Rise to Honour07.04.2004, Mathias Oertel
Rise to Honour

Im Test:

Nicht zuletzt durch Filme wie Lethal Weapon 4, Romeo must Die und Kiss of the Dragon ist Martial Arts-Superstar Jet Li auch dem westlichen Kinopublikum ein Begriff. Mit dem Spiel Rise to Honour versucht nun auch Sony, von dem Ruhm des in Peking geborenen Action-Helden zu zehren – und hat Meister Li für die Motion Capturing-Aufnahmen eingespannt. Ob Jet Li in seinem Spieledebüt genauso überzeugen kann wie in den einschlägigen Hongkong-Filmen, die Rise to Honour nachzuahmen versucht, erfahrt ihr im Test!

Live dabei

Ein gemütlicher Abend zu Hause: Auf dem Programm steht eine Video-/DVD-Session mit Hongkong-Filmen. Worauf haben wir denn Lust? "The Killer" von John Woo vielleicht? Immerhin der Film, der Chow Yun Fat zum absoluten Superstar in Fernost gemacht hat. Oder vielleicht "City on Fire" von Ringo Lam? Ebenfalls ein Klassiker des so genannten "Heroic Bloodshed", das Mitte der 80er Jahre aus Hongkong auch den Weg auf zahlreiche westliche Filmfeste gefunden und Tausende von Fans begeistert hat. "Hard Boiled" käme auch in Frage. Und die "A Better Tomorrow"-Trilogie ebenfalls. Nicht zu vergessen die klassischen Martial Arts-Filme wie "Once upon in Time" in China, eine der zahlreichen Kooperationen von Jet Li und Tsui Hark. Die Auswahl ist groß. Aber irgendwie steht mir der Sinn nach anderem...

...aktiv daran teilnehmen, das wär´s! Da meine Martial Arts- geschweige denn Stunt-Fähigkeiten jedoch nicht sehr weit reichen, sollte ich vielleicht die PS2 anschmeißen und Rise to Honour einlegen, um Chow Yun Fat, Samo Hung und vor allem Jet Li mit harter Handkantenaction und waghalsigen Schusswechseln nachzueifern.

Dank ausgefeilter Steuerung könnt ihr auch mit einer Gegner-Übermacht fertig werden.

Spiel als Film

Das Vorhaben ist gewagt: Die rasante Action und erzähllastige Struktur eines Hongkong-Filmes auf den Bildschirm zu bringen, dabei die Spielbarkeit nicht zu vernachlässigen und zu alledem noch eine Steuerung zu entwickeln, die leicht zu erlernen ist und spektakuläre Bewegungen auf den Screen zaubert - das ist nicht ohne.__NEWCOL__Und im Großen und Ganzen kann man die Operation "Spiel-Film" als gelungen bezeichnen. Es gibt zwar kleine Haken und Ösen, die dazu führen, dass sich Rise to Honour relativ weit von dem Prädikat "Must Have" entfernt, doch Fans der fernöstlichen Action-Epen werden eine Menge Spaß haben.

Diese Sequenz erinnert stark an John Woos "Hard Boiled" mit Chow Yun Fat.

Überall sind Zitate einschlägiger Kinostreifen zu finden und auch die Geschichte hat mit ihren Anspielungen auf Ehre, Freundschaft, Verrat, Rache sowie einer großen Portion Pathos alle Elemente, die man vom Besuch im Kino bzw. der Videothek kennt. Und drumherum gibt es haufenweise Action in Form von Kämpfen und Schusswechseln, die den Vergleich mit Streifen von John Woo & Co nicht scheuen muss.

Abwechslungsreich mit Schwächen

Rise to Honour gliedert sich in über 60 Kapitel, die nach jeweils erfolgreicher Beendigung aus dem Auswahlmenü im DVD-Stil nochmals direkt angewählt werden können. Das Gameplay wiederum lässt sich in vier Kategorien zusammenfassen: Kämpfen (meist gegen eine Übermacht), Schießen, Schleichen und Bossfights!

Innerhalb dieser vier Sparten sind jedoch starke qualitative Unterschiede zu spüren: Gut gelungen sind die Kampfsequenzen und Schusswechsel, die spannend, fordernd und schön inszeniert ans Pad fesseln.

Die Stealth-Einlagen und die Bosskämpfe bleiben hingegen etwas zurück, da hier der Erfolg nur von Trial-and-Error abhängt.

Bei den Schleichereien müsst ihr dem von den Entwicklern geplanten Weg folgen: Jegliche Abweichung und falsches Timing führt hier sofort zum unweigerlichen Ende und ein Rücksetzen an den letzten Kontrollpunkt. Ich habe hier zwar keine Elemente erwartet, die den Vorzeigeschleichern Sam Fisher und Solid Snake das Wasser reichen können, doch etwas mehr Freiraum hätte dem Spielspaß nicht geschadet.

Die Stealth-Sequenzen sind eher enttäuschend und erreichen keinesfalls das Niveau der gut inszenierten Action!

Und so anspruchsvoll die Auseinandersetzungen mit den Obermotzen auch sein mögen, kommt man schnell auf den Trichter, dass hier das altbekannte Prinzip "Beobachten - abwarten, bis der Boss seine Routine beendet hat – Zuschlagen" Einzug gehalten hat. Mit dem Ergebnis, dass die Spannung relativ schnell verfliegt.

Doch glücklicherweise folgt auf diese kleinen Enttäuschungen immer ein neuer Abschnitt, in dem man von der Action fast nicht genug kriegen kann.

Feine Steuerung

Doch so unterschiedlich sich die vier Elemente auf die Gesamtmotivation auswirken, so sehr haben sie eine durchweg gelungene und intuitive  Steuerung gemeinsam, die vor allem während der Nahkämpfe einer genaueren Erklärung bedarf:

Wie schon bei dem in Deutschland leider nicht erschienenen Mark of Kri werden die Aktionen statt mit den Knöpfen mit dem rechten Analog-Stick durchgeführt. Eine Bewegung führt zu einem Schlag in die jeweilige Richtung, der unabhängig von der Körperposition durchgeführt wird. __NEWCOL__So ergibt sich eine vollkommen neue Dynamik, da ihr im Prinzip einen 360-Grad-Bewegungsradius habt, den ihr bei einem Kampf gegen acht Kontrahenten tunlichst nutzen solltet. Mit dem richtigen Timing könnt ihr die aus allen Richtungen heranstürmenden Gegner mit Schlägen und Tritten eindecken, dass es eine wahre Freude ist - Erinnerungen an Filme wie "The One" werden hier sofort wachgerufen.

Zusammen mit dem Adrenalinpush, einfach zu setzenden Blocks und der Möglichkeit, Gegenstände aus der Umgebung zu manipulieren, habt ihr ein weit reichendes Arsenal zur Verfügung, um die Feinde zu besiegen. Dazu sieht es einfach nur cool aus, wenn ihr einen Stuhl aufnehmt, ihn dem nächststehenden Gegner um die Ohren haut, dann einen Sprung von der Wand weg macht, um mit einer verheerenden Kombo drei der leider nicht all zu intelligent agierenden Bubis auf den Boden der Tatsachen zu schicken – Hongkong-Kino-Feeling pur!

Die Umgebungen lassen sich vielfältig in eure Angriffstaktiken einbauen - vom Thekenrutscher bis zum Wandsprung ist einiges möglich.

Bei den Ballersequenzen wird die Steuerung leicht abgeändert eingesetzt, hält aber an dem Schema fest: Mit dem rechten Stick nehmt ihr die Gegner ins Visier und ballert dann, was das Zeug hält. Dass hier wie in den "Heroic Bloodshed"-Streifen nicht nachgeladen werden muss, mag für Fans eines Max Payne zwar unrealistisch sein und den Spielspaß bremsen – der Action schadet es auf keinen Fall.

Wieso wir den Schmerzensmaxe ansprechen? Ganz einfach: Mit Hilfe des Adrenalinstoßes könnt ihr eine Bullet-Time-ähnliche Spielverlangsamung bewirken, die nicht nur spektakulär und kinoreif aussieht, sondern euch auch entscheidende Vorteile verschaffen kann.

Zu schade, dass Stealth und Bosskämpfe es nicht schaffen, an die Spannung und Intensität der Action anzuknüpfen. Denn dann wäre Rise to Honour nahezu uneingeschränkt zu empfehlen.

Leider ist das Spiel recht kurz: Nach ca. sechs bis neun Stunden seid ihr am Abspann angelangt. Da es allerdings kaum Bonusmaterial gibt, kann man sich nur noch an einen höheren Schwierigkeitsgrad wagen.

Jet Li ist deutlich zu erkennen, wirkt aber jünger und ist mit härteren Gesichtszügen ausgestattet als das Original!

Film durch und durch

Die grafische Gestaltung des "Spiel-Films" wird sicherlich nicht als optisches Meisterwerk in die Software-Geschichte eingehen, ist aber weit davon entfernt, hässlich zu sein: Angefangen von den jederzeit flüssigen Animationen, für deren Erstellung sich Jet Li höchstpersönlich in einen Motion Capture-Anzug gezwängt hat, über nicht gerade aufwändige, aber stimmige Umgebungen bis hin zu gut gelungenen Spezialeffekten wirkt alles wie aus einem Guss.

Oder um beim Filmjargon zu bleiben: Das Produktionsdesign und die Choreografie passen gut zusammen, sind aber keinesfalls Oscar-verdächtig. Denn dazu finden sich immer wieder kleine Mankos wie Clippingfehler , die auch nicht von den kleinen Kamerawechseln und den in Spielgrafik erzählten Zwischensequenzen aufgefangen werden können.

__NEWCOL__Vor allem die Kostümdesigner hätten sich etwas mehr ins Zeug legen können: Viele der Gegneroutfits wiederholen sich auf Dauer und strapazieren das "Gang-Kluft-Klischee".

Kampfballett: zu zweit gibt es neue Kombo-Möglichkeiten!

Auch die Gesichtsanimationen in den Cut-Scenes hätten etwas aufwändiger gestaltet werden können. Der Wiedererkennungswert der Galeonsfigur Jet Li ist hoch, wobei die Software-Version allerdings etwas jünger wirkt und mit einer prägnanteren Gesichtsform ausgestattet zu sein scheint als das Original.

Multilingual

Beim Thema "Akustik" hat man sich ebenfalls von der populären DVD-Film-Kultur inspirieren lassen und spendiert diverse Sprachfassungen samt Untertiteln. Ihr wollt Englisch mit deutschen Untertiteln? Kein Problem. Und natürlich gibt es auch eine rein deutsche Fassung, die mit professionell arbeitenden Sprechern ebenfalls schnell für Kino-Feeling sorgt.

Richtige Hardcore-Fans des Hongkong-Kinos werden sich jedoch vermutlich für die kantonesische Sprachvariante entscheiden, bei der Jet Li (genau wie in der englischen Fassung) die Synchronisation seiner Figur selber übernommen hat.

Die übrige Kulisse wird von einem abwechslungsreichen und thematisch gut eingesetzten Soundtrack sowie im Großen und Ganzen gut gelungenen Effekten gebildet. In einigen Momenten tönen die Schläge zwar etwas schwächer als sie optisch vermittelt werden, doch der Gesamteindruck stimmt und entspricht den Filmvorbildern.

Fazit

Zugegeben: Man muss schon ein Fan einschlägiger Hongkong-Actionfilme sein, um Rise to Honour in seiner ganzen Pracht genießen zu können. Denn Ambiente, Pathos und Stimmung dieses in den letzten Jahren immer populärer werdenden Genres wurden famos eingefangen und bekommen nicht nur durch die Mitwirkung von Jet Li Authentizität verpasst. Allerdings hätte sich das Team auf die gut inszenierte Action konzentrieren und die Stealth-Sequenzen kicken sollen. Denn was anfänglich noch als gut gemeinte Abwechslung zu Massenkämpfen und bleihaltigen Schusswechseln zu interpretieren ist, wird spätestens beim dritten Schleichlevel öde und vorhersehbar. Die KI der Gegner ist hier nicht vorhanden und das Gameplay wird auf pures Trial-and-Error reduziert. Technisch nicht unbedingt herausragend, aber den Filmvorlagen angepasst, wird sowohl grafisch als auch akustisch eine stimmige Kulisse für die Nonstop-Action geschaffen. Und wer nach dem Spiel neugierig auf entsprechendes Filmmaterial geworden ist, sollte in die nächste DVD-Thek laufen und sich Filme wie die "A Better Tomorrow"-Trilogie, The Killer oder Hard Boiled ausleihen.

Pro

gelungene Umsetzung eines Hongkong-Actionfilms
einfache Steuerung
schöne Animationen
abwechslungsreiches Gameplay
gute Story
gute DVD-Präsentation
interaktive Umgebungen
diverse Sprachoptionen
famos inszenierte Kämpfe
Motion Capturing von Jet Li

Kontra

Clipping-Fehler
schwache Bosskämpfe
enttäuschende Stealth-Abschnitte
kaum Bonusmaterial
im Endeffekt etwas kurz

Wertung

PlayStation2

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