Monster Hunter Freedom 223.09.2007, Benjamin Schmädig
Monster Hunter Freedom 2

Im Test:

Das Orchester schwillt vorsichtig an, die Solistin summt zaghaft, während hohe Wasserläufe tosend in die Tiefe stürzen. Am Strand wartet ein kleines Kanu vor dem satten Grün dicht gedrängter Bäume. Landeinwärts ragen hohe Felsen in den nächtlichen Regen. Doch davon wird meine Jägerin auf der Suche nach ihren echsenähnlichen Opfern nicht viel sehen. Und Schuld daran hat nicht der eigentlich packende Ausflug in das bildschöne Fantasy-Reich Monster Hunter Freedom 2 (ab 5,99€ bei kaufen)...

Dinosaurier-Pferde

Wie schon vor mehr als einem Jahr entführt euch Capcom in eine wunderschöne Welt, die einen Teufel tut, gewohnte Rollenspielszenarien zu rezitieren. Das fängt schon bei der Handlung an, genauer gesagt bei deren Abwesenheit, denn nachdem euer selbst erstelltes Alter Ego im Pokke-Dorf ankommt, betraut ihn oder sie niemand mit der Vernichtung einer bedrohlichen Gefahr: Weder gibt es finstere Armeen noch trefft ihr auf fiese Magier. Vielmehr erhaltet ihr eine dauerhafte Anstellung - als ganz normaler Jäger. Der Rest? Bleibt euch selbst überlassen!

Ganz ohne Aufträge geht es aber nicht und so eilt ihr entweder zur Dorfältesten oder in die Gildenhalle, um einen von zwei Missionstypen anzunehmen.

Bilder werden den schönen Landschaftsaufnahmen nicht gerecht.
Anschließend packt ihr eure Ausrüstung und sammelt wertvolle Materialien wie Kräuter, Eier,  Mineralien oder macht Jagd auf die geforderte Beute. Mitunter wartet ein besonders dickes Monster darauf, beseitigt zu werden. Dabei ist Monster im Grunde der falsche Ausdruck; schließlich werden Dschungel, Wüste, Wald und Sümpfe von gewöhnlichen Tieren bewohnt. Die Fauna ist allerdings einzigartig, denn statt Schwein, Pferd oder Löwe trefft ihr auf die Wesen eines Jurassic Parks mit Ähnlichkeiten zu gewöhnlichen Säugern oder Vögeln. Spätestens die beeindruckenden Gipfeltiere - riesige drachenähnliche Unholde - haben mit bekannten Tierarten jedoch nichts mehr gemein und stellen euch vor eine schwierige Herausforderung. Oft könnt ihr zwar vor den Monstern fliehen, hin und wieder sind sie jedoch die verlangte Beute. Immerhin sollt ihr nicht nur Nahrung nach Pokke schleppen, sondern müsst seine Einwohner vor den Gefahren der Wildnis schützen.

Faszination LEGO

Entscheidet ihr euch für den Kampf, zieht euer Jäger oder eure Jägerin somit eine meist mannshohe Waffe und geht in Stellung. Die wenigstens Klingen, Speere oder Schießeisen, Verzeihung: -hölzer, sind allerdings so gebaut, dass ihr jetzt noch blocken könnten. Eure einzige Verteidigung im angesicht der Gefahr ist das Zur-Seite-Rollen. Gut, dass sich die meisten Tiere nach ihren Attacken erst einmal sammeln müssen - was euch die Gelegenheit zum Angriff bietet. Aufregend werden die Duelle dann, falls nicht nur ein großes, sondern zusätzlich viele kleine Monster eure saftigen Innereien wittern oder wenn das Gipfeltier in einen anliegenden Abschnitt flieht. Haltet deshalb neben Erste Hilfe-Tränken und die Ausdauer stärkenden Snacks auch einen Farbball bereit: Trifft der den "Drachen", seht ihr jederzeit seine Position auf der eingeblendeten Karte. Im besten Fall baut ihr allerdings eine Falle, ködert das Tier mit der richtigen Leckerei und betäubt es, bevor ihr ihm den Garaus macht.

Es ist der umfangreiche Lego-Kasten, der aus Monster Hunter mehr als ein "Actionspiel gegen Saurier" macht. Schließlich müsst ihr in Pokke nicht nur Mittelchen einpacken, die Verwundungen oder Vergiftungen heilen. Stattdessen erstellt ihr eine Vielzahl von Tränken, sammelt Material für bessere Ausrüstung, geht Angeln, pflückt Pilze, fangt Insekten, lasst euch in der heimischen Küche von katzenähnlichen Felyne bekochen, um eure Werte kurzfristig aufzubessern oder bewirtschaftet auf der eigenen Farm ein kleines Feld. Was ihr in Pokke tut, erinnert mehr an eine Lebenssimulation als an das Actionspiel, welches die Entwickler laut Aussage von Produzent Ryozo Tsujimoto ursprünglich im Kopf hatten. So müsst ihr nicht, könnt aber einen riesigen Berg von Kräutern, Gesteinen, Fischen, Knochen, Fellen und vieles mehr anhäufen und als Grundlage für eine stärkere Ausrüstung nutzen. Teils kombiniert ihr selbst verschiedene Vorräte, teils fertigt ein Handwerker daraus Waffen, Kleidung oder Schmuck. Das Besondere ist das Fehlen der sonst üblichen

Bis zu viert könnt ihr gegen die Echsen in den Kampf ziehen.
Erfahrungspunkte,  denn hier hilft nur das Verbessern bzw. Kaufen von Waffen, das Aufwerten der Kleidung sowie neue Erkenntnisse in Sachen Ausrüstung der Marke Eigenbau. Das wirkt glaubhafter, so dass ihr euch schneller mit dem bodenständigen Alter Ego identifizieren werdet.

Was man zum Leben braucht

Bei all dem lässt euch Capcom viel Entscheidungsfreiraum, denn im Grunde könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt. Das fängt damit an, dass ihr die geforderten Tiere so erledigen könnt, wie es eurem Stil entspricht. Entsprechend stellt ihr eure Ausrüstung zusammen und entsprechend müsst ihr auch die benötigten Materialien besorgen. Und sei es dadurch, dass ihr einen bereits erledigten Auftrag noch einmal angeht, am besten eine der vielen Sammel-Missionen. Während ihr so unterwegs seid, findet ihr bei gewissenhaftem Abgrasen der Umgebung auch die neuen Kontoobjekte - das sind von der Gilde gesuchte Naturalien, für deren Beschaffung ihr Pokke-Punkte erhaltet. Mit diesen erweitert ihr z.B. euren Acker um zusätzliche Feldreihen, setzt einen Bienenstock oder tauscht sie gegen seltene Gegenstände. Die Suche nach Kontoobjekten sowie spezielle Aufträge, in denen ihr auf Schatzsuche geht, machen das Abenteuer umfangreicher und vor allem abwechslungsreicher als seinen Vorgänger. Das gilt auch für das erwähnte Aufwerten der (teilweise neuen) Waffen, denn dadurch müsst ihr nicht erst lange sparen, bevor ihr mit besserer Ausrüstung in die Wildnis ziehen könnt.     

Zudem werden Neulinge nicht mehr von der immer noch überwältigenden Flut an Rohstoffen und Gegenständen erschlagen, da sie besser in ihr Jägerdasein eingeweiht werden. Das Training führt sie langsam in das Leben in der Wildnis ein, der Ausbilder ist sogar ausgesprochen witzig - und er vergibt gleich vom Start weg Pokke-Punkte. Falls ihr trotz gutem Training an einem großen Monster verzweifelt, muss der beste Kumpel her: Alles, was ihr jetzt noch tun müsst, ist einen anderen Knopf als sonst beim Betreten der Gilden-Versammlungshalle zu drücken, und schon zieht ihr mit bis zu drei Freunden los. Über einen Online-Service stellt Capcom zudem weitere Aufträge zur Verfügung, so dass geneigte Jäger und Sammler auf Monate mit Arbeit versorgt sein werden. Schließlich sind es gerade

Auf eurer Farm dürft ihr ein Feld anbauen, Käfer fangen, Honig kultivieren und angeln.
die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, euch in Pokke und Umgebung zu betun, welche viele (vor allem japanische) Abenteurer an die PSP fesseln. Die ständige Suche nach Naturalien, das ständige Aufeinandertreffen zwischen Jäger und Wild machen aus Monster Hunter Freedom 2...

Packende Monsterjagd? Monotoner Sammelwahn!

... ein monotones Wechseln zwischen Ladebildschirmen und extrem kurzen Levelbrocken. Daran ändert auch das neue "Vorladen" des nächsten Abschnitts nichts - denn das funktioniert oft kaum. Die Ladepausen wurden zwar verkürzt, doch heißt es auch heuer noch regelmäßig: Warten! Das ist besonders dann ärgerlich, falls einer der Gipfelsaurier immer wieder aus einem Gebiet in das nächstliegende flüchtet und ihr ihm konstant hinterher hetzen müsst. Es ist spätestens dann unverzeihlich, wenn euch ein Tier attackiert und zehn Meter zurück wirft. Im "besten" Fall landet ihr dann nämlich im Ladefenster...

Ich frage mich, weshalb die Entwickler keine zusammenhängende Welt erschaffen können, wenn anderswo ganze Städte ohne nennenswerte Unterbrechung über den PSP-Schirm flimmern. Ja, Pokke und Umgebung sehen umwerfend aus. Aber ich würde mich an einem durchgängigen Schauplatz wohler fühlen, als immer und immer wieder durch viele kleine Zellen datengeschaufelt zu werden. Genau genommen gibt es ohnehin nicht viele Areale, weil einige aus dem Vorgänger bekannt sind. Und das ist denn auch der größte Schwachpunkt dieser Fortsetzung: Wer Monster Hunter Freedom kennt, darf den zweiten Teil gefahrlos überspringen. Gefahrlos deshalb, weil die neuen Waffen, das neue Aufwerten derselben, die neuen Pokke-Punkte sowie die neuen Gegenstände lediglich denselben Add-On-Charakter versprühen wie die wenigen neuen Gebiete. Der Nachfolger ist abwechslungsreicher und umfangreicher - aber immer noch das gleiche Spiel wie vor anderthalb Jahren.

Add-On-Mief

Das gleiche, unausgereifte Spiel, wohl gemerkt. Schließlich kümmert sich Capcom nicht einmal darum, dem voran gegangenen Verkaufsargument Nummer eins - der Mehrspieler-Jagd - noch einen drauf zu setzen. Tipp an die Entwickler: Die PSP kann online längst mehr, als nur Download-Inhalte zu laden. Ebenso wenig haben sich die Entwickler um das Verbessern von Kamera, Steuerung oder der umständlichen Menüführung gekümmert. Die gesamte Technik wurde einfach übernommen, und das, obwohl sich Actiontitel zuletzt vor vielleicht zehn Jahren so störrisch kontrollieren ließen. Im Detail heißt das: Ihr dürft die Kamera nur mit den Richtungstasten drehen. Der Blickwinkel lässt sich zwar auf Knopfdruck hinter dem Alter Ego fixieren, aber das schafft kaum Abhilfe. Wer will schon seinen Fluchtweg in Richtung einer Riesenechse ändern, nur um ihrem jederzeit anstehenden Todesstoß ausweichen zu können? Und wer

In solchen Momenten wünscht sich der Waidman eine intuitive Steuerung - und wird von Monster Hunter Freedom im Stich gelassen.
behält bei fünf flinken Angreifern die Übersicht, wenn man nur mit dem Finger am Analogstick überleben kann. Überhaupt: Die meist zähe Reaktionszeit des Helden bzw. der Heldin sorgt viel zu oft dafür, dass ihm oder ihr die Tiere in den Rücken fallen, ohne dass man reagieren könnte. Taktiker freuen sich zwar über die Herausforderung; vollständige Kontrolle über die eigene Figur wäre allerdings schöner gewesen.

Falls ihr nicht gerade über das Kampfsystem flucht oder euer Heil in dem unzureichend erklärten Kombinieren der Naturalien sucht, zeigt sich die Monsterjagd ausgesprochen eintönig. Schließlich macht ihr zwischen den Aufträgen mit einem Farmbesuch, dem Essen einer Felyne-Mahlzeit sowie einem gelegentlichen Besuch bei den Pokke-Händlern stets dasselbe. Würde Monster Hunter Freedom 2 nicht nur Elemente einer Lebenssimulation zitieren, sondern eine solche sein, wäre das Bewältigen des Jäger-Alltags spannend. So ist es trotz der vielen Möglichkeiten nüchterne Routine. Richtig eintönig sind auf Dauer auch die Aufträge. Es mag reizvoll sein, irgendwo einen neuen Pilz zu entdecken, aber mal ehrlich: Tiere jagen, Dinge Sammeln, Dinge Sammeln, Tiere jagen, Tiere jagen, Dinge Sammeln, Tiere jagen usw. usf. ist für mich kein umfangreiches Abenteuer. Zumal ihr die acht unterschiedlichen Schauplätze mit ihren zwei Tageszeiten nur im Rahmen einer Mission betreten dürft. Würden die Entwickler das Konzept konsequent verfolgen, müssten sie eine offene, sich ständig verändernde Welt erschaffen. So entpuppt sich das scheinbar atmende Szenario schnell als starres Bühnenbild mit je nach Auftrag anders aufgestellten Marionetten. So ereignisreich die die Prämisse klingt und so schön die Landschaft um Pokke auch aussieht: Nur hartnäckige Sammlerherzen schlagen dort wirklich höher.   

Fazit

Die Idee ist großartig: Als einsamer Waidmann, der sich fast vollständig auf seine selbst erstellte Ausrüstung verlassen muss, durch eine bildschöne Wildnis zu pirschen, um Dinosaurier-ähnliche Wesen zu jagen, verspricht ein außergewöhnliches Abenteuer. Und bis auf die ständigen Ladeunterbrechungen erschafft Capcom auch die zumindest schönsten Landschaftsbilder der PSP-Geschichte. Das Verwalten der Farm sowie das Kombinieren von Vorräten zu nützlichen Gegenständen gibt dem Spieler viele Freiheiten und ist dank aufwertbarer Ausrüstung sowie einem sanfteren Einstieg motivierender als zuvor. Die Umsetzung lässt allerdings zu wünschen übrig: Das alles versinkt auf Dauer im eintönigen Rhythmus von Materialbeschaffung und -umwandlung; die ebenfalls stets gleichen Aufträge schaffen hier kaum für Abwechslung. Besonders ärgerlich ist aber erst die Tatsache, dass die Entwickler kaum mehr tun, als ihren Vorgänger inklusive eines Add-Ons noch einmal ins Regal zu stellen - und dabei selbst über gravierende Mängel kulant hinwegschauen. Nicht einmal Mehrspieler-Partien im Internet hat Capcom ins Auge gefasst. Für einen Titel, dessen Vorläufer sich zu einem großen Teil über die gemeinsame Jagd mit Freunden verkauft hat, ist das ein Unding.

Pro

wunderschöne Schauplätze, fantasiereiche Monster
unzählige Waffen, Rüstungen, Gegenstände
vorbereitendes Laden unterbindet Ladezeiten…
Kontoobjekten für abwechslungsreichere Aufträge
Handlungsfreiheit erinnert an Lebenssimulation
sinnvolles und witziges Training
schrittweises Aufwerten der Ausrüstung

Kontra

auf Dauer eintönig
keine echten Veränderungen zu Teil eins
… was oft nicht funktioniert
noch immer kein Online-Spiel
nahezu unbrauchbare manuelle Kameraführung
zähes Kampfsystem
kein Erkunden der Wildnis ohne Auftrag
umständliche Menüs
immer gleiche Umgebung besteht aus wenigen separaten Orten
Kombinieren meist ohne Erklärung

Wertung

PSP

Als Fortsetzung zu wenig: Teil zwei macht wenig besser und wiederholt dafür viele Fehler seines Vorgängers.

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