Ninja Gaiden: Sigma24.02.2012, Mathias Oertel
Ninja Gaiden: Sigma

Im Test:

Der Assassine Ryu Hayabusa wurde 1988 auf dem NES geboren. 16 Jahre später erlebte er mit Ninja Gaiden seinen zweiten Frühling auf der Xbox. Wiederum drei Jahre später wurde dieses Abenteuer für die PS3 umgesetzt. Und jetzt, fast acht Jahre nach dem Original, dürfen auch Vita-Besitzer das Katana schwingen. Ein Spiel nur für Nostalgiker?

Wie hart ist zu hart?

Machen wir uns nichts vor: Die Ninja Gaiden-Serie trennt die Spreu vom Weizen, die Whisky-Trinker von den Bananenweizen-Schlabberern, die harten Zocker von den Aufgebern. Die aufwändig choreografierten sowie geschmeidig animierten Kämpfe stellen für viele Spieler das Maß aller Dinge da, wenn es um eine harte bis überharte, aber stets faires Herausforderung geht.

Wer den dunklen Assassinen sicher bis zum Finale geleiten möchte, braucht gute Reflexe und starke Nerven. Die Angriffsschemata jedes neuen Gegners (und davon gibt es zuhauf) müssen studiert werden, damit man im richtigen Moment blocken, kontern und angreifen kann. Ein Fehler kann das Ende bedeuten. Dadurch gewinnen die Auseinandersetzungen eine enorme Intensität. Und das Gefühl, die laufenden Gefechte überlebt zu haben, ist höchst befriedigend. Wobei man sich nicht zu früh freuen sollte: Der nächste Kampf und vor allem der nächste Boss kommen bestimmt. Und sie werden härter sein als alles, was man zuvor erlebt hat.

Das vor vor acht Jahren auf der Xbox der Fall. Das war vor fünf Jahren in der leicht erweiterten und grafisch aufgewerteten PlayStation 3-Fassung der Fall. Und das ist auch in der Vita-Variante der Fall, die sich an der PS3 orientiert und dementsprechend neben Ryu mit der Dämonenjägerin Rachel eine weitere spielbare Figur bereithält. Aber Tecmo hat die Zeichen der Zeit erkannt und für all diejenigen, denen Ninja Gaiden zu heftig ist, einen neuen Schwierigkeitsgrad bereit gestellt: Den Heldenmodus, der übrigens auch in Ninja Gaiden 3 zu finden sein wird und bei dem einige Abwehrmechanismen automatisiert werden. Wahre Ninjas werden sich dadurch vielleicht in ihrer Ehre gekränkt fühlen - immerhin hat es einen gewissen Stellenwert, wenn man in seinem Freundeskreis damit angeben kann, Ninja Gaiden bewältigt zu haben. Doch als Zugeständnis an eine neue Generation kann ich damit leben - und es dann ignorieren.

Quicklebendig

Beim Bogenschießen visiert man die Gegner per Vita-Bewegung an.
Beim Bogenschießen visiert man die Gegner per Vita-Bewegung an.
Totgesagte leben länger? Im Falle von Ryu Hayabusa trifft dies definitiv zu. Denn auch wenn ich nicht nachvollziehen kann, wieso Tecmo sich auf den ersten Teil für eine Vita-Umsetzung stürzt anstatt Teil 3 für ein mobiles Publikum umzusetzen, ist diese Variante gelungen. Die klassische Joystick-/Knopf-Steuerung gibt sich keine Blöße und arbeitet punktgenau. Sprich: Man hat in dieser Hinsicht keine Entschuldigung, wenn man versagen sollte und einem der Game Over-Schriftzug ins Gesicht springt.

Von den Vita-spezifischen Kontrolloptionen, die man nicht ausschalten bzw. auf konventionelle Mechanik umlegen kann, bin ich nur eingeschränkt überzeugt. Sobald man in den knapp 20 Abschnitten den Bogen verwendet oder sich in der Ego-Ansicht umschaut, richtet man den Blickwinkel über Bewegung der Konsole aus. Das funktioniert zwar gut, doch das Tippen auf den Bildschirm, um den Pfeil abzuschießen, ist unnötiges Gefrickel. Zudem wird der Ego-Modus aktiviert, sobald man den Touchscreen berührt - was im Eifer des Gefechtes durch Abrutschen vom Joystick oder bei dicken Daumen durch unvorsichtige Benutzung des Standard-Angriffes schnell mal passiert. Befindet man sich zu diesem Zeitpunkt in einer kritischen Kampfsituation, verliert man wertvolle Zehntelsekunden.

Die Aktivierung der Spezialattacken (Ninpos) erfolgt wie gehabt über Knöpfe. Die Verstärkung dieser Angriffe erledigt man jedoch über das Touchpad auf der Rückseite. Auch das ist prinzipiell eine gelungene Idee und funktioniert gut. Jedoch wird man dadurch aus dem Kampfgeschehen gerissen. Es scheint, als ob jede halbwegs gute Idee, das Erlebnis für Vita zu optimieren, mit Abstrichen in der Dynamik bezahlt wird.

Zeitlos schön

Katanas flirren, die Gegner wirbeln durch die Luft: Ryu Hayabusa, wie man ihn kennt, liebt und hasst.
Katanas flirren, die Gegner wirbeln durch die Luft: Ryu Hayabusa, wie man ihn kennt, liebt und hasst.
Es gibt Titel, die altern richtig gut. Ninja Gaiden Sigma Plus fällt in diese Kategorie – und das nicht nur spielerisch, sondern auch visuell. Sicher: Den mitunter blassen Texturen merkt man den mindestens fünf Jahre alten Ursprung mitunter an. Doch das allen Witterungen und Erosionen widerstehende Artdesign ist nach wie vor sehenswert. Was auch für die Animationen sowie die explosiven Effekte gilt, die ein überbordendes Kampfballett auf die Vita-Bühne bringen.

Leider haben auch die Kameraprobleme, die Ninja Gaiden seit der Xbox plagen, auf der Vita Einzug gehalten. Vor allem in engen Räumlichkeiten manövriert sich die Perspektive in eine ungünstige Position, bei der auch die manuelle Schaltung der Kamera hinter die Figur wenig Abhilfe schafft. Doch nur in den seltensten Fällen kommt man dadurch so sehr in Schwierigkeiten, dass der Kampfausgang empfindlich gestört wird.

Inhaltlich bekommt man zusätzlich zu den unterschiedlichen Waffen und Techniken, mit denen man sich in der Kampagne anfreunden kann, noch fast 80 weitere Missionen spendiert, die so genannten "Ninja-Prüfungen". Dahinter verbergen sich meist kampforientierte Arcade-Happen, die wie geschaffen für ein Spielchen zwischendurch sind und sich inhaltlich teilweise an Szenen und Schauplätzen aus der Hauptgeschichte orientieren. Diese Missionen bringen zwar kein neues Spielerlebnis, sind aber eine interessante Übungsmöglichkeit, um sein Können zu verfeinern, bevor man sich in den Ernstfall begibt.

Fazit

Mir ist unverständlich, wieso Tecmo einen eigentlich acht oder zumindest fünf Jahre alten Titel (wenn man sich auf die PS3-Version bezieht) herausbringt - zumal der nächste Teil der Hayabusa-Saga bereits in den Startlöchern steht und sich für eine Umsetzung anböte. Doch davon abgesehen hat der Zahn der Zeit erstaunlich wenig am Konzept genagt. Die Kämpfe sind spannend und vor allem fordernd wie eh und je - wer Angst hatte, dass Tecmo am Schwierigkeitsgrad feilt, der die beständige Gratwanderung an der Grenze zur Frustration bravourös meistert, kann aufatmen. Und alle anderen freuen sich über den neuen Helden-Modus, der einige Abwehraktionen automatisiert und der auch in Ninja Gaiden 3 zu finden sein wird. Visuell dank des zeitlos guten Artdesign sowie der rundum gelungener Animationen immer wieder ein Vergnügen, stören nur die Kameraprobleme in engen Räumen. Die neuen Inhalte wie z.B. die beinahe 80 Ninja-Prüfungen im Arcade-Stil sind gut geeignet, um seine Kampftechniken zu üben und fernab der Kampagne kurze, aber intensive Gefechte zu erleben. Wer bislang noch nicht Gelegenheit hatte, mit Ryu zu kämpfen, zu fluchen und zu leiden sowie über leichte Probleme mit der Einbindung der Berührungssteuerung hinwegsehen kann, wird zweifellos seinen Spaß haben.

Wertung

PS_Vita

Gelungene Umsetzung eines Klassikers, bei dem die gut gemeinten Vita-Funktionen die Dynamik eher aufhalten als unterstützen.

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