Monster Hunter Freedom Unite28.04.2009, Jörg Luibl
Monster Hunter Freedom Unite

Vorschau:

Quo vadis, PlayStation Portable? Hat Sonys Handheld überhaupt noch eine Chance im Kampf um die Spielergunst? Diese Skepsis ist natürlich eine westliche, denn hier ist von Euphorie unter Zockern trotz eines Resistance: Retribution nichts zu spüren. Ganz im Gegensatz zu Japan. Dort beherrscht ein PSP-Spiel mittlerweile den Alltag von Millionen.

Das japanische Phänomen

Vor knapp einem Jahr erschien die letzte Version von Monster Hunter mit dem Untertitel "Portable 2G" in Japan - und sie hat sich 3,5 Millionen Mal verkauft. Das ist eine unglaubliche Resonanz, die kein anderes PSP-Spiel erreicht und von der selbst einige große Multiplattformtitel nur träumen können. Wenn es also einen exklusiven Kaufgrund für die PSP gibt, dann Monster Hunter - zumal es wohl die schönsten Landschaften zeigt, die man unterwegs sehen kann.

Kein Wunder also, dass der scheidende Sony-Chef David Reeves auf Capcoms Hausmesse in Monaco als Stargast auftrat, um die 1:1-Umsetzung für Europa anzukündigen. Neben reichlich Lob für die Kreativität der Entwickler sowie das traditionell "enge und hervorragende Verhältnis" zu Capcom (das allerdings bei Lost Planet 2 etwas lockerer zu sitzen scheint, denn dort konzentrieren

Die Briten wissen, wie man exotische Phänomene erklärt...sich Japaner auf die 360-Fassung),  versprach er auch das beste Jahr für die PSP: "Es werden viele erstklassige Spiele kommen - und eines davon ist Monster Hunter Freedom Unite (ab 25,00€ bei kaufen)."

Das kollektive Jagen

Kann dieses Spiel auch hierzulande begeistern? Ich muss zugeben, dass ich Monster Hunter bisher nicht selbst gespielt habe - ich kenne es nur von Bildern und Videos sowie unseren Berichten über die Vorgänger. Aber vielleicht ist das ja gerade die beste Voraussetzung für den Erstfaszinationstest? In Monaco konnte ich zusammen mit zwei amerikanischen Pressekollegen und einer japanischen Führerin erstmals in die dreidimensionale Fantasywelt abtauchen.

Das Prinzip ist einfach: Ein Host startet ein Spiel, dem tritt man bei und beginnt in einem Gasthaus, in dem man gemeinsam Aufträge annehmen kann - insg. soll es 400 geben. Außerdem kann man von hier aus sein privates Quartier samt Küche besuchen, seinen Charakter anpassen, Waffen wechseln oder noch schnell eine stärkende Mahlzeit einnehmen, die temporär bestimmte Fähigkeiten oder Widerstände erhöht.

Moment, mal: Warum Führerin? Der Großteil der westlichen Journalisten hat scheinbar ein ähnlich jungfräuliches Verhältnis zur Monsterjagd wie ich und deshalb organisierte Capcom ein Dutzend lokale Netzwerkabenteuer für Vierergruppen, die von einem erfahrenen Abenteurer angeführt wurden. Das spricht also nicht für anmachen, 

Die unhandliche Steuerung behält Capcom leider bei.
losziehen, Spaß haben?

Der Fluch der hundert Buttons

Richtig: Monster Hunter ist spröde. Und die ersten Schritte in der 3D-Welt sind unsichere. Wer ein einfaches Hack'n Slay mit zwei belegten Knöpfen erwartet, wird also schnell eines Besseren belehrt; zumal die Hiebe viel zu träge ausgeführt werden. Die PSP ist quasi komplett belegt von den Schultertasten bis zum Digikreuz - selbst die Select-Taste kann genutzt werden. Man kann Waffen ziehen und einstecken, sprinten, blocken, horizontale und vertikale Hiebe sowie zig kleine Aktionen oder Kombos einleiten.

Außerdem wird man als Einsteiger zunächst sehr oft unterbrochen, weil man an der falschen Stelle den falschen Knopf gedrückt hat oder noch eine Kiste öffnen muss, um die Karte für das nächste Gebiet mitzunehmen. Und so manche Steuerungslösung wirkt zunächst reichlich kompliziert - vor allem in der Hitze des Gefechts: Warum muss ich die Schultertaste gedrückt halten und dann mit Kreis durch meine Tränke scrollen, um selbige einzunehmen? Ginge das nicht komfortabler?

           

Taktischer Jagdtrieb

Unter der verwirrenden Oberfläche schlummert immerhin eine befriedigende Komplexität. Das Schöne ist, dass man mit der Zeit die taktischen Finessen schätzen lernt, die im Kampf nötig sind - nur, wenn man als Team arbeitet, kann man seine Beute, die von kleinen Echsen oder mächtigen Krabben bis hin zu Bildschirm füllenden Riesendrachen reicht, erfolgreich ausweiden: Aus den Zutaten lassen sich dann Mahlzeiten erstellen, für die Fans meterweise Rezeptlisten parat haben.

Es empfiehlt sich also, sich gut abzusprechen und entsprechend auszurüsten, bevor man loszieht. Als wir einem großen grünen Drachen auflauerten, hat die japanische Führerin z.B. explosive Minen in seiner Nähe deponiert und ihn angelockt; danach haben wir ihn mit Betäubungsbomben beworfen, damit die zwei schweren Krieger endlich zuschlagen konnten - vorher gingen ihre schwerfälligen Hiebe immer ins Leere. Trotzdem: Man muss sich einarbeiten, um sich an die vielen Möglichkeiten zu gewöhnen - und selbst dann hat das Echtzeitkampfsystem seine Tücken. Man verliert z.B. viel zu oft die Orientierung, da man die Kamera immer manuell mit dem Digikreuz anpassen muss und seine Beute nicht fest fixieren kann -  das sorgte bei allen Beteiligten für mehr Haudrauf-Chaos als Koordination. 

Teamjäger: Auch Unite setzt voll und ganz auf die Mehrspieler-Action...
In unserer Vierergruppe kursierten jedenfalls schon bei der Annahme der ersten Quest am schwarzen Brett sehr viele Fragen, die die japanische Führerin sehr geduldig beantwortete, während sie über das Schweinchen kicherte, mit dem ich mich gerade unfreiwillig unterhalten hatte, weil es einfach so nah an der Kiste stand, in der ich eigentlich wühlen wollte.

Japanischer Humor

Schweinchen? Oh ja. Übrigens gibt es auch bizarre Mampfanimationen, Katzen tanzen im Kochoutfit in der Küche herum und, wie erwähnt, ein rosa Schweinchen stolziert umher - auch das kann man den eigenen Wünschen mit Streifen oder Wolle oder hundert anderen Grafiken anpassen. Hört sich typisch japanisch, typisch kitschig an? Ja, ist es auch. Allerdings geht es in den Jagdgründen deftig und humorlos zur Sache - man kann den Echsen ja auch den Schwanz abtrennen.

Story? Sorry, hab ich nicht gefunden. Immerhin ist das Ganze auch kein Rollenspiel im klassischen Sinne, sondern eher eine kollektive Sammel- und Aufrüstjagd wie World of WarCraft. Das macht das Fehlen eines epischen Rahmens nicht besser, erklärt aber vieles. Man kann seinen Charakter nicht über Fertigkeitspunkte entwickeln, sondern nur über die Ausrüstung auf einen Kampfstil hin prägen - z.B. schwerer Krieger mit Riesenschwert oder agiler Schützen mit Langbogen.

Allerdings soll es innerhalb der 500 Stunden Spielzeit durchaus epische Reize geben: Man startet ja als unbekannter Jäger und kann im Laufe des Abenteuers nicht nur seine Fähigkeiten ausbauen, sondern auch immer komplexere Aufträge annehmen, die erzählerisch miteinander verknüpft sind - so weit konnte ich allerdings noch nicht  eintauchen.

... lässt allerdings immer noch keine Online-Gefechte zu.

Neu: KI-Gefährten

Obwohl die Spielwelt dieselbe ist, gibt es eine Neuerung: Man kann auch alleine losziehen und KI-Gefährten mitnehmen, die einen im Kampf unterstützen und besondere Rohstoffe sammeln. Was heißt das genau? Sind diese Begleiter auch echte Charaktere mit Hintergrund? Leider ließ sich der Einzelspielermodus noch nicht testen, so dass Figurenverhalten und taktischer Nutzen offen bleiben. Immerhin ist man nicht unbedingt auf anwesende Freunde mit PSP angewiesen, um auf die Jagd zu gehen.

Allerdings hätte Capcom das noch komfortabler lösen können, wenn man einen Online-Modus eingebaut hätte - hat man aber nicht. Wenn man in Osaka oder Tokio in die U-Bahn oder ins Restaurant geht, ist die Wahrscheinlichkeit bei über drei Millionen verkauften Spielen sehr hoch, dass man auf andere PSP-Jäger trifft, die per drahtloser Verbindung in der Fantasy-Welt unterwegs sind. Und genau das könnte der größte Schwachpunkt für ein Spiel sein, das hierzulande nur eine relativ kleine Community besitzt. Erst über einen Multiplayermodus über das Internet kann man hier die Masse erreichen.

Individualisierungen ohne Ende

Selbst ein Diablo muss sich verneigen, wenn man die schiere Zahl an Items betrachtet: Es gibt alleine 1500 Waffen und 2000 Rüstungen, die als Set getragen noch weitere Vorteile bringen. Okay, die übergroßen Waffen sehen manchmal aus wie Hackmesser der Marke XXL oder bizarre Soul Calibur-Klingen. Aber wenn man einmal in einer der prall gefüllten Kisten wühlt und Sets anprobiert, die in der Benutzeroberfläche sofort mit allen Details von der Schutzwirkung, der Durchschlagskraft oder Schnelligkeit bis hin zu temporären Boni aufgelistet werden, kommt durchaus Neugier auf.

Die Personalisierungsmöglichkeiten sind enorm; und damit nichts verloren geht, darf auch auf einem USB-Stick gespeichert werden. Auf dem findet übrigens auch ein KI-Begleiter Platz, den man dann mit anderen Spielern tauschen kann. Laut Capcom können übrigens auch Daten des Vorgängers Monster Hunter Freedom 2 genutzt werden, so dass man nicht ganz von vorne beginnen muss.

        

Ausblick

3,5 Millionen verkaufte Spiele für PSP - was für eine Bilanz! Scheinbar hat Capcom mit seiner Sammel- & Aufrüstjagd einen ähnlichen Nerv in Japan getroffen wie Blizzard im Westen. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zu World of WarCraft: Monster Hunter hat keinen Online-Modus. Was in Japan als soziales Phänomen begeistert, wo jeder mit jedem spielt, braucht hierzulande erst eine verbindende Grundlage - und das wäre das Internet. Aber dieses Spiel, das so sehr von kooperativem Teamgeist lebt, bleibt offline. Deshalb bezweifle ich, dass man hierzulande selbst mit großem Werbetamtam ähnlich erfolgreich sein kann. Außerdem hat mich das Spiel zwar neugierig gemacht, aber nicht begeistert: Obwohl die dreidimensionale Fantasywelt mit ihren idyllischen Landschaften sehr gut aussieht und das taktische Kampfsystem reizvoll ist, wirkt die Benutzeroberfläche überbelegt, die Steuerung ist spröde bis nervig, die manuelle Kamera ist im Gefecht eine Qual und die Präsentation wackelt zwischen ernsthaftem Abenteuer und Küchenkitsch mit Schweinchen. Außerdem gibt es statt Rollenspiel oder interessanter Quests eben bloß 400 mal Monsterjagd. Kurzum: Ich werde kein Fan. Und deshalb gleich die Entwarnung an alle Fans: Der Test kommt von einem ausgewiesenen PSP-Jagdexperten mit Erfahrung!


Ersteindruck: befriedigend

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