Guitar Hero22.04.2006, Mathias Oertel
Guitar Hero

Im Test:

Die internationale Presse überschlägt sich mit Lobeshymnen und präsentiert Einigkeit wie nur selten zuvor. Doch hier geht es nicht um ein Rollenspiel der Oblivion-Klasse, es geht um keinen Prügler aus dem Hause Team Ninja. Nein, ein einfaches "Rhythmus-Spiel" reicht aus, um das Blut der weltweiten Spieletester in Wallung zu bringen. Sein Name: Guitar Hero (ab 29,95€ bei kaufen), demnächst auch bei uns erhältlich und vermutlich das beste Party-Spiel dieses Jahres.

Alte Bekannte, Teil 1

Hinter dem überraschenden US-Erfolg von Guitar Hero steht das Team von Harmonix, das bereits mit Titeln wie Frequency oder Amplitude (beide leider kommerziell eher erfolglos einzustufen) bewiesen hat, wie moderne Rhythmus-Zockereien auszusehen haben.

Ein Garant für den Erfolg und Party-Spaß schlechthin: Der Gitarren-Controller in Form der Gibson SG!
Inhaltlich erfindet Guitar Hero das Rad auch beileibe nicht neu: Wie man es kennt, laufen "Noten" von oben nach unten. Aufgabe des Spielers ist nach wie vor, im richtigen Moment und natürlich im Takt der Musik die richtige Taste anzuschlagen.

Und auch wenn man Guitar Hero mit einem "normalen" Pad in Angriff nehmen kann, sollte man tunlichst auf den mitgelieferten Spezial-Controller zurückgreifen.

Denn der mit insgesamt sieben Knöpfen, einem Anschlaghebel sowie der so genannten "Whammy Bar" ausgestatte Kontrollprügel hat die Form einer Gitarre! Genau genommen die der kultigen SG von Gibson, allerdings nur in etwa zwei Drittel der Größe - aber immer noch groß genug, um sich komfortabel bedienen zu lassen.

Alte Bekannte, Teil 2

Und damit ihr richtig abrocken könnt, gibt es insgesamt mehr als 30 lizenzierte Tracks sowie einige frische Independent-Songs, die ihr jeweils in vier Schwierigkeitsgraden zu beherrschen lernt. Denn wie beim richtigen Gitarren-Spiel macht Übung den Meister.

Überhaupt muss man sagen, dass es Guitar Hero extrem gut schafft, das Spielgefühl einer echten Gitarre zu emulieren und mit exakt dem Schuss Luftgitarre zu würzen, der allen, die mit Helden wie Richie Sambora, Gary Moore, Steve Vai, Jimi Hendrix oder Adrian Smith aufgewachsen sind, die Freudentränen in die Augen treibt.

Wenn wir hier von lizenzierten Tracks sprechen, ist dies aber nur die halbe Wahrheit. Denn die Guitar Hero-Band hat, um sämtlichen Anforderungen eines Rhythmus-Spieles gerecht zu werden, alle Songs gecovert. Teilweise allerdings so täuschend echt, dass wir mit offenen Mündern und teuflisch gespitzten Ohren vor den Lautsprechern standen, um die Unterschiede zu den Originalen zu finden.

Im Vordergrund rauschen die "Noten" ins Bild, im Hintergrund rockt die Band, was das Zeug hält!
Doch egal ob "Sharp Dressed Man" von ZZ Top, "Ace of Spades" von Motörhead oder David Bowies "Ziggy Stardust": Selbst die Gesangseinlagen und Soli wurden haargenau erfasst.

Sowieso liest sich die Musikauswahl wie ein Who-is-Who der Rockgeschichte. Joan Jett and the Blackhearts, Black Sabbath, die Ramones, Megadeth oder Queen haben Songs beigesteuert, die Red Hot Chili Peppers, Franz Ferdinand und Sum 41 vertreten z.B. die etwas moderneren Interpreten. 

Doch auch mit einer breit gestreuten Auswahl kann man es nicht allen recht machen. Wir z.B. haben Songs von AC/DC vermisst, Guns’N Roses vergeblich gesucht, von Kiss oder Status Quo, den Boogie-Rockern schlechthin ganz zu schweigen. Das soll die Party-Stimmung, die von dem mitgelieferten Repertoire ausgeht, jedoch in keiner Form schmälern.

    

There is no "Air" in Guitar

Zurück zum Kontroll-Gerät und den sich anbietenden Möglichkeiten, die es schaffen, das "echte" Gitarrieren nahezu komplett nachzuahmen: Abhängig vom gewählten Schwierigkeitsgrad müssen drei bis fünf der farbigen "Bundköpfe" am Hals der Gibson SG im Takt bedient werden, wobei die so genannten Power Chords genau so nachgespielt werden müssen wie filigrane Solo-Läufe. Die imaginären Seiten werden über den Anschlaghebel zum Klingen gebracht, der sich wie ein echtes Plektrum sowohl nach oben als nach unten bewegen lässt, um auch schnelle Passagen bewältigen zu können.

Auf höheren Stufen sind einfache Passagen wie diese hier ein willkommener Moment, um durchzupusten!
Mit der ebenfalls vorhandenen "Whammy Bar" lassen sich lang gezogene Töne zusätzlich verfremden, so dass das authentische Spielgefühl vervollständigt wird. Ebenso wie mit den auch im Spiel anwendbaren Techniken des "Hammer-Ons" und "Pull-Offs", die auf den höheren Schwierigkeitsstufen den Rettungsanker im Sturm verteufelt schneller Sololäufe darstellen.

Dass sollte jedoch nicht zu der Vermutung führen, dass man mit Guitar Hero "mal so nebenbei" das Gitarre-Spielen lernen kann. Auf den zwei höchsten der insgesamt vier Schwierigkeitsgrade werden die Fingerfertigkeit und Koordinationsfähigkeit aufs Extremste gefordert und hier kann es durchaus hilfreich sein, wenn man im richtigen Leben über Kenntnisse der Gitarrenbedienung verfügt. Doch ein Ersatz für einen Gitarrenlehrer bzw. entsprechende Kurse ist Guitar Hero in keinem Fall.

Der Spaß steht im Vordergrund und stellt sich ungeachtet des Levels nach dem zweiten gespielten Akkord bzw. spätestens ab dem Moment ein, in dem man den Hals der Gitarre in die Senkrechte bringt und so den "Star-Modus" aktiviert, in dem man doppelte Punktzahlen kassieren kann und in dem das Publikum Fehler leichter verzeiht. Denn wie man es von ähnlichen Spielen aus dem Hause Harmonix kennt, werden Spielfehler und ausgelassene Noten auch akustisch verarbeitet: Angefangen von tödlicher Stille der Lead-Gitarre bis hin zum "Kruäng" eines vergriffenen Akkords wird alles präsentiert - cool! 

Kurzum: Wer die letzten Jahrzehnte in Rockdiscos seine schulterlangen Haare zu Gitarrenhymnen durch die Luft headbangte und gleichzeitig ein Luftgitarrenvirtuose ist, findet mit Guitar Hero adäquaten Ersatz.

Bei lang gezogenen Noten könnt ihr die funktionierende "Whammy Bar" zum Einsatz bringen und zusätzliche Punkte kassieren.
Und alle anderen finden mit dem ambitionierten und mehr als gelungenem Projekt von Harmonix ein nahezu perfektes Partyspiel, bei dem nur die optische Umsetzung wenig mehr als zweckmäßig ist.

Die eigentliche Action findet zwar vor dem Bildschirm statt, doch die verschiedenen Austragungsorte und die Band, die sich auf dem Screen abmüht, hätten durchaus etwas detaillierter sein können – auch wenn die Animationen der Musiker durch die Bank überzeugen und zur Darbietung passen.

Natürlich hat Harmonix auch eine Möglichkeit eingebaut, zu zweit in die Saiten zu greifen. Dazu sollte man allerdings zwei Gitarren haben, was wiederum eine Kostenfrage ist, da die zusätzliche Hardware nochmals mit ca. 45 Euro zu Buche schlägt. Doch wer diese Kosten nicht scheut, ist nicht nur für die in den USA bereits angekündigte und sicherlich auch in Europa erscheinende Fortsetzung gewappnet, sondern kann auch kooperativ versuchen, den Song zu bewältigen. Allerdings ist Guitar Hero vor allem in Hinblick auf Mehrspieler-Spaß noch nicht ausgereizt. Denn so spannend und unterhaltsam es auch ist, sich mit einem Kumpel am Extrem-Modus von Ace of Spades zu versuchen, so viel interessanter könnte ein Duell-Modus à la Crossroads sein. Doch dieses Manko ist nur ein kleiner unbedeutender Tropfen auf einem unglaublichen heißen Spielspaß-Stein.   

Fazit

Mut und Risiko zahlt sich aus! Vielen Dank an Red Octane für das Wagnis, ein Spiel mit einem dermaßen coolen Kontrollgerät zu veröffentlichen. Und Gratulation an Harmonix: Nach den nicht gerade üppigen Verkaufszahlen von Amplitude und Frequency einen solchen Hammer wie Guitar Hero vom Stapel zu lassen, zeugt von großem Selbstbewusstsein und den Glauben an die Sache. Und das vollkommen zu Recht! Okay: die Musikauswahl lässt einige Rocklücken offen - man denke nur an AC/DC, Kiss, Iron Maiden usw., die hoffentlich in der bereits angekündigten Fortsetzung auftauchen. Aber die über 30 teilweise täuschend echten Cover-Versionen sowie die zahlreichen frischen Independent-Songs sorgen extrem schnell für Partystimmung. Nimmt man dazu noch das fantastische Spielgefühl, das sich auf dem Gitarrenkontroll-Prügel einstellt, ergibt das unter dem Strich ein Spiel, von dem man vor allem mit mehreren nicht mehr so schnell los kommt. Mit Guitar Hero lässt sich zwar nicht das echte Spielen erlernen, doch kein anderes Spiel lässt den Musiker, der in euch allen schlummert so sehr auf die Bühne wie dieses kleine Meisterwerk, das jegliche Luftgitarren-Versuche überflüssig macht. Kaufen, einstöpseln, Spaß haben – so einfach kann das sein!

Pro

über 30 lizenzierte Cover-Songs der Rockgeschichte
hervorragend verarbeitete Hardware
klasse Gitarren-Spielgefühl
phänomenaler Soundtrack
vier fordernde Schwierigkeitsgrade
zahlreiche freispielbare Goodies, Songs und Extras

Kontra

suboptimaler Zwei-Spieler-Modus
streitbare Musik-Auswahl
mit Pad-Steuerung mau
grafisch mit Luft nach oben

Wertung

PlayStation2

Rhythmus-Spiele sind langweilig? Dann holt euch Guitar Hero und lasst euch eines Besseren belehren!

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