Supreme Commander28.10.2006, Marcel Kleffmann
Supreme Commander

Vorschau:

In der US-Presse wird Supreme Commander (ab 7,09€ bei kaufen) seit der E3 2006 als anstehende Revolution gefeiert und soll angeblich wieder echte "Strategie" zurück ins Genre bringen. Ganz im Gegensatz zu den taktischen Scharmützeln bei Company of Heroes, Dawn of War oder C&C sind die Ausmaße der Schlachten hier größer und dynamischer. Ob wir uns von der Begeisterungswelle beim Entwickler-Besuch in Seattle anstecken lassen konnten?

Szenen einer Schlacht

Ein Dutzend Abfangjäger ziehen pausenlos ihre Patrouillen-Kreise um meine Basis, in der gerade ein Langstrecken-Geschütz der Marke Groß-und-Böse hochgezogen wird. Sechs Konstruktionsfahrzeuge und der Commander (genannt ACU: Armored Commander Unit) höchstpersönlich werkeln an der Massenzerstörungswaffe, die problemlos drei Gegner auf der Karte mit hochexplosiven Projektilen eindecken kann.

Total Annihilation: Angriffe finden zu Lande, in der Luft und auf hoher See statt.
Bei aller Baufokussierung gehen jedoch die Energievorräte zur Neige, selbst den mobilen Schutzschildgenerator muss ich deaktivieren und zwei Panzer-Bauprojekte abbrechen, damit alle verfügbaren Energien in  das Großprojekt fließen können.

Alles verläuft in geordneten Bahnen, bis mehrere graue Symbole auf der Weltkarte außerhalb des freigelegten Sichtfeldes auftauchen. Das Radar hat Feinde ausgemacht, die auf meine Basis zumarschieren und da sie sich langsam fortbewegen, tippe ich auf Bodeneinheiten. Kurzum schicke ich meine versteckt gehaltene und am äußersten Kartenrand geparkte Bomberstaffel in die Luft und verhagele den Truppen die Stimmung. Obwohl der Gegner mit einer gesunden Truppenmischung angreift, die allesamt die gleiche Geschwindigkeit einhalten, kann die feindliche mobile Flugabwehr kaum Erfolge feiern und segnet als Erstes das Zeitliche. Jetzt können die Bomber in aller Ruhe die übrig gebliebenen Kampfroboter zu Schutt verarbeiten. Währenddessen ist die Großkanone fertig geworden und da das Schätzchen massenweise Energie pro Schuss verschlingt, wird noch schnell abseits der Basis ein Fusionskraftwerk in Auftrag gegeben.

Alle Konstrukteure werden zur neuen Baustelle beordert, bis auf ein technisch veraltetes "Tech Level 1"-Fahrzeug, das den Sonderbefehl "Baue 20 kleine Energiekollektoren in einer Reihe" erhält - natürlich weit außerhalb der Basis. Voller Tatendrang juckelt das alte Baufahrzeug los und beginnt mit der Projektreihe. Einige Wimpernschläge später hat das Fahrzeug vier Energiekollektoren hochgezogen und nebenbei ist der Großreaktor fertig geworden und liefert Energie im Überfluss. Jetzt ist der Zeitpunkt zum Angriff gekommen: Abfangjäger werden als Aufklärer missbraucht und quer über die Karte geschickt, um die gegnerischen Stützpunkte aufzuspüren und siehe da: zwei Kontrahenten beharken sich gegenseitig. Die größte

Die Riesenspinne (Experimental-Einheit der Cybran) verteidigt die durch ein Energiefeld beschützte Basis.
gefundene Basis wird mein erstes Ziel und dank des Aufklärungsfluges habe ich seine eng gebaute Energieversorgung entdeckt und genau dort darf sich mein Geschütz jetzt austoben. Drei Schüsse später wird meine Streitmacht mit einer Bildschirm erschütternden Explosion belohnt - Volltreffer! Während meine Großkanone die Basis im Alleingang in Schutt und Asche legt, schicke ich meine übrig gebliebenen Bomber zu Gegner Nr. 2, um Verwirrung zu stiften und gebe nebenbei Dutzende neuer Panzer in Auftrag. Man weiß ja nie, was die Gegner so aushecken...

Größen-Dimensionen

Kleine Scharmützel auf verhältnismäßig begrenzten Karten wie bei Dawn of War, Company of Heroes oder der C&C-Reihe stehen bei Supreme Commander nicht an der Tagesordnung. Stattdessen geht es um Strategie-Schlachten an mehreren Fronten auf Maps, die teilweise so groß sind, dass euer Commander mehr als eine Viertelstunde braucht, um von einem Ende zum anderen zu laufen. Alles ist weiträumiger angelegt und um angesichts dieser Dimensionen nicht den Überblick zu verlieren, dürft ihr die imposanteste Zoom-Funktion seit Black & White einsetzen.   

Egal wie groß die Karte ist, ihr könnt immer maximal auszoomen und das komplette Schlachtfeld auf einen Bildschirm "verkleinern". All eure Truppen und Gebäude (sowie die Feinde, falls Radar vorhanden) sind ebenfalls zu sehen und werden anhand charakteristischer Icons (z.B. Bomber sind Dreiecke mit breiter Basis, Abfangjäger ein spitzes Dreieck) repräsentiert. Der Clou ist daran, dass ihr selbst aus größter Entfernung noch Befehle erteilen könnt. Ein Doppelklick auf die breiten Dreiecke und schwupps habt ihr alle verfügbaren Bomber  markiert. Sogar komplexe Befehle lassen sich aus dieser Perspektive erteilen und zwar könnt ihr Flugzeuge - mit wenigen

Die länglichen Truppentransporter laden ihre Fracht vor der gegnerischen Basis ab.
Klicks und der Shift-Taste - um eure Basis patrouillieren lassen. Ihr legt einfach fünf oder sechs Wegpunkte fest und schließt den Wegkreis, schon ist die Route fertig, die eure designierten Einheiten automatisch abfliegen und anrückende Feinde eigenständig aufs Korn nehmen. Zusätzlich lassen sich die geschaffenen Routen in Echtzeit verschieben oder verändern, falls ihr eure Basis ausdehnt. Ansonsten ist die Steuerung des Zoom-Modus ziemlich intuitiv: Mit dem Mausrad zoomt ihr heraus und wenn ihr den Mauszeiger auf der Karte platziert und das Mausrad in die andere Richtung bemüht, wird genau der Abschnitt vergrößert, an dem sich der Cursor eben befand.

Kampfsystem

Diese Zoom-Funktion ist ein Kernelement von Supreme Commander und zur Kontrolle der Einheiten unabdingbar, da es im Gegensatz zu anderen Echtzeit-Strategiespielen weniger auf taktische Kriegsführung ankommt, sondern auf strategisches Denken. Im Klartext bedeutet das, dass ihr euch auf Mehrfronten-Kriegen mit den unterschiedlichsten Waffensystem vorbereiten und vorausschauend Handeln müsst. Auch die Wahl von aggressiver  oder defensiver Vorgehensweise liegt in eurer Hand, schließlich lassen sich sogar nukleare Raketenangriffe mit entsprechenden Abfangmechanismen kontern,

Definitionen: Strategie und Taktik

Strategie und Taktik hängen eng miteinander zusammen: Beide zielen auf den richtigen Einsatz bestimmter Mittel in Zeit und Raum, wobei sich Strategie im Allgemeinen (stark vereinfacht gesagt) auf ein übergeordnetes Ziel bezieht, während Taktik den Weg und die Maßnahmen bestimmt, kurzfristigere Zwischenziele zu erreichen.

- Strategie ist der "große Plan über allem" oder das "grundsätzliche Muster der Handlungen" [...]

- Als Taktik bezeichnet man militärisch die Führung der Truppen in das Gefecht, also die unmittelbare Art des Einsatzes von Streitkräften in einem Gefecht.

Quelle: Wikipedia sofern ihr die Möglichkeit des Nuklearkrieges in Betracht gezogen habt und euch nicht auf einen Luft-, Boden- oder Schiffsangriff spezialisiert wollt.

Richtig gelesen: Ihr könnt Einheiten aus den drei großen Kategorien (Luft, Wasser, Land) bauen, die sich zusätzlich in drei Technologie-Stufen unterteilen. Da außerdem keine der über 80 verschiedenen Truppen pro Fraktion (insgesamt drei Streithähne) auf das Schere-Stein-Papier-Prinzip ausgelegt ist, hängt der Ausgang der Schlacht vielmehr von der Kombination aus Feuerkraft und Spezialfähigkeiten, der intelligenten Nutzung des Geländes sowie strategischer Vorausplanung ab. So wäre eine gesunde Beimengung aus Flugabwehr bei der Panzerarmee eine lohnende Investition und Torpedobomber auf Karten mit weiten Wasserflächen könnten euch durchaus das Leben erleichtern. Ein weiteres unberechenbares Element birgt die Physik-Engine, weil alle Schüsse und Projektilflugbahnen in Echtzeit berechnet werden. Theoretisch könntet ihr langsam fliegenden Geschossen ausweichen und wenn ein Schuss in einem Baum oder an einem Hügel hängen bleibt, dann hat die gerade geschossene Einheit halt Pech. Gewissermaßen schwindet auch die Zielsicherheit über lange Distanzen. So kann die "Big Bertha" eher stationäre oder langsame Gegner auf Korn nehmen und ist bei wendigen Feinden ohne manuelles Zielen nicht allzu gut zu gebrauchen. 

Einheiten-Überblick

Generell kann man sagen, dass der Gewinner eines Kampfes in der Regel mit der größten Feuerkraft aufwartet. Schießt also ein Schlachtschiff - das in der Nahansicht nicht einmal auf einen Bildschirm passt - auf einen kümmerlichen Panzer, könnt ihr euren Tank mit nur einem Treffer abschreiben. Selbstverständlich gibt es auch stärkere Boden-Einheiten, aber die kosten mehr Ressourcen und auf alle Eventualitäten könnt ihr euch nur schwer

Die Riesenspinne kann viele Treffer einstecken, aber auch gut mit ihrem Laser austeilen - allerdings ist die Reichweite der Strahlenwaffe sehr begrenzt.
einstellen.

Die Truppen gliedern sich in drei Tech-Stufen und ein finales Experimentallevel. Während alle Einheiten der drei konkurrierenden Parteien im "Tech 1" recht ähnlich sind, differenzieren sich die Fraktionen mit ansteigender Technologiestufe zunehmend. Die UEF (United Earth Federation) setzt mehr auf traditionelle Projektilwaffen oder Raketen, während die roboterhaften Cybran eher Laser- oder Strahlenwaffen bevorzugen. Die Ultimo-Einheit der UAF spiegelt diese Philosophie wieder und ist eine fahrende Waffenproduktionsfabrik mit Mehrfachgeschütztürmen à la Schlachtschiff. Die Cybran hingegen schicken eine aggressive Riesenspinne los, die mit einem großen Laser alle Einheiten in der Nähe brutzelt und beim voranstacksen nicht mal Rücksicht auf eigene Truppen nimmt. Last but not least gibt es den Riesenkampfroboter der Aeon, der über einen zerstörerischen Strahlenblick verfügt.

Aus Energie wird Masse

Hergestellt werden alle Einheiten, bis auf die Experimentaltruppen, in den Waffenfabriken der drei Technologie-Stufen. Sämtliche Gebäude lassen sich mit den Konstruktionsfahrzeugen beliebig frei platzieren, egal ob es Geschütze, Flugabwehr-Stellungen, Fabriken, Schild-Generatoren oder Produktionsstätten für Rohstoffe sind. Apropos Ressourcen: Für den Aufbau der Supreme Kriegsmaschinerie benötigt ihr das Einstein-Ressourcen-

Das riesige Nuklearwaffen-U-Boot der UEF wird gleich von den Cybran-Bombern attackiert.
Duo "Masse" und "Energie" - ganz wie beim indirekten Vorgänger Total Annihilation. Während Energie hauptsächlich durch Gebäude (wie Fusionsreaktor, Solarkollektoren, usw.) gewonnen wird, bekommt ihr Masse, in dem ihr spezielle Kollektoren auf Massequellen errichtet, die auf der Karte vereilt sind. Generell lässt sich Energie leichter und schneller beschaffen als Masse.

Mit steigendem Tech-Level erschließt ihr dann Upgrade-Möglichkeiten für die Masse-Kollektoren und um das Management dynamischer zu machen, könnt ihr Energie in Masse umwandeln. Der größte Energie-Masse-Umwander kann rund 1000 Energie in 250 Masse verwandeln, was auf Kosten der Stromrechnung geht, denn ohne Energie im verfügbaren Pool fallen sämtliche Energiewaffen oder Verteidigungssysteme aus - was durchaus schnell passieren kann, da die anfangs erwähnte Superkanone mehr als 1000 Energie pro Schuss benötigt. Um auf solche Schwankungen im Haushalt zu reagieren, könnt ihr "Speicherplätze" (vgl. Silos) für die Ressourcen bauen oder schaltet energiefressende Einrichtungen in Notzeiten ab, solange bis ihr den Engpass überbrückt habt. Der Gebäudebau kostet ebenfalls stetig beide Ressourcen und je mehr Fahrzeuge an der Errichtung beteiligt sind, umso mehr Rohstoffe werden vom Konto abgebucht. Sollte es dennoch zu massiven Engpässen in heikeln  Situationen kommen, lassen sich umherstehende Bäume als Ressourcen einsammeln (können auch Fahrzeuge

Videos zu Supreme Commander

Video: Gameplay 1 (Laufzeit: 4:46 Min.)

Video: E3-Trailer 06 (HD) (Laufzeit: 3:59 Min.)selbstständig machen) und Trümmerteile sind ebenfalls recyclebar. Baut ihr auf einer Trümmerruine das gleiche Gebäude erneut, bekommt ihr gar einen 60%-Baubonus. 

Ausblick

Auf Supreme Commander habe ich als Total Annihilation-Jünger lange gewartet. Das Spiel ist im Geiste dessen Nachfolger und bringt zugleich Größendimensionen ins Genre, die bisher unvorstellbar waren. Trotz der streckenweise gewaltigen Karten und den nicht enden wollenden Einheitenmassen verliert ihr dank der brillanten Zoom-Funktion nie den Überblick. Kombiniert wird die totale Kontrolle mit vielen Komfort-Funktionen wie automatische Arbeitsabläufe, dem einfachen Wegpunktsystem und außerordentlich langen Produktionsketten. Nichtsdestotrotz verbirgt sich hinter Supreme Commander recht viel Komplexität, die das Kampfgeschehen weit von sinnlosen Massenschlachten entfernt, angefangen beim bewusst umfangreichen Ressourcensystem. Den Spielalltag bestimmen strategische Vorausplanungen, da ihr dem Gegner zu Lande, in der Luft und zu Wasser beharken könnt. Auch defensiv oder aggressiv spielende Naturen kommen auf ihre Kosten und da der Kampfausgang nicht mit dem Schere-Stein-Papier-Prinzip vorbestimmt ist, verlaufen die Schlachten dynamischer und unberechenbarer. Es fällt mir schwer meiner Multiplayer-Begeisterung kritische Worte hinzuzufügen, aber im Moment sehe ich außer leichter Performance-Defizite keine Schwächen. Wichtig ist allerdings auch der bisher unter Verschluss gehaltene Einzelspielerkampagne und die Frage, ob Gas Powered Games darin eine packende Geschichte rund um die drei Parteien stricken kann.

Ersteindruck: ausgezeichnet

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