Torchlight 220.06.2012, Marcel Kleffmann
Torchlight 2

Vorschau:

Jahrelang haben Hack&Slay-Fans wie ich auf Diablo III gewartet und wurden mit der Veröffentlichung im Mai 2012 nicht vollends glücklich. Blizzard konnte die hohen Erwartungen nicht erfüllen und enttäuschte mit vielen unnötigen Vereinfachungen, Einschränkungen und Problemen. Kann dessen kleiner Bruder im Geiste, Torchlight II, für mehr Begeisterung sorgen?

David gegen Goliath: Torchlight vs. Diablo

Schon nach dem ersten Akt, den wir in der Beta spielen konnte, kristallisierte sich heraus, dass sich das Hack&Slay von Runic Games nicht vor Diablo III verstecken muss. Es ist vielmehr umgekehrt: Das hohe Tempo, der Spielfluss, das stimmige Comic-Design, die neue Oberflächenwelt, viele abwechslungsreiche Dungeons, mehr Bosskämpfe, haufenweise Gegenstände und Möglichkeiten zur Charakter-Entwicklung sowie der Mehrspieler-Modus (Online und LAN) versprühen so viel Charme, dass sich Diablo III warm anziehen muss. Doch erstmal der Reihe nach, denn genauso wie beim Spiel von Blizzard ist die Hintergrundgeschichte nicht gerade das Sahnestück.

Nicht die Schokoladenseite: Die Story

Lang ist es her, dass die Helden von Torchlight das Oberübel "Ordrak" besiegt haben. Mittlerweile hat irgendeine mysteriöse finstere Kreatur die Essenz seiner Macht gestohlen und zapft damit die Kräfte der Elementarwächter an. Folglich ist es an der Zeit für neue Helden, welche die Pläne des Bösen vereiteln und die sechs Elemente wieder in Balance bringen sollen. Die Spur des Bösen führt von der Estherian-Steppe über das vom Krieg erschütterte Mana-Ödland bis hin zu den Ruinen der uralten Zwergen-Zivilisation, bevor ein Reich betreten wird, das schon seit mehreren Jahrtausenden nicht mehr von Sterblichen in Augenschein genommen wurde.

Schön ist, dass sich die Kamera-Perspektive im Gespräch verändert und der NPCs groß und fokussiert zu sehen ist. Darüber hinaus werden die Belohungen detailliert unter dem Questtext angezeigt: Gold, Erfahrungspunkte, Ruhm und etwaige Gegenstände.
Die Questpräsentation zeigt sich simpel und effektiv: Schön ist, dass sich die Kamera-Perspektive im Gespräch verändert und der NPCs groß und fokussiert zu sehen ist. Darüber hinaus werden die Belohungen detailliert unter dem Questtext angezeigt: Gold, Erfahrungspunkte, Ruhm und etwaige Gegenstände.

Ja, die Story ist kein Meilenstein und wird längst nicht so aufwändig wie in Diablo III präsentiert, aber sie reicht aus, um das rasante Hack&Slay zu untermalen - wobei die zahlreichen kleinen Aufgaben, die vor den Dungeons warten, mit halbwegs netten Geschichten und Szenarien zu überzeugen wissen. Ähnlich schlicht und nur auf das Wichtigste bedacht ist zugleich die Präsentation der Quests: Mit Texten, Sprachausgabe und einem leichten Kamerazoom auf den Auftraggeber. Aber hier geht es nicht wirklich um eine epische Geschichte, sondern um das effektvolle Zerschnetzeln von Monsterhorden und das stetige Verbessern des Charakters. All das beginnt mit der Erstellung des Helden.

Neue Klassen mit Charge-Balken

Vier Klassen stehen zur Auswahl und alle sind im Vergleich zum Vorgänger mehr oder weniger neu. Der "Berserker" als Nahkämpfer kann entweder eine Schnetzelmaschine mit tierischen Unterstützern oder ein kleiner Tank werden, während der "Engineer" eher ein Freund von Begleitern wie dem Heil-Bot ist.  Daneben gibt es zwei eher auf Fernkampf ausgelegte Klassen und zwar den magisch begabten "Embermage" als Glaskanone (macht viel Schaden, hält wenig aus) und den "Outlander" als eine Art naturverbundenen Scharfschützen mit einem Hang zu "hinterhältigen" Magien. Das Aussehen sämtlicher Charaktere kann zu Beginn des Spiels mit unterschiedlichen Gesichtern, Frisuren und Haarfarben leicht individualisiert werden - eine Option, die es bei Diablo III beispielsweise nicht gibt.

Neu ist die Charge-Leiste, über die jeder Charakter verfügt. Durch schnelles und möglichst pausenloses Austeilen von Schaden wird diese Leiste aufgeladen und spendiert mächtige Kampf-Boni. Beim Outlander werden beispielsweise Zauberzeit, Ausweichchance, kritische Trefferchance und Angriffsgeschwindigkeit durch die Charge-Leiste beeinflusst.

Von Haustieren und Schwierigkeitsgraden

Der Schwierigkeitsgrad lässt sich vorab festlegen.
Der Schwierigkeitsgrad lässt sich vorab festlegen.

Nach der Klassenwahl entscheidet ihr euch für eines von mehreren Haustieren (Wolf, Katze, Frettchen etc.), die euch permanent begleiten, im Kampf unterstützen, mit etwas Ausrüstung beglückt werden können und über ein eigenes Inventar verfügen. In dieses Inventar könnt ihr überflüssige Beute auslagern und natürlich dürft ihr eure getreuen Begleiter wieder in die Stadt schicken, wo sie auf magische Art und Weise die überschüssigen Gegenstände gegen Gold eintauschen.

Habt ihr euch für einen Begleiter entschieden, folgt eine weitere Einstellungsmöglichkeit, die Diablo III verdammt gut getan hätte, denn der Schwierigkeitsgrad einer Partie kann im Vorfeld bestimmt werden - ohne dass das Spiel durchgespielt wurde muss. Zwischen den Stufen "Casual", "Normal", "Veteran" und "Elite" dürft ihr wählen und sogar eine Hardcore-Variante, in der der Charakter dauerhaft sterben kann, fehlt nicht.

Wie spielt es sich?

Prinzipiell spielt sich Torchlight II genau wie der Vorgänger, insbesondere vom Tempo her. Solltet ihr ihn nicht kennen, jedoch mit Diablo III vertraut sein, dann ist das Spielgeschehen etwas zügiger und actionreicher. Trotz der Rasanz stimmt die Mischung, denn die Kämpfe sind temporeich, aber nicht zu hektisch und es gibt immer wieder Pausen und Zeit zur Weiterentwicklung des Charakters.

Häufige und meist lange Bosskämpfe dürft ihr ebenfalls erwarten. In diesem Zusammenhang sind wesentlich mehr Events zu beobachten: Bossgegner werden mit Namenstafeln präsentiert und verfügen über mehrere Fertigkeiten mit denen ihr klarkommen müsst (Ansturm, Helfer beschwören, Höhleneinsturz verursachen, Flächeneffekte etc.), Gegner erscheinen aus dem Boden oder klettern Wände entlang etc. Die Welt wirkt lebendiger und im Grunde genommen können überall auf den Karten Champions, Quests oder Schätze warten.

Besondere Gegner oder Champions werden deutlich sichtbar hervorgehoben.
Besondere Gegner oder Champions werden deutlich sichtbar hervorgehoben.

Mehr Gegenden, Bosse und Beute

Darüber hinaus gibt es im Gegensatz zum ersten Teil große und völlig zufällig generierte Außenlevels; zusätzlich zu den zahllosen Dungeons, die ebenso vom Zufallsgenerator zusammengepuzzelt werden. Hierbei sticht ins Auge, dass sich die Entwickler wesentlich mehr Mühe bei der Gestaltung der Areale gegeben haben. Es gibt viel mehr unterschiedlich aussehende Dungeons und Abschnitte auf der Weltkarte. Trotzdem hat das Spiel nichts von seinem knallbunten und ziemlich kantigen Comiclook sowie von seinen überzeichneten Effekten eingebüßt. Der Stil ist und bleibt eine Frage des Geschmacks, gerade weil das Ambiente längst nicht so finster wie in Diablo III ist.

Beute, Beute, Beute!
Beute, Beute, Beute!

Sonderlich schwer (auf Stufe "Normal" bis Charakter-Level 21) empfand ich Torchlight II bisher noch nicht, obgleich es deutlich herausfordernder war als der Kindergartenauftakt von Diablo III. Ein Großteil der Zeit lief ich mit halbvoller Gesundheitsleiste durch die Gegend, weil die Gegner keine Heilkugeln hinterlassen, die automatische Lebensgeneration sehr mager ist und ich keine Heiltränke nehmen wollte - letzteres war falsche Sparsamkeit. Doch es kommt nicht zum Potion-Spamming - dem dauerhaften Verputzen von Heiltränken. Das liegt an dem Kniff, dass Heiltränke über eine bestimmte Zeit einen gewissen Gesundheitswert regenerieren und zugleich eine kurze effektive Abklingzeit haben. Das funktioniert so gut, dass die Spieler mehr auf ihre Gegner, ihre Umgebung und die Talente des Charakters schauen müssen, um nicht das Zeitliche zu segnen. Und bisher habe ich in Torchlight II keinen Gegner getroffen, der mich mit einem Schlag aus den Latschen gehauen hat - und das finde ich sehr lobenswert.

Entwicklung anstatt Automatisierung

Talente und Charakter-Attribute werden verständlich und übersichtlich erklärt.
Talente und Charakter-Attribute werden verständlich und übersichtlich erklärt.

Anstatt auf eine weitgehend automatisierte Entwicklung des Charakters zu setzen oder gar die Fertigkeitsplätze wie bei Diablo III zu beschränken, bleibt sich Torchlight II treu - und dem System aus Diablo 2. Nach einem Aufstieg erhaltet ihr fünf Punkte, die ihr frei auf die vier Attribute des Charakters verteilen könnt. Sonderlich kompliziert ist dies nicht, denn es wird übersichtlich und verständlich angezeigt, welcher Wert was beeinflusst. Beim "Outlander" erhöht Stärke zum Beispiel den Waffenschaden als auch die Schadenshöhe von kritischen Treffern, während Geschicklichkeit die kritische Trefferchance und Ausweichrate beeinflusst. Fokus wirkt sich auf Mana und den Elementarschaden aus und Vitalität steht in Verbindung mit der Lebensenergie und der Blockchance. Ihr habt die Wahl!

Es sind zudem die kleinen Details, die das Spiel so interessant machen. Neben der Möglichkeit zum Respec, also zum Umverteilen der Talentpunkte bei einem Händler, darf der Verzauberer nicht fehlen, der zusätzliche Bonuswerte auf ein Item wirken oder es zufällig zerstören kann. Schriftrollen zur Identifikation dürfen ebenso wenig fehlen, wie ein Händler, der Juwelen (Gems) aus einem Gegenstand mit Sockeln wieder hervorholen kann und dabei die Items vernichtet. Des Weiteren gibt es noch spezielle Gegenstände wie Waffen, bei denen besondere Werte erst aktiv werden, wenn ihr kleinere Aufgabe wie "Tötet 100 Kreaturen vom Typ X" löst. Auch andere Kleinigkeiten sind bemerkenswert, z.B. dass ihr völlig dunkle Dungeons erhellen könnt, indem ihr Fackeln anzündelt. All das sind kleine Ideen, die das große Ganze besser machen und wie schon beim Vorgänger sind nach der Spielveröffentlichung Mod-Tools fest eingeplant.

Mehrspieler-Modus

Gegen ordentlich Gold kann der Verzauberer in der Stadt den jeweiligen Gegenstand verbessern - oder beim Verzaubern unter Umständen zerstören.
Gegen ordentlich Gold kann der Verzauberer in der Stadt den jeweiligen Gegenstand verbessern - oder ihn beim Verzaubern unter Umständen zerstören.

Neben der Kampagne, die auch offline funktionieren soll, kann Torchlight II im LAN und über das Internet gespielt werden und zwar ausschließlich kooperativ. Die Entwickler gehen davon aus, dass man es mit seinen Freunden spielt und daher ist kein komplexes Anti-Cheating-System geplant - schließlich werden die Charaktere nicht auf einem "sicheren Server" gespeichert, sondern lokal. Es wird also auf die Eigenregulation der Community gesetzt, schließlich spielt niemand gerne mit Cheatern.

Im kooperativen Modus wird die Stärke der Monster an die Anzahl der Mitspieler angepasst und die Erfahrungspunkte werden unter den Gruppenmitgliedern geteilt, sofern sie sich in der Nähe zueinander befinden. Jeder Spieler bekommt außerdem eigene Beute, d.h. es wird kein Streit um die Items entbrennen und ein Würfelsystem ist somit nicht erforderlich. Tauschhandel mit Gegenständen wird groß geschrieben.

Ausblick

Ich will den Teufel nicht an Wand malen, aber nach der Beta-Phase sieht es tatsächlich so aus, als könnte Diablo III von Torchlight II übertrumpft werden. Runic Games hat nicht nur die Hauptkritikpunkte des Vorgängers eliminiert (nur ein langes Dungeon, keine Oberflächenwelt, kein Mehrspieler-Modus), sondern das Spiel mit vielen kleinen Details und Events aufgewertet. Das Tempo ist angenehm rasant, die Vielfalt der Welt macht das Erkunden interessanter und die freien Individualisierungen mit Attributen sowie Fertigkeiten sorgen für Vielfalt. Der kooperative Mehrspieler-Modus ist ebenfalls gelungen, auch wenn die Charaktere nicht auf einem sicheren Server gespeichert werden. Gespannt bin ich noch darauf,  wie sich die anderen Akte des Spiels und der Schwierigkeitsgrad (Stichwort: Balance) präsentieren und mit welchen Überraschungen die Entwickler noch punkten wollen. Dennoch stehen die Zeichen klar auf "Hit" - und das zu einem Schnäppchenpreis von knapp 20 Euro. Was soll da noch schiefgehen?

Eindruck: sehr gut

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