Montas07.04.2014, Michael Krosta

Vorschau: Gefangen in der Traumwelt

Der Survival-Horror erlebt vor allem dank unabhängiger Entwickler einen zweiten Frühling. Doch nicht alles, was als neue Gruselperle angepriesen wird, wird seinem Namen auch gerecht: Während Abstecher in Slender: The Arrival, Amnesia oder Outlast für panisches Herzklopfen sorgen, führen Titel vom Schlag eines Doorways angesichts der furchbaren Langeweile in den rettenden Tiefschlaf. Welchen Eindruck hinterlässt Montas?

Vielversprechender Einstieg

Montas ist der nächste Kandidat, dem die Entwickler den Stempel "First Person Horror Adventure" aufdrücken wollen. Dabei betont das Team Organic Humans, dass man vor allem die Erkundung, Atmosphäre, Story und Interaktionen in den Fokus rücken möchte. Da trifft es sich gut, dass schon im Early Access eine Unterstützung für Oculus Rift angeboten wird.

Der Einstieg ist noch viel versprechend: Ich starte in einem kleinen Büro. Was ich hier mache? Ich weiß es nicht. Auf dem Bildschirm vor mir blinkt nur der Cursor, beim Umsehen fallen mir viele zusammengeknüllte Papierblätter auf, die sich sowohl auf dem nahe gelegenen Schreibtisch als auch im Papierkorb türmen. Und wer bin ich? Laut dem Schild an meiner Bürotür heiße ich Joseph Walker und bin im Bereich Accounting tätig. Aber ob das stimmt? Fragen kann ich niemanden, denn im anliegenden Großraumbereich ist keine Menschenseele. Wo sind denn bloß alle? Ich gehe langsam weiter vor und sehe auch auf den Monitoren der Kollegen nur den blinkenden Cursor in der oberen linken Ecke. Als ich mich einem der Rechner nähere, zeigt das System doch eine erste Reaktion und spult eine Liste ab, bis es wenige Sekunden später wieder zum blinkende Viereck zurückkehrt.

Was geht hier vor sich? Und was habe die vielen Wandmalerien zu bedeuten?
Ich gehe weiter zum Konferenzzimmer, in dem der Projektor ein nichtssagendes Bild an die Wand wirft, aus dem ich nicht schlau werde. Am Tisch qualmt eine Zigarette im Aschenbecher, die scheinbar gerade erst angezündet wurde. Wo sind denn bloß alle hin? Ich sehe mich weiter um. Doch auch das Büro meines Chefs, der laut Namensschild Lars Frostman heißt, ist einsam und verschlossen. Vielleicht bringt mich ja der Aufzug an einen Ort, an dem ich Antworten finde, was hier eigentlich los ist? Weit gefehlt: Nach einer schier endlosen Fahrt, die zuerst noch die Aussicht auf eine nächtliche Skyline bietet und mich anschließend nach einem grellen Licht gefühlt einige Kilometer unter die Erdoberfläche befördert, finde ich mich in einer Höhle wieder. Die unheimliche Stille, die nur durch meine leichten Atemgeräusche und vereinzelte Tropfen von der Decke durchbrochen wird, wird überraschend von einem furchtbaren Grollen abgelöst und alles droht einzustürzen.

Bizarre Wendung

Danach wird es bizarr: Ich stehe in einem weißen Raum. Vor mir wurden schwarze Kreise auf die Wand gekritzelt. Ich schaue mich um und entdecke weitere Botschaften wie "Schau immer nach oben", einen Stuhl sowie eine überdimensionale Tür, deren Griff ich nicht erreichen kann. Bin ich jetzt etwa Alice im Wunderland? Ich ziehe die einzig logische Verbindung und befördere den Stuhl zuerst zur Tür, springe dann auf ihn und tadaaa: Sesam öffne dich! Doch was ich dahinter finde, ist nicht weniger merkwürdig: Ein Abgrund ins weiße Nichts, an dessen Ende ich eine kleine Tür sehen kann. Ich wage den Schritt und scheine sanft nach unten zu schweben, doch hinter der nächsten Tür wartet nur die Dunkelheit. Stecke ich jetzt etwa hier fest? Ich versuche, mich in alle Richtungen vorzutasten - ohne Erfolg. Vielleicht kann ich wenigstens wieder zurück? Jein. Ich kann zwar wieder durch die Tür gehen, lande aber seltsamerweise danach wieder in einem unterirdischen Gang.

Soll ich jetzt Angst haben? Oder mich freuen, endlich jemanden anzutreffen?
Das alles wirkt wie ein bizarrer Traum, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Und dieses Gefühl verfolgt mich auch in den nächsten Minuten und Stunden, die ich in der merkwürdigen Welt von Montas verbringe. Diese wird zwar von der Unreal-Engine befeuert, sorgt grafisch mit der detailarmen Darstellung der Schauplätze wie einer verlassenen U-Bahn-Station, der leeren Stadt oder kargen Räumlichkeiten für eine Abschreckung der ungewollten Art. Die Kulissen als hässlich zu bezeichnen, wäre fast noch untertrieben und leider schafft man es nicht, dieses Manko durch ein atmosphärisches Spiel mit Licht und Schatten auszugleichen. Stattdessen greift man viel zu oft auf die reine Dunkelheit zurück, in der man selbst dann kaum etwas erkennen kann, wenn man den Gamma-Wert in den Einstellungen erhöht.

Das ganz große Gähnen

Doch das ist nicht das größte Problem, unter dem der bizarre Trip derzeit noch leidet: Am schlimmsten ist, dass einfach nichts passiert und sich kein Gefühl der Bedrohung entfalten kann. Wie denn auch, wenn man die meiste Zeit nur im Schneckentempo durch die Gegend latscht und ständig darauf hofft, nach der Zwangsverschnaufpause möglichst schnell wieder sprinten zu können. Nicht etwa, um panisch vor irgendwelchen schrecklichen Bedrohungen davon zu laufen, denn Gegner sind hier Mangelware. Und kommt es tatsächlich doch mal zu einer „unheimlichen“ Begegnung, strahlen die Kreaturen auf den ersten Blick keine Gefahr aus. Stattdessen sorgt das zumindest im Ansatz gelungene Sounddesign noch am ehesten für Horror-Atmosphäre – sei es durch die Musik oder Effekte wie plötzlich schreiende Babys oder unheilvolle Geräusche. Echte Schockmomente, die durch Mark und Bein gehen, sucht man vergeblich – selbst wenn in der leeren U-Bahn plötzlich eine seltsame Fratze durch das Fenster blickt, bleibt man erstaunlich cool. Warum? Weil man hier zu schnell das Gefühl bekommt, dass einem eh nichts passieren kann – und etwas Schlimmeres kann einem selbst ernannten Horrorspiel eigentlich nicht passieren. So spielt es nachher nicht mal mehr eine große Rolle, ob man sich zu Hause im dunklen Kämmerlein oder hell beleuchteten Büro auf diesen Trip einlässt: Angst, Immersion oder Atmosphäre blitzen hier höchstens im Ansatz auf.

Krampfige Steuerung

Ob die Geschehnisse religiöse Verbindungen aufweisen, lässt sich aufgrund der quasi nicht-existierenden Story nur vermuten.
Trotzdem gibt es einen Bereich in Montas, in dem sich der Horror voll entfalten kann: die Maus-Steuerung. Denn die Interaktion mit Objekten ist ein einziger Krampf! Während sich das Benutzen oder Aufnehmen mit einem Druck auf die linke Maustaste noch problemlos durchführen lässt, ist das Bewegen von Tischen, Stühlen, Regalen und anderen Gegenständen mit Hilfe der rechten Maustaste eine Katastrophe. Zum einen weiß man oft gar nicht, welche Position man überhaupt einnehmen muss, um das Objekt seiner Wahl zu packen. Zum anderen greift man ständig daneben oder bekommt nicht den nötigen Schwung, es ausreichend wegzuschleudern. Was war das nervig, als ich an einer Stelle erst einen gestapelten Berg aus Stühlen und Schränken aus dem Weg räumen musste, um die dahinter liegende Tür zu erreichen, die sich danach partout nicht öffnen lassen wollte. Wie ich es trotzdem noch geschafft habe? Ich glaube, durch reines Glück. Eine ähnliche Erfahrung machte ich nur kurze Zeit später, als es darum ging, einen Kühlschrank zu öffnen. Ich hatte schon resigniert und bin davon ausgegangen, dass er sich einfach nicht öffnen lässt – wie so viele Dinge in dieser mysteriösen Traumwelt. Doch am Ende und nach vielen Runden des verzweifelten Umherirrens im Kreis stellte sich raus: Ja, man kann die Tür irgendwie öffnen. Und muss es sogar, weil sich dahinter ein Gegenstand verbirgt, den man für das Weiterkommen dringend benötigt.

Ausblick

Was für eine frustrierende Erfahrung! Montas hinterlässt nach den ersten Stunden einen ernüchternden Eindruck: Statt intensivem Horror, Panik und Angst wartet selbst unter der Zuhilfenahme von Oculus Rift überwiegend die große Langeweile. Schade, denn gerade in den ersten Minuten wirkt alles noch richtig mysteriös und wie eine verstörende Traumwelt, aus der es kein Entrinnen gibt. Doch da weder die bisher nicht-existente Story noch die verunglückte Steuerung einen überzeugenden Anlass bieten, sich weiter durch die trist gestalteten Schauplätze zu quälen, habe ich die Escape-Taste als wirkungsvolle Fluchtmöglichkeit für mich entdeckt. Man soll die Hoffnung zwar nie aufgeben, aber es würde mich schon sehr überraschen, falls Montas am Ende doch doch der immersive, atmosphärische Horror mit starker Story werden würde, den die Entwickler versprechen.

Eindruck: ausreichend 

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