Spore04.07.2005, Marcel Kleffmann
Spore

Vorschau:

Wenn schon Pantoffeltierchen mit Sim-Karten gekreuzt werden, dann ist die Vision von der Evolution als Spiel nicht mehr fern. Bisher scheiterten die Designer an der technischen Umsetzung, Komplexität und der Zugänglichkeit der Darwin’schen Theorie. Auch Will Wright, der Vater der Sims, wagte sich vor Jahren mit SimLife an das heikle Thema und scheiterte mit einer interaktiven Tabellenkalkulation. Jetzt versucht er es erneut - und diesmal könnte es klappen!

Am Anfang war die Ursuppe…

Worum geht es in Spore (ab 22,00€ bei kaufen)? Kurz gesagt: Der Spieler beginnt mit einer einzigen Keimzelle und entwickelt daraus eine individuelle Lebensform, die einen Planeten besiedelt und schließlich die Kolonisierung des Weltraums in Angriff nimmt. Klingt komplex? Ist es auch, aber die Evolution ist in mehrere fließend ineinander übergehende Abschnitte unterteilt.

Die Evolution beginnt in der Ursuppe.

 

Als kümmerlicher Einzeller schwimmt ihr in 2D-Sicht durch einen grünen Tropfen Ursuppe und fresst andere Winzlinge auf – ganz wie in Pacman. Je mehr Zellen ihr gefuttert habt, desto mehr Punkte bzw. genetische Informationen gewinnt euer Pantoffeltierchen. Natürlich lungern hier ebenfalls größere und gefährlichere Wesen herum, vor denen ihr euch in Acht nehmen solltet. Habt ihr genügend genetische Informationen gesammelt, könnt ihr eine Tochter-Generation erschaffen, indem ihr euer Tierchen im Kreaturen-Editor verbessert und z.B. Knochen oder Gliedmaßen hinzufügt.

So könnt ihr der Zelle eine Geißel verpassen, damit sie schneller vom Fleck kommt oder sie mit einem spitzen Horn ausrüsten, um im Kampf gegen andere Wesen erfolgreicher zu sein. Das Tierchen wird also fortlaufend immer größer und individueller. Hat sich euer Schützling weit genug entwickelt, erfolgt der Sprung in die 3D-Welt - und zwar in ein gigantisches Urmeer. Während die echte Evolution mehrere Milliarden Jahre für diese Phase brauchte, dauert es in Will Wrights Kreation nur Minuten.

Sprung ins Evolutions-Meer

Als komplexere Lebensform findet ihr euch im tiefblauen Urmeer wieder. Dort steuert ihr euer Wesen aus der Third-Person-Perspektive und macht weiterhin Jagd auf andere Viecher oder findet gar Artgenossen. Im Laufe des Spiels entwickelt sich aus dem ehemaligen Einzeller vielleicht ein simpler Fisch, eine kleine Schlange oder eine Mixtur aus allem, was ihr euch nur 

An Land wartet unfreundliche Gesellschaft! Jetzt schnell alle drei Beine unter die nicht existierenden Arme nehmen und weg!
vorstellen könnt. Je weiter ihr die Leiter der Evolution hochklettert, umso mehr Bauelemente des Lebens sind verfügbar. So könnt ihr eurem Tierchen ein Bein verpassen oder zwei oder drei oder vier. Oder doch lieber zwei Köpfe, fünf Augen und drei Schwänze?

Dies alles geschieht einfach via Drag & Drop-System im Kreaturen-Editor und da euer Tierchen seit dem Sprung in die 3D-Welt über ein Skelettsystem verfügt, könnt ihr selbst die körperliche Haltung, Länge, Größe sowie den Umfang bestimmen. Entsprechend eures Bauplanes berechnet ein hoch entwickeltes dynamisches Animationssystem, wie sich eure Kreatur in Relation zur Physik bewegt. Habt ihr eurem Schätzchen z.B. fünf Flossen verpasst, dann nutzt es halt alle Flossen zur Fortbewegung - und zwar abwechselnd. So langsam kommt die Zeit, entweder an Land zu gehen (vorher sind Beine sicherlich sinnvoll) oder das Leben unter Wasser fortzuführen. Oder doch lieber in die Luft mit Flügeln? Alles ist möglich!

Der Landgang

Stolziert ihr an Land, geht es dort prinzipiell genauso weiter wie unter Wasser, nur dass die Kämpfe gegen die anderen Lebewesen einen größeren Stellenwert einnehmen. In bester Diablo-Manier schlagt bzw. klickt ihr euch durch die enorm lebendige Welt, erledigt, verspeist oder transportiert Lebewesen. Mit der Nahrung nehmt ihr reichlich genetische Informationen auf und dementsprechend vergrößern sich eure Ausbaumöglichkeiten. Im Verlauf dieser Spielphase legt ihr das Äußere fest: Spinne, Bär, Reptil, Delfin, Wal, Vogel, Insekt oder eine Mixtur aus allem? Seid ihr mit dem Aussehen und den daraus resultierenden Fähigkeiten zufrieden, sucht ihr eine passende Gefährtin/en und beginnt, untermalt von einem melodischen Saxophonspiel, das Paarungsritual. Ein Ei wird gelegt und prompt schlüpft der Nachwuchs – der Grundstein für unseren Stamm ist gelegt. Laut Will Wright soll die Evolution bis hierhin maximal ein bis zwei Stunden dauern.    

Stammtisch

Nach Pacman und Diablo kommt nun Populous ins Spiel: Das Aussehen der Wesen steht fest und jetzt könnt ihr euch auf die intellektuelle und emotionale Reifung konzentrieren – natürlich unterbrochen von kleinen Kämpfen, die fortan innerhalb einer Gruppe stattfinden, da ihr ja einen Stamm anführt. Je nach erlangter Punktezahl kann der Spieler seinen Geschöpfen die ersten Technologien vor den Latz setzen -  z.B. Feuer, Trommeln oder Speere. Kaum aus den Hut gezaubert, schauen sich eure Lebewesen genau an, was ihr ihnen "geschenkt" habt und spielen damit herum. So kann es sein, dass sie sich an den Speeren verletzten oder anfangen auf den Trommeln herumzuspielen. Daraus resultiert meist ein ziemlich eigenwilliger Tanz um ein Feuer. Während sich der bisherige Teil eher mit der Lebensform befasste, kommen nun immer mehr globale Aufbaustrategie- bzw. Götterelemente zum Zuge.

Die Kreaturen tanzen, bewaffnet mit Speeren, um ein Lagerfeuer zum Klang einer Trommel.

Kreaturen und Gebäude

So langsam wird es Zeit, sich über Gebäude Gedanken zu machen und eurem Stamm die ersten simplen Bauten zu präsentieren. Auch hier könnt ihr eurer Kreativität freien Lauf lassen, denn ihr schnitzt die Bauwerke im Editor selbstständig. Klingt schwierig? Ist es aber nicht! Mit einfachen geometrischen Blöcken (Quadraten, Kreisen, Zylindern) modelliert ihr Schritt für Schritt die Gebäude und setzt sie auf den Planeten. Habt ihr keine Lust, selbsttätig die Architektur für euer Volk zu planen, so kann der Computer die Bauwerke generieren oder ihr lasst euch einen Baustil aus dem Internet raussuchen - der Clou ist, dass alle Gebäude von anderen Spielern irgendwo auf der Welt gestaltet wurden und so ein Teil eurer Welt werden. Aber nicht nur die Gebäudestile werden mit Hilfe eines Servers weltweit verteilt, sogar die Kreaturen, die andere Spieler entworfen haben, finden so Einzug in eure ganz eigene Welt – nur dass sie in eurem Spore-Universum halt vom Computer gesteuert werden.

Zu diesem Zeitpunkt könnt ihr erstmals auf die globale Sicht rauszoomen, den ganzen Planeten in Augenschein nehmen und siehe da: es gibt mehr Stämme auf der Welt, die ebenfalls aus dem zufallsgenerierten oder dem Internet-Pool kommen. Hierbei ist es vollkommen egal wo ihr sucht, denn sowohl im Wasser, in der Luft als auch an Land wird es fortgeschrittenes Leben geben.

Spore City

Was kommt danach? Richtig: der Stamm entwickelt sich zu einer Stadt mit eigener Infrastruktur und ihr könnt wichtigere Gebäude à la Bauernhof oder Fabrik errichten. Auch Rohstoffe, Credits und weitere Technologien kommen langsam ins Spiel und die Kontaktaufnahme mit den Nachbarn steht an – ganz im Stile von Civilization. Ihr macht euch also auf den Weg zu anderen Städten und könnt dort friedlich Handel treiben, Bündnisse schließen oder Krieg führen. Da ihr jetzt andere Dinge zu tun habt, nämlich die Stämme militärisch, kulturell oder ökonomisch zu beeinflussen oder Fahrzeuge aller Art zu bauen, wird die Stadt weitgehend selbstständig funktionieren, sonst würde euch das Mikro-Management sicherlich in den Wahnsinn treiben.

Nur ein kleiner Teil des Planeten ist zu sehen und trotzdem sind schon zwei große Städte erkennbar.

Ab in den Weltraum

Die Jahrtausende ziehen dahin und eure Zivilisation wächst und gedeiht - hoffentlich. Eines Tages, in einer weit entfernten Zukunft, dürft ihr ein typisches 50er-Jahre UFO bauen bzw. kaufen und in die unendlichen Weiten reisen. Zuerst durchfliegt ihr euer Sonnensystem, in dem es natürlich weitere Planeten mit den unterschiedlichsten Atmosphären und evtl. sogar Leben gibt. Habt ihr den interstellaren Antrieb entwickelt, geht es noch weiter hinaus und zwar in einen kleinen Teil der Galaxis. Aber hier ist längst nicht Schluss: Noch weiter rausgezoomt sehen wir die ganze Milchstraße – Millionen von Sternen und überall könnte Leben sein, was übrigens auch aus dem kreativen Internet-Pool stammt.

Jetzt geht die galaktische Besiedlung los. Und wenn ein Planet mal nicht euren Ansprüchen entspricht, wird ein ausführliches Terraforming durchgeführt oder ihr lebt halt unter einer Glaskuppel - besonders sinnvoll bei Lebensformen, die ohnehin unter Wasser leben, sonst müssten sie den ganzen Planeten erstmal fluten. Weiterführend könnt ihr mit Hilfe von Radiowellen andere Wesen ausfindig machen und mit diesen in Kontakt treten, sie angreifen oder entführen und auf eurem Heimatplaneten mit anderen Kreaturen kreuzen. Diese Phase von Spore wird niemals enden und von jetzt an müsst ihr entscheiden, was ihr in der endlosen Weite des Alls machen wollt. 

Ausblick

Spore war mein Highlight auf der E3! Warum? Ganz einfach: Will Wright scheint es zu schaffen, die gesamte Evolution in ein enorm abwechslungsreiches und komplexes Spiel zu packen. Eine Mischung aus Pacman, Diablo, Populous, Civilization, Sim City und noch zahllosen anderen Ideen klingt zwar theoretisch bizarr, aber in der Praxis könnte das Konzept nach dem bisher Gesehenen durchaus funktionieren. Hinzu kommt der geniale Kreaturen- bzw. Gebäude-Editor, mit dem ihr eurer Kreativität freien Lauf lassen könnt. Verpackt in ein atemberaubendes, technisches Grundgerüst, das euch ermöglicht, stufenlos von eurer Siedlung bis zur Gesamtansicht der Milchstraße herauszuzoomen und der weltweiten Verteilung der von den Spielern geschaffenen Kreaturen sowie Gebäuden, verspricht Spore eines, wenn nicht sogar das Highlight des Jahres 2006 zu werden.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.