Metal Gear Ac!d 214.06.2006, Jörg Luibl
Metal Gear Ac!d 2

Im Test:

Knapp ein Jahr nach dem Kartendebüt von Solid Snake wird wieder Runde für Runde gekämpft, geschlichen und gesammelt. Metal Gear Ac!d 2 (ab 49,39€ bei kaufen) will die gelungene Premiere des ersten Trading-Card-Games auf der PSP fortsetzen und geizt nicht mit Zusätzen: ein frischer Look, eine 3D-Brille, doppelt so viele Karten sowie neue taktische Möglichkeiten sollen das Abenteuer aufwerten. Bunter, üppiger, besser?

Kartentaktik alter Schule

Ihr kennt Trading-Card-Games wie Magic: The Gathering oder Munshkin? Dann werdet ihr euch mit Metal Gear Ac!d 2 (MA2) sehr schnell wohl fühlen. Das Spielprinzip ist identisch zum Vorgänger, weshalb ich hier auf den ausführlichen Test (Wertung: 80%) von Metal Gear Ac!d (MA) verweise und es nur kurz zusammenfasse: In jeder Mission steht euch ein Deck aus 30 Karten zur Verfügung, das ihr selbst oder automatisch erstellen lasst. Per Zufall bekommt ihr eine Auswahl von sechs Karten auf die Hand, von denen ihr meist zwei pro Zug ausspielen könnt.

Was will Wiseman? Der bleiche Mann, der angeblich für das Verteidigungsministerium der USA arbeitet, schaltet sich plötzlich in euren Funkverkehr ein und nutzt euch als Infiltrationswerkzeug.
Ein Beispiel: Erst sechs Felder vorwärts gehen (Bewegungskarte nutzen), danach den Gegner mit dem Messer angreifen (Waffenkarte nutzen). Jetzt folgt eine der vielen gut animierten Actionszenen, die Snakes filigranen Angriff zeigt und den Schaden berechnet. Verwendet ihr besondere Wummen wie den Flammenwerfer, wird sogar ein kleiner Renderfilm abgespielt - sehr edel, sehr ansehnlich. Bevor die Runde vorbei ist, sind die möglichen Gegner am Zug, die vom Computer gesteuert werden und ebenfalls Karten ausspielen.

Sie laufen ihre Patrouillenrouten ab oder lösen Alarm aus, wenn sie euch entdecken. Dabei macht die künstliche Intelligenz in Sachen Klangwahrnehmung eine bessere Figur als in Sachen Squadtaktik: Meist folgen Feinde einem Geräusch schön nacheinander, ohne im Team zu arbeiten, so dass sie nacheinander leichte Beute sind. Ist der Zug der Gegner erledigt, bekommt ihr aus eurem Pool an 30 Karten wieder zufällig neue in die Hand und leitet die nächste Runde ein.

Stealth-Action im Rundenmodus

Snake lehnt sich an Wände, späht um die Ecken, setzt zum Schuss aus der Drehung an, kriecht unter Lastwagen, hangelt sich an Simsen entlang, umgeht Kameras, kriecht unter Infrarotstrahlen, zerstört Selbstschussanlagen und kann ein ganzes Arsenal an Fallen auslegen: Einfach die  Bombenkarte auf ein Feld legen, die Wache mit einem Klopfzeichen anlocken und abwarten - Krawumms! Selbst für leise Bombenleger gibt es

Lust auf bewegte Bilder? Ab ins Trailerkino:

Download Gameplay 1 (1:27 Min.)mittlerweile coole Karten wie "Destroy Equip Trap", die nur die Ausrüstung des Opfers zerstören, oder spezielle Karten, die nur die Aktionspunkte rauben - sprich: Trotz dicker Kalaschnikow kann der Feind nicht feuern!

Gerade diese subtilen Manöver sorgen immer wieder für fiese Schadenfreude und taktische Unterhaltung. Außerdem bekommt man deutliche Boni, wenn man aus der Deckung heraus schießt oder bei Feindkontakt eine direkte Schusserwiderungskarte besitzt: Habt ihr z.B. "Front Evade" ausgerüstet und werdet von vorne mit Projektilen eingedeckt, weicht Snake in einer eleganten Animation einfach aus - ist unrealistisch, aber sieht verdammt gut aus. Man kann natürlich auch à la Rambo jede Waffenkarte zum Frontalangriff nutzen und sogar Fässer mit mächtigem Bereichsschaden detonieren lassen, aber dann sind erstens schnell alle Wachen da und zweitens sinkt die Wertung in den Keller.

Auf die harte Tour?

Zu zweit pirscht man sich mit Feuerschutz heran: Die Söldnerin Venus ist eine ideale Verstärkung und sehr zielsicher.
Das Leveldesign der zwölf Schauplätze ist zwar sehr oft so linear konstruiert, dass ihr einen bestimmten Punkt erreichen müsst, um eine Mission abzuschließen, aber es wurde gut auf die Situationen zugeschnitten. Neben einfachen Survival-Aufgaben gegen eine Übermacht gibt es auch interessante Recherche- und Verteidgungs-Missionen - das ist mehr Abwechslung als im Vorgänger. Manchmal gibt es auf dem Weg zum Ziel einige Freiheiten: Wenn ihr euch gegen eine Spezialeinheit wehren müsst, die ein Gelände stürmt, gibt es mehrere Optionen. Man kann sich z.B. in einem Raum verstecken, dort wertvolle Karten finden und davor Fallen auslegen - dieses defensive Auskundschaften dauert natürlich länger. Oder man geht in die Offensive, nutzt starke Granaten und die Ölfässer in der Umgebung, um explosiv mit den Feinden aufzuräumen. Die interaktive Umgebung sorgt dafür, dass Soldaten sogar auf Öllachen ausrutschen und sich schwarz einfärben.  

Der Reiz des Spiels besteht auch darin, dass das Zufallselement der Karten die eigene Taktik beeinflussen kann. Wenn man sich in einer Kiste um eine Wache mogeln will, braucht man die entsprechende Karte. Wenn man über weite Distanz schießen will, aber gerade weder die Zielfernrohr- noch die Gewehrkarte besitzt, muss man umdenken. Zwar kann man immer wieder abwarten, bis die Karten neu gemischt werden, aber das kostet wertvolle Zeit. Allerdings hat man zwei Plätze im Inventar frei, die man z.B. mit einer schusssicheren Weste, einer Waffe oder einem Item belegen kann - quasi zwei Joker gegen den Zufall. Am Ende jedes Levels wird abgerechnet, wie schnell, wie lautlos und effizient ihr eine Mission gemeistert habt - dabei zählen Leichenfunde genau so wie der erlittene Schaden. Je nach Erfolg winken mehr oder weniger Punkte und Karten, die euch den weiteren Weg enorm erleichtern können. Daher ist das Stöbern, Tauschen und Zusammenstellen des eigenen Decks nicht nur wichtig, sondern auch sehr unterhaltsam, denn mit der Zeit findet, erhaltet oder kauft ihr zig neue Pakete, die den Sammeltrieb erst richtig anfeuern und ganz neue Manöver ermöglichen. Veteranen können übrigens auch Karten aus dem Vorgänger in ihr Deck importieren.

Nicht kleckern,…

…sondern klotzen: Satte 565 Karten von Waffen, Items, Granaten, Rüstungen, Hilfsmittel hat Konami diesmal integriert - im Vorgänger waren es nur 200. Damit sind die Möglichkeiten im taktischen Bereich enorm gewachsen. Hinzu kommt, dass man Karten jetzt gezielt aufrüsten und damit effektiver machen kann: Gewonnene Punkte darf man z.B. in eine Pistole investieren, um ihren Schaden und die Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen. Oder man rüstet das Nahkampfmesser auf oder die EMP-Granaten oder die Kevlarweste. So kann man seine Spielweise fördern und das eigene Deck noch besser individualisieren, wenn man damit z.B. mit einem Freund spielt. Allerdings hat das gezielte Aufrüsten einen Nachteil: Die Ausspielkosten für die verbesserte Karte steigen enorm an, so dass ihr in der Mission noch länger auf den nächsten Zug warten müsst.

Bizarre Story-Sprünge treffen euf ebenso bizarre Gegner: Metal Gear Ac!d 2 geizt nicht mit Überraschungen.
Wie schon im Vorgänger seid ihr recht schnell als Duo unterwegs: Die Söldnerin Venus begleitet euch und erweitert damit erneut die spielerischen Möglichkeiten, denn man kann sich geschickt trennen oder auf vereinte Feuerkraft setzen. Dieser Teamgedanke wird auch im neuen Arena-Modus zelebriert: Hier kämpft ihr ebenfalls zu zweit gegen berühmte Bosse wie Revolver Ocelot aus der Metal Gear-Geschichte - das ist aber nur auf den ersten Blick ein Highlight für Veteranen, denn der Schwierigkeitsgrad sinkt hier schnell auf ein recht anspruchsloses Niveau. Das ist zwar ideal, um Punkte und Karten zu sammeln, aber gerade die Endgegner hätten auch taktisch fordern müssen.

Komfort & Übersicht

Ab und zu tauchen auch in MA2 Leerlaufphasen auf, aber das liegt natürlich am rundenbasierten Prinzip; manchmal muss man einfach abwarten, was die Gegner machen und ihre Züge beobachten. Dieses Abwarten auf das Abflauen der Alarmphase kann die Geduld manchmal strapazieren. Schön ist, dass Kenner den gesamten Ablauf über den Highspeed-Modus verkürzen können. So muss man sich nicht jede Bewegung der Wachen en detail anschauen und kommt schneller zum Zug. Komfortabel ist zudem, dass man Snakes Bewegungen jetzt nicht nur vorab sehen und wieder zurücknehmen kann, sondern auch, dass man sich ohne umständliche Karten-Nutzung einfach drehen oder hinlegen kann - ein wichtiger Fortschritt, der das Spiel flüssiger gestaltet. Dazu gehört auch der Nahkampf, besser bekannt als Close-Quarter-Combat: Einmal pro Zug dürft ihr einen Feind auch ohne Karte ausschalten, wenn ihr euch direkt hinter ihm befindet.

Über die Dreieckstaste kann man eine Übersicht aufrufen, die sich mit dem Analogstick noch justieren oder mit dem Digipad weiter scrollen lässt: Hier erkennt man z.B. den Radius der Sicherheitskameras auf dem Rasterfeld und kann seine Route dementsprechend planen. Aber es gibt trotzdem immer wieder Kameraprobleme, weil die Sicht durch Mauern oder Säulen behindert wird. Hier muss man wie im Vorgänger ab und zu nachkorrigieren.

Einsteiger ohne MA-Kenntnisse werden sich erst warm spielen müssen, denn obwohl es diesmal ein sechsstufiges Tutorial und Texthinweise im Archiv gibt, bleiben einige Fragen offen - vor allem, was die Kosten der Karten oder die Aufstockung von Ausrüstung und Spezialkarten angeht. Man erfährt in den ersten Missionen zu wenig über die Möglichkeit, Waffen und Upgrades zu kombinieren und die Briefing fallen sehr mager aus. Veteranen wird das nicht stören, aber wer zum ersten Mal reinschnuppert könnte sich hier und da überfordert fühlen.

                               

 Frische Schleichkulisse

MA2 spielt sich zwar fast genau so wie der Vorgänger, aber das Abenteuer sieht anders aus: Grüne und gelbe Farben sorgen

Schach für Schleichtaktiker: Welcher Weg ist der beste? Schön ist, dass das Kriechen, an die Wand lehnen sowie der Blickwechsel jetzt komfortabler zugänglich sind.
für eine wesentlich abwechslungsreichere Kulisse. Statt ruhiger Tarnfarben gibt es immer wieder knallige Farbtupfer. Das Team von Konami hat sich für eine grelle Frischzellenkur entschieden, die dem Abenteuer zusammen mit den edlen Zeichnungen noch mehr Comicflair verleiht. Letztlich passt das etwas bizarrere Design wunderbar zu den Bosskämpfen und der Story mit ihren überraschenden Sprüngen.

Alles beginnt damit, dass Snake von einem FBI-Agenten "Dalton" gezwungen wird, in einen Militärkomplex einzudringen; seine Freunde werden derweil als Geiseln gehalten. Zähne knirschend macht sich der Agent auf den Weg und bleibt zunächst hilfloses Werkzeug. Erst als sich mit "Wiseman" plötzlich ein weiterer hoher Beamter des Verteidigungsministeriums einschaltet und Snake mit dem Hinweis auf eine nukleare Bedrohung für sich gewinnen will, wird es interessant. Als dann noch der anonyme Hacker "B.B" eine Frequenz freimacht, um mit Solid Kontakt aufzunehmen, sind drei Parteien online, die alle ihre eigenen Ziele verfolgen.

Dubios und mysteriös? Genau das ist es. Auch wenn die Story manchmal etwas hanebüchen wirkt, trifft sie mit ihren Überspitzungen, pathetischen Dialogen und so manchem Wortwitz den Nerv der Serie. Sie kann zwar lange nicht nicht mit der epischen Breite eines Metal Gear Solid 3 mithalten, aber kommt deutlich besser in Fahrt als im Vorgänger. Das liegt auch daran, dass es jetzt endlich Bezüge zu Solids Vergangenheit gibt. Das Zauberwort: Amnesie! Zwar ist der Kniff des Gedächtnisverlustes bei Snake nicht besonders originell, aber so könnt ihr euch Stück für Stück an sein Leben herantasten. Im ersten Teil hing die Erzählung ja noch im luftleeren Raum und enttäuschte, da es keine Verknüpfungen zur Historie des Stealth-Action-Helden gab. Es gibt zwar immer noch keine Sprachausgabe und nur starre Porträts, die Texte ausspucken, aber auch das unterstreicht den Comic-Charme.

Multiplayer-Modus

Was kommt nach der Kampagne? Man kann jede Mission noch mal angehen, um versteckte Karten zu finden oder sich online mit einem Freund duellieren. Leider wird der kabellose Netzwerk-Modus, der so genannte "Link-Kampf", erst nach dem Durchspielen freigeschaltet. Zwei Agenten können dann mit ihren eigenen Decks über den Ad-hoc-Modus gegeneinander antreten.  Leider gibt es hier ein Problem in der Spielbalance: Erstens gibt es keine Möglichkeit, die Decks in irgendeiner

In der Arena treffen Kenner auf alte Bekannte: Revolver Ocelt & Co warten auf eure Züge. Hier könnt ihr sehr viele Punkte und Karten sammeln.Weise auf ein Niveau abzustimmen. Das heißt, dass ein sammelwütiger Spieler mit seinem ausgefeilten Deck immer die Oberhand behalten wird. Außerdem kann man die Spielmodi nicht anpassen: Es geht immer nur darum, entweder alle Gegner kampfunfähig zu machen oder alle taktischen Ziele zu zerstören. Das führt dazu, dass man möglichst viele Granaten und Waffen reinpackt und alles niedermacht - zumal man die Feinde auch noch von Anfang an sieht! Das hat nichts mehr mit Infiltration und Überraschungen zu tun. Hier hätten ausgefeiltere Spielmodi, die auch die taktischen Schleichkarten fordern, auf lange Sicht für mehr Unterhaltung gesorgt.

Solides Auges

Als "innovatives Highlight" präsentiert Konami einen Hardware-Aufsatz namens "Solid Eye Viewing System". Dahinter verbirgt sich eine papierne 3D-Brille, die man auf die PSP montieren kann, um entweder in der dritten Dimension zu spielen oder die Bonusfilme anzuschauen. Das sieht auch alles klasse aus, vor allem wenn man bekannte Trailer aus alten Solid-Abenteuern noch mal sieht, aber das Problem ist, dass man beides am liebsten in entspannter Lage tun möchte. Hier verkrampft man allerdings aufgrund des geringen Abstands zwischen PSP-Monitor und Brille schon nach wenigen Minuten - egal, ob man das Gerät in ruhender Position am Tisch nutzt oder es wie ein Fernglas in die Höhe hebt. Nur eingefleischten Fans kann das egal sein, da man immerhin jede Menge bekannte und neue Szenen aus dem Metal Gear-Universum sieht.

    

Fazit

Okay, es räumt nicht alle kleinen Fehler des Vorgängers aus. Ja, die 3D-Brille hätte man sich sparen können. Und der Multiplayerteil ist in Sachen Spielmodi und Spielbalance verbesserungswürdig. Trotzdem komme ich von diesem zweiten Schleichkarten-Abenteuer nicht los - es ist technisch und taktisch besser als der Vorgäner und damit der einzige PSP-Titel, den ich derzeit immer wieder gerne anschmeiße. Mir gefällt nicht nur der frische Grafikstil mit seinen grellen Farben und eleganten Kampfszenen, sondern auch der neue Bewegungskomfort, der das Kriechen und den Nahkampf erleichtert. Hinzu kommt die Vielfalt von über 500 Karten sowie das abwechslungsreiche Leveldesign. Zwar kommt die Story nicht an die epische Wucht der großen Vorbilder heran, aber sie ist spannender, dubioser und endlich mit Verknüpfungen an die Snake-Historie gespickt. Außerdem gefällt mir, dass ich Endgegner wie Revolver Ocelot & Co  in der Arena jetzt rundenweise besiegen kann - die Kämpfe sind zwar auf Dauer zu anspruchslos, aber für Nostalgiker empfehlenswert. Wer Trading-Card-Games und Stealth-Action mag, kann hier gar nichts falsch machen.

Pro

gute Story
frische Präsentation
500 Karten (vorher 200)
verbesserte Steuerung
komplexeres Tutorial
neue Bewegungen wie Hangeln, Kriechen
motivierendes Karten-Aufrüsten
freischaltbare Bonusd-Videos
online mit Deck gegeneinander spielbar
intuitiverer Bewegungswechsel
Karten aus dem Vorgänger importieren
Multiplayer-Modus

Kontra

keine Sprachausgabe
wenig komfortable 3D-Sicht "Solid Eye"
immer noch Kameraprobleme
karge Missionsbeschreibungen
Tutorial mit Erklärungslücken
Multiplayer wird erst nach dem Durchspielen aktiviert
keine Freiheit bei der Einstellung der Multiplayer-Modi

Wertung

PSP

Das ist der einzige PSP-Titel, den ich als Liebhaber von Rundentaktik immer wieder gerne anschmeiße!

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