Final Fantasy Tactics: The War of the Lions26.10.2007, Benjamin Schmädig
Final Fantasy Tactics: The War of the Lions

Im Test:

"Recyclingkonsole" hat sie Michael damals genannt, weil Sonys Handheld viele längst bekannte Titel aufwärmen muss. Ob knorrige Oldies oder Goldies neueren Datums: Irgendwann erscheint's auf PSP. Und weil speziell Square zuletzt das Prinzip Mikrowelle für sich entdeckt hat, darf der Wegbereiter in Sachen Taktik-Rollenspiel, Final Fantasy Tactics, diesmal mit dem Untertitel The War of the Lions, nicht auf der Speisekarte fehlen. Aber wissen die Japaner eigentlich, dass es mit den Spielen nicht wie mit guten Weinen ist?

Längst überholt?

Rundenkämpfe waren stets ein wichtiger Baustein japanischer Rollenspiele, und trotzdem brachte Final Fantasy Tactics vor zehn Jahren eine neue Ära zur Blüte: die der Taktik-Rollenspiele. Im Gegensatz zu den restlichen Geschichtenerzählern aus Fernost, verlagern diese den Schwerpunkt vom Dialoge-Führen, Rätseln und Erforschen hin zu oft langwierigen Aufeinandertreffen zwischen Freund und Feind. Wobei der Spieler aus einem teils riesigen Fundus an Vorgehensweisen schöpfen und auf etliche die Situation beeinflussende Bedingungen achten muss. Höhenunterschiede wirken sich z.B. auf die Wirkung von  Waffen aus, während

Die durchdachte Landschaftsarchitektur öffnet die Tür für sehr unterschiedliche Vorgehensweisen.
das Feld, auf dem eine Figur steht, über ihren Status entscheidet (gelähmt, vergiftet usw.) oder bestimmte Aktionen auslöst. Oftmals hat man dabei Dutzende Waffen, Tränke sowie Zaubersprüche zur Auswahl, deren Gebrauch jeder der vielen Charaktere erst lernen muss. So hat es Squaresoft vor einer Dekade festgelegt - und seitdem zahlreiche Nachahmer gefunden: Disgaea oder Makai Kingdom bauten auf dem System auf und entwickelten es konsequent weiter.

Und genau da hat Square Enix mit der Neuauflage ein Problem. Denn inzwischen haben nicht nur die genannten Titel bewiesen, was taktische Tiefe bedeuten kann. The War of the Lions ist im Kern eine Eins-zu-Eins-Umsetzung das damaligen Wegweisers und lässt deshalb viele inzwischen vertraute Aspekte missen. So ist es z.B. nur eingeschränkt möglich, die Fähigkeiten der Kämpfer zu kombinieren - in Final Fantasy Tactics kämpft zwar jede Figur für den Sieg der Gruppe, arbeitet aber kaum mit den anderen zusammen. Bis auf Chocobos sind keine Reittiere vorhanden, Waffen oder Rüstung können gekauft, aber nicht aufgewertet werden und abgesehen von der (umfangreichen) Charakterentwicklung gibt es zwischen den Kämpfen nicht viel zu tun. Wo Taktikveteran Mathias das damals neue Klassensystem zu schaffen machte, würde es ihm heute fast banal erscheinen.

Für ausdauernde Tüftler

Das heißt aber nicht, dass der Löwenkrieg spielerisch belanglos wäre! Im Gegenteil: Die Gefechte fordern selbst erfahrene Feldherren. Denn zum einen bietet auch der Oldie viele taktische Freiräume und zum anderen werden die gewieften Widersacher so geschickt aufgestellt, dass sie dem Spieler nie schon im Vornherein unterlegen sind. Dem kommt der über weite Strecken sehr geradlinige Ablauf natürlich entgegen; schließlich klappert die Heldenparty auf festen Wegen das Reich Ivalice ab, um nur an bestimmten Punkten Ortschaften oder Schlachtfelder zu betreten. Dort finden meist Kämpfe statt, welche die Handlung voran bringen - erst bei einer späteren Visite entscheidet der Zufall, ob

Das Job-Rad: Hier wählt ihr, welchen Beruf ein Charakter ergreifen soll.
ihnen ein Gegner im Weg steht. Somit werden Handlungsinteressierte ebenso befriedigt wie Tüftler, die ihre  Helden gerne so lange trainieren, bis diese an Erfahrung sowie Fertigkeiten reicher sind.

Und zum Tüfteln gibt's genug: Schließlich wurde der Serien-Ableger besonders durch sein Job-System bekannt. Gehört habt ihr davon, aber ihr fragt euch, was es damit auf sich hat? Ganz einfach: Square nennt die sonst als Klassen bekannten Spezialisierungen der Charaktere Jobs (Berufe), packt 20 davon (plus zwei neue für den Löwenkrieg) ins Spiel und öffnet so die Pforten zu einem Detail versessenen Aufbau jedes Protagonisten. Wer nicht auf die immer wieder zum Team stoßenden Mitstreiter warten mag, heuert zudem selbst Komparsen an und kümmert sich auch um deren Ausbildung. Das klingt viel, ist es auch, spornt aber ungemein an! Denn sobald ein Akteur den Beruf wechselt, bekommt er auch zahlreiche wichtige Fähigkeiten auf den Weg; die meisten davon lernt er nach und nach durch den Einsatz von Erfahrungspunkten. Wichtig sind diese Attacken, Magien und unterstützenden Fähigkeiten deshalb, weil die Kämpfe von einer ausgewogenen Zusammenstellung des Trupps schon vorentschieden werden. Die Gruppe besteht dabei aus höchstens fünf Figuren, mitunter stehen ihr ein oder zwei Gäste zur Seite. Etwas ärgerlich ist allerdings die Tatsache, dass man während Wahl und Aufstellung seiner Krieger das Schlachtfeld noch nicht einsehen kann. Eine effektive Positionierung ist somit Glückssache - was allerdings nur selten ins Gewicht fällt, da es während der ersten Züge meist nur um die Aufstellung geht, bevor Schwerter rasseln und Zauber blitzen.                 

Intrigen in Ivalice

Dann stellen Feldherren vertraute Überlegungen an: Wie weit können die Helden mit ihrem Zug laufen? Welcher Kämpfer muss mit einem Schild oder einem Heiltrank geschützt werden? An welchen der vielen Erhebungen können sie Höhenunterschiede zu ihrem Vorteil nutzen? Wo können sie den Feind im Wasser oder Morast einkesseln? Und wie viele Aktionspunkte verbraucht welche Handlung? Trotz ihrer verhältnismäßig geringen Größe bieten die Areale dank der abwechslungsreichen Landschaftsarchitektur viel Spielraum - die Gefechte sind fordernd und werden nicht zuletzt wegen der weit reichenden Charakterentwicklung nie langweilig.

Die neuen Filmszenen konzentrieren sich auf die Charaktere und heben wichtige Aspekte ihrer Geschichte hervor.
Nach einer Weile konnten sie mich wegen der zehn Jahre alten Mechanismen allerdings nicht mehr so stark fesseln wie zu Beginn.

Das hat dafür die Geschichte mit ihrer stark verschachtelten, weitläufigen Handlung geschafft. Denn was zunächst, auch wegen der naiven Kulisse samt niedlicher Darsteller, nach einer kleinen Story um Verrat und böses Blut riecht, entfaltet sich bald als politische Intrige, in der weder Gut noch Böse klar definiert scheinen. Allein die übersichtliche Chronik, in der sämtliche Persönlichkeiten, Ereignisse und Orte festgehalten werden, liest sich wie ein gut geschriebener, antiker Wälzer über die Geschichte von Ivalice - dieselbe Welt, in die übrigens auch Final Fantasy XII entführt. Taktiker im erneuerten Löwenkrieg behalten dabei leichter den Überblick, denn Square Enix bietet nicht nur das dicke Nachschlagewerk, sondern erzählt wichtige Aspekte auch in wunderschönen Einspielungen. Den durchgehend erdfarbenen und leider ohnehin antiquierten Farbton (schlechter gealtert und ein wenig anstrengend wirkt nur die originale Midi-Musik) fangen gewohnt großartige Filmszenen in Bildern ein, die wie bewegte, auf Pergament gezeichnete Comic-Streifen aussehen.

Weniger überzeugend ist die seit zehn Jahren praktisch unveränderte Darstellung: Dreidimensionalen Schauplätzen sieht man ihre Geburtsstunde bekanntlich sehr deutlich an; umso mehr, wenn zweidimensionale Figuren darin agieren. Nur die Zaubersprüche funkeln und blitzen auch heute noch eindrucksvoll, wenn auch ohne dritte Dimension. Ich könnte über den Retro-Look hinwegsehen, wenn er nicht hin und wieder der Übersicht entgegen wirken würde. Man weiß zwar stets um die Position von Freund und Feind, doch die Kontrolle der Ansicht lässt zu wünschen übrig. Schließlich lässt sich die

Trotz nur zwei Dimensionen gut: die beeindruckenden Zaubersprüche, allen voran die Beschwörungen.
Kamera nur in zwei vorgegebene Winkel kippen und in vier starre Positionen um die Szenerie drehen. Keine gravierenden Makel - aber typische Mängel einer emulierten Neuausgabe ohne nennenswerte Änderungen.

Portiert, emuliert, blamiert?

Halt: So ganz ohne Zutun veröffentlicht Square seinen Klassiker nicht ein zweites Mal. Denn abgesehen von den Renderfilmen, den zwei neuen Berufen, einigen neuen Gegenständen und Kämpfen, dürft ihr Final Fantasy Tactics endlich auch zu zweit angehen! Wer einen Freund besucht, darf sich über WiFi vernetzen und schreitet so mit- oder gegeneinander aufs Schlachtfeld. Auf diesem Weg findet man z.B. seltene Waffen oder Rüstungen, die man erst sehr spät im Solo-Abenteuer kaufen darf. Allerdings ist zumindest das Duell nur dann sinnvoll, wenn beide Teilnehmer ein dem anderen ebenbürtiges Team ins Feld führen - ein Handicap wie in Puzzle Quest gibt es leider nicht. Schade, mit etwas mehr Feintuning wäre ich von den Multiplayer-Schlachten wahrscheinlich nicht mehr los gekommen!

Nicht zuletzt hätte ich mir gewünscht, dass Square an ein modernes Speichersystem gedacht hätte. Hin und wieder vergisst man einfach, den Fortschritt festzuhalten - und darf im schlimmsten Fall nach verlorenem Kampf eine 30 Minuten lange Charakterentwicklung Revue passieren lassen. Checkpunkte direkt vor den Schlachten sollte selbst ein Emulator anno 2007 beherrschen. Das sollte ähnlich selbstverständlich sein wie die Maßnahme, gerade umfangreiche Taktik-Kaliber auch deutschen Spielern zugänglich zu machen. Den Löwenkrieg werden Nicht-Englischkundige jedenfalls nicht ohne Studium des einzig übersetzten Handbuchs verstehen.        

Fazit

Zuerst die Ohrfeige: Hält man sich den Produktionsstandard fast sämtlicher Titel aus dem Hause Square Enix vor Augen, ist The War of the Lion eine ungewöhnlich lieblose Emulation des großen Klassikers. Ganz ehrlich, eine Hand voll Gegenstände, diverse Kämpfe sowie zwei Berufe füllen für eine Auferstehung nur das Mindestmaß an Neuerungen. Und die Filmsequenzen, so grandios sie auch sind, schüttelt Square ohnehin aus dem Ärmel. Doch so sehr man dem Oldie sein Alter auch anmerkt, er spielt sich immer noch hervorragend! Kenner moderner Titel werden einige Möglichkeiten missen, aber Final Fantasy Tactics bietet genug Tiefe, um auf Tage zu fesseln - nicht zuletzt, weil die Mehrspieler-Partien neue Herangehensweisen fordern. Ausgeglichene Partien sind wegen des fehlenden Handicaps allerdings selten. Sei’s drum: Sobald man sich in die vielen Berufe mit ihren gefühlt endlosen Fähigkeiten und in die fordernden Gefechte auf den abwechslungsreichen, sinnvoll gebauten Schlachtfeldern vertieft, weiß man, weshalb Squaresofts Feldherren-Epos einst wegweisend war!

Pro

umfangreiches Job-(Klassen)system
komplexe Geschichte mit neuen Filmszenen
Mehrspieler-Kämpfe mit einem oder gegen einen Freund...
etliche Fähigkeiten, coole Zaubersprüche
eigene Charaktere rekrutieren/erstellen
hervorragend ausbalancierte, fordernde Kämpfe

Kontra

kaum verändertes Aussehen
nur manuelles Speichern auf Weltkarte, keine Checkpunkte
... die leider nicht an Spieler-Charaktere angeglichen werden
heutzutage im Vergleich eingeschränkte taktische Möglichkeiten
veraltete Kulissen
komplett in Englisch, Deutsch nur im Handbuch

Wertung

PSP

Erstklassiges Taktik-Rollenspiel, das sichtbar vom Zahn der Zeit gebissen wurde.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.