Freedom Wars06.11.2014, Jan Wöbbeking

Im Test: Kampf dem Koloss!

Wie viel ist ein Menschenleben wert? Im Vita-exklusiven Freedom Wars (ab 39,90€ bei kaufen) verkommt es zur bloßen Ressource. Zumindest die als Söldner missbrauchten Häftlinge müssen sich elementare Rechte hart erarbeiten, indem sie ihre Herren retten und verfeindete Kolosse zu Boden zwingen – auf Wunsch auch kooperativ mit Freunden oder Mitstreitern aus dem Internet. Rockt der Kampf gegen die Mechs?

Wankende Giganten

Jawoll, das Monstrum wankt! Das sieht doch nach einem guten Start aus: Kaum ist der feindliche Mech um die Ecke gebogen, habe ich auch schon meine futuristische Harpune (Dorn genannt) an seinem Rumpf befestigt und hämmere nun wild aufs Knöpfchen, um ihn zu Fall zu bringen. Nach ein paar Sekunden kracht der Koloss auf die Seite und meine KI-Kollegen decken ihn sofort mit Hieben und Schüssen ein. Auch ich feuere mit einer fetten Panzerfaust auf das organisch-mechanische Wesen, dessen cooles Design ein wenig an die dreibeinigen Herrscher aus der gleichnamigen BBC-Serie erinnern. Der Schuss hat gesessen und trennt mit einer hübschen Explosion seinen Raketenwerfer ab. Der Mech rappelt sich zwar noch einmal auf und stampft mir erstaunlich schnell hinterher, doch auch hier hilft der „Dorn“: Ich schieße auf den Rand einer hohen Mauer empor und springe über sie in Sicherheit. Mit Hilfe des praktischen Gadgets kann ich blitzschnell auf nahe Felsen oder Anhöhen flüchten – ähnlich wie in Just Cause. Elegante Schwünge wie in Bionic Commando sind leider nicht drin, der Dorn erweist sich aber trotzdem als vielseitig.

Kraftprotz oder Kompensation? Die Waffen fallen teils erstaunlich groß aus.
Als meine Mitstreiter den Riesen kurz betäubt haben, peile ich ihn ein weiteres Mal an und bereite dem Kampf ein Ende. Ein paar Schläge und der fette Metallkrieger ist Geschichte – und lässt einige nützliche Ressourcen für meine Waffenschmiede fallen. Zum Schluss laufe ich noch zu einer in den Giganten eingebauten Plexiglaskapsel  und schnappe mir den zitternden entführten Bürger. In vielen Missionen müssen diese privilegierten Gesellschaftsmitglieder gerettet und zur Evakuierungs-Station gebracht werden.

Bürokratie-Wahn

Die ausdauernden Kämpfe gegen die Mechs verfeindeter Gruppen sind das Highlight in Freedom Wars. Selbst wenn ich sie nur mir KI-Mitstreitern „fälle“, habe ich das Gefühl, bei einer Großwildjagd dabei zu sein. Das ist natürlich gewollt: Das Spiel soll schließlich alte Monster-Hunter-Fans anlocken. Die Steuerung geht hier in der Hitze des Gefechts allerdings deutlich einfacher von der Hand und lässt sich mit einigen alternativen Sets ändern.

Auf ihn mit Gebrüll!
Die Geschichte versetzt mich in die bürokratisierte Gesellschaft des Jahres 102014: Da die Ressourcen knapp geworden sind, wird mittlerweile auch das menschliche Leben nur noch als Rohstoff angesehen. Jeder noch so kleine Aspekt des Alltags ist bis ins feinste reglementiert – zumindest für Häftlinge wie mich. Zu Beginn des Spiels darf ich nicht einmal im Liegen schlafen oder zu „exzessiv‘“ in meiner Zelle herumspazieren, weil ich dazu noch keine Berechtigung freigeschaltet habe. Als Startpunkt der Geschichte muss wieder einmal das ausgelutschte Thema der Amnesie herhalten. Da mein Alter Ego sein Gedächtnis verloren hat wird ihm der Status als Bürger aberkannt und er muss fortan als Leibeigener des örtlichen „Panoptikum“-Konzerns im Kampf dienen.

Todsünde Gedächtnisverlust

Der Verlust des Erinnerungen ist eine schlimme Sünde, schließlich sind mir alle Errungenschaften des Lebens verloren gegangen und können nicht mehr dem Allgemeinwohl dienen. Passend dazu werde ich wie die übrigen Häftlinge als „Sünder“ tituliert. Meine Aufgabe ist es, im Kampf oder durch Ressourcenbeschaffung Ablass zu leisten. Nach und nach schalte ich neue Berechtigungen für mein alltägliches Leben frei und reduziere mein lächerlich hohes Strafmaß von einer Millionen Jahre durch Spenden an den Konzern. Nach einigen Stunden darf ich bereits länger als fünf Sekunden am Stück laufen und meine ständige Roboter-Bewacherin nimmt mich im Gefängnis-Komplex nicht mehr ganz so eng an die Leine. Die Gesellschaft des Spiels wirft also durchaus interessante Fragen rund um das Wert eines Menschenlebens und Allgegenwärtige Überwachung auf – doch statt sie zu vertiefen, konzentriert sich die fade vor sich hin plätschernde Geschichte lieber darauf, Stereotype japanischer Rollenspiele abzubilden.

Raue Schale, guter Kern: Ausbilder Uwe mimt den väterlichen Mentor.
Mein väterlicher Ausbilder spricht mit derart dramatisch tiefer Stimme, dass auch Freunde traditioneller Samurai-Filme auf ihre Kosten kämen. Auch einige der weiblichen Häftlinge wirken wie Abziehbilder – inklusive erstaunlich enger Gefängniskostüme, Strapsen und devot quietschender Stimme.

Geisterhafte Geheimnisse

Im Laufe der Geschichte entdeckt mein Alter Ego ein geheimnisvolles Mädchen, welches offenbar zu Versuchszwecken in einem verbotenen Trakt gefangen gehalten wird. Auch seine regelmäßigen Visionen deuten darauf hin, dass sie der Schlüssel zu wahrer Freiheit sein könnte, statt sich für das System abzustrampeln. Der Weg zu solchen Erkenntnissen wird aber recht hölzern erzählt. Bevor ich mich z.B. auf die Suche nach einem angeblichen Geist mache, muss ich zunächst mehrmals stupide durchs Gefängnis laufen. Mal braucht ein Informant spezielle Ressourcen, um mir den Zugangscode zu beschaffen, danach benötigt ein befreundeter Bürger Teile für die Manipulation meiner Robo-Bewacherin. Bevor die Geschichte endlich wieder Fahrt aufnimmt, muss ich also gefühlte zehn mal sinnfreie Hol- und Bringdienste erledigen. Spannend!

Im Charakter-Editor lässt sich aus überschaubaren Optionen ein eigener Protagonist oder eine Protagonistin basteln.
Deutlich interessanter ist der Einsatz der Bürger beim Schmieden und Aufmotzen meiner Ausrüstung. Auf dem Schlachtfeld taugen die verweichlichten Mitglieder der Elite zwar nur als Entführungs-Opfer, in meinen Fabriken bringen sie allerdings ihre akademischen Kenntnisse ein und verkürzen so die Fertigungszeit von Waffen, Munition und Heilgegenständen. Nach dem Start eines Fertigungsauftrags muss ich nämlich in Echtzeit darauf warten, bis sich ein Balken geleert hat und die Waffe wieder in die Ausrüstung wandern darf. In den Menüs gibt es auch einen Link in den PSN-Store – bislang finden sich dort aber keinerlei Inhalte. Auch die von erledigten Gegnern stibitzten Wummen lassen sich zerlegen und als Baumaterial benutzen. Wer Spaß am Aufmöbeln von Panzerfäusten, Sturmgewehren und anderen teils erstaunlich großen Waffen hat, kommt also auf seine Kosten. Auch fette Schwerter kommen im Nahkampf zum Einsatz.

Industriegigant im Knast

Im Kontext der Story wirkt es allerdings reichlich seltsam, dass ich als „wertloser“ Häftling mit niedrigem Level zwar jede Menge Alltags-Schikanen ertragen muss, andererseits riesige Waffenfabriken aus dem Boden stampfen darf. Vielleicht vertrauen die Autoritäten auf meine ständige Überwachung und darauf, dass ich als Kind dieser Gesellschaft gar nicht erst auf die Idee komme, zu rebellieren. Manche Figuren wie mein aufgedrehter Sidekick Mattias erwähnen zwar manchmal, für wie sinnlos sie die ständigen Entführungen von Bürgern und die Kriege zwischen den Konzernen halten; trotzdem fügen sie sich meist resigniert dem Trott und ihrem „Zweck“ als Sünder, der dem Gemeinwohl zu dienen hat.

Praktisch: Der rote Stachel lähmt den Riesen.
Zu Beginn des Abenteuers gestalten sich die Kämpfe meist spannend: Vor allem, wenn mein Trupp gleich mehrere Bürger retten soll, muss ich immer wieder ein Auge darauf werfen, ob der Gegner sich nicht gerade einen Schützling geschnappt hat. Hier wechselt der Spielablauf schnell zwischen Kämpfen gegen fette Mechs sowie Fußtruppen und Rettungsaktionen. Immer wieder lade ich mir zwischendurch einen Bürger auf die Schulter, um ihn ein Stückchen weiter zu schleppen. Manchmal müssen einfach nur Ressourcen von einigen Wüstenfelsen geborgen werden, zwischen denen allerdings allerlei Gegner warten.

Abnutzungserscheinungen

Zum Glück kann ich meinem Team und meiner Bewacherin mit Tippsern auf den Bildschirm einfache Kommandos erteilen. Mein zugeteilter Roboter erweist sich z.B. als praktischer Packesel für Bürger, während ich Gegner abwehre. Nach längerer Spieldauer wiederholen sich die Missionstypen allerdings zu häufig und auch die variationsarmen Mechs und Fußtruppen sorgen für Monotonie auf dem Schlachtfeld. Bekämpfen muss ich sie trotzdem, um für Code-Prüfungen zugelassen zu werden, im Level zu steigen und mein Strafmaß zu mildern. Noch deutlich monotoner ist das Design der Arenen geraten: Die schlichten Hochhausschluchten und kargen Wüstenebenen wirken reichlich generisch, bieten aber immerhin genügend Raum für intensive Kämpfe und eine schnelle Flucht hinter die Deckung. Ein weiterer Spaßdämpfer ist die übertrieben komplizierte Menü-Navigation. Für alle möglichen Aktionen benötigt man erst einmal die passenden Berechtigungen. Missionen werden z.B. im per Start-Taste geöffneten Menü gestartet; das Nachrichten-Log wird dagegen per Dreieck-Taste geöffnet.

Welche Rolle spielt das mysteriöse Mädchen mit den Schleifchenzöpfen?
Für einige andere Funktionen wie die Rangliste der konkurrierenden „Panoptikum“-Konzerne muss man sich dagegen in der eigenen Zelle vor das „Fenster zur Freiheit“ stellen; weitere Infos und Berechtigungen erhält man wiederum vom Bewachungsroboter. Insgesamt gibt es also einen Wust unterschiedlicher Systeme, die sich in verschachtelten Menüs verstecken und die man erst nach vielen Spielstunden komplett durchschaut. Das passt zwar zur extrem bürokratischen Gesellschaft, nervt aber trotzdem. Schade auch, dass lediglich japanische Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln geboten wird.

Futuristischer Funk

Ein Pluspunkt ist dagegen der temporeiche Big-Beat-Soundtrack: Die futuristischen Breakbeats passen gut zum Thema und die Funk-lastigen Gitarren-Töne haben bei mir sofort wohlige Erinnerungen an Jet Set Radio geweckt. Auch technisch schlägt sich die Action gut: Vor allem die Figuren und ihre Kostüme wurden mit detailreichen Texturen versehen. Die verwitterten Knastwände und andere Feinheiten werden ebenfals erfreulich detailreich dargestellt, bei flüssigen 30 Bildern pro Sekunde. Mit den Prachtkulissen eines Killzone: Mercenary kann das Spiel zwar nicht mithalten, ansehnlich ist die Action trotzdem.

Starship Troopers lässt grüßen: Ein insektoides Mechanikmonster in seiner ganzen Pracht!
Eine schöne Ergänzung sind die kooperativen Schlachten. Ähnlich wie bei Monster Hunter geht man mit bis zu vier Spielern auf die Jagd; freie Plätze werden mit Bots aufgefüllt. Wenn man Voice-Chat, Text-Chat oder die einfachen Standard-Kommandos nutzt, kann man sich schön abstimmen, um die Titanen in die Knie zu zwingen. Ein Spieler verpasst ihm eine lähmende Stachelkugel, nachdem er den entsprechenden Dorn-Schuss ein paar Sekunden aufgeladen hat, ein anderer zerrt ihn zu Boden und der Rest des Teams attackiert ihn währenddessen. Hier erweisen sich auch die unterschiedlichen Dorn-Arten als nützlich: Mit den alternativen Varianten lässt sich z.B. die Energie der Partner aufpäppeln. Oder man baut eine abschirmende Barrikade auf, legt dem Riesen eine Falle in den Weg oder startet andere koordinierte Manöver. Meine Testspiele im Internet litten allerdings unter kleinen  Lags, die aber noch erträglich blieben.

Netzwerk-Probleme

In Multiplayer-Gefechten gegen andere Spieler ging mir das Netzcode-Gestotter schon stärker auf die Nerven. Dort kommt es schließlich darauf an, den flotten menschlichen Gegnern blitzschnell auszuweichen. Allgemein wirken die Kämpfe auf den weitläufigen Karten reichlich wirr und hektisch. Besonders fair geht es natürlich auch nicht zu, wenn das Gegenüber sich bereits aufgepäppelt und mit stärkeren Waffen ausgerüstet hat.

Fazit

Das erhoffte exklusive Schwergewicht für die Vita ist Freedom Wars leider nicht geworden. Aber die effektreich inszenierten Kämpfe gegen die fetten mechanischen Kidnapper sind trotzdem eine spannende Angelegenheit. Vor allem die vielseitige Dorn-Harpune, zahlreiche Crafting-Möglichkeiten sowie die Zusammenarbeit mit dem Team sorgen für Dynamik auf dem Schlachtfeld. Am meisten Spaß macht es natürlich, mit Freunden per drahtloser Verbindung oder übers Internet auf die Jagd zu gehen. Auf Dauer arten die sich wiederholenden Missionsarten gegen wenige Gegnertypen aber in Fleißarbeit aus. Auch die hölzern erzählte Geschichte konnte mich trotz des interessanten Themas nicht fesseln. Außerdem frage ich mich, warum die Entwickler den Spielfluss mit derart verwirrenden Menüs ausbremsen mussten. Das passt zwar zur durch und durch bürokratischen Gesellschaft, ging mir als Spieler aber gehörig auf die Nerven. Wer über die sperrige Aufmachung, erzählerische Schwächen und Grinding hinweg sehen kann, wird aber mit spannenden Kämpfen gegen fette Mech-Kolosse belohnt.  

Pro

ausdauernde Kämpfe gegen zähe Mech-Kolosse
cool designte Giganten werden stückweise zerlegt
effektvolles Explosionsfeuerwerk
spannende Befreiung mehrerer Bürger
futuristischer Dornenstrang passt gut zum Prinzip
viele Möglichkeiten zum Schmieden und Verbessern von Ausrüstung
interessantes Thema über menschlichen Wert als bloße Ressource
temporeicher Big-Beat-Soundtrack
kooperatives Metzeln per Internet oder lokaler Verbindung

Kontra

übertrieben komplizierte Menüs und Berechtigungen
auf Dauer zu wenig Abwechslung im Missionsdesign
karg designte Arenen
einfach gestrickte Geschichte plätschert gemächlich vor sich hin
Charaktere wirken wie wandelnde Klischees
häufige Lags im Online-Modus
fade PvP-Matches taugen höchstens als Pausenfüller
nur japanische Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln

Wertung

PS_Vita

Die dynamischen Kämpfe gegen Mech-Riesen machen Laune, leiden auf Dauer aber unter Monotonie und übertrieben komplizierten Menüs.

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