, in dem sich der Müll der letzten fünf Stunden sammelt. Er geht problemorientiert vor. Wenn ihm etwas logisch erscheint, dann nimmt er es mit. Ihr müsst ihn daher soweit bringen, wofür ihr die Aufgabe kennen müsst, die sich oft im Gespräch ergibt. Sprechen ist das A und O, da ihr nur so mehr erfahrt. Gerade die Gespräche mit Technikfreak Brian bringen oft Erleuchtung. Rätsel laufen automatisch, wenn ihr alles dafür habt. Weniger komfortabel ist, dass ihr oftmals mehrmals hintereinander auf ein Objekt oder eine Person klicken müsst, bis sich was tut.

Bastler Brian versucht sogleich herauszufinden, was mit seinem Experiment konkret schief lief. Er tut sich mit der Suche schwer, da ihm geeignete Geräte fehlen. Ihr müsst ihm helfen. Ex-Soldat Max riskiert zwar eine große Klappe, ist aber eher

Ich parke, wo ich will. Um an das fürs Leben Notwendigste zu kommen, geht der Held bisweilen auch unorthodoxe Wege.  
faul veranlagt und versucht sich zunächst vor Arbeit zu drücken. Da bleibt es an Rydec hängen, den ihr in 3rd-Person-Sicht durchs Abenteuer steuert, damit er Ersatzteile, Essen, Sprit und einen fahrbaren Untersatz organisiert. Leider ist das mit simplen Hol- und Bringdiensten verbunden, die zwar machbar sind aber nicht immer unbedingt Spaß machen. Zudem solltet ihr ein gutes Gedächtnis haben, damit ihr immer alles findet was ihr sucht. Hänger sind selten, da notfalls die Hilfefunktion aus der Patsche hilft.

Leider gibt es bei den Aufgaben auch die ein oder andere Inkonsequenz. Unlogisch ist, dass eine Menge Sache rumliegen, die zwar vielversprechend aussehen, die ihr aber nicht mitnehmen könnt und von denen ihr einige nicht mal anschauen dürft. Das freie Prinzip wird ad absurdum geführt. Manche Aufträge scheinen auch unnötig zu sein wie etwa, als ihr den passenden Schlüssel für ein Auto heraussuchen müsst. Es gibt vier, aber ihr könnt nur einen mitnehmen. Leider ist es völlig sinnfrei, vier Mal hin- und her zu rennen, nur um dann zu sehen, dass es einmal mehr der Letzte ist. Weshalb überhaupt vier Autos dastehen, ist auch ein Rätsel, da ihr euch von Anfang an auf eins konzentriert. Blöd ist auch, dass die Beschreibung des Auftrags in der Übersicht nicht gleich aktualisiert wird, so dass ihr bisweilen nicht mehr wisst, was zu tun ist.

                  

Big Apple - ganz einsam

Über die mysteriöse Sci-Fi-Story haben wir uns ja schon in der Vorschau ausgelassen. Es geht grob um drei Freunde, die mitten im modernen New York unverhofft in Schwierigkeiten geraten. Nach einem Experiment, das hochtrabende Pläne

Wo sind nur all die Menschen hin? Will Smith lässt grüßen: In New York ist es ganz schön einsam, wenn alles unbelebt ist.    
 verfolgte, aber leider schief lief, sind Rydec, Brian und Max in ihrem Appartement auf sich allein gestellt. Manhattan ist von einer auf die andere Sekunde so unbevölkert wie der Mond. Da gibt es noch nicht mal die Zombies, die Will Smith in I Am Legend nachts belästigen. Einfach nichts! Wo sind nur all die Leute hin? Hatte der Versuch damit zu tun, der erstmals das Teleportieren ermöglichen hätte sollen? Eine junge Frau ist die einzige, die sich noch zur Truppe gesellt. Sie ist aber zunächst bewusstlos. Wer ist sie? Wieso ist sie die einzige, die noch da ist? Und warum geht die Sonne nicht mehr auf?

Obwohl die Geschichte fasziniert, werdet ihr lange darüber im Dunklen gelassen, was hinter dem Ganzen steckt. Allerdings ist abzusehen, dass es irgendetwas mit Brians misslungenem Versuch zu tun hat, der in einem Desaster endete. Der Blumentopf, der eigentlich teleportiert werden sollte, steht noch exakt an der Stelle wie zuvor. Die seltsame Maschine wurde völlig zerstört und muss nun repariert werden. Zwischen all den Bastelarbeiten verkommt die Story ab und an fast zur Nebensache. Wenn man dann denkt, jetzt passiert nichts mehr, da geschieht unvermutet eine Wendung. Da ihr nicht wisst, was genau als nächstes passiert, ist für genug Motivation gesorgt, um das grob 15 Stunden umfassende Abenteuer weiterzuspielen.

Düstere Straßenschluchten

Das Spiel ist filmmäßig inszeniert, was mit dem furiosen Intro beginnt. Auch sonst gibt es häufig Rendersequenzen, die gekonnt das Geschehen zeigen und so die vielen Laufburschendienste auflockern. Einzig die nicht lippensynchronen Gesichtsanimationen fallen unangenehm auf. Die Straßen New Yorks sind düster und überzeugend in 3D inszeniert, echte Beklemmung ist aber selten - obwohl alles menschenleer ist. Leider fehlt dazu ein Gefühl der Bedrohung, wie es I Am Legend bietet. Hier weiß man eigentlich immer, dass nichts passieren kann, weshalb es auch ohne Altersbeschränkung freigegeben ist. Gewaltfreie Unterhaltung ist also garantiert, wenn man davon absieht, dass Rydec ständige Rechtsbrüche begeht - aber schließlich ist das eine Notlage.

Weniger schön sieht der krisselige Regen aus, der wie in Overclocked euer ständiger Begleiter bei der virtuellen Tour durch Manhattan ist. An einer Stelle sagt Rydec einmal, wie es so seine Art ist, dass das doch kein Wandertag sei. Wie recht er doch hat! Und dennoch ist Sunrise eine einzige Latscherei - zumindest bis ihr endlich ein Auto gefunden habt. Obwohl das teilweise freie Manövrieren durch die Räume wenig Mühe macht, kann der agil wirkende Held nicht mal rennen. Immerhin könnt ihr den Raum durch Doppelklick auf den Ausgang verlassen, so dass es wenigstens etwas schneller geht. Das Auto sorgt für eine Schnellreisefunktion, die Balsam für die Nerven ist. Wieso bietet man diesen Luxus nicht von Anfang an?

Schwätzer vor dem Herrn

Rydec hat zu allem und jedem einen blöden Spruch auf Lager, was dem Adventure viel Stimmung verleiht. Das ist der Hauptverdienst des Synchronsprechers Andreas Fröhlich (John Cusack), der ihm seine markante Stimme leiht. Die

Der Held hört sich gern reden, weshalb er nicht nur mit Kartons und seinen Kumpels labert sondern auch Selbstgespräche führt.  
Gespräche laufen automatisch, wenn ihr jemand anklickt. Der meiste Witz entsteht dort, wo Rydec sich mit den anderen streitet, was ziemlich oft passiert. Insbesondere mit Max geht's zur Sache, der von Thorsten Martin (Wesley Snipes) gesprochen wird. Obwohl sie eigentlich Freunde sind, streiten sie über alles - herrlich! Einmal muss Rydec sogar den völlig betrunkenen Max aus einer freilich leeren Bar heim schleifen. Aber auch Brian hat lustige Momente, da er immer ein wenig vertrottelt wirkt und nicht mal die simpelste Witze versteht.

Etwas weinerlich kommt leider Jenny rüber, die von der deutschen Stimme von Kate Winslet gesprochen wird. Von einer Frau von heute erwartet man einfach mehr als ständiges "Rette mich"-Gequatsche. Leider ist Rydec aber auch eine Nervensäge, wenn er einen Raum durchsuchen soll oder Dinge mehrmals anschaut. Es bleibt nicht aus, dass man sich Gegenstände öfters anschauen muss, wenn man sie erst später mitnehmen kann. Vielen dürfte sein Geplapper dann auf den Geist gehen! "Mann, redet der viel", dürften sich insbesondere diejenigen denken, die wie ich aus dem Süden der Republik stammen, wo man schon mal mit weniger Worten auskommt. Als hätten es die Macher geahnt, wird eine verkürzte Version des Spiels mitgeliefert, die mit weniger Geplapper auskommt.

         

Fazit

Sunrise ist gut, könnte aber noch besser sein. Das Science-Fiction-Adventure beginnt mit einem Paukenschlag, lässt dann aber wegen der laufintensiven und oft simplen Holdienste im Mittelteil etwas Federn. Da denkt man sich dann oft, ob dies jetzt auch noch sein muss? Doch es lohnt sich weiterzuspielen, da ab der Mitte die Spannung wieder einen Zahn zulegt. Die mysteriöse wie technische Story nimmt endlich richtig Fahrt auf und ihr lernt sogar noch etwas über Physik von Brian. Zu Beginn kommt der Eindruck auf, Sunrise wäre irgendwie neu und anders. Das ist nur die halbe Wahrheit: Zwar funktioniert vieles etwas ungewohnt und fühlt sich frisch an, aber im Grunde sind die Rätsel nicht viel anders, als ihr das von vergleichbaren Abenteuern kennt. Ab und an werden mehrere Lösungswege angeboten, aber das wurde leider nicht konsequent durchgehalten. Da ihr kein großes Inventar habt und die Aufgaben dank Hilfe stets lösbar bleiben, ist Sunrise besonders für Einsteiger geeignet. Ein Highlight sind allerdings die witzigen Typen, die sich gerne mal ne Runde streiten. Die Dialoge sind köstlich, gelegentlich übertreibt es der Held Rydec aber ein wenig, so dass die Nervschallmauer durchbrochen wird. Einzig Jenny hätte man etwas härter und moderner gestalten können, denn schließlich ist sie eine Frau des 21. Jahrhunderts und keine kreischende Heulsuse aus einem Film der 50er-Jahre. Das düstere und verlassene New York kommt hingegen überzeugend rüber. Dem kleinem Team TML-Studios ist unterm Strich ein beachtliches und gewaltfreies Abenteuer gelungen!

Pro

mysteriöse Story
coole Hauptdarsteller
witzige Dialoge
realitätsnahe Aufgaben
mehrere Lösungswege

Kontra

bisweilen zu simple Aufgaben
nicht immer logisch
Laufburschendienste

Wertung

PC

Beeindruckendes Abenteuer im virtuellen New York, bei dem einiges etwas anders läuft.

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