Boiling Point: Road to Hell06.11.2004, Paul Kautz
Boiling Point: Road to Hell

Vorschau: In den Fußstapfen von STALKER: Ein neuer Shooter verschafft sich Platz.

Im südamerikanischen Dschungel brennt die Luft, der Siedepunkt ist fast erreicht: Boiling Point macht sich auf, STALKER einen heißen Kampf zu liefern. Wir hatten bei Atari die Gelegenheit, selbst Hand an das neue russische Ballergame zu legen – ob die Shooterwelt besser schon mal die Jacke ausziehen sollte?

Familienbande

Das hat man davon, wenn man nicht klar definiert, wann der Nachwuchs nach dem Discobesuch wieder daheim zu sein hat: Saul Meyers Tochter wurde entführt, seine einzige Spur führt den übel gelaunten Vater in den Dschungel Südamerikas. Dort findet er sich nicht inmitten einer fetzigen Samba-Party, sondern in einem internationalen und mysteriösen Bandenkrieg wieder, in den die Tochter irgendwie verwickelt zu sein scheint. Doch vor Standpauke und Hausarrest steht die Befreiung, also wird durchgeladen, um die Entführer korrekt nach ihren Motiven befragen zu können.

Boiling Point (vorher als Xenus bekannt) ist das Erstlingswerk des russischen Studios Deep Shadows – allerdings entstammen große Teile des Teams der STALKER-Entwicklung, was man dem Spiel recht deutlich ansieht: Wie auch im Tschernobyl-Shooter stapft ihr hier durch eine gigantische, detaillierte und durchaus interaktive Landschaft. Allerdings hören die Ähnlichkeiten beim Grafikstil auf: Während euch GSC

Ihr stapft durch abwechslungsreiche Locations wie z.B. dieses kleine Städtchen.
in die verstrahlte Zone schickt, ballert ihr euch hier ähnlich wie in Far Cry durch ein palmenverziertes Karibik-Szenario, das aus abwechslungsreichen Locations wie kleinen und großen Städten, Rebellenlagern, einem Vulkan, Militärbasen und natürlich dem dichten Dschungel besteht.

Immer der Nase nach

Die Besonderheit von Boiling Point ist die schiere Größe des Areals, in dem ihr euch tummeln könnt: Insgesamt misst das Spielfeld satte 25 mal 25 Kilometer, die ihr an einem Stück durchlaufen könnt, ohne jegliche Ladezeiten innerhalb des Spiels – selbstverständlich wird vorher ordentlich Datenschaufelei betrieben, danach werdet ihr allerdings von jeglichem Ladebalken verschont. Eurem Erkundungsreichtum sind dabei keine Grenzen gesetzt, ihr dürft wirklich überall hin, Übergänge zwischen Innen- und Außengebieten sind flüssig. Das reine Durchspielen soll euch etwa 50 Stunden eures Lebens kosten, bei Beachtung aller Nebenmissionen dürften es noch einige mehr sein.

Da ein 25 km-Marsch selbst für bundeswehrgestählte Zocker kein Vergnügen ist, haben die Entwickler allerlei Vehikel integriert, die in GTA-Manier beschlagnahmt werden: Fahrer raus, Spieler rein. So ergattert ihr diverse Autos, Panzer, Hubschrauber, Boote oder Motorroller. Zu jedem neuen Fahrzeug gibt es auf Wunsch einen Steuerungs-Crashkurs, der aber hauptsächlich für Einsteiger gedacht ist – die Kontrolle selbst ist durchaus simpel, was übrigens auch für das Physikmodell gilt: Zwar rumpeln und zappeln eure Kisten ansehnlich durch die Landschaft, aber das Game bleibt dabei stets Arcade und nicht Simulation. Allerdings könnt ihr euch Scherze wie das Zerschießen von Autoreifen erlauben, was mit einem seitlichen Absacken und lautem »Pffffff!« quittiert wird.

Seid ihr zu Fuß unterwegs, offenbart sich Boiling Point als reinrassiger, nicht-linearer Shooter: Denn ihr bekommt es mit insgesamt sechs Fraktionen zu tun, die sich gegenseitig mehr oder weniger grün sind. Je nachdem wen ihr vor die Flinte bekommt, gewinnt oder verliert ihr also Sympathien bei den Parteien, was natürlich Einfluss auf das Verhalten der entsprechenden Figuren hat - so entwickelt ihr euch in eine bestimmte Richtung. 

Die Wälder sind dicht besiedelt, und sehen gerade aus der Luft sehr gut aus.
Darüber hinaus gibt es für jede Aufgabe verschiedene Lösungsmöglichkeiten, die allerdings in den meisten Fällen doch mit heißem Blei zu tun haben.

Attacke der Killerwespen!

Die Optik des Games erinnert auf den ersten Blick an ein etwas hell geratenes Far Cry: Die dicht bewachsenen Landschaften sind durchaus beeindruckend, Spielereien wie der Echtzeit-Tagesverlauf machen die Welt lebendiger. Momentan schrauben die Entwickler allerdings an der Geschwindigkeit, die speziell an Bord eines Helikopters auch auf dickeren Rechnern kleinlaut in den Dia-Modus wechselt. Auch die Animationen der Spielfiguren lassen bislang zu wünschen übrig, alles läuft und stirbt recht ruckhaft.

Innovativerweise seid ihr nicht auf ein vorgefertigtes Waffenkontingent angewiesen: Alles was ihr aufklaubt, landet in eurem gigantischen Rucksack, in dem ihr jederzeit wühlen dürft. Aus dieser Liste zieht ihr eure Wunschknarren einfach in einen Slot im Spielfenster und stellt euch so euer eigenes Wummenlager zusammen. Neben Standard-Kanonen wie MGs, Pistolen, Bazooka oder Armbrust warten auch ungewöhnliche Kaliber wie das Marmeladenglas. Damit kann man ahnungslosen Feinden nicht nur eine Beule verpassen: Zerspringt das Glas, werden pieksfreudige Killer-Insekten angelockt – die sich übrigens auch auf euch stürzen, falls ihr breit grinsend in der Nähe herumsteht.         

Ausblick

Spaßig, sehr spaßig, was Atari da mit Boiling Point am Köcheln hat. Großes Gebiet mit allerhand zu tun, nicht-lineare Spielentwicklung, gute Grafik und abgefahrene Waffen - das Marmeladenglas! Wie wundervoll! - versprechen einen würdigen STALKER-Konkurrenten. Der teilt sich allerdings auch die vielen Ambitionen mit dem Vorbild, die in Kombination mit dem baldigen Release etwas utopisch erscheinen – momentan ist da zwar sehr viel Technik, aber noch recht wenig Spiel, das außerdem in Sachen Geschwindigkeit noch gehörig optimiert werden muss. Bis dahin bringen wir etwas Wasser an den Siedepunkt und schütten Tee hinein, der zum Abwarten ideal ist.

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