Windchaser23.05.2008, Marcel Kleffmann
Windchaser

Im Test:

Das Erstlingswerk von Chimera Entertainment hebt sich durch ein Drei-Farben-Kampfsystem, ein ausbaubares Luftschiff sowie eine Fantasy-Welt, in der an die Zweifaltigkeit geglaubt wird, lobenswert von der Konkurrenz ab. Und abseits der kompromisslosen taktischen Kämpfe versucht eine durchdachte Hintergrundgeschichte zu fesseln. Dennoch will Windchaser (ab 9,90€ bei kaufen) nicht so recht durchstarten...

Geschichte als Leitmotiv?

Welch Überraschung, so etwas gab es lange nicht mehr: In den beiden Kampagnen von Windchaser entsteht die Hauptmotivation nicht durch die Möglichkeit das Namen gebende Luftschiff auszubauen oder die Helden bis zur nächsten Level-Up-Grenze aufzuwerten. Nein, das Herzstück ist die Geschichte. Im Mittelpunkt steht Held Ioan, der seinem Leben als Farmer in den Randgebieten der Fantasywelt Ensai nicht mehr viel abgewinnen kann. Wie viele junge Männer sucht er als Novize sein Glück in einer fernen Stadt.

Die drei Helden der Kampagne: Shara, Ioan und Caine posieren auf einer verwaschenen Bodentextur.

Auf dem Weg dahin trifft er Caine und Shara, die ihn gleich in ihre Gilde einladen, da in ihm scheinbar mächtige Kräfte schlummern. Daraufhin erfährt er aus nächster Nähe wie sich die Orthodoxen und Reformisten gegenseitig an die Gurgel gehen, obwohl beide den gleichen Gott - die Zweifältigkeit - anbeten. Dann bekommt der Held urplötzlich merkwürdige Visionen. Und wer steckt eigentlich hinter dieser düsteren, verzerrten Stimme, welche die Missionen einleitet? Alles merkwürdig und zugleich interessant.

Erzählt wird die Geschichte anhand der Helden, die allesamt erzählerisch interessant ausgearbeitet wurden, die nicht immer rational handeln und sich im Laufe der Story weiter entwickeln. Wahrhaft klasse ist dabei der Wendepunkt zwischen den Kampagnen - keine Panik, an dieser Stelle wird nicht mehr verraten. Getrübt wird die ansonsten wirklich schöne Geschichte durch die Präsentation; hier merkt man dem Spiel seine "günstigen" Entwicklungskosten an. Während die Sprachausgabe durchaus gelungen ist, bleiben die Zwischensequenzen hinter ihren Möglichkeiten zurück: Gesichtsanimationen sind nicht vorhanden; selbst bewegte Mundwinkel gibt es nicht und die Charaktere wurden nur spärlich animiert.

Es gibt viel zu tun

In den insgesamt 15 Missionen, die auf zwei Kampagnen aufgeteilt sind, gibt es für eure Helden allerhand zu tun. Jede der weitläufigen Szenariokarten ist in mehrere Abschnitte unterteilt und sobald ihr mit euren Helden einen Bereich durch die Eroberung eines Beobachtungsturmes gesichert habt, kann eure mobile Basis - das Luftschiff Windchaser -

Download: Deutsche Demo (673 MB)

Video: Trailer 1 (2:25 Min.)

Spieletipps: Komplettlösung & Hinweisedorthin vordringen. Ihr seid somit vorwiegend in Echtzeit-Taktik-Manier mit euren Helden unterwegs, löst Quests für 'Ruhm' (nötig für Upgrades der Windchaser), erforscht die Karte um neue Rekruten ausfindig zu machen oder löst Nebenquests, sofern ihr wollt; vielleicht winken ja Artefakte bzw. mächtige Gegenstände als Belohnung. Neben allerlei Kampfaufgaben dürft ihr Artefakte suchen und bergen, Flüche brechen, Händler begleiten bzw. retten, die Windchaser als Truppentransporter zweckentfremden oder euch mit NPCs treffen. Am Ende läuft es meist darauf hinaus, die Karte aufzudecken, Gegner zu besiegen und Artefakte zu sammeln, aber zwischendurch lockern kleine Überraschungen die Einsätze auf. Dies gilt nicht für die Missionen mit Zeitlimit, die ich weiterhin für nervtötend halte, insbesondere weil es nur einen Schwierigkeitsgrad gibt - und der ist ohnehin gesalzen.     

Fliegendes Inventar

Das Luftschiff dient lediglich als euer mobiles Inventar (Schatzkammer) und Lazarett, wenn eure Leute geschlagen von einem Kampf zurückschlurfen. Später könnt ihr dort zwar auch Rekruten weiterbilden und gewisse Technologien an Bord erforschen bzw. ausbauen (u.a. mit einem Garten, in dem Pflanzen für Verbrauchsgegenstände

Die blaue Grenze kann die Windchaser nicht überqueren.
gezüchtet werden), jedoch ist die Windchaser nie aktiv an den Kämpfen beteiligt, kann aber wenige Spezialangriffe wie eine Gegner lähmende Sporenwolke auslösen. Im Heiligtum können  außerdem Früchte oder Kleintiere im Tausch gegen Segnungspunkte geopfert werden, welche die Attribute von den Charakteren verbessern. Irgendwie habe ich mir mehr vom Luftschiff versprochen als nur eine mobile Basis mit Lagerfunktion.

Taktisches Kampfsystem

Fast so einzigartig wie das Sci-Fi/Fantasy-Szenario ist das Kampfsystem, das euch im Tutorial nur unzureichend mit Hilfe simpler Texttafeln erklärt wird. Ein Einführungsvideo oder gar einige Probekämpfe gegen sich nicht wehrende Gegner oder Sparringspartner hätten sich da angeboten; schade, stattdessen geht es gleich zur Sache. So müsst ihr mit den knappen Hilfe-Informationen oder dem deutlich informativeren Handbuch vorlieb nehmen oder ihr stürzt euch direkt in die Gefechte, die vor allem eines sind und zwar kompromisslos, was zu einem gewissen Frustfaktor bei Niederlagen führen kann. Als Ausgleich können eure Protagonisten nicht sterben, sondern krauchen nach einem verlorenen Kampf wieder zurück ins sichere Mutterschiff, doch erstmal zur generellen Kampfmechanik:

Gefechte finden immer in Gruppen statt, die maximal aus fünf Leuten bestehen und bei fünf Partys ist Schluss. Im Kampf agiert jede Truppe wie ein einziges ´"Misch-Individuum", das seine Werte aus den Attributen (Schaden pro Sekunde, Gesundheitspunkte, Moral) der zugehörigen Charaktere kombiniert. Ein Soldat mit vielen Lebenspunkten übt somit einen positiven Effekt auf die Gesamtgesundheit der Gruppe aus, wenn ein Novize mit wenig Gesundheit dabei ist. So weit nichts Besonderes, aber der

Die violette Leiste unter dem Portrait des Anführers zeigt die Moral der Gruppe, die im Kampf stetig abnimmt, aber durch Attribute und Spezialfähigkeiten wieder gesteigert werden kann. Sinkt die Moral verursachen eure Leute weniger Schaden oder fliehen gar.
Clou sind die drei Kampfstile "Konzentration", "Disziplin" und "Chaos": Jede Einheit und natürlich jeder Gegner verwendet einen dieser Stile, der getreu dem Schere-Stein-Papier-Prinzip einem Anderen über- bzw. unterlegen ist. Konzentration  ist zum Beispiel effektiv gegen Disziplin, jedoch schwächer gegen Chaos - jeweils um den Faktor 25%. Aus diesem Grund solltet ihrimmer auf die Stile innerhalb der Gruppen achten und sofern ihr einer großen Chaos-Meute gegenüberstehen solltet, ist es sicherlich eine gute Idee eure Truppe mit vielen Disziplin-Einheiten auszustatten. Macht ihr es nicht, werden euch die Feinde mit Pauken und Trompeten schlagen. Zum Glück sterben eure Kämpfer nicht, sondern ziehen sich nach der Niederlage zurück, was Zeit sowie Nerven kostet und stellenweise zu Trial&Error verführt (Ausprobieren und Ergebnis abwarten mit vorangehender Speicherung des Spielstandes).

Helden, Talente & Anführer

Vielmehr müsst ihr auf den Anführer der gegnerischen Gruppe achten und gleichermaßen auf den Chef eurer Gruppe und das nicht nur wegen des individuellen Anführer-Bonus. Zu Beginn des Kampfes erscheinen drei Energiekugeln über dem Gruppenfenster, welche die drei Stile symbolisieren und der Anführer gibt seinen Stil quasi vor. Ist beispielsweise Ioan der Anführer, so wird die blaue Energiekugel aufgefüllt, während die anderen beiden leerer werden (die Summe aller drei Kugeln muss 100% ergeben). Ist eine Kugel zu 70% gefüllt, bekommen alle Gruppenmitglieder mit dem gleichen Stil einen Bonus und verursachen 15% mehr Schaden und halten 15% mehr aus.

Zusätzlich sind diese Stil-Punkte nötig, um die Spezialfähigkeit des Helden zünden zu können und wenn ihr ein Spezialtalent einsetzt, gehen Stil-Punkte verloren, die sich dann gleichmäßig auf die anderen beiden Kugeln verteilen. Allerdings sollte man die Spezialfertigkeiten nicht immer sofort zünden, denn mit manchen Attacken lassen sich die Fähigkeiten der Gegner kontern. Das "Anfeuern"-Talent des Novizen schlägt beispielsweise die Furcht-Effekte eines Gegners. Neben dem designierten Anführer können auch andere Mitglieder eurer Gruppe ihre Spezialfähigkeiten einsetzen. Dazu müsst ihr innerhalb des Kampfes den Stiltyp ändern bzw. festlegen welcher als nächstes aufgefüllt werden soll - losgelöst von der anfänglichen Wahl des Anführers. Nachdem ihr zum Beispiel die Lichtexplosion von Ioan ausgelöst habt, marki

Die farbigen Auren um die Personen herum sollen die gezündeten Spezialfähigkeiten verdeutlichen.
ert ihr die rote Chaos-Kugel und sobald der Schwellenwert von Sharas Klingenwirbel erreicht ist, lässt sie die Waffen tanzen, obwohl sie nicht die Anführerin ist. Anschließend müsst ihr die Abklingzeiten abwarten& So kommt es bei den Kämpfen, die immer in kleinen und sehr übersichtlichen Gruppen stattfinden, stark auf die Zusammenstellung der Party an, die clevere Kombination der Fertigkeiten und natürlich müsst ihr die Stile aufeinander abstimmen, was ihr am besten vor dem eigentlichen Kampf macht.

Ich bräuchte eine Pause

Sollte euch jetzt das Kampfsystem wie ein Buch mit sieben Siegeln vorkommen, kann ich euch beruhigen: Anfangs hatte ich ebenfalls Probleme lächerlich einfache Wölfe/Menschen in den ersten Missionen zu besiegen. Aber wenn man den Anführer und die Gruppenkomposition konsequent an den Gegner bzw. Stil anpasst (Anführer beachten) und sich zugleich über Konter-Optionen bewusst ist, gehen die Kämpfe nach gewisser Vorplanung gut von der Hand. Sollten euch mal geskriptet einige Feinde auflauern oder urplötzlich auftauchen, kann schnell Chaos ausbrechen. Und wenn ihr mehrere Gruppen auf dem Schlachtfeld habt, ist es sogar gut möglich, dass ihr mal eine Gruppe bauen müsst, die den ankommenden Schaden mit vielen Lebenspunkten abfängt, während eine andere Party mit vielen Schadensverursachern die Gegner dezimieren. Hier kann es durchaus hektisch zur Sache gehen, genauso wenn eure Partys auf den unterschiedlichsten Ecken der Karte unterwegs sind. Da fragt sich nur, warum gibt es keine Pause-Funktion zur besseren Kontrolle/Planung der Gefechte?

Level-Ups und weitere Soldaten

Kämpfe gegen die starken Wächter sind eine besondere Herausforderung.

Als Verstärkung für die Helden findet ihr auf den Karten diverse rekrutierbare Kämpfer. Diese Neulinge müsst ihr mit der Windchaser abholen, bevor ihr sie euren Gruppen zuteilen könnt, was nur funktioniert, sofern ihr vorher das Gebiet erobert habt. Diese Soldaten erhalten im Kampf Erfahrungspunkte und sobald sie Level 5 erreicht haben, könnt ihr sie an auf der Karte verteilten Gebäuden zu Soldaten, Schurken oder Arkanisten ausbilden lassen, was mit winzig kleinen Buttons unterhalb der Charakterportraits passiert. Steigen eure Mitstreiter weitere fünf Stufen auf, werden jeweils drei Endklassen freigeschaltet und sofern die Windchaser eine Festung beherbergt, könnt ihr alle Klassen an Bord ausbilden. Sobald eine Klasse ihr höchstes Level erricht hat, erhält sie eine neue und verbesserte Version ihres Talentes - blöd nur, dass ihr ausgebildete Truppen nicht mit in die nächste Mission nehmen könnt, was höchstwahrscheinlich die Balance der Karten ausgehebelt hätte. Eure Helden steigen ebenfalls im Level auf und bekommen irgendwann eine verbesserte Fähigkeit, jedoch könnt ihr das Aufsteigen der Helden nicht beeinflussen, alles geschieht automatisch. Es gibt keinen Skillbaum, keine Möglichkeit eigenständig Talente zu wählen oder gar zu entscheiden, welche Attribute erhöht werden sollen und zusammen mit den mageren Einfach-Slots für Ausrüstung und Tränke (pro Gruppe) entpuppt sich der Rollenspiel-Aspekt als dürftig.

Fazit

Die ganz große Überraschung ist dem kreativen Team von Chimera Entertainment mit Windchaser zwar nicht geglückt, aber das Erstlingswerk kann sich sehen lassen. Ein ganz besonderes Lob hat dieses Spiel für die ausgeklügelte Story mit ihren interessanten Charakteren verdient - so eine ungewöhnliche Geschichte hab ich seit langer Zeit nicht mehr in diesem Genre erlebt. Allerdings fehlt dem Abenteuer zum einen eine ansprechendere Präsentation mit besseren Zwischensequenzen. Die abwechslungsreichen Missionen gehen abgesehen vom nervenden Zeitlimt so weit in Ordnung, obwohl auch hier irgendwann Routine aufkeimt. Absolute Gewöhnungssache ist hingegen das Dreistil-Kampfsystem, das dermaßen kompromisslos ist, dass man selbst als Kenner aufgrund des schwachen Tutorials und der langen Lernkurve anfangs auf Granit beißt. Steigt man aber mit der Zeit hinter die Farben, Stile, Talente und Anführer, wird man mit taktisch fordernden Gefechten belohnt – und das ist gut! Aber warum es keine Pausefunktion während der Kämpfe gibt und warum man die Helden nicht weiter individualisieren kann, will nicht in meinen Schädel - hier hätte doch noch so viel mehr Tiefgang und Benutzerfreundlichkeit gelauert! Ob das Spiel gefällt, wird also entscheidend vom Kampfsystem abhängen - das schaut ihr euch am besten selbst in der Demo an. Wir können unterm Strich trotz der Schwächen im Bereich der Technik, Kulisse und Charakterentwicklung eine Empfehlung für alle Spieler aussprechen, die in erster Linie taktisch gefordert und erzählerisch gut unterhalten werden wollen.

Pro

schöne Geschichte
anspruchsvolles taktisches Kampfsystem
sehr gut austarierte Balance, Vorab-Planung ist gefragt
Kampfsituationen erordern andere Taktik/Gruppenzusammenstellung
interessante Spielwelt mit vielen guten Quests
recht lange Einsatzzeit pro Karte
Ausbau der Windchaser, Level-Ups der Helden
Mini-Helden-Inventar, Waren können getauscht werden, Artekakte zu sammeln
ordentliche Sprachausgabe

Kontra

mehr Durchblick beim Kampf wäre wünschenswert (Pause-Funktion?)
schwaches Tutorial, niedrige Einsteigerfreundlichkeit
Zeitlimit in gewissen Missionen
nur ein Schwierigkeitsgrad
Kamera zu nah am Geschehen
Routine stellt sich nach gewisser Zeit ein (Karte erforschen/erobern, Rekruten ausbilden, Kämpfen, etc.)
Helden-Ausbildung kommt zu kurz, keine Individualisierung
ausgebildete Einheiten können nicht von Mission zu Mission mitgenommen werden
Windchaser ist nicht viel mehr als ein fliegendes Inventar/Basis
umständlicher Handel
Präsentations
und Performance-Schwächen

Wertung

PC

Knapp vorbei: Story und Kampfsystem können nicht alle Schwächen ausbügeln!

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