Shinobi06.06.2003, Paul Kautz
Shinobi

Im Test:

Shinobi (ab 57,75€ bei kaufen), der vermummte Ninja-Meister, flitzte erstmals anno 1988 am Sega Master System ziemlich pixelig über deutsche Bildschirme. Zu echter Bekanntheit gelangte die Serie erst mit dem phänomenalen »Revenge of Shinobi« am Mega Drive und dem »Game Gear Shinobi« auf Segas gleichnamigem Handheld. Nach einigen mäßig aufregenden Nachfolgern und Ablegern wie »Shadow Dancer« verschwand Shinobi wieder in die Dunkelheit, nur um jetzt endlich seinen Einstand auf der PS2 zu geben. Was vom alten Ruhm übrig geblieben ist, und wie flink der Frischling das Schwert schwingt, erfahrt Ihr im Test.

Tokio in Not!

Retro ist in: während der letzten Monate erlebten allerhand altehrwürdige Actionhelden eine Neuauflage, zuletzt Contra: Shattered Soldier . Während dieses Beispiel das alte Spielprinzip in eine lediglich etwas zeitgemäßere Umgebung verfrachtete, geht Shinobi einen etwas moderneren Weg: früher hüpft der Meisterninja durch 2D-Landschaften, heute tummelt er sich in echten 3D-Gefilden. Nichtsdestotrotz bleibt auch hier der Spielkern unangetastet - Ihr überwindet allerlei Jump-and-Run-Passagen, schlitzt Gegner im Dutzendpack, und legt Euch mit übermächtigen Levelbossen an.

Die Hintergrundgeschichte kann man wie früher im Grunde vernachlässigen, sie sei der Vollständigkeit halber trotzdem erwähnt: Tokio wird von fürchterlichen Erdbeben erschüttert, außerdem taucht im Epizentrum aus dem Nichts ein goldener Palast auf. Dort steht ein grummeliger Zauberer, der fliegende Montrositäten, genannt »Hellspawn«, und massig Killer-Ninjas auf die Godzilla-leidgeprüfte Bevölkerung hetzt. Ihr übernehmt die Rolle des Ninjas Hotsuma (Alt-Shinobi Joe Musashi lässt sich als Bonusfigur freispielen), dessen Clan von den Mördertruppen ausgelöscht wurde, und der nun auf Rache sinnt. Diese laue Geschichte wird während des Spiels ebenso lau in netten Rendersequenzen weitergeführt.

Ein Mann, ein Schwert

Ihr steuert Hotsuma aus der Schulterperspektive durch die verwüsteten Straßen Tokios, und habt drei Möglichkeiten, Euch Eurer Haut zu erwehren. Nummer 1 ist Euer praktisches Katana Akujiki, mit dem Ihr die Gegner gleich im Rudel schlitzen könnt. Dieses Schwert hat einige ungewöhnliche Eigenschaften, und gewinnt im Verlauf des Spiels an Bedeutung, aber dazu später mehr. Nummer 2 wären Eure begrenzten Shuriken, die Ihr auf Angreifer werfen könnt. Die betäuben den Widersacher kurz und ermöglichen Euch damit einen sicheren Angriff. Nummer 3 schließlich ist die mächtigste Angriffsform: das Ninjutsu. Diese durchschlagende »Smartbomb« gibt es nur selten im Spiel, und sollte daher mit Bedacht eingesetzt werden. Ihr habt drei Ninjutsu-Formen von Anfang an zur Verfügung und müsst sorgfältig versteckte Schriftrollen sammeln um sie zu aktivieren. Danach dürft Ihr beispielsweise die Umgebung mit einem gigantischen Flammenball ansengen oder Euren Körper mit einem Schutzschild kurzzeitig vor Schaden bewahren. Die aus früheren Teilen bekannte Harakiri-Bombe wurde hingegen ersatzlos gestrichen.

Geblieben ist der schon früher berüchtigte Schwierigkeitsgrad. Einsteiger werden sich schon auf »Easy« die Zähne ausbeißen, Fortgeschrittene haben anfangs keine Wahl, als »Normal« Ihr Glück zu versuchen - höhere Herausforderungsweihen werden erst freigeschaltet, wenn Ihr das Spiel komplett durchgespielt habt.

 

Das Spiel mit dem Schal

Grafisch ist der Sprung zur dritten Dimension ziemlich in die Hose gegangen. Während die Renderszenen gut aussehen und exzellent animiert sind, ist der erste Eindruck der Spielegrafik eine bodenlose Enttäuschung: die abwechslungsarmen Levels bestehen aus den immergleichen Gängen mit immer gleichen, stark flimmernden Texturen und groben 3D-Bauten - ein Erlebnis, das man eher der PSOne denn der PS2 zutraut. Manche Levels sehen sich sehr ähnlich und haben nur eine andere Färbung: statt eines Grünstichs erwartet Euch beispielsweise eine rotgetönte Umgebung. Die Figuren, speziell Shinobi, wirken sehr eckig, die Animationen sehr hektisch. Wenn man Hotsuma mal nicht bewegt, steht er außerdem in einer sehr übertrieben heroischen Pose da.

Richtig schön anzusehen ist eigentlich nur wenig: die Ninjutsu-Aktionen wurden spektakulär in Szene gesetzt und tauchen den Bildschirm kurz in ein Effektbad, das aber ebenso schnell vorbei ist wie es angefangen hat. Außerdem trägt Hotsuma einen exzellent animierten Riesenschal, der schön schwingt und flattert - ansonsten aber nicht die geringste Funktion hat. Erwähnenswert sind auch die so genannten »Tate«: wenn Ihr mehr als vier Gegner in einer kurzen Zeitspanne erledigt habt, wird eine kurze Sequenz gezeigt, in der Hotsuma einen markigen Spruch loslässt, sein Schwert einpackt und die Gegner gemeinschaftlich zerfallen. Das ist anfangs sehr nett, häuft sich im Spielverlauf aber derart, dass man sich sehr schnell daran satt gesehen hat. Die Gegner zerfallen nach einem geglückten Schwerthieb übrigens leicht blutend in mehrere Einzelteile, was aber weniger grausam, sondern aufgrund der sehr nach Plastik aussehenden roten Textur eher lachhaft aussieht.

Der Nachteil lebendiger Schwerter

Eure Hatz nach Rache führt Euch unter anderem durch die zerstörte Tokioter Innenstadt, eine Parkanlage, eine Lava-überflutete Gegend und natürlich den goldenen Palast. Gleich von Anfang an stellen sich Euch vielerlei Gegner in den Weg, die z.B. aus dem Boden springen, aus dem Nichts auftauchen oder an Wänden herumklettern. Diese Ninjas, Hunde mit Säbeln, Panzer, Hellspawn-Kreaturen oder Riesenspinnen setzen mehr auf Masse denn Intelligenz und sind daher keine ernsthafte Bedrohung. Die kommt mehr von den Levelbossen, die Euch regelmäßig auflauern: Hubschrauber (den Ihr gleich mehrmals vor das Schwert bekommt), böser Ninja, Killer-Geschwister oder nach Tiger aussehende Monster-Spinne verlangen nach etwas mehr Aufmerksamkeit sowie eifrigem Forschen nach dem Schwachpunkt. In diesem Zusammenhang ist es praktisch, dass Ihr Euer Schwert aufladen könnt: nach einigen zerhackten Feinden leuchtet es blau und schlitzt kurz effektiver.

Ab dem zweiten Level bekommt Ihr allerdings mit eben diesem Schwert Probleme: Akujiki erwacht plötzlich zum Leben und dürstet nach Blut, oder vielmehr den Seelen seiner besiegten Gegner. Wenn es die nicht bekommt, nuckelt es kontinuierlich an Eurer Lebensenergie herum - was dem Spiel von da an eine unangenehm hektische Note verleiht.

Und dennoch ist all dies nicht so frustrierend wie die Jump-and-Run-Sequenzen, mit denen Ihr Euch das ganze Spiel hindurch herumärgern müsst, in Verbindung mit dem vermurksten Speichersystem. Denn es wird ausschließlich automatisch gesichert, und das auch nur am Abschnittsende, während es im Level keine Rücksetzpunkte gibt. Und da Ihr nur ein Leben habt bedeutet das, dass Ihr immer dann, wenn Ihr mal wieder einen der unendlich scheinenden Abgründe hinunterstürzt oder vom blutsaugenden Schwert ausgelutscht werdet, den Level von vorn beginnen dürft.

  

Die Matrix lässt grüßen

Die Steuerung ist in drei Dimensionen naturgemäß nicht so zuverlässig wie in zwei, trotzdem habt Ihr den Shinobi mit dem voll belegten PS2-Pad gut im Griff. Ihr könnt Gegner anvisieren, den berühmten Doppelsprung machen und eine Dash-Attacke ausführen, die im späteren Spielverlauf stark an Bedeutung gewinnt: Ihr rast ein kleines Stück nach vorn und findet Euch dadurch beispielsweise hinter einem verdutzten Gegner wieder. Da dieses Manöver auch im Sprung funktioniert, ist es ein hilfreiches Mittel, um sicher weite Abgründe zu überwinden. Wichtig ist auch, dass Ihr Euch an Wänden festhalten und auch Matrix-mäßig an ihnen entlang laufen könnt. In engen Gassen ist es sogar möglich (um vom Spieldesign auch oft gefordert) von Wand zu Wand zu springen.

Bei all den netten Spielereien leidet Shinobi wie so viele seiner Genrekollegen unter einer vermasselten Kamera: die folgt nur unzuverlässig, zeigt sehr oft in die falsche Richtung und muss dauernd manuell nachjustiert werden. Das gewinnt an Unverständlichkeit, da man per Gedrückthalten des Zentrierungsknopfes die Kamera dazu zwingen kann, hinter dem Spieler zu bleiben, was erstaunlich gut funktioniert - warum geht das nicht standardmäßig so?

Stöhnen in der Dunkelheit

Akustisch folgt Shinobi leider den Spuren der mittelmäßigen Grafik: die Musik tröpfelt belanglos aus den Boxen und weckt die Sehnsucht nach Yuzo Koshiros meisterlichem Soundtrack, der den ersten Mega Drive-Shinobi erst richtig perfekt machte. Die Sprachausgabe ist dagegen eine zweischneidige Sache: in den Zwischensequenzen ertönen nette Dialoge, im Spiel hingegen bekommt Ihr dauernd dasselbe Gestöhne und Gegrunze zu hören. Besonders malträtierend wird es, wenn Shinobi in Spinnenweben hängen bleibt, und jeden Schritt mit einem gequälten »gnnnnn!« begleitet - furchtbar! Die Effekte runden den mauen Gesamteindruck passend ab; viel mehr als Schwertzischen, ein paar Explosionen und Umgebungsgeräusche gibt es nicht zu hören.

Dafür gibt es einiges zu finden, wenn Ihr die Augen offen haltet: golden glitzernde »Coins« sollten gesammelt werden, da sie mit steigender Anzahl bestimmte Extras freischalten: Filme, Levelwahl-Möglichkeit, Bonusmissionen und zusätzliche Spielfiguren - erwähnten Ur-Shinobi Joe Musashi und Hotsumas Bruder Moritsune. Die Ninjas unterscheiden sich in einigen Punkten, unter anderem der Anzahl der Shuriken, der Stärke und der Magie-Anwendung.  

Fazit

Och nöö, nicht schon wieder so ein lauer Aufguss! Seit den guten Mega Drive- und Game Gear-Tagen wurde der Name »Shinobi« immer wieder für mäßige Hüpforgien missbraucht. Das ist beim PS2-Einstand des Altschlitzers leider nicht anders. Neben der üblen Grafik, der langweiligen Akustik und dem atemberaubend einschläfernden Leveldesign sind es vor allem die unfairen Stellen, das doofe Speichersystem und die Abwechslungsarmut, die meine Hände auf magische Weise vom PS2-Pad wegzerren. Anfangs ist es noch nett, mit Obi-Wan Shinobi ein paar Widersacher zu zerhackstücken, neue Gegnertaktiken herauszufinden und über weite Abgründe zu springen. Doch schon nach kurzer Zeit stellt man fest, dass Hacken nicht das Wahre ist, die Gegner doof wie Toast sind und die Hüpfsequenzen nicht zuletzt dank der mistigen Kamera derart haarsträubend werden, dass einem jeder Versuch Spaß zu haben konsequent vergällt wird. Dieses Spiel braucht eigentlich keiner außer Sammlern, die jedes Shinobi-Spiel haben müssen - es gibt wesentlich bessere Hüpfgames und Schwertschwinger-Spiele, gerade auf der PS2.

Pro

<P>
viele freispielbare Extras
brauchbare Steuerung
viele Level-Interaktionsmöglichkeiten
gute Renderfilme
schöne Ninjutsu-Effekte
recht umfangreich
ausgefallene Levelbosse</P>

Kontra

<P>
grausames Texturflimmern
abwechslungsarme Levels
oft gleiche Gegner
dumme KI
zickige Kameraführung
unfaire Sprungsequenzen
langweiliges Leveldesign
eckige Figuren
fieses Speichersystem
wird später sehr hektisch
lauwarme Story</P>

Wertung

PlayStation2

Mittelmäßiges Fernost Jump-n-Schlitz.

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