Valhalla Knights17.08.2007, Benjamin Schmädig
Valhalla Knights

Im Test:

Habt ihr Lust auf eine Geschichte um Verrat, Liebe und uralte Mächte? Steht euch der Sinn nach packenden Gefechten, fantastischen Monstern und Furcht einflößenden Gegenspielern? Wollt ihr in verwunschenen Wäldern oder prunkvollen Schlössern das Geheimnis um eure Vergangenheit lüften? Schiebt solche Gelüste beiseite! Denn in Valhalla Knights (ab 35,00€ bei kaufen) steigt ihr wieder und wieder in demselben Keller ab, um im drögen Stakkato die Angriffstaste zu malträtieren. Fantasy-Kloppmist im schmerzhaften Überfluss.

"Wie cool!"

Dabei wirft das Verwalten der eigenen Abenteurer mit großen Versprechungen um sich: Man darf die Klassenzugehörigkeit der Protagonisten jederzeit wechseln, ihr Verhalten selbst bestimmen und den manuell gesteuerten Charakter per Knopfdruck aussuchen.  Die variable Aufstellung verspricht taktischen Anspruch und das Aussehen der Figuren ändert sich

Die zentrale Stadt: Von hier aus zieht ihr gefühlte 50.000 Mal in die immer gleichen Keller los.
mit jedem neuen Kleidungsstück. Ich konnte es jedenfalls kaum erwarten, mein amnestisches Alter Ego zu führen, um das Geheimnis seiner Vergangenheit zu lüften und sein Land der schmutzigen Klaue des Bösen zu entreißen. Immerhin stamme ich irgendwie von dem legendären Rastul ab, der vor etlichen Jahren schon mal das gleiche tat.

Schon beim Erkunden der Stadt, in die ihr nach jedem Auftrag zurückkehrt, macht sich allerdings Ernüchterung breit: Die Musik trällert bemüht durchschnittlich durch die wenigen grau-braunen Gassen (mehr gibt es nicht zu sehen) und die Einwohner haben vom geschwollenen Fantasy-Gerede offenbar die Nase voll - sie artikulieren lieber im modernen Umgangston. Das kennt man zwar, allerdings beißen sich Ausdrücke wie "cool" mit Drachen, Magie und Mittelalter. Ganz zu schweigen davon, dass die ausschließlich in Textfenstern erzählte Geschichte nur eine Hand voll bekannter Versatzstücke zitiert, sonst aber wie hoch dosiertes Schlafmittel wirkt. Egal, dann dreht sich eben alles um taktisch fesselnde Kämpfe. Ist mir recht; schließlich kann ich mich so auf die vielfältigen Möglichkeiten bei der Entwicklung meiner Charaktere konzentrieren...

Dieb, Samurai oder beides

Nachdem ich im Alleingang die ersten Schleimhaufen, Ratten und Skelette verprügelt (das Quetschen der Angriffstaste reicht) und genug Bares angehäuft habe, kehre ich deshalb bei der ortsansässigen Gilde ein. Hier darf ich nicht nur weitere Krieger anheuern, sondern wechsele bei Bedarf den Beruf meiner Helden - ausreichend Liquidität vorausgesetzt. Außerdem hält das Mannsweib am Empfang frische Aufträge parat, deren Erledigung Geld in die Kriegskasse spült. Es reicht zwar, der Handlung zu folgen und von 

Wenn ihr mit einer großen Gruppe unterwegs seid, macht zumindest deren Verwaltung kurzzeitig Spaß.
Punkt A über B bis zu C zu stolpern, aber das ist ohne gut trainierte Mitstreiter nicht möglich. Also steigt man stundenlang in das einzige Gewölbe, erledigt Monster, die einige Sekunden später am selben Fleck wieder auftauchen, verstärkt seine Fähigkeiten, leckt in der Stadt seine Wunden und rennt erneut in die Höhle der Einfältigkeit. Witzlos? Oh, ja! Ich komme darauf zurück.

Erst einmal rekrutiere ich einen Partner (Menschen, Zwerge, Halblinge, Elfen oder später eine Art Mini-Mech), entscheide mich für Männlein oder Weiblein (Rasse und Geschlecht beeinflussen die Werte) und verpasse dem Neuzugang eine Ausbildung: Samurai sind Meister der Schwertkunst, Zauberer werfen mit Magie um sich, Priester kümmern sich um klaffende Wunden und Diebe wissen mit Pfeil und Bogen umzugehen. Ist die Hauptaufgabe klar, lernen die Neuzugänge noch einen zweiten und dritten Beruf; Krieger können so z.B. auch aus der Ferne angreifen. Für den Anfang begnüge ich mich mit einer Nahkämpferin und stelle sie links hinter meinem Helden auf. Jetzt lege ich noch ihr Verhalten fest, indem ich zwei Punkte auf direkten Angriff setze und einen dem Einsatz von Heiltränken zuteile. Weil ich im Kampf nur eine Figur selbst steuern kann, entscheidet das richtige Verhalten der bis zu fünf Mitstreiter, wie weit sie jeweils kommen, bevor sie in die Stadt zurück müssen und das Spielchen von vorn beginnt.     

Wo steckt Odin?

Nach einer Stunde hängt mir dieses Power-Leveln zum Hals raus! Ich gehöre zwar zu der Sorte Abenteurer, die ihre Truppe erst in zahllosen Kämpfen Erfahrung gewinnen lassen, bevor sie weiterziehen, 

Beschützt eure Zauberer: Wie sonst auch, richten die Magier den größten Schaden an.
aber erstens wird man hier dazu gezwungen und zweitens trifft man ständig an der gleichen Stelle auf die ständig gleichen Monster. Mich dürstet nach Abwechslung, also besorge ich mir in der Gilde einen der wenigen Aufträge - und komme ins Grübeln: Ich soll irgendjemanden irgendwohin bringen, weil er da irgendetwas verloren hat. Aha. So gut vorbereitet, wage ich mich - entgegen meiner Erwartungshaltung - erneut in die einzige, lang gestreckte Höhle, verfluche die fehlende Übersichtskarte (die Mini-Map auf dem Bildschirm ist ein schlechter Scherz) und kämpfe mit der Kamera, die in kleinen Räumen (davon gibt es viele) nicht einmal hinter meinem Charakter in Stellung gehen will und mich so unbeabsichtigt in die umher streunenden Bösewichter stolpern lässt. Außerdem weiß ich immer noch nicht, wo ich eigentlich hin soll, der absurden Missionsbeschreibung sei Dank. Was folgt, ist eine nervtötende Suche nach dem nicht gekennzeichneten Ziel. Und weil man sich eben nicht direkt auf den Weg dorthin machen kann, muss man auch diesmal immer wieder in der Stadt seine Kräfte sammeln, um den Keller inklusive sämtlicher Unholde stets von vorne zu durchkämmen. Also bitte!

Nach einem besiegten Zwischengegner sehe ich zwar endlich neue Gegenden, aber dort beginnt das Rein-Raus-Spiel von vorn. Aufheiternd wirken höchstens die kurzen Intermezzi mit einem Kumpel, wenn man zu zweit kooperative Aufträge erledigt oder gegeneinander auf dem Schlachtfeld antritt. Der Rahmenhandlung muss man allerdings im Alleingang folgen. Immerhin darf man in diesem jederzeit Schnellspeichern - für ein Handheld-Rollenspiel ungewöhnlich komfortabel. Ist euch übrigens aufgefallen, dass sich Valhalla Knights nicht nur im Namen auf die nordische Mythologie bezieht? Mir auch nicht.

Erst top, dann Flop?

Das einzige, was das zähe Abenteuer halbwegs am Leben hält, ist das Verwalten der eigenen Truppe. Erstaunlicherweise hatte ich nämlich selbst dann noch Lust, ein gut aufeinander abgestimmtes Team zu formen, als sonst längst Langeweile regierte. Das Wechseln der Berufe, das Verteilen von Prioritäten an jeden Charakter, das Austüfteln einer sinnvollen Aufstellung sowie das Angreifen eines Bösewichts von der Seite oder von hinten (sobald ihr in ein

Immer wieder verschlägt es euch in solch abwechslungsreiche Umgebungen...
Monster "hineinlauft", beginnt der Kampf) - würden die anschließenden Gefechte im Rundentakt ablaufen, könnte man die Ergebnisse einer ausgefeilten Vorbereitung genießen. Auch wenn das Ausrüsten gefundener Heiltränke oder ähnlicher Hilfsmittel, damit man diese im Kampf überhaupt nutzen kann, den Vorgang unnötig in die Länge zieht.

Die unübersichtlichen Echtzeit-Geplänkel in kleinen, separaten Arenen machen den taktischen Ansatz hingegen vollständig zunichte. Dass sämtliche Kämpfer den gleichen Gegner attackieren (was das effektivste Vorgehen wäre), kommt z.B. deshalb nicht vor, weil ich gar nicht sehe, wer gerade wen im Visier hat und meine Kameraden ihr Ziel gerne wechseln. Aber selbst wenn ich den Überblick bewahren könnte: Weil ich zum Ändern des anvisierten Monsters vom Analognippel zum Richtungskreuz wechseln muss, bleibt mir bei dem schnellen Ablauf selten genug Zeit für eine solche Planung. Da hilft es auch nicht, dass ich jeden meiner Helden selbst steuern oder den kompletten Kampf in die Hand meiner Leute legen kann. Selbst ein Überraschungsangriff von hinten bringt keinen nennenswerten Vorteil; in den hektischen Auseinandersetzungen verpufft praktisch die gesamte in der umfangreichen Vorbereitung aufgebaute Erwartungshaltung.   

Fazit

Als die Beschreibung davon sprach, dass man das jederzeit die Klasse - bzw. den Beruf - seiner Helden wechseln darf, hatte Valhalla Knights meine volle Aufmerksamkeit. Als ich gesehen habe, dass ich sogar ihr Verhalten im Kampf bestimmen und mit sechs eigens kreierten und aufgestellten Figuren losziehen würde, entfachte meine Flamme für taktische Geplänkel - zumal ich immer noch viel Zeit mit Valkyrie Profile: Lenneth sowie Final Fantasy: The War of the Lions (beide ebenfalls auf PSP) verbringe. Aber die Glut der guten Ideen erlischt so schnell wie der Zigarettenstummel unter dem Fuß eines Kettenrauchers. Wenn man die gleichen Gemäuer gefühlte 50.000 Mal von Neuem durchpflügt, um ebenso häufig denselben Monstern zu begegnen, nur um zwischendurch in eine grau-braune Stadteinöde zurückzukehren, ist die Luft schneller raus, als man "Atemnot" sagen kann. Da man die ganze Zeit nur unbeholfen den Angriffsknopf beackert, anstatt sinnvoll zu taktieren, züngelt sogar ein Funke Rage mit. Wenn euch ein spannend erzähltes, abwechslungsreiches Abenteuer auch nur im Ansatz wichtig ist, lasst die Finger von Valhalla Knights. Sucht ihr süchtelnd nach Kloppmist für den Handheld, ist zumindest die Verwaltung eurer im späteren Verlauf zahlreichen Helden kurzzeitig unterhaltsam.

Pro

individuelle Aufstellung vor Kampf
Klassen-/Unterklassen-Wechsel jederzeit möglich
Ausrüstung an Charakteren sichtbar
ein "Quicksave"-Speicherslot
Koop- und Versus-Aufträge per WiFi

Kontra

trostlose, detailarme Umgebung
unpassende, moderne Sprache
schlechte Kameraführung, versagt in kleinen Räumen
Feinde tauchen schnell an gleichen Stellen wieder auf
ständiges Abgrasen der gleichen Schauplätze
uninspirierte Musik
unübersichtliche Karte
Angriffe von Seite/von hinten nahezu zwecklos
belanglose Mini-Handlung/uninteressante Figuren
Gegnerwechsel im Kampf kaum möglich
gefundene Gegenstände erst ausrüsten vor Verwenden

Wertung

PSP

Gute taktische Ansätze werden von uninspiriertem Monster-Kloppen zunichte gemacht.

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