Fussball Manager 0809.11.2007, Mathias Oertel
Fussball Manager 08

Im Test:

Alle Jahre wieder ...geht im Herbst die neue Bundesliga-Saison an den Start ...werden die Bayern aus München zum Meisterschaftsfavorit Nummer 1 gekürt ...ziehen wir uns in der Redaktion mit den (vornehmlich schlechten) Leistungen des jeweiligen Lieblingsteams auf ...versucht das Team um Gerald Köhler, mit einer neuen Auflage des Fussball Managers alle Hobbytrainer zu begeistern.

Das alte Leid

Seid ihr bekennender Fußball-Fan und pilgert regelmäßig oder unregelmäßig zum Stadion eurer Wahl, um euer Team zu unterstützen? Dann kennt ihr mit Sicherheit folgende Situation: Auf dem Weg von den öffentlichen Verkehrsmitteln bekommt man Gesprächsfragmente der Hobby-Trainer mit: Wer heute aufgestellt wird, wer auf der Bank Platz nehmen muss, wer eigentlich spielen sollte und wieso der Hoffnungsträger so schnell wie möglich verkauft werden muss, um wieder liquide für "echte" Verstärkungen zu sein... Im schlimmsten Fall sitzt Kollege Coach sogar neben euch, kippt euch Bier auf die

Eines der neuen Features im FM08: Die Editier-Funktion von Standard-Situationen
Jacke und kommentiert das Spiel - natürlich unpassender als es die gesamte DSF-Doppelpass-Runde samt Korn-Udo und Werbe-Wontorra nicht hinkriegen könnte.

Eventuell kennt ihr auch das Phänomen, das ihr bei einem Länderspiel, einem Champions League-Auftritt oder selbst der Sportschau im TV eine Diskussion beginnt, die eigentlich außer euch keinen interessiert und sehr ähnliche Inhalte hat wie die Aussagen der Stadion-Trainer?

Dann kennt ihr mit großer Wahrscheinlichkeit auch der deutschen liebstes Fußball-Software-Kind... Nein, ich meine hier nicht die FIFA- oder PES-Serien. Es geht natürlich um das ebenso verhasste wie vergötterte Genre der Fussball-Manager. Oder auch "grafisch aufbereitete Tabellenkalkulationen", wie manche sie verächtlich nennen.

Nachdem Sega sich entschlossen hat, die FM-Serie von Sports Interactive nicht mehr nach Deutschland zu bringen und altgediente Franchises wie Anstoss trotz guter Ansätze in ihren letzten Auflagen hinter den Erwartungen zurück blieben, gibt es nur noch ein Pferd im Stall: EAs Fussball Manager. Doch bevor wir uns wie klagende Waschweiber anhören: Dabei handelt es sich immerhin die letztjährige Referenz, bei der das Add-On "Verlängerung" allerdings trotz zahlreicher kleiner Ergänzungen im Wesentlichen nur den Eindruck eines kostenpflichtigen Patches hinterlassen konnte. Da der Fussball Manager 08 (ab 30,00€ bei kaufen) (FM08) wiederum auf seinem Vorgänger samt Ergänzungspack beruht, waren wir skeptisch, ob das jedes Jahr aufs Neue spukende Gespenst namens "Add-On zum Vollpreis" verscheucht werden kann.

Dank FIFA-Engine und zahlreicher neuer Berechnungs-Routinen sind die 3D-Matches extrem spannend und dramatisch...
Zeit für eine neue Ära?

Doch bevor wir uns mit dieser Frage beschäftigen, eine kurze Kuriosität am Rande: Nachdem Thomas Doll als Cover-Star des letzten Jahres beim HSV mangels Erfolges den Hut nehmen musste und sich damit in eine Reihe mit vom Unglück verfolgten EA Sports-Coverhelden einreiht, scheint der Fluch dieses Jahr auch Frontmann Hans Meyer erwischt zu haben.

Glücklicherweise zeigt sich das Spiel von solch merkwürdigen Geschehnissen unbeeindruckt, dazu in vielen Punkten deutlich verbessert und erweitert. So werden z.B. seit neuestem hohe Auflösungen unterstützt, die aber glücklicherweise nicht dazu genutzt werden, nur mit einer größeren Schrift zu protzen. Der im Vergleich zu 1024x768 gewonnene Platz wird für diverse Infoleisten genutzt, von denen einige aus einem angenehm großen Pool von 20 so genannten "Widgets" frei ausgewählt werden können. So hat man stets all die Infos, die einem persönlich wichtig sind, auf einen Blick - oder auch den MP3-Player, ganz nach eigenem Geschmack.

Was den Umfang betrifft, trägt man natürlich aufbauend auf dem letzten Jahr offizielle Lizenzen zur Schau. Das bedeutet, dass HSV-Fans die Raute ebenso vorfinden wie Madrilenen die Krone auf dem Emblem. Und so ganz nebenbei hat man natürlich auch die aktuellen Mannschaftskader im Gepäck - ohne dass Spieler wie Lukas Podolski mit einem verhohnepipelten Namen wie Lukas Padalsko verfremdet werden müssen.

Doch das kennt der eingesessene FM-Fan bereits - genauso wie die umfangreichen Einstellungsoptionen sowohl was die Unterstützung durch CPU-Helfer als auch die eigenen Möglichkeiten betrifft, die man tunlichst ausschöpfen sollte, wenn man am Ende der Spielzeit möglichst weit oben in der Tabelle stehen möchte.

Training, Aufstellung, Taktik, Einzelgespräche, Transfermarkt: Wer will, kann auch dieses Jahr aus dem Vollen schöpfen, wenn es darum geht, seine Mannschaft auf das nächste Spiel einzustimmen.

         

Allerdings gibt es leichte Ungereimtheiten, die einen z.B. bei Einzelgesprächen immer wieder aus dem ansonsten stimmig aufgebauten Arbeitsalltag als Manager, Sportchef und Trainer in Personalunion reißen: Da fordert ein Spieler vehement seinen Einsatz, da er ansonsten kaum Chancen habe, seinen Nationalmannschafts-Coach zu beeindrucken. An sich eine klasse Idee - wenn mir nicht vorher gesagt worden wäre, dass er zum einen leicht verletzt sei, zum anderen von den letzten Spielen so erschöpft, dass ihm eine Pause gut täte.

Interaktion mit den Spielern wird dieses Jahr groß geschrieben, beinhaltet aber auch noch einige kleinere Logikschwächen.
Oder auch die Halbzeitansprache, nachdem mein Team mit 2:0 in Führung liegt. Die Mannschaft hat den Gegner dominiert und dementsprechend lobe ich die Jungs - was allerdings auf Unverständnis innerhalb der Mannschaft stößt. Wieso? Ganz einfach: Weil einige, darunter z.B. der Torwart, der keinen Ball auf den Kasten bekam und dementsprechend keine Gelegenheit hatte, sich auszeichnen, eine Spielbwertungsnote unterhalb der 3 hatten und deshalb das Lob nicht annehmen wollte. Hier funktionieren leider einige Logik-Routinen nicht ganz so, wie es geplant war.

Doch kann das auf lange Sicht den Spielspaß gefährden? Überhaupt nicht, denn was das Team um (er möge mir verzeihen) Altmeister Gerald Köhler um die kleinen Probleme herum an Komplexität auf die Beine stellt, ohne die Benutzerfreundlichkeit und neue Mechaniken aus den Augen zu verlieren, kann sich auch dieses Jahr sehen lassen.

Mehr drin, mehr dran

Das geht schon bei der 3D-Matchansicht los, die trotz unter Umständen höherem Zeitaufwand als bei der Sofortberechnung oder der reinen Textdarstellung das Maß aller Dinge darstellt und zahlreiche Ansichten bis zur freien Kamera erlaubt. Nur hier lassen sich taktische Änderungen oder Einzelanweisungen, z.B. an die Außenverteidiger, sich häufig in den Angriff mit einzuschalten, auf ihre Wirksamkeit überprüfen. Doch das ist nicht alles: So nett und bewährt die Textdarstellung auch ist, so sehr kennt man sie auch schon in- und auswendig. Zur Abhilfe gibt es leider auch dieses Jahr keinen Editor für eigene Textversatzstücke, die mit speziellen Bedingungen versehen, eingeblendet würden. Dies ist ein Punkt, den das Team für nächstes Jahr definitiv auf dem Zettel haben sollte.

Aber mit Hilfe der aktuellen FIFA-Engine (PC-Version) werden die Matches spannend und überzeugend berechnet. Die Spannung kennt bei mir keine Grenzen. Und wer bei Fernsehübertragungen jubelnd ein Tor seines Lieblingsteams feiert, wird auch im FM08 häufiger mit seinem Monitor sprechen und ihn ggf. sogar anschreien, als einem lieb sein kann.

Wie bei den Einzelgesprächen gibt es allerdings auch hier kleine Nervtöter. Dazu gehört z.B. der Kommentar, der sich nicht nur schnell tot läuft, sondern all zu häufig in keinem Zusammenhang zu dem steht, was sich auf dem Rasen abspielt.

Dies ist nur die Spitze des weit reichenden Statistik-Eisbergs. Erinnert sich noch jemand an die Kicker-Stecktabelle? Dann willkommen zu Hause!
Und der Spannung nach Fouls und den daraus entstehenden Schiedsrichterdiskussionen und -Entscheidungen wird durch die immer wieder gleichen Einspielungen der Nervenkitzel geraubt. Beim ersten Mal ist alles noch ok, aber wenn ich weiß, in welcher Zwischensequenz am Ende eine gelbe Karte gezeigt wird, ist die Luft raus. Da aber auch bei der 3D-Darstellung reichhaltige Optionen zur Verfügung stehen, kann man auch auf diese Einspieler verzichten. Und dann kennt sowohl Spannung als auch Emotion fast kein Ende - auch wenn der Wiedererkennungswert der 3D-Modelle gegen Null geht und man nur durch optionale Einblendungen oder dem Namen auf dem Rücken weiß, wer gerade am Ball ist. Denn wenn einer meiner Spieler sich durch ein unnötiges Dribbling wieder mal in der Abwehr festbeißt, fühle ich leichte Wut in mir aufsteigen. Allerdings nicht auf das KI-Verhalten der Engine, die letztlich für diese Fehlleistung veranwtortlich ist, sondern auf die Persönlichkeit und Spielweise meines Dribblers. Die Vorspiegelung einer virtuellen Trainer-Realität ist enorm. 

Der Dauertest, in dem wir die verschiedenen Matchberechnungen auf Tendenz (Sieg/Unentschieden/Niederlage) überprüfen, verläuft ähnlich wie im letzten Jahr: Es gibt immer wieder leichte vom Zufall abhängige Abweichungen, doch mehrfaches Austragen der gleichen Matches unter gleichen Bedingungen mit der gleichen Aufstellung bringt in den verschiedenen Modi (3D/Text/Sofortberechnung/Videotext)  tendenziell das gleiche Ergebnis. Ob es nun ein 1:0 ist oder ein 3:1 ist für uns in diesem Falle irrelevant, da Gevatter Zufall auch in der Realität eine gehörige Rolle spielen kann - oder hätte irgendjemand erwartet, dass der FC Bayern gegen die Eintracht aus Frankfurt nur unentschieden spielt? Eben!

Dank offizieller Lizenzen kommt in allen Wettbewerben umgehend Stimmung auf.
Versprochen

Doch es ist vor allem das Umfeld, das mit zahlreichen Ergänzungen und Neuerungen den Tiefgang des neuen FM erhöht. Mit noch differenzierteren Eigenschaftswerten der einzelnen Spieler kommen dem neuen mehrstufigen Scouting-System sowie der neuen Trainingsanalyse besondere Bedeutung zu. So können Pedanten über einen genauen Beobachtungszeitraum hinweg einen immer genaueren Eindruck von beobachteten Spielern oder Gegnern bekommen. Und wer will, kann das individuelle Training so genau verfeinern, dass die in den umfangreichen Analyse-Tools sowie den Statistiken aufgezeigten Schwächen nach und nach ausgemerzt werden können. Wer darauf keine Lust hat, kann natürlich auch die Assistenten aktivieren, die ihre Arbeit durchaus ansprechend verrichten.  

Doch nach dem Motto "Selbst ist der Mann" bzw. "...die Frau" macht es natürlich deutlich mehr Spaß und die Identifikation mit dem überantworteten Team ist dementsprechend größer. Vor allem, da die Gespräche mit Presse, dem Team im Allgemeinen und den Spielern im Einzelnen jetzt deutlich höhere Auswirkungen zeigen. Kündigt ihr beim Team am Saisonanfang an, dass man um die Europacup-Plätze mitspielen wird und dümpelt dann nur im Mittelfeld oder gar auf den Abstiegsplätzen herum, wird das Auswirkungen auf die Moral haben. Ebenso wenn ihr einem Spieler evtl. schon in den Vertragsvorverhandlungen mit fadenscheinigen Versprechungen den Mund wässrig macht und ihn dann auf der Bank schmoren lasst. Natürlich funktioniert das auch in die andere Richtung: Droht ihr in der Halbzeitpause einem Spieler aufgrund schwacher Leistung mit der Auswechslung und macht dies in der zweiten Halbzeit wahr, steigt euer Ansehen in der Mannschaft.

Ab und an wirkt das Verhalten zwar etwas aufgesetzt und hin und wieder sogar vorhersehbar, doch ein neuer wichtiger Schritt in die Richtung "Noch mehr Realismus" ist getan.

Mit umfangreichen Tools lassen sich nicht nur wie hier die Auswirkungen des Trainings analysieren. 
Tempelbauer

Euch ist die Veltins-Arena nicht groß genug? Die Allianz-Arena zu rund? Der Signal Iduna-Park zu viereckig? Dann schnappt euch den Editor und baut drauf los - vorausgesetzt, ihr habt das nötige Kleingeld, um den heiligen Rasen mit einem wahren Prunkbauwerk zu umgeben. Die Bedienung des Stadion-Editors ist intuitiv und mit haufenweise Versatzstücken (teils konfigurierbar) so umfangreich wie nie zuvor.

Überhaupt muss man sagen, dass die Menüstrukturen sehr übersichtlich gehalten wurden: Mit wenigen Klicks kommt man schnell an den Punkt, an den man möchte und kann von dort auch problemlos andere Bereiche schnell und komfortabel aufsuchen. Aber obwohl es auch zahlreiche Hilfen und Hinweise gibt, die sich an Neueinsteiger richten, ist der FM08 nur mit einer kleinen Warnung und Eingewöhnungszeit für Manager-Neulinge zu empfehlen.

Klar kann man auch nur auf der obersten Ebene Spaß haben und sich z.B. nur um Finanzen kümmern. Doch das komplette Spielerlebnis kommt natürlich nur auf, wenn man alle Fäden in der Hand hält. Und das wiederum bedeutet, dass man sich unter Umständen durch große Info-Tabellen wühlen muss.

Und damit könnten manche trotz guter Benutzerführung und die enorme Tiefe, die erst bei Jugendmannschaften, Immobilienmarkt und Nebensponsoren aufhört, schlichtweg erschlagen werden. Daher unsere Empfehlung für Einsteiger: Einfach anfangen und nach und nach die Berater und Assistenten ausschalten.

Oder mit mehreren Spielern im Hotseat-Modus antreten und dabei entweder aus den Fehlern der anderen lernen oder von erfahrenen Managern den einen oder anderen Kniff abschauen. Leider gibt es immer noch keinen Mehrspielermodus über LAN oder gar Internet, wobei es nach derzeitigem Stand auch nicht danach aussieht, als ob das Team von Bright Future in naher oder mittelfristiger Zukunft diese Option nachrüsten wird.    

Fazit

Der FM08 ist ein Phänomen: Obwohl er in wesentlichen Teilen nur auf der ausgezeichneten Letztjahresvariante aufbaut, hat Bright Future an den richtigen Stellen angesetzt, um dem Spiel noch mehr Tiefgang bei einer vereinfachten Benutzerführung zu geben. Neue Features wie erweiterte Spielergespräche mit deutlicheren Folgen, das Stufen-Scout-System sowie viele kleine Ergänzungen in tieferen Ebenen machen die Herausforderung für alle Hobby-Trainer zu einem Zeit fressenden Vergnügen. Und das, obwohl kleine Schwächen in den Bereichen Spielerlogik, Kommentatoren, dem alternden Textmodus oder den Zwischensequenzen im 3D-Modus immer wieder dafür sorgen, dass ich aus meiner Illusion gerissen werde, wirklich mit Erzgebirge Aue um den Aufstieg ins Oberhaus zu kämpfen. Angesichts des enormen Umfangs hätte der Test noch einige Seiten länger sein können - und hätte doch nur zu einem geführt: Der Empfehlung für alle angehenden PC-Sportchefs, sich Urlaub zu nehmen, eine Trainerbank vor dem Monitor aufzustellen und sich in die Tiefen dieses Manager-Monsters zu begeben. Ihr werdet es nicht bereuen.

Pro

offizielle Lizenzen
umfangreiche Analyse-Tools
Spielergespräche und –Versprechen mit Auswirkungen
übersichtliche Benutzerführung
spannende Echtzeit-3D-Matchdarstellung
haufenweise Statistiken
Hotseat-Modus
verschiedene Berechnungstypen mit tendenziell gleichen Ergebnissen
Ursache und Wirkung meist nachvollziehbar
auch auf schwächeren Rechnern spielbar

Kontra

Textmodus seit einigen Ausgaben unverändert
vorhersehbare Zwischensequenzen im 3D-Modus
kein LAN
oder Internet-Modus
für Einsteiger etwas unübersichtlich
ab und an Logikschwächen (z.B. Einzelgespräche)
nervende Kommentare

Wertung

PC

Enormer Umfang gepaart mit übersichtlicher Menüführung und dazu noch jede Menge Spannung... Das Paradies für Hobbytrainer!

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