Grand Theft Auto: Vice City Stories14.11.2006, Paul Kautz
Grand Theft Auto: Vice City Stories

Im Test:

Vor dreieinhalb Jahren versetzte uns Rockstar Games mit GTA Vice City in die schrillbunte, rasante und hochgefährliche Welt der 80er Jahre - heraus kam eines der coolsten Games aller Zeiten, das Actionspieler weltweit in einen Rausch versetzte und auch heute noch als Referenz herhalten muss. Nachdem die PSP letztes Jahr mit dem GTA 3-»Revival« Liberty City Stories beglückt wurde, war der nächste Schritt eigentlich logisch: Vice City Stories.

You're in the army now

Victor »Vic« Vance ist im Grunde kein übler Kerl: Eigentlich trat er nur der Armee bei, um seine Familie, und da ganz besonders den kranken Bruder versorgen zu können. Aber wie so oft, wenn man nur beste Absichten hat, geht das Ergebnis nach hinten los. In diesem Fall ist der Knackpunkt sein Vorgesetzter Sergeant Martinez, der ihn dazu bringt, Drogenpakete und Nutten abzuholen, was Vic ratzfatz von höheren Vorgesetzten mit einer unehrenhaften Entlassung quittiert bekommt. Na toll! Nun, wo er schon in Vice City ist, kann er sich auch gleich mal nach Arbeit umsehen: Und so landet er beim dauerbreiten Ballerfreak Phil Cassidy, womit das Unheil seinen Lauf nimmt&

Kein Kind von Traurigkeit: Obwohl man kaum etwas über ihn erfährt, ist Vic der klassische GTA-Protagonist - skrupellos und durchschlagskräftig!
Grand Theft Auto: Vice City Stories (ab 29,99€ bei kaufen) (VCS) folgt seinem Vorgänger Liberty City Stories (LCS) auf dem Fuße: Genau wie er spielt es in einer bekannten Stadt, zeitlich einige Jahre vor dem »Hauptprogramm«. Ihr trefft auf viele vertraute Gestalten wie Großmaul Ricardo Diaz, euren Bruder Lance Vance, den Uber-Macho Umberto Robina oder den erwähnten Waffennarren Phil Cassidy, aber natürlich auch frische Gestalten wie die Huren Mona und Mary, das Trailer Trash-Ehepaar Marty J. Williams samt Frau Louise oder den undurchsichtigen Geschäftsmann Brian Forbes. Ihr durchrast Vice City, das traditionsgemäß anfangs nur zum Teil begehbar ist, mit Autos (vom Porsche- oder Ferrari-Verschnitt über Quad Bikes bis hin zu Gabelstaplern oder LKWs), Motorrädern (Dirtbikes, Chopper oder Rennmaschinen wie die gute alte PCJ 600) - und ziemlich spät kommen auch Jetskis und Helikopter ins Spiel, die sich trotz der Abwesenheit eines zweiten Analogsticks erstaunlich flott steuern! Ihr ballert euch durch Horden von Polizisten, Mexikaner- oder Biker-Gangs, zerstört Geschäfte der Konkurrenz, klaut nicht zu knapp Autos oder liefert euch Straßenrennen. Das Missionsdesign ist abwechslungsreich und kreativ wie eh und je: Es gilt Drive-Bys zu überstehen, Läden zu zerstören,  Alkohol-Paletten mit einem Gabelstapler zu verladen, einen gestohlenen Truck zu beschützen, ein Quad-Bike-Rennen zu gewinnen, vom Helikopter aus gegnerische Gangs ins Visier zu nehmen, ein brennendes Bordell mit einem Feuerwehrwagen zu löschen oder wichtige Paket schneller als Konkurrenten abzuholen. Die Aufgaben sind etwas länger und vielschichtiger aufgebaut als bei LCS, aber immer noch kurz genug, um das Handheld-Konzept nicht ad absurdum zu führen.

 

Logischerweise cruist ihr durch die aus Vice City bekannte Stadt, die aber an einigen Stellen merkliche Unterschiede aufweist - Gebäude wie

Die Auswahl potenzieller Beförderungsmittel ist in VCS gewohnt umfangreich.
»Sunshine Autos« sind noch im Bau, andere fehlen völlig oder sind anders designt. Im Großen und Ganzen ist der Aufbau der Stadt aber identisch,  wer Vice City kennt, wird sich hier nicht verfahren. Falls doch, liegt der Packung wie gewohnt ein aufklappbarer Straßenplan bei.

Der kleine Immobilienhai

Neben der Hauptstory, die euch ungefähr zwölf Stunden in Schach halten sollte, aber leider kaum auf Vics Persönlichkeit und seine Hintergründe eingeht, gibt es GTA-typisch auch in VCS viel nebenher zu tun. Das wären z.B. Klassiker wie Rennen, Feuerwehr- oder Polizei-Missionen, die ihr jederzeit angehen könnt - außerdem könnt ihr auch Strandwache spielen. Im Stadtgebiet sind 99 Luftballon (natürlich rot) verteilt, deren Aufsammlung Bonuswaffen bringt. Neuerdings dürft ihr auch ein eigenes Firmen-Imperium errichten: Bestimmte Gebäude könnt ihr wie in den letzten GTA-Teilen kaufen und sie als Speicherort nutzen. Darüber hinaus lohnt es sich, Geld in diese Unternehmen zu investieren, um sie auszubauen: Bordelle, Schutzgeldzentralen, Kreditinstitute oder Folterkeller gibt es in drei Größen. Je größer der Bau, desto mehr Geld wirft er ab, was ihr jeden Tag automatisch ausgezahlt bekommt - das gewohnte Rennen nach den schwebenden Cash-Icons entfällt hier.          

Ferner bieten in den Häusern stehende Gangster-Kollegen neue Missionen an, die je nach Art des Gebäudes unterschiedlich ausfallen. Im Endeffekt macht man in denen allerdings die ganze Zeit das Gleiche: Laden wird überfallen -> hinrasen, Räuber erledigen -> raus, zum nächsten Geschäft, dasselbe von vorn. Zwischendurch überfällt man auch aus Rache gegnerische Läden, das funktioniert aber nach dem gleichen Prinzip.

Das Wasser ist kein Feind mehr: Vic kann schwimmen, außerdem laden spritzige Jetskis zu einer flotten Fahrt ein.
Betreibt man ein Bordell, muss man Nutten von einem Klienten zum nächsten Karren, und das 15 Mal hintereinander - gähn! Diese Missionen machen sich selbst das Leben schwer: Sie sind rotzöde und völlig überflüssig - so viel Geld und Respekt bringen sie nicht ein, besonders wenn man durch den Erwerb von ein oder zwei weiteren Imperien weitaus mehr Asche machen kann. Und auch die sind nicht so individuell, wie man meinen könnte, obwohl man sich frei aussuchen kann, welche Art von Haus man errichtet: Der praktische Nutzen (sprich: Geld) ist immer derselbe.

Spielerisch bleibt also alles beim Alten, auch wenn's einige sinnvolle Neuerungen bzw. Erweiterungen gibt: Vic kann schwimmen, nach einer vergeigten Mission ein günstiges Taxi nutzen, das ihn direkt zum Auftragsanfang bugsiert, Gangs rekrutieren und unter diversen Klamottensets wählen. Sehr praktisch ist außerdem, dass ihr jetzt die Möglichkeit habt, euer Waffenarsenal, das ihr normalerweise komplett verliert, wenn ihr getötet oder verhaftet werdet, gegen ein Lösegeld wieder vollständig in eure Taschen wandern zu lassen - das ist allerdings ziemlich hoch, so dass sich der Einsatz erst spät im Spiel und eigentlich nur bei besonderen Waffen lohnt.

Der Tradition von LCS folgend erwartet euch hier auch ein Mehrspielermodus für bis zu sechs Gangster: Zehn Spielmodi, von der DM- und CTF-Variante über ein Bombenlegespiel und diverse Rennen gibt's genug Abwechslung. Das Problem ist wieder mal, dass die maximale Spielerzahl im Grunde auch der minimalen entspricht: Da die Levels sehr groß sind (ihr bekämpft euch in gewaltigen Stadtteilen), läuft man sich z.B. zu zweit kaum über den Weg, auch wenn die Position des anderen stets als Namenseinblendung zumindest erahnbar ist. Lediglich das Rennen hat auch mit weniger Teilnehmern Sinn, darüber hinaus muss jeder natürlich seine eigene UMD dabei haben.

Rosa Flamingos überall!

Schnelle Autos, schnelle Grafik: Technisch holt VCS aus der PSP alles heraus.
Auch technisch folgt VCS den guten alten GTA-Standards: Grobe Figuren, aber tolle Animationen und eine gigantische, detailliert dargestellte Stadt, die ein glaubwürdiges Gefühl hinterlässt! Schöne Lichteffekte, toll inszenierte Echtzeit-Zwischensequenzen, schön dicke Explosionen mit zischenden Feuerstrahlen und herumfliegenden Einzelteilen, eine hohe Sichtweite und abwechslungsreiche Figuren auf den Straßen, die das Klonkrieger-Gefühl früherer Teile vergessen lassen, stehen auf der prall gefüllten Haben-Seite. Allerdings ist das Soll auch nicht ohne: Denn auf der einen Seite ist es super, dass VCS wesentlich flüssiger als LCS rennt - es gibt tatsächlich nur selten spürbare Slowdowns. Allerdings wird das mit erheblich verstärkten Fade-Ins erkauft, die wesentlich öfter und penetranter auftreten als in jedem anderen GTA. Teilweise knallt ihr gegen unsichtbare Hindernisse, die sich erst kurz darauf materialisieren. Oder ihr rast über einen weiß-grauen Matsch, aus dem mit einem Mal eine Straße samt Randobjekten morpht. Man kann damit leben, schön ist's aber nicht. Darüber hinaus habe ich das Gefühl, dass die UMD wesentlich mehr als vorher beansprucht wird - jedenfalls ist VCS ein übler Stromfresser: Bei voller Beleuchtung (und die braucht man, aber dazu gleich mehr), hält der gebeutelte PSP-Akku keine drei Stunden, längere Spielsitzungen sollten in der Nähe einer Steckdose stattfinden.    

Die Dunkelheit ist ein weiteres Problem: Dafür, dass Vice City eine sonnendurchflutete Stadt ist, geht die Sonne recht früh unter, dafür leisten die Straßenlampen einen unterdurchschnittlichen Job! Bereits ab 20 Uhr des Spieltages ist es ziemlich schwer, Details oder Hindernisse 

Helikopter kommen erst recht spät ins Spiel - und steuern sich erstaunlich gut!
zu erkennen - obwohl die Sonne offiziell noch gar nicht untergegangen ist. Ein weiterer Nervtot ist die Kamera: Nicht nur, dass das manuelle Nachkorrigieren mit der Kombination Schultertaste + Analogknubbel mit eben intuitiv und schnell funktioniert, auch zeigt die Automatik nicht zuverlässig auf Vic, oft genug sind massive Hindernisse im Weg. Noch dazu tummelt ihr euch sehr oft in engen Räumen - wo gleichsam Kamera wie Steuerung fast völlig versagen, denn der Nahkampf ist der nächste Punkt auf der »Oh je!«-Liste: Prinzipiell könnt ihr schlagen, treten, euren Gegner packen und Angriffe blocken. Praktisch allerdings hat es schon seinen Grund, dass es in GTA so viele Waffen gibt, denn sobald eine gewisse Distanz unterschritten ist, habt ihr keine Chance mehr! Steht euch der Feind gegenüber, kriegt ihr selbst mit Waffe in der Hand nur aufs Maul - die einzige Rettung besteht dann darin, kurz die Beine in die Hand zu nehmen, etwas Distanz zu gewinnen, sich umzudrehen, und den Feind aus der Entfernung auszuschalten. Steckt ihr zwischen mehreren Angreifern fest, ist der Griff zum letzten Savegame fast unumgänglich.

Zeit für hellblaue Jacketts!

Wie gewohnt müssen Besitzer der deutschen Fassung ein paar Schnitte hinnehmen: Es gibt weniger Blut, keine platzenden Köpfe bei entsprechenden Treffern und keine Rampages mehr - das gewohnte Bild, das man im Spielalltag weder merkt noch vermisst. Dafür fallen dieses Mal mehr

Die Polizei ist nach wie vor euer ärgster Feind: Übertreibt ihr es mit den Gesetzesübertretungen, habt ihr habt zielsicher schießende Spezialeinheiten am Hals.
Bugs als gewöhnlich auf: In der Garage stehende Fahrzeuge verschwinden ungefragt, ein Bike fängt mitten in der Fahrt, ohne beschossen oder beschädigt zu werden, zu brennen an, die Grafikperspektive verstellt sich immer wieder mal von selbst, Wheelie-Stürze können trotz voller Energie und Schutzweste tödlich enden. Kein Bug im eigentlichen Sinne, aber höchst ärgerlich ist, dass man sich nicht bewegen kann, während man einen Gegner anvisiert. Und richtig doof ist, dass die Musik während der Fahrt immer wieder hörbar für einen Sekundenbruchteil aussetzt. Denn der Soundtrack, die DJs, die Werbespots, die Dialoge sind wieder einmal brillant! Bekannte Sprecher wie Gary Busey, Phillip Michael Thomas und Phil Collins verleihen ihren Figuren Leben, die Sprachausgabe ist komplett englisch, auf Wunsch auch deutsch untertitelt. Während Fahrt oder Flug schmettern euch Dutzende Eighties-Hymnen von Kiss, Judas Priest, INXS, Genesis, Toto, Foreigner oder Art of Noise entgegen, wobei es erstaunlich wenig Überschneidungen mit Vice City gibt! Schmähnaturen können auch eigene Soundtracks nutzen, dürften dann aber beim falschen Spiel gelandet sein.     

Fazit

Wenn ich an Vice City denke, gerate ich immer noch ins Schwärmen: So mancher Nerv-Mission zum Trotz ist das für mich nach wie vor einer der besten GTA-Teile, was in einem Pool hochklassiger Produkte einiges heißt. Wenn ich mich geistig allerdings drei Jahre in die Zukunft versetze, glaube ich nicht, dass ich dasselbe über Vice City Stories sagen werde - da gibt es einfach zu viele Ärgernisse: Die schlaffe Story, die kaum in die Gänge kommt. Die krampfigen Nahkämpfe. Die Drive-Bys, die eine Pein sind. Die unnötig dunkle Darstellung. Und mit Vic den eindimensionalsten Helden seit langem, über dessen Hinter- oder Beweggründe man kaum etwas erfährt. Hinzu kommen die Fade-In-Probleme, die ausgeprägter sind als bei jedem anderen GTA. Und doch zocke ich weiter und weiter, denn obwohl VCS die Serie spielerisch nicht weiterbringt oder spürbar verbessert, liefert es gewohnt unterhaltsame und bissige Action! Es macht tierisch viel Spaß, mit High-Speed durch die sonnigen Straßen Vice Citys zu cruisen, die Kulisse ist fantastisch, die Akustik grandios! Unterm Strich ist das immer noch ein sehr gutes GTA. Bloß kein brillantes mehr...

Pro

gute Atmosphäre
meist flüssige, detailreiche Grafik
großartige Zwischensequenzen
coole englische Dialoge
ausgezeichneter Soundtrack
gute Animationen
tolle Vehikel-Steuerung
intelligentes Missionsdesign
große Stadt
intelligentes Zielsystem
skurrile Charaktere
verhältnismäßig kurze Ladezeiten
witziges Handbuch
spaßiger Multiplayermodus mit vielen Spielvarianten
allerlei Nebenbeschäftigungsmöglichkeiten

Kontra

gelegentlich problematische Kamerasteuerung
erheblich mehr Fade-In-Probleme als gehabt
krampfiger Nahkampf
schlaffe Story
eckige Figuren
gelegentliche Soundaussetzer
diverse Grafikbugs
gelegentliche Ruckler
gewöhnungsbedürftiges Grafik-Nachziehen
teils öde Nebenmissionen

Wertung

PSP

Faszinierender, toll spielbarer PSP-Trip in die actionreichen Eighties!

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