LittleBigPlanet (PSP)19.11.2009, Jan Wöbbeking
LittleBigPlanet (PSP)

Im Test:

Es ist wieder Bastelstunde: Ein Jahr nach dem PS3-Debüt von LittleBigPlanet dürfen auch PSP-Besitzer ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Das Jump'n'Run-Abenteuer bietet neben 30 neuen Levels einen mächtigen Editor: Es dürfen Hüpf-Parcours aus Holz, Metall, Pappe und hunderten anderen Materialien in allen Farben des Regenbogens erstellt und prompt ausprobiert werden. Wer nicht als Hippie abgestempelt werden möchte, darf seine Levels natürlich auch mit massenhaft Fallen spicken oder ihnen ein finsteres Erscheinungsbild verpassen.

Nachwuchs-Designer gesucht

Wie sich die Zeiten ändern: In meiner Schulzeit war ich noch froh, wenn ich für einen halbwegs schief zusammen genagelten Klorollenhalter eine 4 bekam - und heute sitze ich über die PSP gebeugt und erschaffe wahre Bühnen-Meisterwerke für eine grinsende Sackpuppe.

Gestatten: Sackboy!
Verantwortlich für meine Wandlung zum gestaltenden Künstler ist der idiotensichere Level-Editor von LittleBigPlanet. Er war schon auf der PlayStation 3 ein echtes Highlight. Anders als in professionellen Entwickler-Tools fliege ich mit meiner Hauptfigur nämlich direkt durch den Level. Sein kleines Lasso dient mir als Cursor, mit dem sich an allen möglichen Details herumschrauben lässt.

Faul wie ich bin lade ich einen Hintergrund nebst passendem Plattform-Grundgerüst und beginne damit, an den Feinheiten zu arbeiten. Wende ich eine Aktion zum ersten mal an, wird ein kurzes Tutorial-Video abgespielt, in welchem ein süffisant aus dem Kopfhörer raunender Sprecher mir jedes Detail ausführlich und humorvoll erklärt. Beinahe alles in der Welt lässt sich mit dem "Popit" verunstalten: Ein Druck auf die Quadrat-Taste und schon ploppt ein blätterbares Menü auf, mit welchem Materialien, Unmengen an bunten Stickern, diverse Schalter und vieles mehr ausgewählt werden. Ich entscheide mich für ein Quadrat aus Holz und "male" damit ein paar einfache Plattformen. Moment mal, Metall passt besser zum Hintergrund! Kein Problem: Ein Knopfdruck und schon verwandelt sich jedes Material in rostigen Stahl, geriffeltes Aluminium oder unzählige andere Dinge. Als nächstes setze ich ein paar Exemplare unter Strom und pappe ein Schild mit einem Warnhinweis davor.

Alles bewegt sich

Die platzierten Gegenstände lassen sich mit allerlei Federn, elastischen Seilen, pumpenden Kolben und diversen Mechanismen verbinden. Ich kann sie wie einen Ballon nach oben schweben lassen, sie an einem Seil befestigen und vieles mehr. Für Leben im Level sorgen außerdem Schalter: Manche schicken mein selbst gebasteltes Pferd auf Rädern den Berg hinab, wenn meine Spielfigur sich nähert, andere werden per Hebel oder durch Sackboys Gewicht betätigt.

Ganz so scharf wie auf der PS3 sehen die Bastel-Materialien nicht aus - für PSP-Verhältnisse bietet LittleBigPlanet aber verblüffend viele Details.
Mit dem Editor lassen sich derart viele Dinge erschaffen, dass es den Artikel sprengen würde, sie auch nur ansatzweise aufzuzählen. In der PS3-Fassung hat ein findiger Tüftler sogar einen kompletten funktionierenden Taschenrechner nur aus Kolben, Seilen und Schaltern gebastelt - auch Vertikal-Shooter und andere clevere Ideen fanden sich schnell auf dem Online-Planet von LittleBigPlanet. Außerdem liefert Entwickler Media Molecules ständig Nachschub an neuen Sackboy-Figuren sowie Bauteilen für den Editor; die meisten davon sind allerdings kostenpflichtig. Ist ein Level fertig, verbinde ich meine PSP einfach mit dem PlayStation Network, lade ihn hoch, lasse ihn bewerten und lade ein paar andere beliebte Exemplare auf meinen Memory Stick. Auch offline lassen sich die Kunstwerke mit Freunden tauschen.

Das komplexe Geschehen auf dem Bildschirm mit all seinen Bewegungen und Wechselwirkungen wird von der erstaunlich potenten Physik-Engine getragen. Auch Sackboys Bewegungen werden von ihr berechnet. Wenn der kleine Hauptdarsteller im Expresstempo einen Berg hinunter rast, kann es schon einmal vorkommen, dass er sich am unteren Ende verstolpert und nicht mehr rechtzeitig vorm tödlichen Abgrund abspringt - selbst wenn ich rechtzeitig die X-Taste drücke. Ganz so sicher und souverän wie in Hüpfer wie einem 2D-Mario fühlt man sich in LittleBigPlanet nie. Nach einigem Minuten hatte ich mich aber an die Eigenheiten gewöhnt. Außerdem bietet die physiklastige Steuerung auch Vorteile: Mit genügend Schwung erreicht man scheinbar unerreichbare Punkte-Blasen manchmal doch noch. Wenn man nur lange genug mit der Trägheit von Sackboy und diversen Federn herumexperimentiert, kann man einiges erreichen. Auch Sackboy selbst darf übrigens mit alternativen Stoffen, Hüten und anderen Accessoires verschönert werden.                 

Eine neue Weltreise

Zu welchen Leistungen der einfach bedienbare Editor im Stande ist, zeigen die gut dreißig Levels der Kampagne. Die Weltreise führt Sackboy durch wunderhübsche, mit verschwenderischen Details ausgeschmückte Kulissen.

Der automatische Ebenen-Wechsel gestaltet sich ab und zu ein wenig fummelig. Hier kann Sackboy z.B. über den Steinboden oder über den Stab laufen. 
Der grundsätzliche Spielablauf ist klassisch simpel: Ich laufe durch den von der Seite gefilmten Parcours, hüpfe über Plattformen, weiche tödlichen Fallen aus, springe verletzlichen Widersachern auf's Haupt und löse allerlei Schalterrätsel. Mein Protagonist kann lediglich rennen, springen,  diverse Objekte festhalten oder verschieben sowie Grimassen schneiden. An manchen Punkten schnallt er sich außerdem ein Jetpack auf den Rücken, um z.B. schwere Fässer über eine Klippe zu transportieren. Die Entwickler haben die Levels allerdings mit Unmengen an liebenswerten Details vollgestopft, wodurch der auf den ersten Blick altbacken wirkende Spielablauf sich als frisch und abwechslungsreich entpuppt.

Im Orient springe ich zum Beispiel über putzige, aber mit langen, tödlichen Elektro-Krummsäbeln ausgestattete Krieger. Kurz darauf folgt ein Ritt auf einem fliegenden Teppich, der sich schwieriger gestaltet als es zunächst scheint: Behutsam drücke ich auf den beiden Schaltern herum, welche mein Fluggerät schwerfällig durch ein enges Labyrinth mit vielen spitzen Stacheln schweben lassen. Zusätzlich muss ich die Schalter immer wieder loslassen, um gerade noch rechtzeitig über ein paar glühende Kanonenkugel zu hüpfen, welche im Dauerfeuer auf meinen Teppich abgefeuert werden.

Kein Checkpoint-Frust mehr

Erwischen mich mehrere Exemplare hintereinander, ist das nicht mehr so tragisch wie im Vorbild. Neuerdings darf Sackboy unendlich oft von einem Checkpoint aus starten - auf der PS3 musste er nach einigen Fehlversuchen zurück an den Startpunkt des Levels.

Die Weltreise wird von toll abgemischter World-Music begleitet. In Asien gibt es minutenlange psychedelische Gitarrensolos zu hören.
Das neue System sorgt für deutlich weniger Frust, könnte bei knallharten Hardcore-Hüpfern aber für Unverständnis sorgen. Aber keine Bange: Auch die PSP-Version von LittleBigPlanet richtet sich nicht nur an Einsteiger, sondern bietet viele knackige Passagen.

Auch in Asien wird das Spiel von rasanten Intermezzi aufgelockert. Bei einer Talfahrt auf einem kleinen Wägelchen fliehe ich vor einem riesigen, Feuer spuckenden Drachen und halte ihn mit Geschossen auf Distanz. Die schnellen Fahrsequenzen und diverse Renn-Missionen unter Zeitdruck bilden einen schönen Kontrast zu den zahlreichen Rätselaufgaben: Mal müssen lediglich Schalter gefunden und aktiviert werden, in anderen Fällen geht es erst einmal auf die Suche nach Hinweisen. Die Mutter des chinesischen Kaisers hat z.B. diverse Schaltersymbole als Gedankenstütze im ganzen Palast verstreut. Auf dem Weg dorthin liegen massenhaft Sticker mit Mustern und Motiven verstreut, welche sich später im Editor auf alle möglichen Dinge pappen lassen. Außerdem sind die Parcours mit kleinen Punkte-Blasen gespickt, dank derer auch Highscore-Fans auf ihre Kosten kommen.              

Fazit

Es ist kaum zu glauben, was SCE Cambridge aus der PSP kitzelt: Die Entwickler haben es tatsächlich geschafft, beinahe die komplette Welt von LittleBigPlanet in das kleine Handheld zu quetschen. Das Design von Sackboy und seiner bunten Bastel-Welt ist umwerfend charmant und überall locken Physik-Spielereien oder scharfe Materialoberflächen. Auch den extrem mächtigen Level-Editor konnte ich auf Anhieb prima bedienen. Wer genügend Geduld mitbringt, kann sich tagelang austoben und wunderhübsche Spielstufen erschaffen - bei Zeitknappheit versieht man einfach diverse Vorlagen mit Fallen. Wie im PS3-Vorbild dürfen eigene Spielstufen und darin versteckte Kunstwerke der ganzen Welt präsentiert werden - dank Bewertungssystem und Suche gelangt man genau so schnell an wahre Perlen wie Geheimtipps. Auch diesmal hat es ein Weilchen gedauert, bis ich mich an das manchmal etwas störrische, weil physikabhängige Sprungverhalten von Sackboy gewöhnt hatte - doch dann wurde ich mit 30 komplett neuen Abschnitten belohnt, welche diesmal übrigens einen Deut rätsellastiger ausfallen. Es dauert zwar nicht all zu viele Stunden bis zum letzten Exemplar, doch im Gegenzug sind die Levels enorm abwechslungsreich aufgebaut. Ein wenig schade ist, dass ich nicht mehr wie auf der PS3 mit Freunden kooperativ Hüpfen und Basteln darf. Sei's drum - LittleBigPlanet ist ein absolutes PSP-Juwel für Jump'n'Run-Fans und kreative Köpfe.

Pro

<P>
unheimlich charmantes, kreatives Design
extrem mächtiger, einfach zu bedienender Level-Editor
Vorlagen erleichtern das Basteln
Levels tauschen, hochladen und bewerten lassen
auch selbst gestaltete Objekte sind tauschbar
komplett neue Kampagnen-Levels
ausgewogener Mix aus Jump'n'Run und Rätseln
abwechslungsreiches Leveldesign
knackige Sprungpassagen
entschärftes Checkpoint-System
motivierendes Sticker-Sammeln
beeindruckend detaillierte Kulissen
erstaunlich gut umgesetzte Physik-Engine
toll abgemischter World-Music-Soundtrack
sehr gute deutsche Lokalisierung
süffisanter Sprecher+&nbsp;zahlreiche ausführliche Tutorial-Videos</P>

Kontra

<P>
etwas hakelige Sprungsteuerung
lange Ladezeiten
nur gut 30 mitgelieferte Levels
kein Mehrspieler-Hüpfen oder -Basteln mehr möglich</P>

Wertung

PSP

Kreativ, fordernd und unheimlich charmant: Abwechslungsreiche Levels und der mächtige Editor machen LittleBigPlanet auch auf der PSP zu einem echten Juwel.

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