Vorschau: Bekannte Formel, modernes Outfit
Eine Frage der Lizenz
Nach dem vergeigten dritten Teil von Master of Orion war es lange still um das Urgestein der 4X-Strategiespiele, bis im Juni 2015 die Macher von World of Tanks mit der Ankündigung eines Neustarts auf Basis der ersten beiden Teile überraschten. Das Interesse von Wargaming an dem Strategiespiel fußt auf persönlicher Sympathie, wurde mir auf der gamescom versichert: Victor Kislyi (CEO von Wargaming) war ein großer Fan der ersten Teile und sicherte sich neben den Markenrechten an Total Annihilation auch gleich Master of Orion aus dem Fundus von Atari. Seit dem Kauf der Marke warteten sie auf einen Entwickler, um dieses Projekt realisieren zu können. Fündig wurden sie bei den eher unbekannten argentinischen NGD Studios (Bunch of Heroes, Champions of Regnum). Seitdem fungiert Wargaming als Lizenzgeber, Third-Party-Produzent und Publisher.
Bekannte Formel, modernes Outfit
Master of Orion beginnt mit der Auswahl einer Zivilisation. Zehn Rassen stehen zur Verfügung und neben den Menschen oder den Alkari sind u.a. die intelligenten Psilon, die hinterlistigen Darlok oder die bärigen Bulrathi mit dabei - allesamt bekannt aus dem ersten Teil. Nur diesmal ist die Inszenierung deutlich aufwändiger, da die Anführer der Rassen detaillierter gestaltet und animiert sind. Der Auftritt der Vertreter der Fraktionen soll zugleich die jeweiligen Eigenarten der Rassen widerspiegeln und die diplomatischen Verhandlungen aufwerten - gewisse Parallelen zu Civilization 5 sind in dem Bereich nicht zu verleugnen.
Danach beginnt der Aufbruch zu den Sternen und sofort werden die Erinnerungen an den Klassiker wach. Ja, das Management des eigenen intergalaktischen Reiches findet im Runden-Modus statt und man darf - wie gewohnt - auf den Planeten diverse Gebäude errichten, um Forschung, Landwirtschaft (Nahrung), Produktion und Credits zu generieren.
Diese "Verwaltung" geht deutlich einfacher als in den Vorgänger vonstatten und profitiert von einer übersichtlichen, sinnvoll strukturierten und aufgeräumten Benutzeroberfläche - gerade die Verteilung der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte auf die Positionen ist ansprechend visualisiert. Weitere Details gibt es jeweils als Kontext-Menü via Mouse-over. Wird das planetare Reich zu groß, kann eine Automatisierung des Planeten angestoßen werden.
Moderne Technologien und Weltraum-Stadtstaaten
Abgesehen davon, dass die Kolonisierung eines Planeten mit einer kleinen Zwischensequenz zur Veranschaulichung der Eigenschaften des Himmelskörpers gefeiert wird und errichtete Gebäude als 3D-Modelle auf dem Planeten im Verwaltungsbildschirm angezeigt werden, wird es einen Technologiebaum für alle Fraktionen geben. Der ungefähr 200 Forschungsmöglichkeiten umfassende Techtree ist abseits einiger Verzweigungen weitgehend linear. Aufbau und Vernetzung erinnern stark an Civilization 5. In dem Zusammenhang versicherte uns Wargaming, dass der Technologiebaum so umfangreich sein soll, dass man eine Auswahl treffen muss und nicht alles in einer Partie erforschen kann.
Die aus Civilization 5 bekannten Stadtstaaten haben ebenfalls ihren Weg ins Master-of-Orion-Universum gefunden.
Apropos Diplomatie: In diesem Bereich möchte Master of Orion besonders punkten. So soll es bei den Verhandlungen mit den anderen großen Zivilisationen mehr als dreimal so viele Optionen wie bei Civilization 5 geben. Generell sind derzeit fünf Siegvarianten geplant: Dominanz (Punkte), Eroberung, Technologie, Wirtschaft und Diplomatie.
Die drei Fragezeichen: Kämpfe, Schiff-Editor und Multiplayer
Laut Wargaming versuchen die Entwickler die Komplexität der Vorgänger weitgehend beizubehalten, aber trotzdem das Spiel zu beschleunigen und es zugänglicher bzw. einfacher steuerbar zu machen. Ein zentrales Element dürften in diesem Kontext die taktischen Kämpfe mit den Raumschiffen und die Eroberungsschlachten rund um die Planeten sein, zu denen sich Wargaming noch nicht näher äußern wollte.
Die 4X-Konkurrenz schläft nicht
Während Wargaming mit Master of Orion auf die bewährte 4X-Formel setzt und kleinere Modifikationen daran vornimmt, ist die anstehende Konkurrenz bei den Innovationen mutiger. Neben den Amplitude Studios, die bei Endless Space 2 die politische Dimension bei der Kontrolle des Reichs stärker in den Vordergrund stellen und man als Oberbefehlshaber eher die Strategie in den Kämpfen vorgibt als die Schlachten selbst zu schlagen, versucht sich gerade Paradox Interactive mit Stellaris an stärkeren Veränderungen der 4X-Formel. Die Entwickler von Europa Universalis und Crusader Kings wollen vielmehr den Aspekt der Erforschung des Universums hervorheben, die Technologien stärker an die erkundeten Elemente knüpfen und mit Geschichten bzw. Quests für Überraschungen sorgen, bevor es in der Endphase zu größeren Katastrophen kommen kann.
Ausblick
Als großer Fan von Master of Orion 2, in das ich während meiner Schulzeit viel zu viele Stunden investiert habe, kann ich nur sagen, dass der Neustart der Serie bei Wargaming unter einem guten Stern zu stehen scheint. Das, was ich auf der gamescom 2015 von dem 4X-Strategiespiel zu Gesicht bekam, wirkte durchdacht, sinnvoll ergänzt und vor allem ansprechend präsentiert. Wie sich die Komplexität und das Spieltempo letztendlich darstellen, ist in dem frühen Stadium nicht absehbar, obgleich mich vieles an "Civilization 5 im Weltraum" erinnert - gerade in Sachen Stadtstaaten, bei den diplomatischen Verhandlungen mit den Anführern sowie dem Techtree. Schlecht oder unpassend sind diese Parallelen jedenfalls nicht. Der Ersteindruck ist jedenfalls vielversprechend, aber es gibt noch einige Fragezeichen: beim Mehrspieler-Modus und vor allem beim Kampfsystem. Abgesehen davon, dass die Gefechte beschleunigt werden sollen, schweigt sich Wargaming über Runden-Duelle oder Echtzeit-Schlachten bisher aus. Ich bin bisher recht angetan von Master of Orion, obgleich die 4X-Konkurrenz mit Stellaris (Paradox) und Endless Space 2 (Amplitude Studios) noch mutigere Ansätze verfolgt.
Einschätzung: gut
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