Shin Megami Tensei: Persona 426.03.2009, Jens Bischoff
Shin Megami Tensei: Persona 4

Im Test:

Für viele gehört die PS2 bereits zum alten Eisen. Dennoch erscheinen immer wieder exklusive Highlights für den Konsolen-Oldie. Die Persona-Reihe feierte letztes Jahr sogar ihre Europa-Premiere auf Sonys Dauerbrenner - inklusive nachträglicher Sonderedition. Inzwischen ist auch der jüngste Spross der bizarren Rollenspielsaga in unseren Breiten erhältlich. Einmal mehr ein Grund zum Jubeln?

Makabere TV-Show

Persona 4 ist wie seine Vorgänger eine Mischung aus Highschool-Sim und übersinnlicher Dämonenhatz.

Video: Persona 4 entführt den Spieler in eine bizarre Parallelwelt hinter dem Fernsehschirm.Allerdings fällt schon zu Beginn auf, dass die Entwickler einen wesentlich realistischeren Ansatz bieten wollten: Klar, es gibt erneut eine bizarre Parallelwelt, aber anstatt den Spieler sofort auf eine phantastische Reise zu schicken, bleibt das Szenario trotz übernatürlicher Phänomene lange Zeit greifbar und plausibel. Man kommt als Austauschschüler in eine japanische Kleinstadt, wo man sich für ein Jahr bei seinem Onkel, einem örtlichen Kripobeamten, einquartiert, der gerade einem mysteriösen Mordfall nachgeht: Die Geliebte eines lokalen Politikers wurde tot aufgefunden - allerdings nicht in einem entlegenen Wald oder trüben Gewässer, sondern aufgespießt auf eine Fernsehantenne mitten im Ort.

Was anfangs wie ein plakativer Racheakt aussieht, entpuppt sich aber schon bald als makaberer Auftritt eines Serienkillers, dessen Motive sowohl den Einheimischen als auch der Polizei Rätsel aufgeben. Zur gleichen Zeit geht in der örtlichen Highschool das Gerücht über einen geheimnisvollen Fernsehkanal um, der einem in regnerischen Nächten um Punkt Mitternacht seinen Seelenpartner zeige. Und tatsächlich, als ihr die Probe aufs Exempel wagt, taucht für kurze Zeit ein Gesicht auf der Mattscheibe auf. Am nächsten Tag stellt sich allerdings heraus, dass jeder dieselbe Person gesehen hat - und kurz darauf wird diese tot aufgefunden.

Wie es scheint, filmt der Täter seine Opfer vor ihrer Entführung und lässt sie vor ihrer Ermordung sogar in bizarren B-Movies auftreten. Die Polizei weiß davon allerdings nichts und das ist in euren Augen auch besser so, denn ihr findet heraus, dass die Aufnahmen nicht in irgendeinem Kellerstudio, sondern in einer ominösen Parallelwelt entstehen, die anfangs nur ihr betreten könnt. Welcher Polizist würde das schon glauben. Selbst eure Freunde halten euch für verrückt bis sie mit euch in einem gigantischen Plasmafernseher verschwinden und diese Welt mit eigenen Augen sehen. Als dann auch noch eine vermisst gemeldete Freundin auf dem Kanal des Mörders auftaucht, steht fest: Ihr werdet die Verfolgung des mysteriösen Killers selbst in die Hand nehmen und versuchen, alle weiteren Opfer rechtzeitig zu retten.

Übersinnliche Geplänkel

Es beginnt ein Lauf gegen die Zeit, an Orten, die es eigentlich gar nicht gibt und die von Kreaturen bevölkert werden, die nicht von dieser Welt sind. Und darüber hinaus muss man auch noch versuchen, seinen schulischen und sozialen Verpflichtungen nach zu kommen: Man büffelt für Prüfungen, stellt Nachforschungen an, engagiert sich in Vereinen, pflegt Beziehungen, übt Nebenjobs aus und trainiert für den Ernstfall. 

Euer Pflegeonkel arbeitet für die Kripo, hat aber keine Ahnung von euren Entdeckungen.
Um in der morbiden Medienwelt des Serienkillers zu überleben, reicht es aber nicht, mit notdürftigen Waffen Kampferfahrung zu sammeln, man muss auch übersinnliche Kräfte nutzen, die man von dämonischen Begleitern erhält, welche die eigene Schattenseite repräsentieren. Nur ihr habt die Fähigkeit, über euren eigenen Schatten zu springen, um neue Begleiter zu rekrutieren, zu kreuzen und zu wechseln. Der Rest des bis zu vierköpfigen und individuell zusammenstellbaren Mystery-Teams ist den eigenen Stärken und Schwächen bedingungslos ausgeliefert.

Immerhin könnt ihr euren Mitstreitern dieses Mal direkt Befehle erteilen und nicht nur grobe Handlungsmuster vorgeben. Diese neue Freiheit erlaubt eine wesentlich effizientere Zusammenarbeit und Kampfplanung. Das A und O bei den Auseinandersetzungen ist einmal mehr das Ausfindigmachen und Ausnutzen gegnerischer Schwachstellen, um in den rundenbasierten Kämpfen möglichst oft zum Zug zu kommen. Eine praktische Analysefunktion hilft dabei, einmal heraus gefundene Stärken und Schwächen jederzeit abrufbereit festzuhalten, während eine nahe Gegner erfassende und automatisch mitzeichnende Kartenfunktion dafür sorgt, in den zufällig generierten Spielabschnitten nicht die Orientierung zu verlieren. Die Kämpfe sind angenehm fordernd, lassen sich durch Festlegung des Schwierigkeitsgrades aber an verschiedene Könnensstufen anpassen.      

Dämonische Unterstützung

Die thematisch an die inneren Konflikte der entführten Opfer angelehnten Labyrinthe sind architektonisch einmal mehr ziemlich unspektakulär.

Die Kämpfe laufen rundenbasiert ab. Wer die Schwächen seiner Gegner kennt, hat leichtes Spiel.
Die Präsentation der unterschiedlichen Gemäuer wurde jedoch deutlich verbessert. Es gibt sogar einen grandiosen Abstecher in die Seele eines Retrogamers. Das Gefühl durch die Baukastenwelt eines Fünfjährigen zu laufen, ist zwar nach wie vor allgegenwärtig, aber zumindest hat man dieses mal nicht nur Maurer und Maler, sondern auch einen Innenarchitekten engagiert, um diese Welt darzustellen. Potentielle Gegner manifestieren sich einmal mehr als autonom umherziehende Schatten, deren Stärke grob an ihrer Größe und Farbe ablesbar ist. Man kann sogar versuchen ihnen aus dem Weg zu gehen oder sie von hinten zu überraschen.

Nach einem Sieg gibt es neben Geld und Erfahrungspunkten hin und wieder auch seltene Materialien, aus denen der örtliche Antiquitätenhändler neue Waffen und Ausrüstungsgegenstände schmieden kann, oder man bekommt die Möglichkeit, in einer Art Hütchenspiel Karten neuer Begleiter zu erhalten. Diese lassen sich dann im Kampf herbei beschwören, werden mit der Zeit immer stärker, lernen weitere Fertigkeiten und lassen sich mit anderen Karten auf verschiedene Weisen kreuzen, um noch mächtigere Kreaturen zu erhalten. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig, das Sammeln und Experimentieren ungemein motivierend. Der Platz an mitgeführten Begleitern ist zwar begrenzt und das Ergebnis von Kreuzungen nicht immer vorhersehbar, aber ein Kompendium, über das man jede Karte und die damit erreichten Verbesserungen registrieren und später gegen einen kleinen Obolus wieder reaktivieren kann, stellt einen sehr angenehmen Rückhalt beim Eintauchen in die genauso komplexe wie faszinierende Materie dar.

Beeinflusst werden die Fusionen in erster Linie von sozialen Kontakten, die man mit Personen, die der gleichen Kategorie wie die Wesen eurer Kreuzungsversuche angehören, geschlossen hat. Daher ist es wichtig, sein normales Leben ungeachtet seiner übernatürlichen Mordrecherchen möglichst diszipliniert weiterzuführen. Das Abhängen mit Freunden spielt dabei genauso eine Rolle wie die Teilnahme am Unterricht, das Verbringen von Zeit mit der Familie oder das Mitwirken in Vereinen. Als angenehmer Nebeneffekt wirken sich viele Aktivitäten positiv auf Redegewandtheit, Verständnis, Ausdauer, Mut und andere Eigenschaften aus, die es einem wiederum erlauben mit Personen in Kontakt zu treten, die sonst nur die Nase über einen rümpfen würden.

Auf dem richtigen Weg

Das Zusammenspiel von Alltäglichem und Außergewöhnlichem ist wesentlich besser gelungen als im Vorgänger, wo gerade die Schulbesuche auf Dauer nur noch gelangweilt haben. Dieser Part wirkt nun wesentlich kompakter und genauso wie die übernatürlichen Streifzüge besser auf die Story fokussiert. 

Das Pflegen sozialer Kontakte ermöglicht die Zucht immer mächtigerer Dämonenbegleiter.
Auch optionale Sidequests gibt es zahlreiche zu entdecken - sowohl in der realen als auch der Parallelwelt. Gewöhnungsbedürftig ist lediglich der nicht immer nachvollziehbare Zeitaufwand für manche Aktivitäten. Auf der einen Seite kann man stundenlang durch die Gegend ziehen, shoppen oder mit Leuten quatschen und auf der anderen Seite dreht man nur einmal neugierig an einem Kaugummiautomaten und schon bricht die Dämmerung ein und man wird gezwungen nach Hause zu gehen.

Weit mehr geärgert hat mich allerdings, dass man wieder einen austauschbaren Nobody spielt, der das ganze Spiel über keinen Mucks von sich gibt. Nein, man spielt keinen Taubstummen, man sagt einfach nichts. Selbst bei Dialogen ist man stets nur Zuhörer und wählt zwischen verschiedenen Antwortmöglichkeiten, die nie erklingen. Ich weiß, viele Japaner stehen drauf, aber ich finde es einfach nur lächerlich, wenn um einen herum alle in Panik geraten oder wild diskutieren und man selbst sitzt völlig teilnahmslos da und gestikuliert wortlos vor sich hin. Dabei beweisen die englischen Sprecher der anderen Charaktere doch immer wieder, dass sie ihren Job verstehen. Schade nur, dass die anfangs noch sehr üppig eingesetzte Sprachausgabe später immer seltener wird und man nicht einmal deutsche Untertitel serviert bekommt. Wer mit Englisch keine Probleme hat, freut sich hingegen über den günstigen Preis sowie seltene, aber stimmungsvolle Anime-Schnipsel. Selbst die zahlreichen in Spielgrafik präsentierten Sequenzen können sich sehen lassen. Die Animationen wirken zwar teils etwas überzogen, aber insgesamt ist die Präsentation sehr stylish und ausgereift. Auch der vielschichtige Soundtrack ist wieder eine Klasse für sich.      

Fazit

Was eine Steigerung! Ich war ja schon immer ein Fan der Shin Megami Tensei-Spiele, aber irgendwie gab es immer auch eine Menge zu kritisieren. Zwar ist auch Persona 4 nicht perfekt, aber was Atlus hier geschaffen hat, ist mehr als nur ein Geheimtipp für Fans - es ist ein hell leuchtender Stern am systemübergreifenden Rollenspielhimmel! Also ein Spiel, das sich kein Genreliebhaber entgehen lassen sollte. Gut, man mimt abermals einen stummen, austauschbaren Protagonisten und schlurft durch architektonisch altbackene Zufallslevels. Aber die Charaktere wirken wesentlich authentischer, die Kulissen deutlich aufwändiger. Auch die Story um einen mysteriösen Serienkiller, der seine Opfer in einer durch eine mit der Realität verknüpften Parallelwelt in den Wahnsinn treibt, wurde trotz einiger Durchhänger ungemein packend inszeniert. Selbst die Aufgaben und Verpflichtungen abseits übersinnlicher Detektivarbeit und Dämonenhatz sind dieses Mal gut eingebunden: Egal ob Schulalltag, Jobsuche, Freizeitgestaltung oder das Pflegen sozialer Kontakte - alles ist ausgewogen miteinander verzahnt und enorm motivierend. Auch das bewährte Kampfsystem lässt einem mehr Freiheiten als sonst und die Präsentation hat ebenfalls einen Schritt nach vorn gemacht. Schade nur, dass nach wie vor nur Englisch gesprochen wird und das nicht einmal durchgehend. Wer der Sprache halbwegs mächtig ist, sollte sich davon aber nicht abschrecken lassen. Für nicht einmal dreißig Euro bekommt man eine herrlich bizarre, spannende und motivierende Killerjagd serviert, die ein ganzes virtuelles Jahr auf Trab hält.

Pro

soziale Verknüpfungen
forderndes Kampfsystem
motivierende Dämonenzucht
stimmungsvolle Präsentation
zahlreiche Betätigungsmöglichkeiten

Kontra

unspektakuläres Leveldesign
stummer, austauschbarer Protagonist

Wertung

PlayStation2

Spannend bizarrer Mix aus Highschool-Alltag und übersinnlicher Mörderhatz.

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