The Legend of Heroes: Trails of Cold Steel01.02.2016, Jens Bischoff

Im Test: Vom Himmel auf die Schiene

Während in Japan bereits The Legend of Heroes: Trails of Cold Steel (ab 22,99€ bei kaufen) 3 im Anmarsch ist, bringt NIS America hierzulande gerade erst Teil eins von Nihon Falcoms aktueller Rollenspielsaga heraus. Ob der späte Auftakt trotzdem sein Geld wert ist, verrät der Test.

Militärschüler auf geheimer Mission

Die Wurzeln von Legend of Heroes reichen bis in die 1980er Jahre zurück, wo es einst aus der Dragon-Slayer-Saga entsprungen ist. Trails of Cold Steel spielt in der selben Epoche und auf dem selben Kontinent wie zuletzt Trails in the Sky, mit dem die Serie vor knapp fünf Jahren ihre Europapremiere feierte. War man damals noch in erster Linie im Königreich Liberl unterwegs, bereist man dieses Mal vorwiegend die zum Erebonischen Kaiserreich gehörenden Gefilde Zemurias. Vorkenntnisse sind keine nötig, Veteranen werden aber einige Anspielungen und Gemeinsamkeiten entdecken.

Nach einem kurzen Vorgeschmack auf kommende Ereignisse schlüpft man in die Rolle eines frischen Rekruten an der Militärakademie Thors namens Rean Schwarzer, der zusammen mit anderen Frischlingen der neu gegründeten Klasse VII angehört. Was es damit auf sich hat, weiß zunächst niemand, auch die zuständigen Lehrkräfte halten sich bedeckt. Neben dem Schulunterricht in der Akademie stehen vor allem regelmäßige Exkursionen auf dem Lehrplan der Sonderklasse - darunter auch in ein altes verfallenes Schulgebäude, in dessen Kellern immer wieder neue Gefahren lauern, die es zu bewältigen gilt.

Doch auch abseits des Schulgeländes wird Reans Klasse immer wieder an den entlegensten Orten in Konflikte verstrickt und auf die Probe gestellt. Selbst unter den Schülern kommt es oft zu Reibereien, da diese sehr unterschiedlichen Regionen und Gesellschaftsschichten entstammen.

In den rundenbasierten Kämpfen können durch taktisches Beeinflussen der Zugreihenfolge unterschiedliche Aktionsboni ergattert werden.
Doch schon bald wird klar, dass sie für etwas besonderes getrimmt werden und sie sich zusammenraufen müssen, um dieser Aufgabe am Ende auch gewachsen zu sein.

Mit vereinten Kräften

Das Abenteuer führt die Militärschüler in unterschiedlichen Konstellationen durchs ganze Land. Das Hauptreisemittel ist dabei die Eisenbahn, die alle wichtigen Städte und Stützpunkte miteinander verbindet. Zudem kann man sich während der Fahrt mit seinen Klassenkameraden unterhalten oder eine Runde Karten spielen, um einander näher zu kommen. Das Knüpfen freundschaftlicher Bande hat sogar Auswirkungen auf die Kampfkraft der Gruppe, da besonders gut harmonierende Schüler sich immer wieder gegenseitig unterstützen und Folgeangriffe leisten oder Gegentreffer abfangen.

Das rundenbasierte Kampfsystem ähnelt dem von Trails in the Sky und bietet eine angenehme Mischung aus Taktik und Dynamik. Die Zugfolgenleiste zeigt dabei nicht nur an, wer wann an der Reihe ist und welche Aktionen welche Verschiebungen bewirken, sondern lotst auch bestimmten Positionen Boni zu, die es durch geschicktes Agieren möglichst für sich in Anspruch zu nehmen gilt. Das Spektrum reicht von einfachen Heilungen und Energieauffrischungen über kritische Treffergarantien und Statusbeeinträchtigungen bis hin zu kostenlosen Sofortzaubern. Der Einsatz von Magie ist sonst nämlich eher kostspielig und mit Wirkzeiten behaftet, während der man vom Gegner unterbrochen werden kann.

Neben Zaubern und Standardangriffen stehen je nach Ausrüstung und Energiepegel aber auch diverse Spezialangriffe zur Auswahl. Wer all seine Spezialenergie auf einmal opfert, kann sogar ungeachtet der Zugfolge ins Geschehen eingreifen, wertvolle Boni kassieren und verheerenden Schaden anrichten. Viele Angriffe haben spezielle Stoßrichtungen oder Flächenwirkungen. Auch Formationen können geändert, Kampfpartner und Gruppenmitglieder gewechselt werden. Zudem kann man sich, um Stellungsvorteile zu nutzen, frei über das Schlachtfeld bewegen und mitgeführte Kampfobjekte einsetzen. Auch Fluchtversuche sind in der Regel möglich. Lediglich Ausrüstungswechsel und das Einnehmen von Verteidigungshaltungen sind tabu.

Hohe Flexibilität

Insgesamt stehen vier Schwierigkeitsgrade sowie eine abseits von Kämpfen und Sequenzen jederzeit nutzbare Speicherfunktion zur Verfügung. Wer trotzdem mal das Zeitliche segnet, kann verlorene Kämpfe beliebig oft wiederholen, notfalls sogar seine Gegner vorab schwächen. Doch auch direkt aus dem Spiel heraus kann man sich Kampfvorteile verschaffen, indem man umherstreunenden Gegnern z. B. in den Rücken fällt oder sie mit passenden Waffen vorübergehend außer Gefecht setzt.

Zwischen den Exkursionen ist man immer wieder auf dem Campus der Militärschule sowie im angrenzenden Dorf unterwegs.
Auch während des Kampfgeschehens spielen Waffen-, Elementar- und Statusanfälligkeiten sowie oft von Kontern begleitete Ausweich- und Trefferwahrscheinlichkeiten eine große Rolle, während es im Anschluss Boni für besondere Leistungen gibt.

Schwächen und Stärken der Gegner werden in Kämpfen sukzessive offengelegt, was sich aber auch durch Zauber, Items oder Spezialfertigkeiten beschleunigen lässt. Rean und seine Gefährten definieren sich dabei vor allem durch das individuelle Anpassen kleiner, Arcus genannter Technikwunder. Diese Geräte lassen sich mit magischen Quarzen bestücken, die ihren Trägern ein immer breiteres Spektrum an Zaubern, Talenten und Fertigkeiten zur Verfügung stellen. Die Steckplätze dafür sind allerdings begrenzt, oft bestimmten Quarzarten vorbehalten und können erst nach und nach entsperrt werden.

Das primär installierte Quarz eines Arcus entwickelt sich sogar weiter und verleiht seinem Träger eine bestimmte Ausrichtung, kann aber ebenfalls ausgetauscht werden. Die Möglichkeiten sind auch dank unterschiedlicher Abarten und manueller Nachproduktionen sehr vielfältig, die benötigten Rohmaterialien auf mehreren Wegen erhältlich.

Viel zu tun

Der von ortspezifischen Pflicht- und Nebenaufgaben geleitete Spielverlauf gestaltet sich zwar oft sehr zäh und linear, punktet aber immer wieder mit überraschenden Ereignissen und charmanten Details. Neben dem Zug ist man auch mal per Motorrad auf Teststrecken oder auf Pferderücken in weitläufigen Steppen unterwegs. Das Spektrum an Schauplätzen und Aufgaben ist jedenfalls angenehm vielseitig, der Umfang des Abenteuer enorm. Neben Reisen, Recherchen und Kämpfen darf auch gekocht, geangelt, geschwommen, Radio gehört oder gelesen werden.

Ambitionierte Sammler und Ausrüstungsperfektionisten können jedenfalls mehr als hundert Stunden in Zemuria verbringen, Enzyklopädien vervollständigen, Rekorde verbessern und bis ans Ende der militärakademischen Karriereleiter klettern. Je besser man bei mündlichen Tests, praktischen Prüfungen, Hilfeleistungen oder Exkursionen abschneidet, um so schneller steigen der Rang und die damit verbundenen Belohnungen.

Manche Gegenden dürfen auch hoch zu Ross erkundet werden.
Trotzdem reicht die Zeit nie aus, um alle gebotenen Aktivitäten wahrzunehmen. Dank New-Game-Plus-Modus lässt sich aber auch hier alles irgendwann nachholen und komplettieren.

Was manch einem jedoch fehlen dürfte sind japanischer Originalton oder deutsche Untertitel. Sowohl Texte als auch Sprachausgabe sind nur auf Englisch verfügbar. Zudem wirkt die Vertonung sehr willkürlich. Ist zu Beginn noch fast jeder Dialog vertont, ist das später immer seltener der Fall, der Hauptcharakter über lange Strecken fast völlig stumm. Oft wird sogar mitten in einem Gespräch von Ton zu reinem Text gewechselt. Auch die Technik muss sich Kritik gefallen lassen. Neben Pop-Ups, Flimmerschatten und Ladeunterbrechungen nervt vor allem die holprige und selbst Menüs zum Stottern bringende Bildrate. Dabei sind Aufbau und Bedienung eigentlich sehr angenehm, sogar der Touchscreen bietet hier und da sinnvolle Abkürzungen.

Fazit

Die konzeptionell an Atlus' Persona-Reihe erinnernde Mischung aus Schulalltag und mysteriösen Kampfeinsätzen zieht vor allem Fans dynamischer Rundentaktik in ihren Bann. Mit jedem Zug wird um strategische Vorteile und Boni gekämpft, die sich fortlaufend ändern. Auch wenn dabei vieles auf Trails in the Sky aufbaut, gibt es genug spielerische Eigenheiten, um Neulinge und Veteranen gleichermaßen zu begeistern. Inhaltlich bleibt ebenfalls niemand außen vor - es gibt viel Anspielungen für Insider, aber auch Erklärungen und Zusatzinformationen. Trotz eher linearer Pfade und zäher Fortschritte hält die militärschulische Klassenfahrt durch Zemuria auch viele Überraschungen, charmante Details und Freiheiten bereit. Bei Technik und Präsentation blitzen hier und da zwar ein paar unschöne Seiten auf, aber unterm Strich, hat auch der Trails-of-Cold-Steel-Ableger der Legend-of-Heroes-Saga einen guten Einstand hingelegt, der hoffentlich bald fortgesetzt wird.

Pro

flexibles Skillsystem
illustre Charakterriege
dynamische Rundentaktik
motivierende Charakterpflege
unterhaltsame Nebenaufgaben
praktische Nachschlagewerke

Kontra

maue Technik & Vertonung
Spiel komplett auf Englisch
zäher & linearer Spielverlauf

Wertung

PS_Vita

Rundentaktisches Anime-Rollenspiel mit einem Hauch Persona.

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