Im Test: Action-Rollenspiel alter Schule
Reise in die Vergangenheit
Auch in Falcoms eigener Interpretation von Ys IV schlüpft man in die Rolle des jungen Abenteurers Adol Christin, der im Wald ohne Wiederkehr sein Gedächtnis verloren hat und nun eifrig nach seiner Vergangenheit sowie dem Grund für seine Amnesie sucht. Bestimmte Orte und Situationen scheinen ihm seine Erinnerung bruchstückhaft zurückzugeben und so wagt er sich zusammen mit Kollege Duren immer tiefer in den kaum erforschten Forst, wo noch ganz andere Geheimnisse schlummern.
Helden ohne Erinnerung sind zwar ein längst überstrapaziertes Rollenspielklischee, aber zum einen stammt die erzählerische Vorlage aus den frühen 1990ern und zum anderen ist die zum Teil sogar aktiv spielbare Flashback-Puzzelei dramaturgisch nach wie vor interessant gestrickt: Man wird mit Taten konfrontiert, an die man sich nicht erinnern kann, trifft Personen, die man anscheinend enttäuscht hat. Erst wenn sich auch die letzten Lücken im jederzeit einsehbaren Gedächtnisjournal schließen, wird man der ganzen tragischen Verknüpfungen, die der Wald verschlungen hat, gewahr.
Talentierte Weggefährten
Während Adol fleißig Erinnerungen sammelt, scheint Duren eher an den finanziellen Nebeneffekten der offiziell zu kartografischen Zwecken unternommenen Expedition interessiert.
Um immer tiefer ins Dickicht vorzudringen, müssen aber nicht nur die Charaktere, sondern auch die Ausrüstung situativ gewechselt werden. Artefakte wie der Zwergenarmreif lassen die Gruppe vorübergehend schrumpfen und so selbst engste Durchgänge passieren, während einen die Hydraschuppen auch unter Wasser atmen, die Sturmschuhe in Windeseile rasen oder die Klauen des Bestienkönigs jedes noch so stachelige Gestrüpp kurz und klein schlagen lassen. Doch auch abseits der Hindernisbewältigung gibt es Artefakte, mit deren Hilfe man automatisch Verletzungen kurieren, Beute aufsammeln oder Kämpfe vermeiden kann.
Dynamische Geplänkel
Auseinandersetzungen mit aggressiven Waldbewohnern werden stets an Ort und Stelle in Echtzeit ausgefochten. Allerdings können nie mehr als drei Gruppenmitglieder gleichzeitig ins Geschehen eingreifen. Personelle Auswechslungen sind abseits von Bosskämpfe aber meist genauso problemlos möglich wie Skill- und Ausrüstungswechsel. Auch innerhalb des Kampftrios, kann man sich jederzeit aussuchen, wessen Geschicke man selbst in die Hand nehmen will, während der Rest KI-gesteuert agiert. Zwar kann man jederzeit zwischen offensiver und defensiver Grundausrichtung wählen, detailliertere oder gar unterschiedliche Verhaltensmuster sind aber nicht möglich. Zudem gestaltet sich der Gesinnungswechsel über das rückseitige Touchpad etwas friemelig, die Alternative übers Optionsmenü umständlich.
Abgesehen von kleineren Aussetzern klappt die Zusammenarbeit mit den KI-Gefährten aber die meiste Zeit ganz gut und für besondere Aktionen wie bestimmte Stärkungs- oder Schwächungszauber kann man ja auch einfach kurz den Charakter wechseln und selbst die entsprechende Fertigkeit einsetzen. Bis zu vier spezielle Kampffähigkeiten können pro Figur festgelegt und auf Knopfdruck ausgelöst werden. Je öfter man eine Fertigkeit einsetzt, desto effektiver wird sie mit der Zeit.
Darüber hinaus stehen aber auch Standardangriffe sowie Block- und Ausweichmanöver zur Verfügung, die sich zwar nicht weiterentwickeln, aber mit dem richtigen Timing coole Zeitverzögerungen einleiten, in denen man zusätzlichen Schaden verursachen kann, bevor man seinem Gegner mit einer besonders verheerenden Spezialattacke den Rest gibt.
Lohnende Zwischenstopps
In Siedlungen kann man seine Vorräte wieder aufstocken, Beute verhökern und neue Ausrüstung erwerben. Zudem kann man verschiedene Materialien tauschen und veredeln, um damit Waffen und Rüstungen individuell zu stärken. Die Möglichkeiten reichen von verbesserten Attributen bis hin zu statusbeeinflussenden Ladungen und Resistenzen. Je hochwertiger die Rohstoffe, desto stärker der Effekt.
Wer will, kann auch persönliche Hilfsgesuche der Dorfbewohner annehmen, die nicht immer nur bestimmte Gegner tot sehen oder Beutestücke geliefert bekommen, sondern auch mal Unterschriften sammeln, Wildkühe melken oder Aushilfsverkäufer einstellen wollen. An schwarzen Brettern erfährt man, wann es neue Gesuche gibt, während im Reisejournal bereits angenommene Aufträge vermerkt und aktualisiert werden. Auch Informationen zu bereits besiegten Gegnern, gefundenen Rohstoffen oder dem Spielsystem werden hier automatisch katalogisiert.
Die einem nur selten unterbrochenen Tageszyklus unterworfene Spielwelt ist in einzelne, aber zusammenhängende Areale eingeteilt, die neben charakter- und ausrüstungsspezifischen Interaktionsmöglichkeiten auch natürliche Rohstoffquellen sowie praktische Rast- und Schnellreisepunkte bieten. Wo man sich gerade befindet und wie viel Prozent des Waldes man bereits erkundet hat, kann man auf der selbst mitzeichnenden Übersichtkarte ablesen. Auch entdeckte Erntestellen, übersehene Schätze oder wichtige Ziele werden hier vermerkt, eigens auserkorene Zielpunkte manuell gesetzt.
Alles im Griff?
Die Kamera lässt sich hingegen abgesehen von der Zoomstufe leider nicht manuell justieren, feindliche Ziele nicht dauerhaft fixieren. Letzteres kann man aufgrund der sehr großzügigen Zielhilfe zwar verschmerzen, mit Distanzangriffen bestimmte Gegner einer Meute zu treffen, kann sich allerdings ähnlich fummelig gestalten wie der Versuch in Gegnernähe Rohstoffe abzuernten. Dafür gibt es unterschiedliche Boni dafür wie man einen Gegner besiegt und wie sich das aktuelle Kampftrio zusammensetzt.
Schön ist auch, dass selbst Figuren auf der Ersatzbank Erfahrung sammeln und so nie zu weit hinter häufiger eingesetzte Kameraden zurückfallen.
Schade ist hingegen, dass die Darstellung fast kontinuierlich, wenn auch nur leicht ruckelt und das Spiel komplett auf Englisch ist. So gibt es weder eine Option auf japanischen O-Ton, noch auf deutsche Untertitel. Ungeachtet dessen hätte es aber ruhig auch insgesamt mehr Sprachausgabe geben können. Musikalisch präsentiert man sich vor allem bei schnelleren Takten ebenfalls wenig zeitgemäß. Die spielerischen Werte überzeugen aber nach wie vor und sorgen zusammen mit nostalgischem Charme für eine ganz besondere Magie.
Fazit
Mit Memories of Celceta liefern die Serienschöpfer nach über zwanzig Jahren endlich ihre eigene Interpretation des vierten Kapitels der Ys-Saga ab. PS-Vita-Besitzer dürfen sich auf ein liebevoll aufbereitetes Action-Rollenspiel alter Schule freuen, dessen klassische Komponenten auch heute noch begeistern: Man dirigiert eine stetig anwachsende Heldenriege durch die Geheimnisse und Gefahren eines Waldes, der den Schlüssel zur eigenen Vergangenheit bereithält. Mit dem Einsatz individueller Talente und Fertigkeiten räumt man nicht nur allerlei Hindernisse, sondern auch Gegner aus dem Weg, während man fleißig Beute sammelt, veredelt und in seine Ausrüstung einarbeitet, um in den dynamischen Echtzeitkämpfen die Oberhand zu behalten. In punkto Technik und Präsentation hätte man zwar durchaus noch eine Schippe drauf legen können, aber spielerisch wird man auch heute noch sehr gut unterhalten.
Pro
Kontra
Wertung
PS_Vita
Liebevoll aufbereitetes Action-Rollenspiel alter Schule.
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