Zeno Clash07.05.2009, Jens Bischoff
Zeno Clash

Im Test:

Dürstet es euch nach einem aus dem Shooter-Einheitsbrei heraus stechenden Action-Abenteuer aus der Ego-Perspektive? Wollt ihr nicht nur mit Schusswaffen, sondern auch im Nahkampf euren Mann stehen? Dann könnte Zeno Clash (ab 9,99€ bei kaufen) genau nach eurem Geschmack sein. Doch Vorsicht, die günstig zu habende Steam-Kur aus Chile kommt mit vielen unliebsamen Nebenwirkungen daher!

Zu viel des Guten

Ich will ja gar nicht wissen, welche anregenden Mittel die Entwickler zu sich genommen haben, aber diese Figuren, Schauplätze und Szenen kann man sich bei klarem Verstand kaum ausdenken. Aber egal, denn das Ergebnis ist herrlich skurril und abgefahren:

Video: Phantasievolle Kulissen und herrlich bizarre Figuren können die spielerischen Mängel nicht vertuschen. Das Spiel beginnt mit der Flucht eines geschundenen Kriegers, der angeblich seine Eltern auf dem Gewissen hat. Wobei "Eltern" eigentlich das falsche Wort ist, da Vater und Mutter ein und dieselbe Person sind - eine Art einäugiger Transvestit mit Greifbeinen und angenähter Lederbrust, der wie auch immer Dutzende noch abartigerer Nachkommen gezeugt hat, die nun Jagd auf euch machen. Wie es dazu kam, wird in teils spielbaren Rückblenden versucht zu erklären. Aber nach dem letzten der insgesamt 18 sowohl in der Vergangenheit als auch der Gegenwart spielenden Kapitel ist man nur wenig schlauer als zuvor. Kann natürlich auch gut sein, dass die südamerikanischen Entwickler irgendwann selbst nicht mehr wussten, auf was sie eigentlich hinaus wollten.

Neben der konfusen Story haben es die Chilenen aber auch bei den Dialogen etwas übertrieben. Anfangs schmunzelt man noch, wenn man vermutlich selbst reflektierte Sätze wie "Die Korwid sind keine Sklaven der Realität, daher können sie verrückt sein" oder "Wenn du keine Kohärenz in der Welt finden willst, tu uns und dir wenigstens den Gefallen, apathisch zu werden" liest; später macht man sich anhand von Aussagen wie "Gabel hat Menschen gegessen, das musste er einfach tun" oder "Wäre ich wie Animasta gewesen, hätte ich gewollt, dass Gabel mich isst. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich gegessen werden musste" ernsthaft Gedanken über den Geisteszustand der verantwortlichen Autoren. Doch spätestens wenn Sprüche wie "Erminia hat sich selbst angepinkelt und ist anonym verhungert, so war Erminia" (siehe Screenshot unten) vom Stapel gelassen werden, schaltet man sein Hirn komplett aus und prügelt sich nur noch durch eines der wohl abgedrehtesten Kuriositätenkabinette seit Oddworld: Strangers Vergeltung .

Plumpes Chaos

Leider versprüht der bizarre Prügelmarathon per Source-Engine aber nicht annähernd die Eleganz und Dynamik eines Mirror's Edge  oder die packende Intensität von Monolith Productions' hierzulande beschlagnahmter Killerhatz im amerikanischen Untergrund. Ganz im Gegenteil. Statt spannender Duelle und cleverer Nutzung der Spielumgebung dominieren chaotische Gruppenkämpfe, bei denen man mehr auf der Flucht als am kämpfen ist, das immer hektischer und öder werdende Geschehen.

Unfreiwillige Komik: Keine Ahnung, was der Dialogautor hier eigentlich sagen wollten, aber es war sicher nicht lustig gemeint...
Die zum Teil hübsch designten Umgebungen sind völlig statisch und bestehen fast nur aus mickrigen Schläuchen und Arenen, die immer wieder mit denselben Widersachern geflutet werden. Angesichts von gleichzeitigen Attacken aus verschiedenen Richtungen wirkt die Egoperspektive völlig fehl am Platz. Nichts ist nerviger als bei einem auf der Kippe stehenden Bossfight immer wieder von hinten in den Rücken geschossen zu werden, vor allem wenn man feststellt, dass die lästigen Heckenschützen nach ihrer Energie zehrenden Eliminierung einfach wiederkommen.

Natürlich kann man auch selbst von Gewehren, Pistolen oder Armbrüsten Gebrauch machen, aber ein gezielter Gegentreffer reicht und die Schusswaffe fällt zu Boden, was angesichts der exorbitanten Nachladezeiten ständig passiert. Der Einsatz von Schlagwaffen ist ebenfalls alles andere als zufrieden stellend gelöst, da man mit Knüppel oder Keule jegliche Abwehrmöglichkeit verliert. Mit verschränkten Händen kann man blocken und ausweichen, mit einem massiven Holzstab hingegen nicht - schon klar... Auch der Einsatz von explodierenden Schädelgranaten ist alles andere als handlich und präzise. Da spielt es selbst keine Rolle mehr, dass man das verfügbare Waffenarsenal fast an einer Hand abzählen kann.        

Sadismus oder Unfähigkeit?

Am dreistesten ist allerdings die mangelhafte Unterstützung von Gamepads. Eigentlich wäre ein Dualstick-Controller ja geradezu prädestiniert für die im Mittelpunkt stehenden Faustkämpfe, aber trotz stundenlangen Experimentierens mit unterschiedlichen Modellen, wollte die Maus einfach nicht die Kontrolle über die Kamera abtreten, so dass jeder, der nicht einen dritten Arm sein Eigen nennt, zur Steuerung mit Tastatur und Nager gezwungen wird.

Quantität statt Qualität: In den chaotischen Massenschlägereien geht jede Übersicht verloren.
Die funktioniert zwar halbwegs zufrieden stellend und bietet bei Feuergefechten mitunter sogar Vorteile, nötigt aber auch zu Fingerverrenkungen und dem Kleben direkt am Bildschirm. Letzteres ist aber sowieso Pflicht, da die Fadenkreuze der Schusswaffen zum Teil so winzig sind, dass man sie mit der Lupe suchen muss, was quasi einen vierten Arm voraussetzt. Alternativ kann man sich natürlich auch die beiden Hände eines Freundes borgen, der mangels sonstiger Mehrspielerelemente so doch noch zu Koop-Ehren kommt.

Solisten bekommen neben der nur wenige Stunden dauernden Story-Kampagne hingegen noch einen drögen Herausforderungsmodus spendiert, bei dem man sich Stockwerk um Stockwerk an die Spitze eines feindverseuchten Gemäuers kämpfen kann, um seinen Mangel an sinnvoller Beschäftigung in Online-Ranglisten zur Schau zu stellen. Wer will, kann sich auch auf die Jagd nach Steam-Achievements machen, wo Zeno Clash im Moment für knapp 16 Euro zu haben ist. Die ordentliche englische Synchro wurde hierzulande deutsch untertitelt. Allerdings ist Letztere eher von durchwachsender Qualität und wirkt zum Teil wie unbeaufsichtigt durch Babel Fish gejagt. Besonders tragisch ist das jedoch nicht, da viele Sätze auch im Originalton kaum Sinn ergeben.

Zwischen Langeweile und Frust

Wenig Gedanken scheint man sich auch beim Schwierigkeitsgrad und der Spielbalance gemacht zu haben. Zwar gibt es drei verschiedene Schwierigkeitsstufen, zwischen denen man jederzeit hin und her wechseln kann. Aber meist sind die Auseinandersetzungen entweder auf allen drei Stufen zu niedrig oder selbst auf der leichtesten Stufe zu hoch.

Feuer frei: Manche Gegner lassen sich nur mit skurrilen Schusswaffen besiegen.
Vor allem im Clinch mit mehreren Gegnern, die auch noch Gebrauch von Schusswaffen machen oder sich auf unerreichbaren Anhöhen verschanzen, sind Nerven gefragt. Auch die Bosskämpfe sorgen entweder für müde Gähner oder hasserfüllte Frusttiraden. Von einem ausgewogenen Anstieg der Lernkurve ist Zeno Clash jedenfalls genauso weit entfernt wie die CSU von einer gönnerischen Schirmherrschaft der ESL .

So prügelt und ballert man sich teils gelangweilt, teils fluchend durch mickrige Spielabschnitte, nickt dem Artdesign immer wieder anerkennend zu, genießt jede Menge unfreiwilliger Komik und schüttelt angesichts der spielerischen Defizite verständnislos den Kopf. Egal ob nutzlose Begleiter, falsche Zielangaben oder regungslos in Hindernissen verhängender Bossgegner, die Mängelliste nimmt einfach kein Ende. Schade um die zum Teil wirklich interessanten und gelungenen Ansätze, aber die Fehlgeburt ihres Babys haben sich die chilenischen Entwickler am Ende selbst zuzuschreiben. Hoffentlich lernen sie aus diesem Patzer und entwickeln demnächst einen grafisch ungewöhnlichen UND spielerisch gesunden Sprössling.     

Fazit

Eigentlich müsste man Zeno Clash allein schon für sein bizarres Szenario mit all den abgefahrenen Charakteren und Kulissen lieben. Aber während das Erinnerungen an Oddworld wach rufende Artdesign Respekt verdient, muss das Spieldesign kritisiert werden. Denn hinter der abgedrehten Fassade enttäuscht der Titel mit völlig chaotischer Steuerung und hoffnungslos öder Fließband-Action. Auch Dialoge und Story hätten konfuser kaum sein können. Beispiel gefällig? "Erminia hat sich selbst angepinkelt und ist anonym verhungert" - nichts gegen skurrile Texte, aber das ist arm. Na ja, unfreiwillige Komik gibt es in Zeno Clash jedenfalls mehr als genug; Spielbalance, Abwechslung und Umfang lassen hingegen extrem zu wünschen übrig. Selbst die an sich interessanten First-Person-Kämpfe versinken in einem Sumpf aus hektischem Herumgerenne, fragwürdiger Kollisionsabfrage und mangelnder Übersicht gegen immer gleiche Widersacher. Abgesehen davon passen Gruppenschlägereien und Ego-Perspektive einfach nicht zusammen, warum man mit Schlagwaffen nicht blocken kann, ist mir ein Rätsel und dass man selbst mit Dual-Stick-Controller noch gezwungen ist, die Kamera mit der Maus zu steuern, ist ein Unding sondergleichen. Es sei denn, man hat drei Arme, wovon die Entwickler wohl genauso ausgegangen sind wie von einem grundsätzlich vorhandenen Röntgenblick zur Erkennung nahezu unsichtbarer Fadenkreuze. Der Versuch Mirror's Edge  und Dark Messiah zu kreuzen ist jedenfalls ziemlich in die Hose gegangen, auch wenn vieles so schlecht ist, dass es schon wieder amüsant ist!

Pro

bizarres Szenario
phantasievolle Kulissen
abgefahrene Charaktere

Kontra

geringer Umfang
chaotische Gruppenkämpfe
unausgewogene Spielbalance
stark limitiertes Abwehrsystem
unausgereifte Kollisionsabfrage
lachhafte Controller-Unterstützung
mickrige Levelschläuche & -arenen
mangelnde Gegner
& Waffenvielfalt

Wertung

PC

Herrlich bizarres, aber enttäuschend ödes und unausgereiftes Ego-Abenteuer.

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