Prisoner of War16.08.2002, Paul Kautz
Prisoner of War

Im Test:

»Schleichen statt Schießen« - dieses Spielprinzip ist altbekannt. »Fliehen statt Schießen« ist hingegen noch recht neu. Codemasters´ »Ausbruchssimulator« Prisoner of War (ab 18,89€ bei kaufen) treibt diese Idee auf die Spitze: Als Kriegsgefangener im Zweiten Weltkrieg müsst Ihr Grips und Taktik benutzen, um aus einem Gefangenenlager zu flüchten. Und ganz nebenbei dürft Ihr den Krieg entscheidend beeinflussen - mehr dazu im Test!

Willkommen in Stalag Luft

Captain Lewis Stone und Kamerad James »JD« Daly werden während einer geheimen Aufklärungsmission über deutschem Gebiet abgeschossen. Während JD noch einmal (wenn auch nicht für lange Zeit) davonkommt, landet Lewis direkt in den Armen der Wehrmacht, die ihn schnurstracks ins Gefangenenlager »Stalag Luft« steckt. Dort trifft der Captain, der ein wenig zu klischeehaft amerikanisch cool dargestellt ist, auf zwei Mitgefangene, die ihn über seine scheinbar hoffnungslose Lage aufklären. Doch kein Gefängnis der »Krauts« kann einen echten Amerikaner länger als nötig gefangen halten. Mitten in die Fluchtüberlegungen platzt der schließlich doch noch erwischte JD herein - damit wäre das Duo Infernale wieder komplett und der Ausbruch kann beginnen.

Prisoner of War zieht sich über fünf Kampagnen mit je vier Missionen. Eure Aufgabe ist es anfangs nur, aus den drei verschiedenen Kriegsgefangenenlagern (inklusive des berüchtigten »Schloss Colditz«) zu entkommen. Später gewinnt Euer Charakter mehr und mehr an Bedeutung, sobald sich herausstellt, an was die Deutschen nebenbei werkeln, um den Zweiten Weltkrieg ein für allemal für sich zu entscheiden.

Knifflige Missionen

Unsichtbarkeit ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die Ihr Euch in Prisoner of War aneignen müsst. Die Euch bevorstehenden Missionen bestehen hauptsächlich aus dem Besorgen und Stehlen von Dingen, die in späteren Aufträgen zu benutzen sind. Diese Aufgaben bekommt Ihr zum größten Teil von Mitgefangenen, wobei Ihr gelegentlich auch die Wahl habt, die Mission abzulehnen. Selbstverständlich steigt die Komplexität der Aufgaben mit der Zeit: Sind anfangs Tauschobjekte oder eine Brechstange im Nu besorgt, ziehen sich spätere Aufträge locker über eine ganze Weile hin.

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Ärgerlicherweise könnt Ihr nicht frei speichern, sondern müsst immer in Eure Baracke zurückkehren, um ein Savegame anzulegen. Warum man nach jedem Speichern zu einem Zeitsprung gezwungen wird (zum Morgenappell, Mittagspause etc..), wissen nur die Entwickler. Die Missionen verlaufen strikt linear. Das heißt ein Auftrag muss erfüllt sein, damit Ihr zum nächsten übergehen könnt; innerhalb der Aufgabe habt Ihr jedoch völlige Handlungsfreiheit.

Pssssst!

In erster Linie besteht Eure Aufgabe darin, den Wachen aus dem Weg zu gehen. Diese mäßig intelligenten Graumäntel patrouillieren entweder auf festen Wegen oder halten von Türmen aus Wache. Auf einem links unten eingeblendeten Display seht Ihr stets das Sichtfeld der Wächter und müsst mit gutem Timing an ihnen vorbeischleichen (was geduckt sogar direkt hinter ihnen funktioniert). Eine weitere Gefahr geht nachts von Suchscheinwerfern aus, denen man aber mit etwas Geschick ausweichen kann - die Wachen sind zwar schnell argwöhnisch, gehen aber eben so schnell wieder ihrer normalen Routine nach. Habt Ihr die Gefahren passiert, sucht Ihr den zu findenden Gegenstand, schnappt Euch eventuell herumliegende Zahlungsmittel und schleicht wieder zurück. Die Zeit stellt ein zusätzliches Druckmittel dar, da Ihr zu bestimmten Gelegenheiten im Lager sein müsst - fehlt Ihr beispielsweise beim Morgenappell, werdet Ihr verstärkt gesucht. Da hier nur in eine Richtung geschossen wird (und zwar auf Euch), sollten Ballerfreunde einen großen Abstand zu Prisoner of War halten. Die Wachen sind sehr ballerfreudig, was für Euch allerdings nur einen Zeitverlust darstellt, da Ihr nach einem Treffer auf der Krankenstation erwacht und die Aufgabe erneut versuchen könnt.

Wackelige Kontrolle

Prisoner of War ist ganz auf Analog-Steuerung ausgelegt: Mit dem einen Stick befehligt Ihr Captain Lewis, mit dem anderen korrigiert Ihr die Kameraeinstellung (dazu später mehr). Neben dem normalen Rennen kann Euer Protagonist auch schleichen, sich ducken, an Hauswände schmiegen oder an eben diesen herumklettern. Ärgerlicherweise fehlt der Seitschritt im Bewegungsrepertoire von Lewis, so dass Positionskorrekturen teilweise arg fummelig ausarten. Trotz der Tatsache, dass das Pad komplett belegt ist, hat man die Steuerung schnell intus, vor allem, da wichtige Funktionen (wie Klettern, Sprechen, oder Betrachten) einfach über ein Kontextmenü ausgewählt werden.

Sammelwütige Spieler werden in Prisoner of War ebenfalls belohnt: Es gibt einige Dinge freizuspielen: So können die Wachen extrem dumm oder extrem klug gemacht werden, Ihr könnt Ihre Größe beeinflussen, eine dauerhafte Vogelperspektive aktivieren und vieles mehr.

Düstere Verliese

Grafisch ist Prisoner of War weder überragend noch enttäuschend: Die Figuren sind sehr ansprechend modelliert und animiert - auch wenn sich die Wachen etwas steif bewegen. Sämtliche Zwischensequenzen sind in Spielgrafik gehalten, wirken aber weder in Sachen Kameraführung noch Spannungserzeugung sonderlich aufregend. Die Gefangenenlager sind recht unübersichtlich und in dunklen Tönen gehalten, was aber gerade in Nachtmissionen der Spannung zugute kommt: Herumstehende Büsche, Steinhaufen oder Sandsäcke dienen zur Tarnung, außerdem könnt Ihr unter den Häusern unentdeckt herumkriechen. Ihr bekommt das Geschehen stets aus der Schulterperspektive zu sehen; auf Knopfdruck kann auch eine Ego-Perspektive aktiviert werden. Gelegentlich gibt es auch neue Ansichtswinkel, wenn Ihr etwa ein Gebäude betretet oder Regale durchwühlt.

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Der größte Nachteil der Standard-Ansicht ist die sehr langsam mitschwenkende Kamera, die ständig nachkorrigiert werden muss, um die Übersicht nicht zu verlieren. Zwar ist es möglich, die Perspektive mittels Druck auf R1 auf Euren Rücken zu zentrieren, allerdings kann man diese praktische Funktion nicht dauerhaft aktivieren - warum? Nicht zuletzt sind die Ladezeiten selbst für PS2-Verhältnisse schier unendlich - wenigstens bekommt man während des Ladevorgangs gute Tipps vom Programm, sonst würde man vermutlich vor dem Fernseher einschlafen.

Spreche Deutshe?

Gleich zu Beginn wird der Spieler vom Kaugummi-Slang der amerikanischen Helden überfallen, im Gefangenenlager verbessert sich die Situation nicht wesentlich: Zwar sind alle Untertitel deutsch, die Sprachausgabe bleibt aber stets englisch. Das wird spätestens bei den denglisch brüllenden Wachen zur Farce: »Halt, or I will shoot!« war damals vermutlich keine gängige Redewendung. Dankbarerweise bleiben Dialoge mit den »Krauts« größtenteils auf solche Auseinandersetzungen beschränkt, die meiste Redezeit verbringen sie mit anderen, vernünftiges Englisch sprechenden Charakteren. Die Dialoge sind sehr wichtig - nicht nur, um herauszufinden, mit wem Ihr es zu tun habt. Aus den Gesprächen bekommt Ihr wichtige Fluchthinweise, verhandelt um nützliche Gegenstände und findet nicht zuletzt auch heraus, wer Euch freundlich oder feindlich gesonnen ist. Schreibfehler (beispielsweise will jemand einen »Reisführer« schreiben) sind sehr selten und auch nicht störend.

Die atmosphärische Musik kann in allen Bereichen punkten: Je nach Spielsituation bekommt Ihr sanfte Töne oder wildes Wummern zu hören, die Kompositionen passen stets gut zum Spielgeschehen. Nicht ganz so überzeugend sind die Soundeffekte geraten, da es schlicht kaum welche gibt: Gelegentliche Schüsse, Geräusche aus dem Wald oder eine knirschende Kiste - das war´s im Wesentlichen.

Fazit


Vor dem Meckern kommt das hemmungslose Lob angesichts der tollen Spielidee: Das spannende Missionsdesign hat mich so manchen Fingernagel gekostet, die glaubhafte Atmosphäre sorgt für einen zusätzlichen Motivationsschub. Mich persönlich stören zwar die glänzenden amerikanischen Helden, aber das ist sicherlich Geschmackssache. Nicht ganz so einfach kann man über die mistige Kamerasteuerung hinwegsehen: Früher oder später kapituliert auch der geduldigste Perspektivenkurbler und verewigt den rechten Zeigefinger auf der R1-Taste, um nicht dauernd die Übersicht zu verlieren. Auch die insgesamt maue Grafik sowie das arg lineare Spieldesign rauben unnötig Motivation. So bleibt unterm Strich eine spannende »Ausbruchsabenteuer« für geduldige Spieler.

Pro

<li>interessantes Spielprinzip</li><li>herausfordernde Missionen</li><li>gute Musik</li><li>freispielbare Boni</li><li>spannende Aufträge</li>

Kontra

<li>nur wenige Lösungshinweise</li><li>fürchterliche Kameraführung</li><li>abwechslungsarme Grafik</li><li>kaum Soundeffekte</li><li>nur englische Sprachausgabe</li><li>sehr lineare Missionsstruktur</li><li>lange Ladezeiten</li>

Wertung

PlayStation2

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