Total War: Shogun 215.02.2011, Jörg Luibl
Total War: Shogun 2

Vorschau:

Ob die schwer gepanzerten Shogune ins Feld ziehen, wenn die ersten Kirschbäume in Tokyo blühen? Die Chancen stehen nicht schlecht: Das Strategiespiel von Creative Assembly erscheint am 15. März vielleicht parallel zum japanischen Frühlingsfest - das wäre ein fast schon göttliches Timing zwischen Antike und Moderne. Die Frage ist natürlich, ob dieser kulturelle Höhepunkt von einem hervorragenden Spiel begleitet wird.

Belagerungen und KI

Nach zwei Vorschauen stehen diesmal nicht die stilistische Atmosphäre mit ihrer intensiven Beleuchtung, die kleinen Menü- und die großen Jahreszeitenänderungen oder die runderneuerte Strategiekarte mit Ninjas & Co, sondern der Kampf im Mittelpunkt. Die britischen Entwickler haben nicht nur hinsichtlich des Verhaltens der KI, sondern in einem speziellen Bereich deutliche Besserung versprochen: Die Belagerungen. Dieser qualitative Schwachpunkt der Total War-Reihe soll in Shogun ausgemerzt werden. Wie will man das machen? Und gelingt das Vorhaben? Wir konnten zwar noch nicht alle militärischen Konstellationen ausprobieren, aber bereits einige Schlachten schlagen.

Es wird bekanntlich drei Festungstypen geben, die man in fünf Stufen ausbauen kann: Berg-, See- und Landburgen. Die architektonische Entwicklung ist sehr wichtig, denn Creative Assembly setzt bei den Belagerungen auf eine Art Terrassenprinzip mit strategisch relevanten Punkten. Eine Burg besitzt zwar eine klassische Mauer als äußeren Schutz, ist aber im Inneren über mehrere Etagen bzw. Enklaven angelegt, die man einzeln halten bzw. erobern kann - dargestellt durch Flaggen mit Einflussradien sowie direktem Zugriff auf Türme oder Tore. Da man selten genug Truppen hat, um eine große Festung wirklich an allen Stellen zu bemannen, muss man schon vor der Schlacht einige Prioritäten setzen. Und hier beginnt ein taktisches Hin und Her, das Total War bereichert.

Dynamische Angriffsmuster

Ziel ist es, als Fürst (Daimyo) so mächtig zu werden, dass einen der hilflose Kaiser (Tenno) zum General (Shogun) ernennt - also zum militärischen Beschützer des Landes. Je nach Wahl eines von neun Clans soll man ganz andere Startbedingungen und Fähigkeiten in der Schlacht haben.
Die künstliche Intelligenz der Feinde beschränkt sich (vor allem unter einem fähigen Shogun) nicht auf frontale Märsche gen Haupttor oder einfache Umgehungen, sondern bläst bei einer Belagerung zum Zwei-, manchmal zum koordinierten Drei-Fronten-Angriff. Man beobachtet sogar fintierte Vormärsche und plötzliche Richtungswechsel. Als Verteidiger wähnt man sich gerade in den mächtig wirkenden Festungsanlagen zunächst sehr sicher, vor allem mit einem Berg im Rücken und ein paar Abteilungen Bogenschützen in Reichweite. Aber schon auf dem normalen KI-Niveau muss man sehr schnell auf die überraschend flexiblen Angriffsmuster reagieren.

Bei diesen Belagerungen, aber auch in einzelnen historischen Feldschlachten, ist schon jetzt eine Qualitätssteigerung hinsichtlich des Verhaltens zu bemerken. Man muss nicht nur als Verteidiger von Festungen mehr auf der Hut sein als noch in Empire: Total War, sondern auch in der Landschaft ein Auge auf schmale Passagen und potenzielle Schwachpunkte an den Flanken haben. Allerdings werden Gebäude wie kleine Hütten für meinen Geschmack immer noch nicht konsequent genug in das Kampfgeschehen eingebunden und es kommt manchmal zu konfusen Truppensammlungen nach dem ersten Kontakt - wenn sich Musketenschützen plötzlich schräg mit dem Rücken zum Feind postieren.  

Nicht nur Fürsten sollen als mächtige Krieger und Befehlshaber in Personalunion auftreten, sondern auch mythologisch oder historisch inspirierte Helden wie Kampfmönche.
Aber dafür beobachtet man einerseits mehr Hinterhalte und kann andererseits mit einer Speertruppe plus Wallformation einen groß angelegten Kavallerie-Angriff an einer Brücke stoppen. Gerade diese Spezialfähigkeiten, darunter viele bekannte wie das Plänkeln, der Keil der Kavallerie, aber auch Brandpfeile oder das Bilden eines Quarees aus Speeren sind manchmal das Zünglein an der Waage. Auf alle diese Formationsfinessen, ihre Balance und Wirkung werden wir im Test näher eingehen.

Auch die interessante Multiplayerkompenente muss sich erst in der Praxis beweisen: Neben den bekannten Gefechten gegeneinander inkl. direkter Einstiegsfunktion soll es auch einen permanenten Kampf um Japan auf mehreren Servern geben. Anders als in Online-Rollenspielen tummeln sich dort natürlich nicht tausende Helden, sondern um die 30 Clans wetteifern um die Land- und Seeprovinzen. Ähnlich wie in Sportligen soll es nach einem Zeitraum von knapp 14 Tagen die Möglichkeit zum Aufstieg für die besten Clans geben.           

Wieselflinke Klettersamurai

Die Entwickler wollen nicht nur bekannte Persönlichkeiten der Epoche integrieren, die getötet werden und Nachwuchs bekommen können, sondern auch eine bessere Geschichte erzählen, indem sie mehrere Charaktere und eine historische Dramaturgie aufbauen.
Dass der Angreifer bei den Belagerungen ein wenig im Vorteil zu sein scheint, liegt aber auch am System: Die Fußsoldaten kommen sehr leicht, fast schon wie Ameisen über die abgeschrägten Wälle - wenn man genau hinein zoomt, erkennt man abgesehen von den überraschend schwachen Texturen auch keine Sturmleitern oder Ähnliches; sie krabbeln einfach hoch. Müsste das nicht länger dauern oder wenigstens über siedendes Öl oder Ähnliches erschwert werden können? Das hätte man grafisch eleganter und individueller lösen können, genauso wie den Pfeilbeschuss: Mal abgesehen davon, dass die einfachen Bogenschützen relativ schwach wirken, vermisst man an einigen Stellen die Kollisionsabfrage zwischen Projektil und Mauer - wir sind gespannt, wie sich die finale Version präsentiert; es wird ja mehrere Arten Schützen geben, darunter auch mit Pulver feuernde Arkebusen.

Schweres Gerät wie Katapulte oder Kanonen haben wir bisher auch noch nicht eingesetzt. Immerhin lassen sich die Wehrgänge jetzt etwas komfortabler, wenn auch noch nicht ganz intuitiv mit Bogenschützen bemannen, was den direkten Schaden auf heran nahende Feinde allerdings nicht spürbar erhöht. Müssten die Projektile da nicht verheerender in den Krabbelgruppen einschlagen? Sprich: Man wird schon ein wenig gezwungen, in Bewegung zu bleiben und Truppen rechtzeitig zurück zu ziehen. Hat der Feind den äußeren Wall überrannt, ist die Schlacht aber noch nicht verloren. Es kann sogar sinnvoll sein, sich geordnet zurück zu ziehen, um die Gegner dann im Inneren einzukesseln.

Taktisches Turmspringen

Die Kämpfe wurden über Motion Capturing bei der British Kendo Association aufgenommen, um möglichst realistische Bewegungsabläufe mit den asiatischen Waffen zu zeigen: Egal ob Wakizashi oder Naginata, Tanto oder Yari - alles ist dabei.
Neben zusätzlichen Mauern gibt es auch die erwähnten Türme, die bei der Besetzung ihres Flaggenpunktes ihre Pfeilsalven feuern. Schade ist, dass man ihre Bemannung nicht direkt mit einzelnen Männern visualisiert - so wirken sie wie automatische Abwehranlagen. Schön ist, dass man diese Türme auch als Angreifer besetzen und für seine Zwecke nutzen kann, um sich quasi in einer feindlichen Burg fest zu setzen. Das sorgt natürlich für taktische Spannung im Großen, denn es entsteht ein Katz-und-Maus-Spiel an mehreren Fronten, bei dem es neben Schere, Stein und Papier auch um clevere Kesselbildungen und punktuelle Eroberungen geht. Und genau diese Dynamik wird im Gegensatz zu einem Stellungs- und Grabenkrieg vom Spiel forciert.

Wenn man genau hinschaut, wird man im Kleinen (jedenfalls als militärhistorischer Fetischist) allerdings etwas mehr Realismus und destruktive Möglichkeiten bei den Belagerungen vermissen. Die etwas zu leicht anmutenden Stürmungen der Mauern wurden schon erwähnt, dazu gehört auch eine entscheidendere Rolle des Burggrabens oder Feinheiten wie fahrbare Schilde gegen die Schützen, Fußangeln oder spitze Pflöcke als Hindernis, mögliche Tunnelgrabungen oder auch

Die Seegefechte sehen gut aus, konnten aber in der Praxis noch nicht ganz überzeugen. Auch hinter der Multiplayer-Komponente mit dem territorialen Kampf auf mehreren Servern steht noch ein Fragezeichen.
Feuer - immerhin bestanden die japanischen Festungen zu 90% aus Holz. Und dafür sorgten Brandpfeile bisher nicht gerade für Angst und Schrecken. Ob das noch kommt, wenn man fortschrittlichere Techniken entwickelt hat? Man kann seinen Clan ja in den Bereichen Bushido (Kampf) und Chi (Wirtschaft/Regierung) stetig verbessern und neue Fähigkeiten freischalten.

Etwas ernüchternder wirkten Schlachten um kleinere Festungen - hier ließ sich die KI teilweise zu hanebüchenen Aufstellungen hinreißen: Da warten zwei Kavallerie-Einheiten rechts und links von einer Burg und man kann einfach zentral ohne Gegenwehr hinein stürmen oder mit einer kleinen Truppe die Tore öffnen. Vielleicht war das dem nicht finalen Code oder der fehlenden Brisanz des strategischen Ortes geschuldet. Auch die Seegefechte litten noch unter kleinen Fehlern: So ansehnlich die mehrstöckigen Holzschiffe auch auf hoher See manövrieren, so nervig war das Entern. Manchmal dauerte es eine Ewigkeit, bis ein Schiff endlich per Seilhaken an die Breitseite gezogen und gestürmt wurde.      

Ausblick

Ich freue mich auf die Rückkehr von Shogun! Creative Assembly ist inhaltlich auf einem sehr guten Weg, auch wenn der grafische Sprung auf den ersten Blick eher ein stilistischer als technischer ist - die Schlachten wirken aufgrund der stimmungsvollen Beleuchtung fast wie Gemälde. Wichtiger ist: Auch wenn es en detail noch hakt, haben die Belagerungen eindeutig an Anspruch und Vielfalt gewonnen. Es kommt zu einem spannenden taktischen Kampf um relevante Punkte. Auch die KI im Allgemeinen hat einen Schritt nach vorne gemacht, denn sie täuscht Angriffe vor, nutzt Flanken und Hinterhalte besser. Shogun bemüht sich zwar hinsichtlich der Truppentypen und Bewaffnung vorbildlich um militärhistorische Authentizität, aber man sollte hier keine Simulation erwarten. In der Geschichte des alten Japan tobten zwar einige Schlachten um Festungen, darunter auch die Belagerung der Burg von Osaka zwischen 1614 und 1615, allerdings wurden sie entweder vor den Toren oder mit wesentlich mehr destruktiven Mitteln vom Tunnelbau bis hin zur gezielten Brandlegung ausgetragen. Trotz dreier Vorschauen bleibt noch so viel offen: Wie präsentiert sich die Kampagne über längere Zeit politisch und erzählerisch? Wirken sich die unterschiedlichen Stile der Clans aus? Können die Seegefechte noch zulegen? Welche Rolle spielt die Diplomatie und kann man über die Konzentration auf Bushido oder Chi wirklich anders spielen? Funktioniert das neue Multiplayerkonzept mit dem territorialen Aufstiegssystem? Egal wie es ausgeht: Es ist schön zu sehen, dass diese großartige Strategiereihe so engagiert weiter entwickelt wird.

Ersteindruck: sehr gut

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