Ein weiteres zentrales Element ist der Zwang, Entscheidungen treffen zu müssen - und zwar permanent: Ausnahmslos jeder erledigte Gegner wartet im Prinzip in einer Art Seelenpfütze, bis man ihm sich nähert. Dann hat man die Option, das Wesen zu erlösen oder zu opfern. Entscheidet man sich für die Erlösung, bekommt man Erfahrungspunkte, die der Verteidigung gut geschrieben werden und erhält eine nicht zu unterschätzende Spritze für seine aktuellen Lebenspunkte. Opfert man sie, wird die Erfahrung zur Offensivkraft addiert - bis hin zum Levelaufstieg.
Das sprechende Buch "Librom" ist der zentrale Ankerpunkt in Soul Sacrifice.
Dabei sollte man jedoch beachten, dass je nach besiegtem Gegner das konträre Element auch Einbußen hinnehmen kann, man also z.B. drei Punkte für die Verteidigung bekommt, aber gleichzeitig einen oder zwei Punkte in der Offensive verliert - und diese Entscheidung kann in späteren Stufen, in denen man Dutzende Gegner benötigt, um eine weitere Stufe aufzusteigen, durchaus schmerzhaft sein. So hatte ich mich z.B. auf einen offensivstarken Magier festgelegt. Das bedeutete im Gegenzug jedoch nicht nur, dass ich dafür meine Defensive vernachlässigen musste. Ich wurde auch immer wieder genötigt, gegen meinen eigentlichen Plan vorzugehen und die Monster zu erlösen, damit ich etwas Lebensenergie zurückbekomme. Dies kann schnell zu einem verfluchten Teufelskreis werden, zumal die Figur insgesamt nur 100 Level aufsteigen kann - und ein 50/50-Charakter ist mir zu langweilig.
Bittere Entscheidungen
Doch das ist nur der Anfang der Entscheidungs-Spirale. Denn natürlich kann man auch die gut designten und meist mehrstufig inszenierten "!Erzfeinde" (die Bossmonster) erlösen oder opfern, was mit einem enormen Boost der jeweiligen Seite einhergeht. Allerdings kann man durch Erlösung auch das Arsenal der Figuren aufstocken, die einen bei zukünftigen Abenteuern begleiten können und zumeist ordentlich an der Seite kämpfen, ohne einen ins tatenlose Abseits zu drängen - abgesehen davon, dass je nach Entscheidung neue Missionen geöffnet werden, die andernfalls nicht zur Verfügung stehen. Je nachdem, wie die Gesinnung des Begleiters ist, mit dem man allerdings nur unwesentliche Partyinteraktion betreibt und dem man im Kampf auch keine Befehle geben darf, kann dies aber dazu führen, dass er die Entscheidung nicht teilt - was im schlimmsten Fall bedeuten kann, dass er (oder sie) einen verlässt und nicht mehr zur Verfügung steht. Überhaupt ist das Eigenleben der Figuren bemerkenswert. Nicht, weil es besonders glaubwürdig wirkt, dazu erfährt man letztlich zu wenig über sie. Sondern, weil sie mich immer wieder überraschen. So wurde mein Charakter in einer Mission überwältigt und ich hatte die Wahl, meine Begleitung um Hilfe zu bitten (Wiederbelebung), mich sterben zu lassen (Ende der Mission) oder mich zu opfern. Ich entschied mich für die Opferung und war entsprechend überrascht, dass mich der Kumpan wiederbelebt. Andere wiederum sind weniger zimperlich und gehorchen besser, so dass ich ihnen im Gegenzug als Geist helfen und z.B. temporär ihre Angriffskraft stärken kann.
Bei jedem besiegten Gegner steht man vor der Wahl: Erlösen oder Opfern?
Noch krasser ist allerdings das Aufrufen des so genannten "Schwarzen Rituals". Fünf dieser Sonderfähigkeiten gibt es, jede ist an bestimmte Körperteile gebunden. Und jede hat verheerende Schäden für die Gegner zur Folge - und für einen selbst. Nutzt man beispielsweise "Infernus", einen mächtigen mit der Haut verbundenen Feuerzauber, erleidet der eigene Verteidigungswert fortan einen Verlust von 50 Prozent. Das gilt jedoch nicht nur für den Rest der Mission, sondern auch für folgende Aufgaben. Aufheben kann man diesen Status nur, indem man die vom Buch abgesonderte Augenflüssigkeit Lacrima ("Das sind keine Tränen, du minderwertiger Troll") einsetzt, mit der man quasi bereits geschriebene Absätze im Buch wieder rückgängig machen kann. Das Problem ist nur, dass diese Flüssigkeit vergleichsweise selten ist und auch benötigt wird, um z.B. zerstörte Waffen wieder ins Buch zurückzuholen, die ansonsten irreparabel sind. Wohl dem, der über das so genannte "Innere Auge" (eine Art magische Sicht) die zufällig in der Gegend verstreuten Punkte entdeckt, an denen man entweder temporär eine neue Waffe, einen Schild bzw. eine Rüstung bekommt oder eine Quelle findet, an der man seine Kräfte wieder aufladen kann.