Primal09.04.2003, Paul Kautz
Primal

Im Test:

In fast jedem von uns steckt ein Dämon, mal mehr, mal weniger ausgeprägt - doch letzten Endes doch nur sprichwörtlich. Bei Jennifer ist das was anderes, denn sie beherbergt tatsächlich noch andere Wesen in sich, wovon sie allerdings keine Ahnung hat. Was ihr das bringt, und wie Ihr das zu Eurem Vorteil nutzt, erfahrt Ihr in unserer Review zu Primal (ab 29,99€ bei kaufen), Sonys neuestem Action-Adventure für die PS2.

Ein ganz normaler Samstag?

Wir leben meist in unseren Alltag hinein, und kümmern uns um unsere eigenen Sachen, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, dass die Welt, in der wir leben, viel größere Probleme haben könnte. So geht es auch Jennifer, deren Rockstar-Freund bei einem Gig einen ausgesprochen merkwürdigen Typen gesehen hat. Genau diese bizarre Gestalt lauert ihm nach dem Auftritt auf, schlägt ihn und Jennifer nieder, die sich kurz darauf im Koma liegend im Krankenhaus wiederfindet. Als sie aufsteht, aber Ihr Körper liegen bleibt, vermutet sie zunächst das Schlimmste, doch eine kleine Gestalt klärt sie auf - sie ist nicht tot, aber nicht weit davon entfernt, genau wie ihr Freund. Um ihn, sich selbst und auch die ganze Welt zu retten, muss sie Scree, dem Gargoyle folgen. Denn Jennifer ist weitaus mehr als eine mit einer merkwürdigen Rune tätowierte 21-jährige Rockerbraut, auch wenn sie das selbst noch nicht weiß..

Diese im Verlauf des Spiels immer feinere Fäden spinnende Story wird Euch in technisch hervorragenden und fantastisch animierten Zwischensequenzen präsentiert. Wie Ihr erfahrt, ist das universelle Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos gestört, was bei einem Scheitern Eurer Mission die bekannte Welt und auch die drei anderen, von denen Ihr ebenfalls nichts ahntet, zerstören wird.

__NEWCOL__Ein ungleiches Paar

Verspricht die Einleitung noch ein recht »normales« Action-Adventure, entpuppt sich Primal schon nach kurzer Spielzeit als etwas Besonderes. Denn Ihr steuert nicht nur Jennifer, sondern könnt auch jederzeit die Kontrolle über Ihren neuen Freund Scree übernehmen, einen leuchtaugigen Dreisteinehoch mit Hundegesicht und Flügeln - ein Gargoyle. Beide haben unterschiedliche Eigenschaften, die Ihr klug einsetzen müsst: Jennifer kann beispielsweise kämpfen und sich durch enge Ritzen zwängen, während Scree an manchen Steinwänden herumklettern und seine Seele in bestimmte Statuen transferieren kann.

Auf diesen Charakteren, die unterschiedlicher kaum sein könnten, basiert das clevere Spieldesign von Primal. Denn das Spielprinzip ist stark Adventure-lastig, meistens besteht Eure Aufgabe schlicht darin, herauszufinden, wie es weitergeht: wie Ihr bestimmte Stellen passieren könnt, wie Ihr Türen aufbekommt, wie Ihr an Wachen vorbeikommt etc. - Erinnerungen an Sonys abgefahrenes <4PCODE cmd=DGFLink;name=ICO;id=2008> werden wach. Bloß, dass Ihr hier niemanden bei der Hand nehmen müsst: die gerade nicht gesteuerte Figur trottet dem Anführer stets brav hinterher, wenn das möglich ist. Falls nicht (wenn Euch beispielsweise eine Tür oder Schlucht trennt, die nur einer von beiden passieren kann), müsst Ihr einen Weg finden, den Partner auch auf die andere Seite zu bekommen. Denn sich zu weit vom anderen zu entfernen ist nicht gestattet - eine unsichtbare Mauer verhindert schon nach wenigen Metern das Weitergehen.

Eine gigantische Welt

Technisch haut Primal selbst hartgesottene PS2-Zocker aus den Stiefeln - grafisch und akustisch zeigt Sonys olle Konsole hier nochmal überdeutlich, was alles in ihr steckt. Nach sehr kurzen Ladezeiten bekommt Ihr aus der schwenkbaren Schulterperspektive und auf Wunsch auch im Breitbildformat einiges zu sehen: die tollen 3D-Modelle von Freund und Feind sind ausgezeichnet animiert, mit hochauflösenden Texturen tapeziert und fantasievoll gestaltet, der abgefahren-düstere Grafikstil zieht sich durchs ganze Spiel. Realistische Schatten passen sich jeder Lichtquelle an, Fackeln und Feuer erhitzen die Luft und verzerren so das Bild realistisch. Seid Ihr übergangslos von innen nach außen gerannt, erwarten Euch fabelhafte Wettereffekte, die sich, wie auch die sanft schwankenden Bäume, dem Wind anpassen. Dazu gibt´s noch ausdrucksstarke Gestik und (gelegentlich sprunghaft wechselnde) Mimik, coole Zeitlupen- und Verwischeffekte, und noch viel mehr in den düsteren Gefilden von Primal. Das in vier große und sehr unterschiedliche gestaltete Welten unterteilte Spiel ist eigentlich ein gigantischer Level, den Ihr am Stück passiert - nur durch die häufigen Zwischensequenzen unterbrochen, die zumeist in Echtzeit berechnet werden.

Normalerweise bleibt die Kamera zuverlässig an den Schultern Eurer Helden kleben, doch gelegentlich schwenkt sie in sehr merkwürdige Perspektiven. Dann dürft Ihr entweder manuell nachkorrigieren oder per Schultertaste schnell zentrieren. Haltet Ihr diese Taste gedrückt, zoomt Ihr die Ansicht kurz heran - praktisch, um mal schnell nach oben oder unten zu sehen. Doof allerdings, dass man dafür den Analoghebel in der gewünschten Richtung und Stärke gedrückt halten muss, da sonst die Perspektive sofort in die Mittelstellung zurückspringt.

Besitzer von High-End-Fernsehgeräten dürfen neben 50 und 60 Hz auch zu Beginn des Spiels den »Progressive Scan« akvitieren, um das bestmögliche Bild zu haben. Aber auch die werden mit gelegentlichen Rucklern und leichtem Flimmern leben müssen.

__NEWCOL__Der Dämon in Dir

Wie schon erwähnt, liegt der Fokus von Primal auf dem Lösen von vielen kleinen und großen Puzzles und dem Erfüllen mannigfaltiger Missionen. Doch natürlich wurden Jennifers Kampfeigenschaften nicht umsonst integriert. Anfangs sticht sie noch mit einem kleinen Messer um sich, kann kleinere Kombos starten und ist generell sehr schwach. Doch schon nach kurzer Spielzeit wird die erste Dämonenkraft in ihr geweckt - die Kampfvariante. In dieser kann sie nicht nur höher springen, sondern auch besser kämpfen. Das ändert aber nichts daran, dass das Kampfsystem sehr rudimentär und einfach gehalten ist: Ihr kloppt auf drei Schulterbuttons ein, bis der Gegner umfällt; falls er Widerstand leistet, könnt Ihr seine Attacken mit dem vierten blocken. Dazu gibt es noch eine Art Finishing-Move, der dem schwächelnden Gegner endgültig und etwas blutig den Garaus macht. Praktischerweise kämpft Ihr immer nur gegen einen Gegner, auch wenn Euch mehrere angreifen. Darüber hinaus richtet sich Jen automatisch auf Ihre Widersacher aus und umkreist ihn dann, so dass Ihr kaum daneben schlagen könnt. Liegt der Bösewicht am Boden, kommt Scree ins Spiel: er kann die glitzernde Lebensenergie der Gefallenen aufsaugen und speichern, was wiederum Jen zugute kommt, die dadurch geheilt wird.

Die Dämonen-Form ist außerdem sehr flüchtig, da von einer bestimmten Energieart abhängig, die sehr schnell verbraucht wird. Ihr könnt also nicht die ganze Zeit verwandelt herumrennen, sondern müsst Euch (grafisch sehr spektakulär in Szene gesetzt) vor Kämpfen, unüberwindbaren Gewässern oder ähnlichem verwandeln - später könnt Ihr beispielsweise auch unter Wasser atmen. Falls Ihr Euch nicht sicher seid, was zu tun ist, könnt Ihr entweder einen Blick auf die automatisch mitgezeichnete Karte werfen, oder Scree um Rat bitten, der mal mehr mal weniger hilfreich ist, aber meistens einen guten Tipp parat hat. Außerdem darf jederzeit gespeichert werden.

Reisen im Zeitraffer

Während Jennifer den Dämon in sich weckt, stecken Screes Talente ganz woanders. Neben seiner Wandkletter-Fähigkeit trägt er auch gerne Fackeln, und kann bestimmten Statuen seinen Willen aufzwingen. Dazu benötigt er allerdings Kraftsteine, die sporadisch und auffällig leuchtend in den Welten herumliegen oder in zerstörbaren Kisten versteckt sind. Hat er genügend davon absorbiert, kann er seine Seele in die Statue übertragen, worauf Ihr damit bestimmte Dinge anfangen dürft. Meist könnt Ihr sie dann drehen, was Türen öffnet oder sonstwie den Weg freimacht.

Wie schon gesagt, ist die Welt von Primal groß, sehr groß. Und Ihr werdet sehr lange unterwegs sein, manchmal auch mehrmals zwischen zwei Orten hin- und hergeschickt. Um sich diese Rennerei zu ersparen, stehen an Schlüsselorten Reiseportale, die Euch schnurstracks an entfernte Punkte bringen. Der Haken: Ihr müsst schon einmal an diesen Punkten gewesen sein, um das Portal benutzen zu können.

Anti-Runterfall-System

Die Steuerung bedarf etwas Eingewöhnung, geht danach aber recht gut von der Hand: mit dem linken Analoghebel steuert Ihr den Protagonisten, mit dem rechten die Kamera.__NEWCOL__

Das Digitalkreuz dient zum schnellen Beschwören der dämonischen Formen von Jennifer, die Schultertasten zum Kämpfen und die Buttons schließlich zum Reden bzw. Manipulieren von Gegenständen. Praktischer Weise werden viele Standardaktionen von Held und Heldin automatisch ausgelöst, sprich sie klettern und springen selbständig, wenn es geht - manuelles Springen ist nämlich nicht möglich. Genauso wenig könnt Ihr in Schluchten oder Abgründe fallen, da die Figuren automatisch davor stoppen.

Wie auch die Grafik ist Primals Akustik Oscar-reif: die dramatische Orchester-Musik der Prager Philharmoniker samt Chor wechselt sich mit harten Rock-Klängen ab, die gefährliche Stellen und Kämpfe eindrucksvoll beschallen. Dazu gesellen sich unauffällige Soundeffekte, die besonders im Hintergrund für eine ausgewogene Spielatmosphäre sorgen. Doch das wahre Highlight sind die Dialoge, die Ihr auch in unterschiedlichen Sprachen genießen dürft: die vor Sarkasmus triefenden Seitenhiebe zwischen Jennifer und Scree bringen unerwartete Heiterkeit in das sonst eher düstere Treiben auf dem Bildschirm - dank hervorragend besetzter Sprecher sitzt jede kleine Pointe. Und zu guter Letzt nimmt einen die Spielewelt dank Dolby Pro Logic 2-Codierung auf entsprechenden Soundsystemen vollends gefangen.

Fazit


Entdecker, einen Schritt vor! Primal weckt den Forscherdrang im Abenteurer, die gewaltige Welt bietet massig Erkundungsmöglichkeiten und Puzzles. Außerdem gibt es viel freizuspielen, was der Langzeitmotivation zugute kommt. Und die Präsentation ist sowieso über jeden Zweifel erhaben. Wieso also keinen Award? Hauptsächlich liegt das am immer wieder durch schier ewige Herumlauferei bedingten Leerlauf, der zwar durch die Reiseportale abgemildert, aber nie wirklich ausgemerzt wird. Auch die unzuverlässige Kamera sowie die umständliche Nachjustiermöglichkeit hätten intelligenter gelöst werden können. Und nicht zuletzt schienen sich die Designer nicht sicher zu sein, ob sie nun ein Adventure oder Actionspiel in der Mache hatten - die Puzzles sind entweder uninspiriert oder zu leicht, die Kämpfe keine Herausforderung. Eine stärkere Fokussierung auf einen Bereich hätte dem Spiel sicher gut getan. Dennoch: atmosphärisch ist das Spiel eine Wucht, die witzigen Dialoge zwischen den Hauptdarstellern schön bissig. Wer ein umfangreiches, schön anzusehendes und -hörendes Abenteuer in fremden Welten erleben will, macht keinen Fehler damit, den Dämon in sich zu wecken.
(Paul)

Auch wenn mich Action-Adventure normalerweise nicht lange vor den Fernseher fesseln können, so besitzt Primal eine ganz eigene Atmosphäre. Die erstklassigen Zwiegespräche zwischen Jen und Scree tragen viel zum Spielspaß bei und lassen einen immer wieder zum Pad greifen. Die vier unterschiedlichen Welten und die Verwandlungsmöglichkeit runden das Spiel ab und machen es zum Überraschungshit. Einzig die teilweise leicht flimmernde Grafik sowie gelegentliche Kameraprobleme verhindern einen Vorstoß in Hit-Regionen.
(Marc)

Pro

<li>fabelhafte Grafik</li><li>realistische Wettereffekte</li><li>weiche Animationen</li><li>fantasievoll designte Figuren</li><li>intelligent nutzbare Talente</li><li>exzellente Musik</li><li>witzige Dialoge</li><li>sehr gute Sprachausgabe</li><li>viel zu entdecken</li><li>clevere Dämonen-Fähigkeiten</li><li>sympathische Hauptdarsteller</li><li>gute Story</li><li>viele Missionen</li><li>freies Speichern</li><li>sehr umfangreiche Welt</li>

Kontra

<li>gelegentliche Ruckler</li><li>gewöhnungsbedürftige Steuerung</li><li>fummelige Kameraführung</li><li>gelegentlicher Leerlauf</li><li>einfallslose Puzzles</li><li>sehr einfache Kämpfe</li>

Wertung

PlayStation2

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