Test: WipEout Pure (Rennspiel)

von Benjamin Schmädig



WipEout Pure
Publisher: Sony
Release:
05.11.2010
Spielinfo Bilder Videos
Oft kopiert, aber nie erreicht: Eine Ikone des Science Fiction-Rennsports kehrt zurück und versucht sich an Selbstfindung. Wipeout verhalf waffenstarrenden Flitzern aus der Zukunft zu beachtlicher Popularität, versandete aber bei dem Versuch, auf der PS2 neue Wege zu gehen, im Mittelmaß. Sorgt die Besinnung auf alte Werte für frische Kraft im Tank oder ist die Luft aus den Antigravitions-Rennen raus?

Fünf-Klassen-Gesellschaft

Der erste Schritt zurück beginnt bei der Wiedereinführung der Geschwindigkeitsklassen: Venom und Vector führen euch sanft in die Welt der schwebenden Gleiter ein. Ihr lernt die Strecken kennen und löst euch von der Vorstellung, auf Rädern unterwegs zu sein, denn ähnlich wie in einem Rallye-Wagen, lenkt ihr schon vor einer engen Kurve rechtzeitig ein. Neuling Flash, die mittlere Klasse, richtet sich an erfahrene Piloten und fordert bereits den geübten Einsatz der Luftbremsen, mit denen ihr euren Raser durch besonders enge Passagen manövriert.
Über den Wolken... seid ihr auch nicht freier, könnt aber von der Strecke fallen!
Richtig brenzlig wird es aber erst in Rapier und Phantom: Kennt ihr die Kurse hier nicht aus dem Effeff, macht ihr so oft Bekanntschaft mit der Mauer, bis die Meldung "Contender Eliminated" vom Ende eures Einsatzes kündet.

Nur wenn ihr einen Podestplatz erreicht, erhaltet ihr Zugang zu Meisterschaften und schnelleren Klassen, Goldmedaillen bringen euch Extras wie z.B. neue Schiffe. Im Detail sieht das so aus, dass ihr auf den vier Strecken der Gruppe Alpha einen Podiumsplatz heimfliegt, um die erste Meisterschaft freizuschalten. Erst wenn ihr es dort aufs Treppchen schafft, geht es mit den Kursen der Beta-Liga weiter. Seid ihr auch hier erfolgreich, wartet ein Turnier mit acht Rennen. Auf diese Weise schreitet ihr voran, so dass ein Turnier mit 16 Rennen auf euch wartet, sobald sämtliche zusätzlichen Inhalte aus dem Internet verfügbar sind.

Updates aus dem Netz

Moment! Inhalte aus dem Internet? Bekommen wir etwa ein unfertiges Produkt vorgesetzt, das nur mit zusätzlichen Downloads den Umfang eines Vollpreistitels erreicht? Ganz im Gegenteil: Sony will die Vorteile seines Hardware-Babys ins rechte Licht rücken und verspricht, Rennfans noch sechs Monate nach dem Release mit kostenlosen Strecken, Fliegern, Grafiken und Musikstücken zu versorgen. Die Downloads werden das Spiel fast um das Doppelte erweitern! Was bis jetzt für Besitzer der japanischen und US-Versionen verfügbar ist, überzeugt jedenfalls vollends und wird der Klasse der anfänglichen Inhalte voll gerecht. Besser noch: Die Kursen der Gamma-Liga sind anders gestaltet als jene davor, fordern auf neue Weise und lassen euch noch öfter mit Höchstgeschwindigkeit rasen – ein ganz dicker Pluspunkt.

Dabei habt ihr schon vom Start weg genug zu tun: Auf acht regulären und vier aus den Vorgängern bekannten Strecken sowie weiteren vier Kursen des extravaganten Zone Mode solltet ihr jede Menge Zeit verbringen. Dabei gewinnt ihr nicht nur während der Rennen Medaillen, sondern werdet auch im Time Trial für flotte Zeiten belohnt. Einzige Ausnahme ist der in Fusion erstmals vorgestellte Zone-Modus: Abgesehen von der minimalistischen Präsentation, die ein beinahe meditatives Erlebnis erzeugt, seid ihr hier schneller als sonst irgendwo im Spiel unterwegs. Zwar machen euch keine Gegner das Leben schwer, dafür müsst ihr mit einem alle zehn Sekunden schneller fliegenden Gleiter klarkommen. Klingt einfach?
TRON lässt grüßen: Die Strecken der älteren Wipeouts erinnern an den SciFi-Klassiker.
Ist es auch. Jedenfalls solange, bis sich das Vehikel nach wenigen Minuten kaum noch steuern lässt...

Wenn die Erde bebt...

Im Gegensatz zu Fusion kleben die Flieger nicht mehr wie in F-Zero oder KillerLoop fest an der Strecke. Dafür spendiert Pure zwei brandneue Manöver: Drückt ihr während eines Sprungs schnell nach links-rechts-links (wahlweise auch umgekehrt), führt euer Gefährt eine Rolle aus und jagt beim Aufsetzen mit einem Turbo davon. Die zweite Neuerung ist ein Schlittern nach links oder rechts, was besonders in Schikanen hilfreich sein kann. Um damit erfolgreich zu sein, benötigt ihr allerdings viel Übung und präzises Timing, gewinnt aber selten nennenswerte Vorteile.

Die Gegner beherrschen diese Tricks übrigens auch und stellen ein ernsthaftes Hindernis dar: Sie bleiben euch dicht auf den Fersen und machen ausgiebigen Gebrauch vom wirkungsvollen Waffenarsenal. Es werden Minen gelegt, Raketen abgefeuert, Missiles verschossen und Beben ausgelöst. Die Waffen sind allesamt bekannt, nur Bomben sind neu und zudem ausgesprochen effektiv, denn jeder Flieger, der in ihren Explosionsradius gerät, kommt zum Stillstand und erleidet Energieverlust. Besonders ärgerlich: Ihr seid auf der Jagd nach der Pole Position und werdet das Opfer des unglücklichen Tölpels direkt hinter euch, der die Bombe nicht so geschickt umsegelt wie ihr... Einziger Trost ist dann nur die darauf folgende, sehr eindrucksvolle Explosion. Sind die Schilde übrigens einmal runter, sammelt ihr einfach eine Waffe auf, absorbiert deren Energie und schon seid ihr aus dem Gröbsten raus.

Grafikblender?

Glücklicherweise spielt die Grafik bei den rasanten Flügen mit und liefert bei 30 Bildern pro Sekunde auch abseits der Strecke viel fürs Auge. Die stilisierte Zukunftsvision der Serie wird perfekt eingefangen: Futuristische Werbebanner, Luftschiffe, Unterwasserkanäle, Reflexionen und ein Blendeffekt bei Tunnelausgängen zeigen, zu was die PSP
Hier geht's runter in den verwinkelten Untergrund des Industriegebiets.
in der Lage ist. Nur wenn ihr eine effektgeladene Waffe hinter mehreren Gegnern zündet, verabschiedet sich der flüssige Ablauf zugunsten einer ungewollten Zeitlupe. Dem Spaß bereitet das keinen Abbruch, ärgerlich sind die Ausrutscher trotzdem.

Keine Schwäche zeigt hingegen die akustische Begleitung mit 19 treibenden Tracks bekannter Künstler. Paul Hartnoll, Aphex Twin und Elite Force treiben das Geschehen voran und sollten den Freunden elektronischer Musik ein Begriff sein, Fans der älteren Wipeouts freuen sich außerdem über einen Beitrag von Cold Storage, der die Soundtracks zum Erstling und zur PC-Fassung von 2097 beisteuerte. Die knackige Atmosphäre wird aber vor allem dann eingefangen, wenn eine getroffene Maschine laut aufheult oder der Motor beim Zünden des Turbos höher dreht: Die Geräuschkulisse passt wie die Faust aufs Auge.

Was es sonst noch gibt...

Aber so gut die Präsentation auch ist; Was Wipeout nie verstanden hat ist, auch abseits vom Renngeschehen zu unterhalten. So gibt es bis auf die Belohnung in Form von Medaillen und freischaltbaren Extras wie alternativer Menü-Hintergründe oder neuer Schiffe nichts, was bei der Stange hält. Sollte euch das Design nicht ansprechen und der Rausch der Geschwindigkeit kalt lassen, macht ihr besser einen Bogen um Pure. Auch der Multiplayer-Modus für bis zu acht Teilnehmer ist zwar so umfangreich wie der Solopart, es fehlt aber eine Lobby oder die Möglichkeit, im Internet gegeneinander antreten zu können. Immerhin unterstützt die hiesige Fassung Game Sharing, wodurch ihr eine Demo erhaltet, mit der ihr auf einer Strecke mit drei Gleitern testen könnt, ob Pure auf eure Einkaufsliste gehört oder nicht.

          

Kommentare

4P|Benjamin schrieb am
Dass du frustriert bist, weil du in den höheren Klassen Schwierigkeiten hast, kann ich verstehen. Allerdings sehe ich es durchaus so, dass Pure sich sehr fair verhält und Anfänger und Profis durch die steigende Herausforderung mit jeder neuen Klasse gleichermaßen bei der Stange hält.
Den Turbostart habe ich für mich seit Wipeout 1 übrigens immer so einsortiert, dass er die Rennen schneller in Gang bringt, sich aber kaum auf den Ausgang der Rennen auswirkt. Dafür sorgt schon, dass die KI sich deinem Fliegen anpasst und wartet, wenn du hinterher fliegst bzw. schneller wird, wenn du sehr flott unterwegs bist. Perfekt fliegen die Gegner übrigens nicht, die machen durchaus Fehler und werden teilweise ähnlich stark beharkt wie man selbst. Auch den Glücksfaktor sehe ich nicht: Bist du gut genug, um Rennen zu gewinnen, werfen dich ein, zwei Treffer kaum vom Podest.
Dass in den Meisterschaften immer einer von den KI-Kumpels voraus fliegt ist zwar unrealistisch (jedenfalls dann, wenn man die letzten Formel 1-Saisons mal verdrängt ;) ), aber du kommst ja auch mit dritten Plätzen überall weiter. Dass man die Extras nur mit Goldmedaillen freischaltet, ist dann doch genau der richtige Anreiz, um es immer wieder zu versuchen - und wer nur durchspielen will, der lässt es eben.
Das kann natürlich jeder anders sehen, aber ich denke aus all diesen Gründen, dass Pure sehr ausgereift ist, was die Balance angeht.
Grüße,
Ben
johndoe-freename-63493 schrieb am
Hallo.
Ich kann mich spontan nicht an den Verlauf von früheren Teilen erinnern, aber war es da nicht ein Wenig anders? Wozu ist ein Turbostart vorhanden, wenn der dann sowieso ohne Nutzen ist? Ich finde doch, dass die Strecken und das Handling ansich, besonders später durch die hohe Geschwindigkeit schon anspruchsvoll genug werden. Deswegen halte es für unnötig, dann auch noch den Faktor Gegner so dem Glück unterwerfen zu müssen. Die Gegner feuern zudem oft aus allen Rohren, und fahren die Strecken prinzipiell sowieso immer perfekt. Wenn man bei drei Runden, meist gezwungen wird, die erste als Letzter oder Vorletzter zu beenden, nur mit sehr viel Geschick und wie gesagt Glück gerade noch auf dem ersten Podest (oder auch nicht) zu landen, geht mir ehrlich gesagt schon ziemlich an die Substanz. In Meisterschaften besonders ärgerlich, da es quasi nur einen direkten Konkurrenten gibt, mit dem man sich um die Punkte respektive den ersten und zweiten Platz streitet. Ganz gleich, ob solch ein ungeschriebenes Gesetz heute akzeptiert wird, besonders von Euch - wo Ihr oft jedes noch so kleine Fehlerchen festhaltet - hätte ich eine Bemerkung in diese Spielspaß-beeinflussende Richtung erwartet. Vermeidbar wäre es wohl trotzdem gewesen.
4P|Benjamin schrieb am
Hi dingsi,
was du ansprichst ist meiner Ansicht nach kein Kritikpunkt, da sich die KI beinahe aller Arcade-Racer Vorteile durch diverse unrealistische Manöver verschafft. Auf der anderen Seite sind es verschiedene Variablen, die die Computerfahrer langsamer machen, so dass der Spieler bessere Chancen auf den Sieg hat. Beispiele sind der fast überall vorhandene Gummiband-Effekt, ein Verhalten am Start, das die KI oft schneller voranbringt als es sollte, oder das viel zu zeitige Abbremsen vor Kurven.
Ich mag derartige Manipulationen nicht besonders, allerdings scheinen sie in der Bibel des prototypischen Arcade-Rennspiels fest verankert zu sein. :) Von daher sind diese Feinheiten nicht der Rede wert, solange das Spiel an sich fair ist. Und das ist Pure, bei aller Würze in späteren Rennen, auf jeden Fall.
Ben
johndoe-freename-72134 schrieb am
Ich habe mir am 1. September Medievil gekauft, da ist eine Demo von Wipeout drauf. Ich konnte dem, Game nichts abgewinnen. Auf der PSOne spielte es sich bei weitem schneller, auch das Geschwindigkeitsgefühl kommt einfach nicht so gut rüber. Ich finde, dass es KEIN guter PSP einstand geworden ist. Aber ist lediglich meine Meinung, einige schwören ja auf das Game...
johndoe-freename-63493 schrieb am
Ein Kritikpunkt, der auftaucht, wenn man es mal ein bisschen länger gespielt hat, fehlt. Nämlich der unfaire Rennverlauf mit den Gegnern, die nach Start - egal, wie schnell und perfekt man fährt - in wohl 95% aller Fälle Meter weit vorrauszischen. Das nagt schon ZIEMLICH an der Motivation!
schrieb am