Total War: Attila06.01.2015, Eike Cramer
Total War: Attila

Vorschau: Die apokalyptischen Reiter

Mit Rome 2 hat Creative Assembly 2013 einiges an Kredit verspielt. Zu fehlerhaft war das Spiel zur Veröffentlichung, zu schwach die KI auf Kampf- und Weltkarte. Mit Total War: Attila (ab 24,90€ bei kaufen) versuchen sich die Entwickler bald in Wiedergutmachung am Ende eines Zeitalters. Wir haben einige Stunden in den Wirren der Völkerwanderung verbracht.

Eure Welt wird brennen

Total War: Attila entführt in das fünfte Jahrhundert. Europa erlebt zu dieser Zeit eine große Umwälzung: Das Römische Reich hat seine Grenzen überdehnt und das in ein West- und Ostreich gespaltene Imperium wankt. Germanische  Volksstämme entreißen den Legionen auf ihrem Zug gen Westen Provinz um Provinz, denn von Osten naht mit den Hunnen unter der Führung ihres Königs Attila auch für sie eine Bedrohung. Die Herrschaft Roms in Europa wankt.

Attila bietet unterschiedliche Startmöglichkeiten abseits der reinen Länderauswahl: So kann man nicht nur eines der großen Reiche übernehmen, sondern auch nomadische Stämme anführen schlüpfen, die von den Horden aus dem Osten vertrieben werden. Als großer Staatenlenker versucht man z.B. eines der römischen Teilreiche gegen die marodierenden Vandalen zu sichern oder Persien zu neuer Blüte zu führen. Hier spielt sich Attila wie gewohnt: Man verwaltet sein Reich auf der Strategiekarte, baut seine Städte aus, verschiebt Armeen und schlägt gewaltige Echtzeit-Schlachten.

Dank der härteren Wetterbedinungen gibt es nun öfter winterliche Schlachtfelder.
Gleichzeitig gibt es auch Völker wie die Ostgoten, die als Nomaden beginnen und sich nur zeitweilig in Zeltstädten niederlassen - etwa um Nahrung zu produzieren oder die Staatskasse zu füllen. Hier werden die Armeen zu „Horden“, stellen also sowohl Bevölkerung als auch Militärmacht dar. Diese „Halbnomaden“ können allerdings auch Städte erobern und sich selbst kleine Reiche schaffen – bevor sie durch externe Mächte und Hunger gezwungen werden, erneut zu migrieren und nur schwelende Trümmer hinterlassen. Einzige Ausnahme sind die Hunnen: Diese „wahren Nomaden“ können Städte nicht besetzen, denn die Herren der Steppe kennen auf ihrem Weg durch Europa nur Feuer und Schwert.

Das finstere Mittelalter

Die Vorzeichen für diese turbulente Zeitperiode sind also ungleich finsterer als der Aufstieg glanzvoller Imperien. Zudem sind die äußeren Umstände deutlich widriger, da die großen Völkerwanderungen des frühen Mittelalters

Europa brennt. Der Einfall der Hunnen verändert das seit Jahrhunderten bestehende Machtgefüge des Kontinents.
auch durch eine klimatische Kälteperiode ausgelöst wurde. Durch Witterungsereignisse schwanken zwischen den Zügen z.B. die Ernten der Farmen erheblich, was das Reichmanagement deutlich erschwert – immerhin bedeutet zu wenig Nahrung schnell tote Soldaten und unzufriedene Bürger.

„Attila ist ein Survival-Total-War“ betonte Lead Designer Janos Gaspar im Gespräch bei der Vorstellung in London. Viele Völker erhalten dementsprechend  zunächst nur „überleben“ als Ziel in der Kampagne – was vor allem als Nomadenstamm an der Grenze des Römischen Reiches schwieriger ist als gedacht, denn auch die Schäden an Städten und Produktionsstätten haben stärkere Auswirkungen. So ist es jetzt dank eines dynamischen Feuersystems z.B. möglich während der Schlacht die halbe Stadt niederzubrennen. Wenige fehlgegangene Feuerpfeile sorgen mitunter für ein flammendes Inferno, was neue Kampfsituationen schafft und Angriffstaktiken ermöglicht.

Familienbande

Mit Attila wird zudem die fraktionsinterne Politik wichtiger: Neben dem umfangreichen Familienstammbaum, der wie z.B. bei Empire oder Medieval 2 die Thronfolge bestimmt und über Heirat und Adoption beeinflusst werden kann, können politische Ämter besetzt sowie Statthalter bestimmt werden. Die Macht über das eigene Reich setzt sich dabei aus den Werten „Kontrolle“ und „Herrschaft“ zusammen, die wiederum Richtwerte für den politischen Einfluss der eigenen Familie über einfaches Volk und Elite sind. Auch wenn die Folgen der Politik in der 40 Runden kurzen Vorschau-Version noch nicht vollends absehbar waren, gelingt dem politischen Ränkespiel von Rome: Total War eine vielversprechende Rückkehr in anderer Form.

Offen bleibt auch die die Intelligenz der immer noch wankelmütigen Feind-KI auf der strategischen Karte. Zwar

Das dynamische Feuer kann nun ganze Stadtteile niederbrennen und vernichten.
gingen die Feinde meist nachvollziehbar vor und attackierten u.a. meine Nomadensiedlungen mit mehreren Teilstreitkräften aus verschiedenen Richtungen. Andererseits ziehen immer noch oft kleine, schwache Armeen durch die Lande, die selbst an einfachen Garnisionseinheiten scheitern. Auch auf der Strategiekarte wirken die Computergegner aggressiver und klüger, so flankieren sie teilweise meine Linien oder greifen geschickt an. Dennoch ließen sich z.B. bei einer Belagerung Angreifer von Wachtürmen abschlachten, obwohl nur wenige Meter entfernt eine große Bresche in der Mauer klaffte.

Ebenfalls ärgerlich: Auch bei Attila verhalten sich viele Einheiten im Gefecht störrisch und setzen Befehle recht gemütlich um. Zudem fehlt es den Nahkämpfen immer noch an der monumentalen Wucht von Medieval 2 oder Shogun 2 – zu oft kommt es zu merkwürdigem „Gruppenkuscheln“, bei dem mir die frühere gnadenlose Brutalität der Reihe deutlich zu kurz kommt. Auch der beeindruckende Pfeilhagel früherer Tage ist einfach nicht mehr so spektakulär, selbst wenn die Kulisse ansonsten mit tollen Lichtstimmungen und feinen Soldatenmodellen in Schlachten mit Tausenden von Einheiten überzeugt.

Ausblick

Könnte Creative Assembly die Wiedergutmachung für Rome 2 gelingen? Durchaus! Das fünfte Jahrhundert ist eine äußerst spannende Zeitperiode im römischen Einflussbereich und die neuen Nomadenvölker, Witterungseinflüsse sowie politische Aktivitäten werten die rundenbasierte Strategiekarte auf. Auch die Schlachten mit ihren tausenden Einheiten haben mich während der Vorschau sofort wieder gepackt. Dennoch bleiben einige Fragen offen: Wie gut ist die KI wirklich und kann ihr Wankelmut bis zum Release ausgemerzt werden? Wie drastisch wirken sich politische Entscheidungen aus? Und wie fällt eigentlich die Balance der Hunnen unter Attila aus, die in der Vorschau nur eine kleine Rolle spielten? Spannend ist zudem, ob sich Total War: Attila tatsächlich wie der angekündigte Überlebenskampf spielen wird und auch im Schwierigkeitsgrad drastisch anzieht. Ich bleibe vorsichtig optimistisch.

Einschätzung: gut

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