24: The Game18.03.2006, Benjamin Schmädig
24: The Game

Im Test:

Jack Bauer und seine Kollegen haben stets ein Jahr Pause, bevor es wieder richtig kracht: Einen Tag lang ist die CTU im Alarmzustand, Jack im Außeneinsatz unterwegs und seine Tochter in Gefangenschaft. Die in Echtzeit erzählten Geschichten bieten eine innovative und spannende Form des Pantoffelkinos. Aber wenn ihr alles jetzt auch hautnah erlebt, stellt sich vor allem erst einmal die Frage: Was ist 24: The Game (ab 19,89€ bei kaufen)?

6:00 Uhr bis 7:00 morgens

Auch wenn er nicht als alleiniger Protagonist über den Bildschirm poltert, ist eins glasklar: 24 ist die One-Man-Show des Jack Bauer. Der altmodischste Actionheld im modernen TV-Programm kennt keine Vorschrift, die er nicht brechen könnte, blickt Verdächtigen nur über Kimme und Korn ins Auge und ist ein Albtraum für Al-Kaida & Co. In 24: The Game stellen er und seine Kollegen sich zum dritten Mal einer Bande von Mistkerlen mit

Die Verfolgungsjagden sind eine Katastrophe. Vor allem die Fahrweise der Verfolger verursacht Kopfschmerzen.
Affinität zu großen Sprengsätzen in den Weg und sind gleich bei Tagesanbruch damit beschäftigt, einen Frachter im Hafen von L.A. zu entern.

Warum erst zum dritten Mal? Die vierte Staffel der Serie fand doch eben erst ihr offenes Ende und US-Fans haben schon gesehen, wie es weiter geht. Ganz einfach: In "The Game" erfahrt ihr, was zwischen der zweiten und der dritten Staffel passierte. So erlebt ihr Kims ersten Arbeitstag bei der CTU, Chase Edmunds ist als Undercover-Agent unterwegs und dann war da noch ein Anschlag auf Präsident Palmer, über den nie Einzelheiten bekannt wurden... Das sind aber nur Details am Rande und auch die Tatsache, dass der Welt meist beschäftigte Geisel wieder einmal ihrem "Hobby" nachgeht, spielt keine Rolle: Die Handlung schließt die erwähnten Lücken nur am Rande. Serien-Autor Duppy Demetrius hat einen packenden Plot gesponnen, der mit denen des Pantoffelkinos mindestens auf Par ist. Er überrascht sogar mit einem Szenario, das die visuellen Möglichkeiten des TV-Thrillers sprengt.

Zurück zum Hafen: Ihr schaut Jack über die Schulter, während ihr durch Antippen des rechten Analogsticks Feinde ins Visier nehmt. Das automatische Anvisieren macht die Schießereien zum Kinderspiel, denn ihr habt selten mehr zu tun, als anschließend abzufeuern. Mit vorsichtigen Bewegungen des rechten Sticks könnt ihr auch verschiedene Körperteile ins Visier nehmen. Das klappt aber nur, wenn die Gegner regungslos hinter ihrer Deckung ausharren und der Kopf heraus schaut. Jack kann ebenfalls hinter Wänden, Tischen und ähnlichem Schutz suchen – allerdings muss der entsprechende Fleck dafür vorgesehen sein: Wäre ja noch schöner, wenn sich der Held hinter jedem beliebigen Schrank verstecken wollte...

Vereinzelt stehen Jack übrigens Begleiter der CTU störend zur Seite: Zum einen ballern die Kameraden scheinbar mit Platzpatronen auf ihre Gegner und zum anderen bleibt einer der hellen Köpfe schon mal zwischen Tür und Angel vor euch stehen, wenn ihr einen Überraschungsangriff geplant hattet. Die Intelligenz der Terroristen ist ähnlich lückenhaft, was zusammen mit dem leichten Vorankommen echten Schießbudencharakter erzeugt. Etwas Leben kommt erst zu fortgeschrittener Uhrzeit ins Spiel, wenn ihr bei Einbrüchen unentdeckt bleiben müsst, Kameras aus dem Weg gehen und leblose Wachen

Chase infiltriert ein Bürogebäude.
vor den Augen ihrer Kollegen verstecken solltet. Sam Fisher kann das deutlich besser und hat mehr Tricks auf Lager; Mr. Bauer schießt und schleicht nur grundsolide.

10:00 bis 11:00 Uhr mittags

Schnitt. Hacker haben es wirklich schwer! Da schaffen es die gewieften Trickser, den High-End-Supercomputer einer Regierungsbehörde zu knacken und was passiert? Die "Guten" haben immer ein Ass im Ärmel. Nur rechtschaffene Computer-Freaks kommen mit ihren Schandtaten meistens durch. 24 macht da keine Ausnahme: Zwar legen die Schurken diverse CTU-Festplatten lahm, aber als Techniker der CTU könnt ihr die Daten natürlich retten. Dazu erledigt ihr eins der Minispiele und müsst im richtigen Moment den richtigen Button drücken. An anderen Stellen müsst ihr z.B. Codes knacken oder Türen entriegeln. Das ist klasse und meine innere Stimme frohlockte jedes Mal: "...Bond, James Bond." Allerdings sind die willkommenen Abwechslungen viel zu banal, um mehr als ein witziges Intermezzo zu sein: Die Rätsel sind dermaßen simpel, dass ihr meistens einfach wild drauf los probieren könnt. Spielerisch ist das belanglos. Zumal 24 ohnehin niedrige Anforderungen an euer Können stellt.         

Richtig klasse sind hingegen die Verhöre: Um einem Verdächtigen Hinweise zu entlocken, müsst ihr je nach Situation beruhigend, normal oder drängend auf ihn einreden. Aber nicht nur das: fragt ihr im falschen Moment, verschlechtert sich die Situation – im schlimmsten Fall verliert ihr dadurch eine Geisel und das Spiel beginnt von vorn. Die letzte Minute hat es gehörig in sich, denn das nervöse Warten auf den richtigen Augenblick zum anschwellenden Herzschlag-Pochen des Soundtracks verleiht diesen

Die filmreifen Einstellungen sind das einsame Highlight der TV-Umsetzung.
Momenten Showdown-Charakter. Spiel und Inszenierung greifen hier am effektivsten ineinander, denn während ihr eure Anzeigen im Blick habt, zeigt die wackelige Kamera das Geschehen aus zwei Perspektiven: denen des nervös agierenden Protagonisten und des aufgelösten Verhörten.

Den doppelten oder dreifachen Blick aufs Geschehen bemühen die Entwickler ebenso oft wie es die Regisseure der Fernsehserie tun – die originalgetreue Umsetzung dieses Markenzeichens hebt den Titel weit über das Niveau jeder anderen Lizenz-Versoftung hinaus. Aber damit nicht genug: Beeindruckend real wirken die Gesichter sämtlicher Darsteller. Der Clou dabei: Beim Auftritt eines neuen Charakters war hier im Büro immer wieder der Satz zu hören: "Den kenn' ich doch!" Und tatsächlich: Die Nachforschung im Internet stellte stets klar, dass die Entwickler einige Nebenrollen mit bekannten Schauspielern besetzt haben. Ich kann mich an der hervorragenden Inszenierung jedenfalls nicht satt sehen und empfinde 24: The Game – nicht zuletzt wegen der erstklassigen Geschichte – als vollwertige zweikommafünfte Staffel. Glücklicherweise kommt auch die deutsche Fassung makellos weg. Einziger Schönheitsfehler ist Jacks verdrehte Zeitansage zu Beginn jeder Stunde. Für alle, die nur ins Kino gehen, wenn hinter dem Filmtitel "OV" oder "OMU" steht, übrigens der Hinweis, dass ihr zwischen den Sprachversionen wählen dürft.

10:00 bis 11:00 abends

Schnitt. Jack sitzt im Auto und rast durch eine hässlichste Großstadt im Playmobil-Look.

Wie bitte? Der letzte Absatz strotzt vor Superlativen und dann das? Tatsächlich: So klasse die Handlung präsentiert wird, so rückschrittlich zeigt sich die Kulisse am Ort des Geschehens. Ihr schleicht in klobigen Kästen an platten Klötzern vorbei, während ihr euch über die Beleidigung für eure Ohren ärgert. Belangloses Gewimmer (euer Motor), das stets gleiche und viel zu leise Gesäusel im Hintergrund (der Soundtrack) und nervtötendes Geheul (die Sirenen von Polizeiwagen) untermalen die Verfolgungsjagden. In diesen seid ihr mal Beute und mal Jäger – schlimm ist Ersteres. Denn die Gegner rasen und rammen so debil über die Straße, dass jedweder Realitätsanspruch unter die Räder gerät. Liebe Entwickler: Wenn ich in einen Streifenwagen steige, erwarte ich zum einen, dass mein Vehikel ebenso schnell ist wie meine Verfolger im gleichen Auto und zum anderen, dass Jack in der anschließenden Filmsequenz nicht aus einem schwarzen Jeep

Die Story nimmt ihren Lauf, nachdem die CTU einen Hinweise auf illegale Waffenlieferungen bekam.
klettert. Frustrierend ist die träge Fahrphysik, lächerlich die wie Streichhölzer umkippenden Passanten, wenn ihr auf sie zu fahrt und demotivierend sind die Cops in ihren "Ferraris". Letztere könnt ihr nämlich nur mit Glück abschütteln. Wiederholt den Abschnitt einfach oft genug – irgendwann klappt es ohne weiteres Zutun.

Seid ihr zu Fuß unterwegs, stapft ihr zwar durch altmodische, rechteckige Räume, die Umgebung ist aber detaillierter als in den Fahrszenen. Schön gelungen ist der Wechsel der Tageszeit, da länger werdende Schatten und rötliches Licht vom Einbruch der Dämmerung kündigen. Zuletzt hatte Black davon gezeugt, zu was die PS2 noch fähig ist; 24 sieht im Vergleich aus wie ein Starttitel. Leben soll der Umgebung mit der Havok-Physik eingehaucht werden, aber auch das gelingt nur teilweise: In den ersten zwei Dritteln des Spiels bekommt ihr lediglich umfallende Behälter, Kisten und Tische zu Gesicht, die anscheinend alle das gleiche Gewicht haben. Erst im späteren Verlauf dürft ihr Jacks Widersacher unter Gerüsten begraben oder Fässer über die Terroristen rollen lassen. Mehr als unterhaltsame Ablenkung ist das aber nicht. An einem Punkt haben es die Entwickler mit der Physik sogar übertrieben: Wenn z.B. Chase erledigte Gegner in eine dunkle Ecke schleppt, rappeln die Leichen wie chinesische Verrenkungskünstler über den Boden.     

Fazit

Was ist 24: The Game? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn die Entwickler haben vier Stückwerke in einen Topf geworfen, kräftig geschüttelt und dem Ergebnis den Titel der erfolgreichen Fernsehserie verpasst. Eine gesunde Mahlzeit kam dabei nicht heraus. Vielmehr sieht die Suppe verlockend aus, schmeckt aber einmal so belanglos wie die Beutel aus dem Supermarkt und ein andermal vollkommen versalzen. Ob ihr dem Mix trotzdem etwas abgewinnt, liegt an eurer Erwartungshaltung: Könnt ihr mit unterirdisch schlechten Fahrsequenzen leben? Seid ihr mit bodenständiger Third-Person-Action zufrieden? Mögt ihr Minispiele genug, um sie als das Salz in der Suppe wertzuschätzen? Oder reicht euch die erstklassig inszenierte Story, um das lieblose Spiel zu kaufen? Die Handlung ist ganz klar das Juwel der Mixtur und der ständige Wechsel zwischen Verfolgungsjagd, Infiltrieren und Minispielen harmoniert perfekt mit der Erzählstruktur der Serie. Für sich genommen kann aber keine der Zutaten wirklich überzeugen. 24 ist eine ausnahmslos empfehlenswerte TV-Staffel für alle Fans, aber ein leidlich spannendes Spiel.

Pro

originalgetreue TV-Inszenierung
ausgeklügelte Story
überzeugende Darstellung des Tagesrhythmus’
erstklassige Lokalisierung
abwechslungsreicher Ablauf
spannende Verhöre
witzige Minispiele

Kontra

träge Fahrzeugphysik
nervige Geräuschkulisse beim Fahren
zu leicht
magere Optik, wenn zu Fuß unterwegs
klobige Grafik beim Fahren
tumbe Gegner zu Fuß
lächerliche KI auf der Straße
uninspirierte Third-Person-Action
Havok-Physik kaum im Einsatz

Wertung

PlayStation2

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