Genji29.11.2005, Jens Bischoff
Genji

Im Test:

Onimusha-Fans, die das Warten auf Dawn of Dreams überbrücken wollen, aber keine Lust auf tumbe Massengemetzel à la Dynasty Warriors haben, dürfen aufatmen: Mit Genji (ab 45,49€ bei kaufen) liefert Sony eine schmackhafte, wenn auch nicht besonders üppige fernöstliche Schlachtplatte ab, die auch von Keiji Inafune hätte zubereitet worden sein können. Wir verraten euch, was unseren Gaumen besonders erfreute und was uns auf den Magen schlug.

Schmalzhaltige Rezeptur

Die Story von Genji ist schnell erzählt und leider eines der einfallslosesten und schwächsten Elemente des Spiels: Böse Samurai (Heishi) töten euren Vater und knechten das Land,

Flinker Zwerg und träger Riese: Die beiden Protagonisten könnten unterschiedlicher kaum sein.
 worauf ihr als Führer der guten Samurai (Genji) eine Gegenoffensive startet, Rache nehmt und alles zum Guten wendet. Dazu müsst ihr euch jedoch mächtige magische Kristalle aneignen, die sich - wie könnte es auch anders sein - alle im Besitz der Heishi oder mythischer Monster befinden, die sich natürlich beide wenig kooperativ zeigen und erst nach ihrem Abschlachten die benötigten Kleinode preisgeben.

Um euer Ziel zu erreichen, metzelt ihr euch daher in bester Onimusha-Manier durch drei recht kurze Kapitel voll stereotyper Charaktere, pathetischer Sequenzen und alberner Dialoge. Allerdings könnt ihr euren unsympathischen, weinerlichen Helden schon nach kurzer Zeit auf die Ersatzbank verdonnern, die Sequenzen überspringen und die grausigen englischen Dialoge mit Hilfe japanischer Original-Synchro und multilingualer Untertitel unkenntlich machen. Damit ist das Schlimmste überstanden und wir können uns den angenehmeren Zutaten zuwenden.

Hübsches Ambiente

Schauplätze und Gegner wurden trotz mehrfachen Recyclings stimmungs- und liebevoll gestaltet. Da plätschern Bäche gen Tal, steigen Nebelschwaden auf, blinzelt Sonnenlicht durchs Dickicht, tanzen Laub und Blüten im Wind, während sich feindselige Kampfäffchen provozierend auf den Hintern klatschen. Eure Widersacher inklusive Bossgegner präsentieren sich zwar überaus berechenbar, so dass selbst grenzdebile Phlegmatiker schon nach kürzester Zeit gelangweilt die richtigen Momente für eine gefahrlose Gegenwehr abpassen, aber notorische Button-Masher haben trotzdem keinen Grund zur Freude: Denn wer geschickt und effektiv kontert, statt lediglich vorhersehbare Angriffspausen zu nutzen,

Simples Schema: Die Bossgegner sind leicht durchschau- und bezwingbar.
 kommt nicht nur schneller und stylsicher ans Ziel, sondern erhält auch zusätzliche Erfahrungspunkte und seltene Materialien, mit denen sich exklusive Waffen anfertigen lassen.

Zeit für Genießer

Reaktionsschwache Spieler bekommen aber trotzdem eine Chance, denn dank angesammelter Kampfenergie (Kamui) kann man das Geschehen vorübergehend in Zeitlupe ablaufen lassen und sich durch eingeblendete Aktionssymbole den richtigen Kontermoment signalisieren lassen. Dieser Effekt lässt sich sogar noch steigern oder als Kombo-Breaker missbrauchen. Darüber hinaus werden die Konter-Moves waffen-, charakter- und stellungsabhängig unterschiedlich zelebriert, so dass trotz simpel und intuitiv gehaltener Steuerung so schnell keine Langeweile aufkommt. Zudem findet man ständig neue Waffen und Rüstungen, die obendrein euer Erscheinungsbild verändern und teils sogar elementare Kräfte bzw. Resistenzen oder andere Besonderheiten an den Tag legen. Auf Dauer lässt es der Spielverlauf aber dennoch an Abwechslung vermissen.        

Leicht oder deftig

Welchen Charakter ihr bevorzugt, bleibt bis auf wenige Schlüsselszenen übrigens euch überlassen. Da gesammelte Erfahrungspunkte und Items kollektiv genutzt werden, muss jedenfalls keiner der beiden Protagonisten ein Nachzüglerdasein fristen. Allerdings macht ein freiwilliger Charakterwechsel durchaus Sinn, da nur der bärenstarke, aber träge Benkei massive Hindernisse aus dem Weg räumen kann, während der schwachbrüstige,

Bullet Time: Bei aktivierter Zeitlupe fällt das Timing beim Kontern besonders leicht.
aber akrobatische Yoshitsune Orte erklimmt, die für Benkei unerreichbar sind. Wer jetzt hofft, dass dieses Feature auch für auflockernde Rätseleinlagen oder ähnliches genutzt wird, wird jedoch enttäuscht. Zwar ist gelegentlich ein gewisses Zusammenspiel vonnöten, um bestimmte Objekte zu erlangen, aber all dies ist stets nur optional und zudem recht simpel gestrickt. So bricht Benkei zum Beispiel eine für Yoshitsune unpassierbare Türe auf, damit jener anschließend eine für Benkei unerreichbare Plattform erklimmt, auf der sich eine Schatzkiste befindet.

Kleine Verdauungspausen

Solche Unterfangen kosten allerdings Zeit, da es keinen fliegenden Charakterwechsel gibt, sondern ihr stets ins Hauptquartier zurück, dort den Charakter wechseln und euch dann wieder zur jeweiligen Stelle durchschlagen müsst - das hätte man auch eleganter lösen können. Aber egal, diese Sachen sind wie gesagt nur optional und verlängern zumindest unauffällig die recht knapp bemessene Spielzeit. Bei bevorstehenden Bossfights eilt der zurückgelassene Mitstreiter meist sogar automatisch nach, um seine Dienste anzubieten. Ansonsten könnt ihr auch gelegentlich an bestimmten Speicherpunkten ins Lager zurückkehren, um die Helden auszutauschen,

Sprung ins Leere: Bei Perspektivenwechseln gehen Kamera und Steuerung oft verschiedene Wege.
den Waffen- und Item-Shops einen Besuch abzustatten oder eure Energiereserven aufzufrischen. Wer sich zu schwach fühlt, kann auch jederzeit bereits absolvierte Abschnitte erneut aufsuchen, um Erfahrungspunkte zu sammeln, seine Konter zu perfektionieren oder übersehene Schätze aufzuspüren.

Zusätzliche Würze

Um euren Attributen abseits automatischer Level-Ups einen zusätzlichen Schub zu verpassen, solltet ihr auch nach verborgenen Kristallsplittern Ausschau halten, die ihren Aufenthaltsort nur durch ein anschwellendes Vibrieren des Controllers preisgeben, was angesichts der sehr kompakten und linearen Spielabschnitte aber keine allzu große Herausforderung darstellt. Der Schwierigkeitsgrad ist aber auch sonst eher harmlos, da ihr die Angriffsmuster bzw. Schwachstellen der Gegner meist schnell durchschaut habt und in brenzligen Situationen auf einen sehr großzügig bemessenen Vorrat an Heilkräutern und Power-Ups vertrauen könnt, sofern ihr euch damit ausreichend eingedeckt habt.

Kleine Welt: Auf der Landkarte bereist ihr die wenigen Schauplätze des Spiels.
Etwas heikel wird es höchstens bei gelegentlichen Sprungeinlagen oder Perspektivenwechseln, bei denen Kamera- und Steuerungsrichtung nicht immer konform gehen. Das daraus resultierende Frustpotential ist aber äußerst gering.

Schmackhaft aufgetischt

Technisch braucht sich Genji auch kaum Kritik gefallen zu lassen. Zwar wirkt es etwas befremdlich, dass sich der hünenhafte Benkei ständig wie in Trance oder unter Wasser bewegt und dass es bei den Kulissen und Charakteren hin und wieder zu geisterhaften Fade-Ins kommt, aber insgesamt wirkt alles stimmig und ansprechend inszeniert. Auch die Ladezeiten sind trotz der teils prächtigen Kulissen erfreulich kurz. Ansonsten nagt lediglich das selbst im 60Hz-Modus teils unschöne Kantenflimmern am optisch gelungenen Gesamteindruck. Akustisch kann man sich bis auf die peinliche englische Synchro auch nicht beklagen. Die satten FX in Pro Logic II und die dynamische Einbindung klassischer japanischer Klänge sorgen jedenfalls für dichte Kampfatmosphäre und passendes Flair, während gelegentliche Render-Sequenzen sogar in Dolby Digital aus den Boxen schallen.     

Fazit

Auch wenn Genji kein Onimusha-Klon sein will, haben die beiden Spiele doch eine Menge gemeinsam. Man merkt einfach, dass Studioleiter Yoshiki Okamoto lange Zeit für Capcom tätig war. Das ist aber nicht unbedingt schlecht, da das intuitive Gameplay und die üppige Präsentation Genji gut zu Gesicht stehen, während das elegante und sehr stylische Kontersystem für eine gewisse Eigenständigkeit sorgt. Allerdings triefen Story, Charaktere und Dialoge fast schon Brechreiz erregend vor Pathos, Schmalz und Klischees, während gerade die englische Synchro einfach nur albern wirkt. Zudem ist das Abenteuer recht kurz geraten und gibt sich trotz zwei recht unterschiedlicher Charaktere äußerst uniform und linear. Dadurch schmeckt das spätere Gegner- und Level-Recycling trotz stimmungsvoller Schauplätze besonders bitter. Dennoch macht es eine Menge Spaß, sich mit Yoshitsune und Benkei durch die Gegnerhorden zu schnetzeln, nach verborgenen Items Ausschau zu halten, exklusive Waffen anzufertigen, Erfahrungspunkte zu scheffeln und mit gut getimten Kontern selbst mächtige Bossgegner in die Knie zu zwingen. Für höhere Wertungsregionen wird aber einfach zu wenig Abwechslung, Umfang und Erzählkunst geboten.

Pro

60Hz-Modus
stylische Effekte
flotte Ladezeiten
intuitives Gameplay
elegantes Kontersystem
stimmungsvolle Locations
zwei spielbare Charaktere
motivierende RPG-Elemente
atmosphärische Soundkulisse
sichtbare Ausrüstungswechsel

Kontra

öde Story
sehr linear
alberne Dialoge
recht kurze Spieldauer
lästiges Kantenflimmern
durchwachsene Synchro
Gegner
& Level-Recycling
nicht immer optimale Kamera
stereotypes Charakterdesign
auf Dauer recht eintöniges Gameplay

Wertung

PlayStation2

Solides, aber kurzes Samurai-Abenteuer im Stil der Onimusha-Serie.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.