Contra: Shattered Soldier12.02.2003, Paul Kautz
Contra: Shattered Soldier

Im Test:

Retro ist in: Im Musikbusiness wird gecovert, was das Zeug hält. Und Computerspiele erfahren immer weitere Neuauflagen bewährter Spielkonzepte. Ganz selten gibt es sogar ein richtiges Oldschool-Game, das sich genau so spielt, wie in der guten alten Zeit - doch macht das, was uns damals stundenlang an den Fernseher gefesselt hat, auch heute noch Spaß? Im Falle von Contra lässt sich das eindeutig mit »Jein!« beantworten. Warum, erfahrt Ihr im Test.

Probocontra

Ende der 80er bis Anfang der 90er Jahre war Konamis Contra-Serie (in Deutschland aus Jugendschutzgründen leicht zensiert und in »Probotector« umgetauft) der Action-Kracher schlechthin. Auf fast allen Plattformen war das Spielprinzip stets gleich bzw. sehr ähnlich: alleine oder zu zweit kämpfte man sich durch unzählige Scharen von Bösewichtern, bekam alle Nase lang einen dicken Obermotz vorgesetzt und starb schnell, früh und sehr oft. Denn genauso wie durch furiose Action und für damalige Verhältnisse fantastische Grafik zeichnete sich die Serie auch durch einen mörderischen Schwierigkeitsgrad aus, der die Spiele frustgewöhnten Action-Profis vorbehielt. Nun sind viele Jahre ins Land gegangen - da war es wohl an der Zeit für ein Revival der besonderen Art.

Bemerkenswert ist beispielsweise schon der Versuch, so etwas wie eine Story ins bislang lediglich vom »Hier hast Du eine Waffe, da sind Deine Feinde!«-Credo beherrschten Contra-Universum zu bringen: das gute Renderintro zeigt Euch den Helden Bill Rizer, der aus dem Gefängnis entlassen wird, um gegen die übermächtige Bedrohung »Blood Falcon« anzutreten. Im Grunde überflüssig wie ein Kropf, aber es schadet auch nicht - genauso wie die Levelbeschreibungen im imperativen Telegramm-Stil.

__NEWCOL__Nur für Normalos

Konami hat sich nicht für den üblichen Remake-Weg entschieden (3D auf Teufel komm raus), sondern sowohl Ansicht als auch Spielweise 1:1 aus den Vorgängern übernommen. Genau wie schon 1987 seht Ihr Euren Söldner die meiste Zeit von der Seite, während die 3D-Polygon-Landschaften flüssig an Euch vorbeiscrollen. Gelegentlich schwenkt die Kamera dabei in die wildesten Perspektiven, so dass Ihr Euch auch schon mal vor vorne zu sehen bekommt, während von hinten die Gefahr immer näher rückt. Denn natürlich blieb das Spielprinzip nahezu unangetastet: noch immer rennen Euch Gegnermassen aus allen möglichen Himmelsrichtungen entgegen, noch immer ist der geringste Feindkontakt tödlich, und subtrahiert eines der knappen Leben vom spärlich besiedelten Konto.

Wer übrigens denkt, sich das Söldner-Dasein auf »Easy« leichter machen zu können, soll sich noch nie so geirrt haben: der Unterschied besteht darin, dass Ihr für jedes der 99 Continues acht Leben habt - und dass Euch sowohl höhere Levels als auch Abspann vorenthalten bleiben! Das bekommt Ihr erst auf »Normal« zu sehen, wo die Anzahl der möglichen Wiederholungen (3) und Leben (2) schon stark limitiert ist.

Kleinerer Waffenschrank

Furiose Daueraction ohne merkliche Verschnaufpausen verlangt natürlich auch nach entsprechenden Kalibern. Und hier kommt ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu den früheren Serien ins Spiel: Ihr sammelt keine Waffen-Extras mehr auf, sondern habt von Anfang an uneingeschränkten Zugriff auf Euer komplettes Arsenal - MG, Flammen- und Granatwerfer. Jede davon hat zusätzlich einen »Charge-Modus«, der nach kurzer Aufwärmzeit einen extradicken Wumms loslässt. Ihr könnt in acht Richtungen feuern und auch Eure Schussposition fixieren, was sehr nützlich ist, da Ihr sonst mit jeder Richtungsänderung auch den Kurs Eurer Waffen ändert. Besonders praktisch wird diese Fixierung in den Spezial-Abschnitten der gerade mal sieben Levels (von denen Ihr von Anfang an Zugriff auf vier habt): Ihr findet Euch des Öfteren auf einem Motorrad oder Snowboard fahrend oder an Raketen hängend wieder, während automatisch gescrollt wird.

Natürlich erwarten Euch immer wieder extradicke Zwischengegner und am Ende eines Levels ein furchterregender Oberbösewicht - teilweise tummeln sich bis zu acht dieser schweren Biester in einer Welt. Jedes davon verlangt nach einer speziellen Taktik sowie genauer Analyse der sich stets wiederholenden Angriffsmuster. Kenner der Contra-Serie werden außerdem gelegentliche Déjà-vus erleiden - manche der Super-Gegner kommen einem aus früheren Teilen sehr bekannt vor. Gerade bei den mächtigen Endbossen kommt den drei Waffen besondere Bedeutung zu, denn es gibt immer eine perfekte Waffe für einen bestimmten Widersacher.__NEWCOL__

Die zu finden wird Euch jedoch viel Schweiß, Frust und zerschlissene Gamepads kosten.

Neue Frust-Dimensionen

Der höllische Schwierigkeitsgrad war schon immer ein Markenzeichen der Contra-Serie, und das ist auch dieses Mal nicht anders. Daher an dieser Stelle eine eindringliche Warnung an Gelegenheitsspieler: Ihr werdet mit diesem Spiel keine Freude haben! Konami hat sich wirklich bemüht, Contra so frustrierend wie möglich zu designen: überraschend auftauchende Feinde verlangen nach blitzschnellen Reflexen, die richtige Wahl der Waffen ist von entscheidender Bedeutung.

Natürlich mangelt es auch an Speicherpunkten innerhalb der Level, so dass Ihr nach der Nutzung eines Continues wählen dürft, ob Ihr wieder am Anfang oder in der Mitte der Welt beginnt. Und selbstverständlich dürft Ihr auch nicht speichern: erst am Ende (!) des Spiels bekommt Ihr die Möglichkeit, Euren Spielfortschritt zu sichern. Das bezieht sich aber lediglich auf freigespielte Extras, nicht auf den Levelfortschritt. Und um höhere Stages freizuschalten, müsst Ihr die vorherigen Levels gut bis sehr gut geschafft haben, da das Programm akribisch genau Statistik über verlorene Leben, genutzte Continues und Treffergenauigkeit führt. Kurz gesagt: nur selten wurde Einsteigern der Spielspaß so gründlich und so schnell vergällt wie in Contra: Shattered Soldier (ab 52,50€ bei kaufen).

Oldschool-Präsentation

Grafisch blieb Konami dem Stil der alten Contras treu, und serviert einen 2D-Scroller in dreidimensionaler Umgebung. Im Grunde genommen ist die Grafik eine Schande für die PS2: sowohl Figuren als auch Welten sind detailarm, die grafischen Effekte kochen auf Sparflamme. Lediglich die Obermotze sind teilweise riesig, größtenteils eklig organisch und fabelhaft animiert. Insgesamt aber keine gesunde Kost für Grafikfeinschmecker, sondern schon wieder nur für Freunde der Serie - selbst der bewährte Dreifachsalto bei jedem Sprung scheint direkt einem vorherigen Teil entnommen worden zu sein.

Der treibende Soundtrack passt gut zur Action auf dem Bildschirm, und untermalt die Ballerei mit schön rockigen Klängen. An Effekten hingegen werdet Ihr nicht viel zu hören bekommen: das stete Knattern des MGs ist auf Dauer ebenso abwechslungsarm wie das Zischen des Flammenwerfers.

__NEWCOL__Geteiltes Leid

Habt Ihr einen frustgestählten Freund bei der Hand, dürft Ihr Contra auch gleichzeitig zu zweit spielen. Beide Soldaten rennen stets über denselben Bildschirm; falls einer zurückbleibt, wird nicht weitergescrollt, bis beide wieder zusammen sind. Sammelfreunde werden in Contra auch einiges finden: weitere Leben, Filme, eine Galerie sowie eine Datenbank zum Stöbern.

All das versteckt sich hinter einem mit »Etc.« mäßig kreativ betitelten Auswahlpunkt im Hauptmenü. Dort findet Ihr auch das »Training«, in dem Ihr, mit 30 Leben bewaffnet, jeden bis dato anwählbaren Level bis zum Umfallen üben dürft. Vom Spiel aus gelangt Ihr übrigens nur per Cheat zurück ins Hauptmenü - oder per Druck auf die Reset-Taste der PS2.

Fazit


Contra gespielt. Geweint. Nochmal probiert. Jungejunge, selten habe ich ein frustigeres Spiel in der Hand gehabt. Selbst die früheren Teile waren nicht annähernd so haarsträubend schwer wie der PS2-Einstand der altehrwürdigen Serie. Möglicherweise haben sich die Ansprüche in den letzten Jahren drastisch verändert, aber außerhalb der knallharten Contra-Freaks wird dieses Spiel keine Freunde finden. Wenn Ihr nicht den Willen und die Zeit habt, Euch stundenlang immer wieder an denselben Stellen per Trial-and-Error zu versuchen, solltet Ihr die Wertung halbieren, Contra weiträumig meiden und zu einem leichter zugänglichen Shooter greifen. Fans »klassischer« Balleraction dürften hingegen Freudensprünge veranstalten, dass sich noch ein Entwickler traut, ein derart in die Jahre gekommenes und spartanisches Spielkonzept wieder auf den Markt zu werfen. Fehlt eigentlich nur noch ein mehr oder weniger zeitgemäßes Revival der »Thunder Force«-Serie.

Pro

<li>viel Aufregung<li>Dauer-Action<li>fantasievolle Gegner<li>treibende Musik<li>zu zweit spielbar<li>leichter Taktikeinschlag durch Waffenwahl

Kontra

<li>höllisch schwer und frustrierend<li>altbackene Grafik<li>eintöniges Spielprinzip<li>unkomfortable Bedienung

Wertung

PlayStation2

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