Civilization 517.08.2010, Jörg Luibl
Civilization 5

Vorschau:

Vorsicht, ihr Strategen - Sid Meier naht! Wenn es ein Spiel gibt, das wie kein zweites für durchgemachte Nächte in Rundenhypnose steht, dann ist es Civilization. Schon viermal konnte der Aufbau des eigenen Weltreiches für strategische Faszination sorgen. Kein Wunder also, dass man dem fünften Teil ebenso neugierig wie ehrfürchtig entgegen fiebert. Altmeister Firaxis will auch im Zeitalter von HD, 3D und Fuchtelfitness mit klassischen Tugenden begeistern.

Das Jonglieren der Stadtstaaten

Ein Reich zwischen den Wolken: Firaxis hat die Benutzeroberfläche angepasst und setzt auf Hexfelder sowie eine Truppe pro Feld.
Soll ich mich mit Oslo anfreunden? Gerade eben hat mein Scout den maritimen Stadtstaat auf der Karte entdeckt. Er gehört weder den Amerikanern noch den Russen, sondern wirtschaftet frei wie eine Hansestadt zu besten Zeiten vor sich hin. Aber wenn ich mein Verhältnis zu Oslo über Geschenke oder spezielle Missionen wie die Abwehr von Barbaren oder die Lieferung von Luxuswaren ausbaue, kann ich davon profitieren: Ab einer bestimmten Stufe der Sympathie bekomme ich z.B. automatisch Zugriff auf die Handelswaren der Stadt und je nach politischem Typ, gewinne ich an Kultur oder bekomme gar eine militärische Einheit geschenkt!

Von diesen Stadtstaaten gibt es bis zu sechzehn auf einer Karte und sie bereichern das Spielerlebnis von Civilization V deutlich. Denn auch die KI der anderen Nationen mischt mit, wenn es um die Gunst dieser teilweise reichen Metropolen geht. Aber so verführerisch ein räuberischer Angriff auf diese wirken mag, sind diese sehr wehrhaft: Zum einen profitieren sie vom neuen Kampfsystem, das auch Fernangriffe einer Stadt erlaubt - wer sich nähert, wird bombardiert und gerade zu

Wie gehabt verschieben sich die Grenzen je nach Wirkungsmacht der eigenen Nation dynamisch.
Beginn hat man wenig Mauer brechende Argumente. Zum anderen könne sie sich selbstständig mit anderen Nationen verbünden, so dass man bei einem Überfall einen Krieg mit dem großen Bruder riskiert.

Wer es dennoch schafft, hat nach der Eroberung die Wahl: Brandschatzen für Gold, feindliche Übernahme oder politische Marionette? Letzteres kann hilfreich sein, denn so bekommt man die Handelswaren und die Bevölkerung bleibt fröhlich. Ein Wermutstropfen bleibt allerdings auch, wenn es um die Interaktion mit den Stadtstaaten geht: Man kann erstens nicht in direkte diplomatische Gespräche mit ihnen treten, um spezielle Verträge auszuhandeln. Und man kann zweitens andere Nationen, die einen verbündeten Stadtstaat attackieren, nicht genau auf diesen Angriff festnageln und in einem Gespräch den Abzug fordern - gerade im späteren Spielverlauf, wenn die Grenzen enger und die Begehrlichkeiten der KI größer werden, so dass sie auch diese Metropolen schlucken wollen, wünscht man sich eine bessere diplomatische Möglichkeit. Hier hätte es gereicht, wenn man den Aggressor ähnlich wie beim Überschreiten der Grenze genau darauf aufmerksam machen könnte.

Kämpfe ohne Stapelwirrwarr

Das Kampfsystem profitiert auch von Angriffen aus der Distanz - man muss seine Truppen cleverer positionieren. 
Eine weitere gute Designentscheidung neben der Integration der freien Städte findet sich im Militär sowie dem damit verbundenen Kartenprinzip, das ähnlich wie in vielen strategischen Brettspielen auf Hexfelder setzt. Das Kampfsystem wirkt entschlackter und wesentlich durchdachter, denn man wird nicht mehr vom Mikromanagement zig gestapelter Truppen auf einem Feld aufgehalten: Zum einen sorgt die Beschränkung auf eine Truppengattung pro Feld dafür, dass man Nah- und Fernkämpfer cleverer positionieren und einsetzen muss. Dazu gehört auch der Klassiker: Bogenschützen hinter Kriegern.

Zum anderen können Städte jetzt wie oben erwähnt schon in der Frühphase heran nahende Feinde angreifen - das macht schnelle Eroberungen schwieriger und verlangt eine bessere militärische Planung der Invasion. Dazu gehört auch ein Blick auf das Terrain, denn Berge verhindern z.B. den einfachen Beschuss und es lohnt sich, eine Festung in einer Schlucht zu bauen sowie auf die Küsten zu achten: Schon mit den ersten Galeeren kann man Truppen an Land effizient unter Beschuss nehmen!

       

Titicaca-See und Pyramiden

Die Kulisse kann sich sehen lassen: Diesmal kann man auch Naturwunder auf der Karte entdecken.
Firaxis hat die Kulisse deutlich verfeinert: Wer alle grafischen Details plus Nebel aktiviert, wird in eine idyllische Welt abtauchen, die sich vom Wolkenhimmel bis hin zur Schafweide mit sanftem Zoom erschließt. Das Meer glitzert ansehnlich und es gibt markante geografische Naturwunder in Form von riesigen Vulkanen, massiven Gebirgen oder Salzseen - wer sie als Erster findet, bekommt einen Bonus; wer in ihrer Nähe baut, profitiert von reichen Erträgen im Umfeld. Die Erkundungsreize auf der Karte werden noch von Ruinen verstärkt, in denen man Gold finden kann.

Die klassischen Weltwunder werden teilweise auf der Karte außerhalb der Städte gebaut: Die Pyramiden oder der Koloss stehen erst mit Gerüsten da und wachsen beständig in die Höhe. Aber man kann es auf Mausklick auch puristischer haben, indem man die zweidimensionale Hexfeldkarte aktiviert: Dann wiehern zwar keine 3D-Pferde auf der Koppel, aber man spart Rechenpower und bekommt eine gute Übersicht.

Ganzkörper-Diplomatie

18 Zivilisationen mit leicht unterschiedlichen Startbedingungen warten auf weise Anführer. Es gibt Klassiker wie die Deutschen unter Bismarck, die irgendwann den Panzer als Spezialeinheit erfinden, oder die Engländer unter Elizabeth, die natürlich eine fortschrittlichere Marine entwickeln. Und es gibt exotischere Völker wie die Siamesen mit ihren Kriegselefanten oder die Irokesen mit ihren Mohawk-Kriegern. Es bleibt dabei, dass jede Zivilisation mit leicht anderen Technologien und Voraussetzungen startet und spezielle Einheiten entwickeln kann.

Wer die dritte Dimension nicht braucht und ein Brettspielerlebnis sucht, schaltet auf die 2D-Sicht mit Hexfeldern.
Die Ganzkörperdarstellungen der Herrscher noch nicht überzeugt. Sobald es in diplomatische Verhandlungen geht, spricht man quasi im Audienzsaal mit Bismarck, Napoleon & Co in der jeweiligen Landessprache. Zwar zeigen alle unterschiedliche Gemüter und Animationen, aber diese wirkten mit der Zeit doch sehr eintönig und grafisch nicht besonders beeindruckend.

Die Diplomatie zwischen den Zivilisationen wirkt auf den ersten Blick wie gehabt, bietet aber mehr Möglichkeiten, was gezielte Aktionen gegen einen Feind angeht - vom Vorschlag der grundsätzlichen Zusammenarbeit bis hin zu Handelsembargos uns speziellen Vereinbarungen. Leider gibt es im Gegensatz zum klar erkennbaren Verhältnis zu den Stadtstaaten, das z.B. bei 66% liegen kann, keinerlei grafische oder mathematische Anzeige für den Stand der Beziehungen zu anderen Nationen. Außerdem habe ich das Geflecht der Beziehungen vermisst, das früher über bunte Linien angezeigt wurde. So weiß man nicht immer, wie es um die Außenpolitik bestellt ist. Dafür gibt es innepolitisch mehr Freiheit in Form eines eigenen Entwicklungsbaumes: Man kann innerhalb eines politischen Systems noch kleine Zusatzeigenschaften freischalten, die Boni bringen. Auf die Feinheiten der Diplomatie und Innepolitik werden wir allerdings erst im Test eingehen.

Wer die Berater als Einsteiger komplett aktiviert, wird übrigens behutsam in die Spielmechanik eingeführt - es gibt quasi zu jeder Aktion und jedem Icon der Benutzeroberfläche eine Erklärung. Auch den Mod- und Multiplayerbereich will Firaxis erweitern: Die Community soll nicht nur weltweit miteinander spielen, sondern eigene Szenarien einfacher entwerfen und über das Internet tauschen können.

    

Ausblick

Die Nächte mit der Vorschauversion waren angenehm lang und ereignisreich. Auf viele Feinheiten wie den neuen Politikentwicklung oder Änderungen im Mikromanagement oder der Benutzeroberfläche wollte ich im Rahmen der Vorschau allerdings noch nicht eingehen. Denn zwei neue Säulen tragen trotz vieler alter Tugenden ein frisches Spielerlebnis: Die Stadtstaaten und das Kampfsystem. Erstere sorgen als eigenständige Metropolen für wesentlich mehr Abwechslung und Bewegung im außenpolitischen Spiel der Mächte. Und Letzteres sorgt dank der Beschränkung auf eine Truppe pro Feld sowie dem effizienten Fernangriff für eine Entschlackung sowie taktische Aufwertung der Gefechte. Obwohl auch die Diplomatie ergänzt wurde, bleiben da noch einige Fragezeichen in der Interaktion mit den Stadtstaaten und die neue Ganzkörperaudienz bei Bismarck & Co hat mich auch noch nicht überzeugt. Aber im Zeitalter von Move, Kinect und Fuchtelfitness tut es unheimlich gut, wenn man mal wieder mit der Maus in der Hand und Hexfeldern vor Augen die Zeit vergisst. Wer Rundenstrategie liebt, wird Ende September auch diese Tochter von Sid Meier heiraten müssen.

Ersteindruck: sehr gut

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