Enthusia Professional Racing07.05.2005, Michael Krosta
Enthusia Professional Racing

Im Test:

Nach den ersten Proberunden waren wir von Konamis realistischem Ausflug ins Rennspiel-Genre schon sehr angetan. Jetzt kam auch die finale Testfassung in unsere Boxengasse gerast und wurde einer gründlichen Inspektion unterzogen. Kann sich Enthusia Professional Racing (ab 49,99€ bei kaufen) tatsächlich mit Gran Turismo 4 messen oder bleibt mit dem unkonventionellen Bewertungssystem der Spielspaß auf der Strecke?

Fast wie im richtigen Leben

Da es sich Konami bei der Entwicklung von Enthusia auf die Fahnen geschrieben hat, das bisher realistischste Rennspiel für die PS2 abzuliefern, bleibt ein Vergleich mit Sonys Gran Turismo 4 natürlich nicht aus. Dabei muss man neidlos anerkennen, dass die Konami-Truppe einen hervorragenden Job gemacht hat, denn in Sachen Steuerung und Fahrphysik ist Enthusia dem Konkurrenten absolut 

Ohne Fahrhilfen brechen die Hecks schnell aus und die Reifen qualmen...
ebenbürtig und wird vor allem Simulationsfetischisten in Ekstase versetzen. Besonders ohne die zuschaltbaren Fahrhilfen ESP und TCS steuern sich die Boliden sogar noch einen Tick anspruchsvoller als in GT4, da sie bei zu heftiger Beschleunigung oder starkem Abbremsen noch schneller zum Ausbrechen neigen und dem virtuellen Fahrer einiges abverlangen. Genau wie im richtigen Leben ist viel Feingefühl gefragt, wenn man gerade die PS-starken Flitzer der insgesamt über 200 Fahrzeuge von über 50 Herstellern beherrschen will. Glücklicherweise ist die Steuerung hervorragend gelungen, so dass ihr dank der präzisen Analogabfrage Gas und Bremse ganz genau dosieren könnt. Auch könnt ihr diverse Einstellungen vornehmen, um den Wagen perfekt an den jeweiligen Kurs anzupassen: Federrate, Fahrzeughöhe, Getriebe, Sturz, Differential usw. lassen sich bequem in der Garage modifizieren, ohne dass ihr euch die Finger schmutzig machen müsst.  Insgesamt ist Enthusia ein fahrerisch sehr anspruchsvolles Rennspiel, das vor allem Anfänger schnell abschrecken dürfte. Wer es dagegen nicht realistisch genug haben kann, wird seine helle Freude haben. Natürlich werden auch Force Feedback-Lenkräder für das ultimative Fahrerlebnis unterstützt, darunter auch die neue Generation, die Lenkeinschläge über 900° erlaubt.

Wie wird man ein guter Rennfahrer?

Bei der Fahrphysik haben die Entwickler also ziemlich alles richtig gemacht, doch wie sieht es bei den Spielmodi aus, die um das beeindruckende Gerüst gebastelt wurden? Konami hat sich bewusst dazu entschieden, einen anderen Weg zu beschreiten als die vielen Konkurrenten. Anstatt einfach nur Pokale und Geld zu sammeln, setzt man bei Enthusia auf die Entwicklung des Fahrers. Dazu hat man sich ein auf den ersten Blick recht komplexes, in der Praxis jedoch einfaches Bewertungssystem ausgedacht, das eure Renn-Performance im Enthusia Life-Modus entsprechend honoriert und euch nebenbei zu einem guten Rennfahrer erzieht. Im Mittelpunkt steht zunächst euer Wagen: Ganz im Gegensatz zu GT4 sammelt ihr eure Fahrzeuge nicht in einer Garage, sondern müsst euch vor einem Rennen auf einen Boliden festlegen, der in eine von fünf Leistungsklassen (A bis E) eingeteilt ist. Da es in der Welt von Enthusia 

Die Viper ist eines der leistungsstärksten Fahrzeuge im Fuhrpark.
keinerlei Geld oder Credits gibt, könnt ihr einfach einsteigen und losfahren. Natürlich stehen euch zu Beginn noch keine flotten Rennmaschinen vom Schlag einer Viper GTS oder eines Mercedes SLR zur Verfügung, aber ein VW Beetle tut’s für den Anfang ja auch. Habt ihr euch entschieden, begebt ihr euch zur Rennauswahl, wo es verschiedene Veranstaltungen gibt, die alle zu eurem Gefährt passen und mit einem Index versehen sind. Je höher die Zahl, desto schwieriger wird das Rennen. Nicht nur die Strecken, sondern auch euer Flitzer wird mit einem Index versehen, der sich aus der Relation zu den Fahrzeugen der anderen fünf Mitbewerber ergibt und gleichzeitig eure Startposition regelt. Je niedriger diese Quote für euch ausfällt, desto einfacher wird es, ein Rennen zu gewinnen – allerdings müsst ihr dann von den hinteren Plätzen aus starten. Nach jedem Rennen gibt es abhängig von der Platzierung und dem Schwierigkeitsgrad Punkte, mit denen ihr euch in der Rangliste nach oben arbeitet und neue Klassen freispielt. Daneben gibt es noch die so genannten Ethnu-Points, die eure Fahrleistungen widerspiegeln. Vor jedem Rennen steht euch eine begrenzte Anzahl davon zur Verfügung. Fahrt ihr neben der Strecke oder werdet in Kollisionen mit anderen Fahrern verwickelt, büßt ihr Punkte ein. Sind alle aufgebraucht, müsst ihr beim nächsten Rennen aussetzen.

Ein Racing-RPG?

Die Ethnu-Points sind für eure Entwicklung als Rennfahrer enorm wichtig: Ähnlich einem Rollenspiel könnt ihr durch ein einfaches System immer weiter aufsteigen, wenn ihr sauber eure Runden dreht. Auch hier fließt eure Auto-Quote, die zurück gelegte Distanz sowie die Verwendung (oder Nicht-Verwendung) von Fahrhilfen in die Punktvergabe mit ein. Steigt ihr ein Level auf, stehen euch zukünftig mehr Ethnu-Punkte zur Verfügung und auch die Recovery-Rate verbessert sich kontinuierlich, durch die ein Teil der verlorenen Punkte nach einem Rennen wieder aufgefüllt werden. Eine ordentliche Performance kommt jedoch nicht nur der Charakterentwicklung, sondern auch eurem Wagen zugute, der in insgesamt zehn Stufen in den Bereichen "Power", "Gewicht" und "Reifen" getunt werden kann. Leider habt ihr keinen Einfluss darauf, was getunt werden soll, 

Meistens fahren die Gegner stur auf ihrer Ideallinie - ohne Rücksicht auf Ethnu-Punkt-Verluste!
denn dies entscheidet das Spiel automatisch. Auch gibt es keine Einzelteile wie Turbolader, Auspuff etc. wie man es von anderen Spielen kennt. Damit fällt der Tuning-Aspekt in Enthusia äußerst mager aus. Etwas unverständlich ist zudem, dass man nie angezeigt bekommt, über wie viel Leistung der Motor tatsächlich verfügt: Selbst nach dem dritten Power-Upgrade werden nur Leistungsangaben zur Standard-Version gemacht (z.B. hat euer RUF CTR in jeder Tuning-Stufe 469 PS) – seltsam. Eigentlich ist das Bewertungssystem eine prima Idee, da Pisten-Rowdies keinen Erfolg haben und der Spieler zu einem guten Rennfahrer erzogen wird. Eine Sache stößt in den Rennen allerdings extrem sauer auf: Krachen euch die Gegner ohne eure Schuld ins Heck oder schubsen euch neben die Strecke, bekommt ihr trotzdem wertvolle Ethnu-Punkte abgezogen. Dieser Umstand wäre noch zu verschmerzen, wenn solche Aktionen nur sehr selten vorkommen würden, doch ist das bei Enthusia Racing leider nicht der Fall. Die meiste Zeit brettern die KI-Raser stur auf der Ideallinie und fahren euch dabei ohne Rücksicht über den Haufen, wenn ihr ihnen zufällig gerade im Weg steht. Dabei wird auch deutlich, dass die Entwickler sich primär auf die Fahrphysik, nicht aber auf physikalisch korrekte Zusammenstöße spezialisiert haben, denn bei Kollisionen ist die Umsetzung weit von der Realität entfernt, was auch durch das fehlende Schadenmodell belegt wird – schade.

       

Die Auto-Tombola

Wie bereits gesagt, existiert bei Enthusia kein Geld. Doch wo bekommt ihr dann neue Autos her? Ganz einfach: Nach jedem Rennen werden die Fahrzeuge eurer Konkurrenz zur Verlosung freigegeben. Dabei spielt es keine Rolle, welchen Platz ihr in dem Rennen gemacht 

Wäre es doch im echten Leben auch so einfach wie in Enthusia, einen Z4 zu bekommen...
habt oder wie stark die Konkurrenz-Flitzer waren – und genau hier liegt der Knackpunkt, warum das Glücksprinzip in Enthusia nicht ganz aufgeht: So kann es passieren, dass ihr schon sehr früh einen extrem leistungsstarken Boliden in eurem Fuhrpark vorfindet, mit dem ihr schnell alle Rennklassen freispielen könnt. Zwar werdet ihr dadurch in der Rangliste nicht sonderlich schnell nach oben steigen, doch könnt ihr das ja noch anschließend mit schwächeren Wagen nachholen, mit denen ihr dann in den höheren Klassen massig Punkte scheffeln könnt. Trotzdem kommt es oft vor, dass euch manche Wagen haushoch überlegen sind und schnell uneinholbar auf und davon preschen, doch wird dies wenigstens schon vorher durch den Leistungsindex ersichtlich. Leider wurde uns beim Testen nicht so ganz klar, worin das eigentliche Ziel des Enthusia Life-Modus liegt: Den ersten Platz in der Rangliste hatten wir bereits nach ein paar Stunden erspielt, doch passierte anschließend nichts – nicht mal eine Gratulation haben wir bekommen. Erwartet man etwa, dass alle Fahrzeuge freigespielt und am besten noch maximal getunt werden müssen? Wenn dem so ist, wird Enthusia eine echt zähe Angelegenheit…

Viel und doch wenig Strecken

Das liegt auch vor allem daran, dass sich die zur Auswahl stehenden Strecken pro Rennwoche oft wiederholen. Zwar ist es löblich, dass alle Strecken (selbst die Nordschleife) in beiden Richtungen befahren werden können und die meisten davon auch noch unterschiedliche Witterungsverhältnisse und Tageszeiten aufweisen, doch ist die Gesamtzahl an Kursen etwas mager ausgefallen. Mit der Nürburgring Nordschleife und dem Tsukuba Circuit finden sich zudem lediglich zwei reale Rennstrecken im Sortiment - der Rest besteht entweder aus ansprechenden Fantasie-, oder an San Francisco, London und Paris angelehnten Stadtkursen – selbst die ein oder andere Schotter-Piste ist dabei. Auch wenn es nur wenige Strecken sind, fallen diese doch recht abwechslungsreich aus: Mal brettert ihr durch einen Waldabschnitt, dann wieder durch ein kleines Dorf, über zugeschneite Straßen, eine lange Steilkurve oder einen Rundkurs im Stil von Indianapolis.

Power unter der Haube?

Insgesamt wurde Enthusia grafisch sehr ordentlich und temporeich in Szene gesetzt, doch sorgt das kräftige Kantenflimmern für gehörige Abzüge in der B-Note. Hinzu kommt, dass auch zwei Kameraperspektiven (1x außen, 1x innen) heutzutage nicht mehr sonderlich viel sind und man in dem kleinen Innenspiegel nicht viel erkennen kann.

Neben Tag-, Schnee- und Regenrennen gibt es auch Nachtfahrten.
Dafür läuft das Geschehen konstant flüssig über den Bildschirm und auch die Wagenmodelle sehen gut aus, reichen aber nicht ganz an die Darstellung von GT4 heran. Das von Konami so großartig angekündigte Virtual Gravity System stellt sich schnell als belanglose Spielerei heraus, auf die man auch gut verzichten kann. Es mag ja ganz nett sein, die G-Kräfte und Belastungen für die Reifen grafisch präsentiert zu bekommen, doch hat dies auf das Spiel an sich praktisch keinen Einfluss. Und was interessiert die Reifenbelastung, wenn sich die Abnutzung während eines Rennens eh nicht bemerkbar macht und Boxenstopps nicht möglich sind?

Die Motorgeräusche gehen trotz fehlender Surround-Kodierung in Ordnung, doch ist die Hintergrundmusik für europäische Ohren katastrophal geworden. Kennt man die düdelige Fahrstuhmusik schon aus den Menüs der Gran Turismo-Reihe, ist bei Enthusia diese Art der musikalischen Begleitung auch während der Rennen angesagt und damit einfach nur zum Abgewöhnen. Aber wozu kann man die Musik denn ausschalten?

Ab in die Fahrschule

Neben "Enthusia Life" ist der Modus "Driving Revolution" das zweite große Standbein des Spiels und erinnert stark an die Fahrschule aus Gran Turismo. Genau wie dort gilt es, diverse Prüfungen zu bestehen, indem ihr z.B. mit einem vom Spiel festgelegten Wagen aufgestellte 

Die meisten Kurse bieten anschauliche Kulissen.
Tore in einer bestimmten Geschwindigkeit passiert. Das System funktioniert ähnlich wie bei Konamis Tanzspiel Dance Dance Revolution. Nähert ihr euch den Toren, verändern diese ihre Farbe und den in der Mitte angebrachten Geschwinigkeitsbalken. Blinken sie grün, habt ihr dir perfekte Geschwindigkeit erreicht. Das hört sich jetzt einfach an, wird aber aufgrund der Platzierung der Tore schnell zu einer wirklichen Herausforderung, die euch viel an Feingefühl abverlangt. Als Belohnung warten neue Fahrzeuge, die ihr auch in den Modi "Freies Rennen" und "Zeitfahren" verwenden könnt. Dummerweise stehen euch die im Karrieremodus freigespielten Renner in den anderen Modi nicht zur Verfügung, doch bekommt ihr als Ausgleich für Erfolge beim "Driving Revolution" oftmals mehrere Fahrzeuge oder eine ganze Klasse auf einmal. Im Multiplayer-Bereich hat Enthusia nicht viel zu bieten: Lediglich Splitscreen-Duelle ohne CPU-Gegner sind möglich - ein Onlinemodus fehlt.

    

Fazit

Die unkonventionelle Herangehensweise von Enthusia Professional Racing an das Rennspielgenre ist auf jeden Fall lobenswert, doch hapert es im Langzeit-Test an der Umsetzung: Es ist einfach nervig, wenn man für die Fehler der störrischen KI Punkte abgezogen und immer wieder die gleichen Strecken und Veranstaltungen vorgesetzt bekommt. Außerdem hätte ich mir bei der Bewertung der Fahrleistungen eine differenziertere Vorgehensweise gewünscht, so wie wir sie z.B. bei Gotham Racing 2 erleben: Während man bei Enthusia nur irgendwie auf der Strecke bleiben und Kollisionen vermeiden muss, zählt es bei dem Microsoft-Racer z.B. auch, wie man eine Kurve nimmt. Die super realistische und gelungene Fahrphysik ist zusammen mit der präzisen Steuerung jedoch über alle Zweifel erhaben, doch wird der hohe Grad an Realismus Anfänger wohl eher abschrecken. Was unterm Strich bleibt, ist ein erstklassiger Fahrsimulator, der in ein neuartiges Spielkonzept integriert wurde, das aufgrund Ungereimtheiten nicht mit der genialen Fahrphysik mithalten kann.

Pro

realistische Fahrphysik
hervorragende Steuerung
gutes Punktesystem
verschiedene Witterungsverhältnisse & Tageszeiten
großer Fuhrpark
flüssige Grafik-Engine
viele Einstellungsmöglichkeiten

Kontra

sture, rempelnde Gegner-KI
Wagen-Auslosung
starkes Kantenflimmern
nervige Hintergrundmusik
kein Schadensmodell
relativ wenige Strecken
nur zwei Kameraperspektiven
kein Onlinemodus
keine Boxenstopps
magerer Tuning-Aspekt

Wertung

PlayStation2

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