Suikoden Tactics04.03.2006, Jens Bischoff
Suikoden Tactics

Im Test:

Eigentlich ist Konamis Suikoden-Reihe eine meiner Lieblingsrollenspielserien. Den Erstling hatte ich seinerzeit geradezu vergöttert. Doch nach dem eher mauen vierten Teil ließ die Sympathie merklich nach. Entsprechend gering waren dann auch meine Erwartungen, als ausgerechnet ein auf Suikoden IV basierendes Taktik-RPG angekündigt wurde. Aber ist Suikoden Tactics (ab 84,99€ bei kaufen) alias Rhapsodia, wie es im japanischen Original heißt, wirklich nur ein strategisch gefärbter Aufguss des bis dato schwächsten Sprosses der Serie oder verhilft es ihr am Ende gar zu neuem Glanz?

Vertraute Gewässer

Suikoden Tactics spielt in derselben Welt wie Suikoden IV und spinnt die Geschichte um den beendet geglaubten Konflikt zwischen den Inselnationen und dem Kooluk-Imperium fast nahtlos weiter. Kennern werden daher viele Orte und Charaktere vertraut sein. 

Willkommen in Legoland: Bei den Charaktermodellen rümpfen selbst PSone-Spieler die Nase...
Aber auch Neueinsteiger finden sich in dem überschaubaren Archipel schnell zurecht, obwohl einige Zusammenhänge ohne entsprechende Vorkenntnisse nur halb so interessant sind. Wirklich spannend ist die unspektakulär erzählte Story um verheerende Runenkanonen, mysteriöse Fischwesen und den ewigen Kampf Gut gegen Böse aber ohnehin nicht.

Ganz im Gegenteil: Schon nach kurzer Zeit beginnen die zähen Dialog- und Storysequenzen gewaltig an den Nerven zu zehren. Kein Wunder, wird doch gerade zu Beginn oftmals mehr geplappert als gekämpft. Das wäre ja weiter nicht schlimm, wenn die Charaktere Profil und die Gespräche Brisanz hätten. Dem ist aber leider nicht so. Die Protagonisten wirken uninteressant und austauschbar, während ihre Konversationen zum größten Teil aus völlig belanglosem Gewäsch bestehen. Wäre das nicht schon ärgerlich genug, kommen die klumpfüßigen und fingerlosen Spielfiguren auch optisch nur knapp über Legomännchen-Niveau. Der wohl als comicartig gedachte Cel-Shading-Look ist an Primitivität und Hässlichkeit jedenfalls kaum zu unterbieten und lässt selbst frühe PSone-Polygonmodelle wie NextGen-Grafik aussehen...

Kampf den Elementen

Die übrige Präsentation kocht ebenfalls auf Sparflamme: Die Schauplätze sind schlicht, die Animationen mickrig und die Menüs minimalistisch. Die einzigen Lichtblicke sind die handgezeichneten und diverse Gemütslagen widerspiegelnden Charakterportraits. Obwohl auch diese bei unwichtigen Figuren dank nur schemenhaft skizzierter Gesichtszüge äußerst lieblos wirken. Nun aber genug über Äußerlichkeiten gemeckert. Wenden wir uns lieber den inneren Werten zu, denn da präsentiert sich Suikoden Tactics wesentlich solider: Das Kampfsystem ist zwar nicht gerade das komplexeste oder tiefgründigste, aber es gibt dennoch einige gelungene Facetten und Eigenständigkeiten.

Trostlose Umgebungen: Die Schlachtfelder wirken genauso minimalistisch wie die Spielfiguren.
Allen voran das Elementarsystem, das prinzipiell zwar wie eh und je nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip funktioniert, aber weitreichender als sonst manipulierbar ist.

Jeder Charakter hat eine individuelle Elementaraffinität, die ihm auf Feldern seiner Zugehörigkeit Vorteile wie erhöhte Angriffs- und Verteidigungswerte einbringt und ihm am Ende eines Zuges sogar verlorene Lebensenergie zurückgewinnen lässt, während er auf Feldern entgegengesetzter Elementarkräfte Schaden erleidet und schnell zu leichter Beute werden kann - ähnlich wie bei den dunklen Energieströmen in La Pucelle Tactics. Der Clou ist allerdings, dass sich die Kampfarenen mit Hilfe von Zaubersprüchen oder Gegenständen individuell verändern lassen. Ist das Terrain zu Beginn einer Schlacht meist noch vollständig neutral oder durch Flussläufe leicht wasserelementgeprägt, gleicht es gegen Ende einer vergewaltigten Malunterlage, auf der Wasser-, Feuer-, Blitz-, Luft- und Erdkräfte um die Vormacht kämpfen.           

Hol‘s der Klabautermann

Ansonsten bekommt ihr recht traditionelle und einsteigerfreundliche Rundenstrategiekost serviert. Das heißt ihr bewegt eure Recken Zug um Zug auf gerasterten Schauplätzen gen Feind, nutzt Höhen- und Stellungsvorteile, lasst hin und wieder flächendeckende Team- oder Spezialangriffe vom Stapel und sammelt fleißig Erfahrungspunkte und in Kisten versteckte Kriegsbeute. Auch Reit- und Fluggetier steht gelegentlich zur Verfügung. Genrekenner finden sich jedenfalls schnell zurecht. Doch auch Anfänger benötigen aufgrund unveränderbarer Waffen und Klassen, vollautomatischer Levelaufstiege sowie eines spielbegleitenden Tutorials nur wenig Einarbeitungszeit.

"Schaut mal, ich habe mir ein Imtim-Piercing machen lassen!" - "Wie denn? Wir haben ja keine Augen..."
Doch was für Neulinge angenehm ist, dürfte Hardcore-Strategen mit der Zeit fast schon langweilen - vor allem, da auch der einheitliche Schwierigkeitsgrad bis auf wenige Ausnahmen eher harmlos ist. Selbst nach einer verlorenen Schlacht dürft ihr alle im Kampf gesammelten Erfahrungspunkte behalten und entsprechend gestärkt einen Neuversuch wagen. Da überrascht es fast, dass manche Charaktere durch eine Niederlage im Kampf dauerhaft sterben können, was nicht nur Komplettisten ärgern dürfte.

Etwas unfair sind auch ohne Vorwarnung herbei teleportierte Gegner, die euch teils urplötzlich in den Rücken fallen. Das ist besonders deswegen ärgerlich, da man während der teils über eine Stunde dauernden Schlachten nicht speichern kann. Es gibt zwar eine Quicksave-Funktion, aber die ist so sinnlos wie eine Brieffreundschaft mit einem Analphabeten. Speichert ihr euren Fortschritt nämlich ab, wird das Spiel sofort beendet und ladet ihr den Spielstand wieder neu, wird er umgehend gelöscht - super Idee... Etwas unpassend fand ich es auch, dass Gegnerreichweiten nur mittels zweifelhafter Symbole und nicht wie sonst üblich durch Bewegungs- und Angriffsradien gekennzeichnet werden.

Wer die Schleimspuren der umherirrenden Elementsphären geschickt nutzt, spart wertvolle Züge.
Wer nämlich glaubt, dass er sich, so lange kein gegnerisches Schwertsymbol angezeigt wird, in Sicherheit befindet, wird durch eine nicht miteingerechnete Magieattacke oftmals schonungslos eines Besseren belehrt - was einfach nicht sein dürfte. Ein ähnliches Unding stellt die nur marginal drehbare Spielansicht dar, unter der die Übersicht manchmal ganz schön leidet.

Sicher geankert

Ansonsten könnt ihr aber ungetrübt taktieren, euch in Städten gegen Bares mit durchschlagskräftigerer Ausrüstung eindecken, im Feldlager gesammelte Talentpunkte auf persönliche Fähigkeiten verteilen oder euch für eine von zahlreichen Nebenquests verdingen. Jedenfalls gibt es abseits des knapp dreißig Stunden umspannenden Hauptplots immer etwas zu tun. Egal, ob ihr euch in der Wildnis etwas auflevelt, mit fähigkeitsverleihenden Runen herum experimentiert oder nach neuen Mitstreitern Ausschau haltet. Die für Suikoden typische 108köpfige Party werdet ihr zwar nicht zusammen bekommen, aber wer fleißig sucht, die Kampagne ein zweites Mal angeht und einen Spielstand von Suikoden IV mit allen 108 Sternen des Schicksals auf der Memory Card schlummern hat, darf sich immerhin auf stolze 60 rekrutierbare Helden freuen, von denen bis zu einem Dutzend gleichzeitig in die Schlacht ziehen können.

Sind befreundete Charaktere korrekt platziert, setzen sie zu verheerenden Spezialattacken an.
Je nachdem, welche Charaktere ihr in eurer Gruppe habt, könnt ihr durch Plaudereinlagen während eines Kampfes sogar deren Beziehungen festigen und so serientypische Teamangriffe erlernen, die zwar nicht immer einfach zu bewerkstelligen sind, das Blatt in einer Schlacht aber durchaus wenden können.

Untermalt wird Suikoden Tactics von einem stimmungsvoll orchestrierten Soundtrack, der zwar manchmal etwas zu stille Töne anschlägt und dadurch ungewollte Einschlafhilfe leistet, aber im Großen und Ganzen doch ein sehr guter Impulsgeber in Sachen Atmosphäre ist. Die Sound-FX sind hingegen recht unspektakulär, bieten aber einige nette Details wie plätschernde Bäche oder murmelnde Zauberer. Sprachausgabe gibt es auch. Sogar jede Menge. Allerdings ist trotzdem nicht jeder Dialog vertont und die Qualität der rein englischen Sprecherriege reicht von überzeugend bis peinlich. Auch die deutschen Untertitel präsentieren sich recht durchwachsen. An sich geht die Übersetzung zwar meist in Ordnung, aber zahlreiche Rechtschreibfehler zeugen nicht gerade von gewissenhafter Arbeit. Dafür begeistert jedoch die PAL-Anpassung, die neben einem balkenfreien 50Hz-Bild, auch 60Hz- und Progressive Scan-fähige Geräte unterstützt. Auch wenn Letzteres angesichts der primitiven Mageroptik fast schon wie eine Farce erscheint.       

Fazit

Erst enthält uns Konami eine PAL-Version des grandiosen dritten Teils der Suikoden-Saga in Europa vor, dann lässt man die Serie mit Teil vier weltweit auf Grund laufen und jetzt soll‘s das zu einem Taktik-RPG zusammengezürnte Treibgut dieser Havarie wieder richten. Na ja, ein strategischer Neuanfang ist ja keine schlechte Idee, aber warum pickt man sich dazu ausgerechnet den misslungensten Teil der Serie als Basis heraus? Vielleicht als Wiedergutmachung? Die sollte dann aber deutlich anders aussehen. Denn auch wenn das spielerische Grundgerüst stimmt, hätte Konami den tranigen Storyaufguss, die hässlichsten Charaktere seit es Polygone gibt und die dämlichsten Dialoge seit GZSZ gerne in den Konzeptschubladen ihres Werksvereins für untalentierte Hilfskräfte behalten können. Wenigstens hat man sich bei den im Mittelpunkt stehenden Rundenkämpfen angenehm zurückgehalten und sich bis auf wenige Ausrutscher erfolgreich bei der Konkurrenz bedient. Die von La Pucelle Tactics inspirierten Elementarfelder stellen sogar eine äußerst schmackhafte Weiterentwicklung dar. Wer also über klumpfüßige Contergan-Männchen, die mit der Rhetorik eines Vierjährigen eine mehr als ausgelutschte Story an den Haaren herbei ziehen, hinwegsehen kann, wird durchaus seinen Spaß haben. Aufgrund des moderaten Schwierigkeitsgrads und der überschaubaren Möglichkeiten richtet sich Suikoden Tactics aber in erster Linie an Genreneulinge und Gelegenheitsgeneräle.

Pro

ordentlicher Umfang
solides Kampfsystem
hübscher Soundtrack
faire Continue-Funktion
individuelle Teamangriffe
zahlreiche Bonusaufgaben
vorbildliche PAL-Anpassung
gelungenes Elementarsystem
bis zu 60 rekrutierbare Helden
einsteigerfreundliche Spielmechanik

Kontra

mäßige KI
lahme Story
sehr zäher Spielverlauf
schlampige Lokalisierung
abstoßende Präsentation
öde Charaktere & Dialoge
unkomfortable Speicherfunktion
durchwachsene englische Synchro
oft unvorhersehbarer Feindnachschub
nur sehr eingeschränkt justierbare Kamera
nicht optimal einsehbare Gegnerreichweiten
manche Charaktere können dauerhaft sterben

Wertung

PlayStation2

Routiniertes, aber extrem zähes und unansehnliches Taktik-RPG alter Schule.

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