Stuntman: Ignition05.09.2007, Mathias Oertel
Stuntman: Ignition

Im Test:

Dass ein sechs Jahre alter ungeschliffener Spiele-Diamant eine Fortsetzung bekommt, ist selten. Dass diese dann auch noch bei einem anderen Publisher erscheint und von einem ganz anderen Team kommt, scheint die Angelegenheit nicht leichter zu gestalten. Hat das von Paradigm für THQ entwickelte Stuntman Ignition immer noch das gewisse Etwas oder ist die Luft raus?

Déjà-vu

Retro-Fans können durchaus etwas mit dem Namen Reflections Interactive anfangen - immerhin stammt die "Shadow of the Beast"-Serie aus dem britischen Studio. Erfolge feierte das Team um Martin Edmundson jedoch mit ihren physikalisch und fahrtechnisch überzeugenden Rennspielen - man denke nur an die Destruction Derby-Serie. Und der ganz große Wurf gelang ihnen mit der Driver-Reihe, die bei Atari erschien. Doch ein Spiel geht in der Firmengeschichte fast unter. Und dass, obwohl es trotz einiger kleinerer und weniger großer Schwächen mit zu den potenziell interessantesten Titeln auf der

Die Stuntsequenzen werden eindrucksvol in Szene gesetzt.
PlayStation 2 gehörte. Der Name: Stuntman. Mittlerweile gehört Reflections zwar zu Ubisoft und am neuen Stuntman Iginition arbeitete das (ebenfalls mal bei Atari beschäftigte) Studio von Paradigm (Pilotwings 64, Mission Impossible) im Auftrag von THQ, an einem hat sich aber nichts geändert: Das Spielprinzip ist nach wie vor außergewöhnlich. Doch ist es auch immer noch hitverdächtig?

Fast wie vor sechs Jahren

Auch wenn Team und Publisher gewechselt haben: Im Kern bleibt Stuntman Ignition (SI) der Linie treu, die seinerzeit von Reflections vorgegeben wurde und die im Jahre 2001 mit 84% nur knapp am Award scheiterte. Ihr seid als Teufelsfahrer unterwegs, um in sechs Filmen für spektakuläre Action auf mindestens zwei Rädern zu sorgen.

Zu beachten ist, dass in jeder der insgesamt 36 Szenen die Anweisungen des Regisseurs befolgt werden müssen. Dazu gehören z.B. spektakuläre Slides, Sprünge, Fahren auf zwei Rädern, besondere Aktionen, die mit dem Aktionsknopf gestartet werden usw.

Allerdings ist Paradigm mit SI deutlich nachgiebiger als Reflections vor einigen Jahren: Insgesamt könnt ihr euch fünf missglückte Positionen leisten, bevor der Regisseur darauf besteht, die Szene wiederholen zu lassen. Wem das nicht reicht, kann sogar noch einen leichten Modus aktivieren, der euch zwei zusätzliche Fehler erlaubt, bevor es "Alles auf Anfang" heißt. Allerdings ist die Punktausbeute hier deutlich geringer, weswegen man diesen Modus wirklich nur zum Training nutzen sollte.

Denn in einem hat sich das Prinzip nicht geändert: Trotz der Möglichkeit, fünf Mal daneben zu stunten, ist Iginition immer noch schwer. Spätere Filme sowie werden nur mit einer bestimmten Anzahl an Sternen freigeschaltet. Die wiederum gibt es nur bei bestimmten Punktzahlen und Stuntkomboketten. Und die schließlich kann man nur erreichen, wenn man Strecke, Stunt-Anforderungen und Fahrverhalten wie seine Westentasche kennt. Damit birgt SI Frustpotenzial, das zwar nicht so groß ist wie beim Vorgänger, aber immer noch ausreicht, dass Ungeduldige das Pad ins Korn werfen, bevor sie den letzten Film gesehen haben.

Diese Stuntsequenz aus "Never Kill Me Again" orientiert sich eindeutig an einem 007-Film aus dem Jahre 2002.
Alle, die durchhalten, bekommen als Belohnung (natürlich imaginäre) Kinotrailer, die euch den Film, für den ihr gearbeitet habt, mit einem Mix aus guten Rendersequenzen und geschickt eingeschnitten Fahrszenen aus dem Spiel präsentieren.

Allerdings hat sich nach mehrmaligem Spiel auf diversen Konsolen sowie mehrmaligem Vergleich der Trailer der Eindruck erhärtet, dass Paradigm nicht wie seinerzeit Reflections die selbst gefahrenen Sequenzen verwendet, sondern mit bereits vorgefertigten aus den ebenfalls freispielbaren Fünf-Sterne-Wiederholungen vorlieb nimmt. Das entwertet natürlich die eigene Leistung etwas, trübt den Spielspaß aber nicht.

"3... 2... 1... Action!"

Wer sich die Zeit nimmt, und die aufwändigen Einleitungen für die Filme im Allgemeinen und die Stunts im Speziellen nicht wegklickt, wird anerkennen müssen, dass die FMV-Sequenzen trotz gelegentlich grober Pixel sehr stimmungsvoll sind. Kleine Animationen in Storyboards, vermischt mit Trivia-Wissen über Filme und das Filmemachen, dazu richtig gute deutsche Sprachausgabe - das macht Lust auf mehr.

     

Zumal mit den an echten Filme angelehnten Zelluloidwerken nahezu alles abgegriffen wird, was die Kinolandschaft hergibt. Sei es nun der Batman-Verschnitt Night Avenger, die Bond-Hommage Never Kill Me Again oder das an Dukes of Hazzard angelehnte Whoopin & Hollerin II: Die Inspiration für den jeweiligen Film erschließt sich sofort und sorgt ebenso für eine passende Stuntgrundlage wie die übrigen Varianten, die sich mit der Zeit öffnen.

Dazu gehören z.B. Stuntshows oder Werbeclips, die mit bestimmten Filmen zu tun haben, eurer Dienste bedürfen und sich auch positiv auf das Sternekonto eurer Karriere auswirken.

Das Intro ist ebenso stimmig wie der Rest der Präsentation.Allerdings bleibt auch festzuhalten, dass Geübte trotz des unter Umständen knackigen Schwierigkeitsgrades nach gut zwei, drei kurzweiligen Abenden alles freigeschaltet haben - die Film-Spieldauer würden wir geschätzt zwischen fünf und acht Stunden festlegen.

Doch auch fernab des Filmstresses findet man Beschäftigung: Mit der "Schnellen Dosis" sowie der Konstrukteurs-Arena samt frei konfigurierbarer Stuntshow mit Rampen, Loops und allerlei anderer Gimmicks gibt es die Fastfood-Unterhaltung für Teufelsfahrer. Allerdings baut vor allem die Stunt-Arena trotz einiger von Beginn an verfügbarer Elemente auf der Karriere auf, da nur dort neue Rampen, Lava-Einschläge, Fahrzeuge usw. freigeschaltet werden. Und letztlich ist sie trotz aller guter Ansätze wie einem leicht an Trackmania erinnernden Wettbewerb (ihr müsst einen Parcours bauen, bei dem bestimmte Stunts integriert und eine festgelegte Punktzahl erreicht werden muss) nur schmückendes Beiwerk - nett, aber unwesentlich für die Wertung.

PS2 vs. 360

Ganz im Gegensatz zum Online-Modus, der inhaltlich das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen den Versionen der letzten und der jetzigen Konsolengeneration ausmacht.

Vollkommen überzeugend sind zwar weder der Kulissenkampf (Punkte über Stuntkombos samt Komboklau sind das Ziel) noch das Kulissenrennen (auf Zeit, Stunts laden Turbo auf), doch als nette und vor allem lagfreie Abwechslung vom üblichen Geschehen ist das durchaus brauchbar. Auf der PS2 gibt es diese Modi zwar auch, doch da hier Offline-Splitscreen-Duelle angesagt sind, hält sich der Spaß in Grenzen. In keinem Fall sind diese Rennen jedoch ein Ersatz für beispielsweise Burnout-Duelle.

Dass die 360-Version deutlich besser aussieht, liegt in der Natur der Dinge. Doch gemessen an der Hardware kann sich auch die PS2-Version noch sehen lassen: Flüssig und mit einer guten Steuerung sowie einer überzeugenden Physik ausgestattet, ist die PS2-Variante sogar etwas nachgiebiger, was den Schwierigkeitsgrad betrifft. Da die Engine im Detail nicht so viele Gegenstände, Fahrzeuge, Effekte etc. auf den Bildschirm zaubern kann wie die 360, fehlen ab und an kleine Elemente, die man benötigt, um eine Stuntkette aufzuziehen. Dies wurde durch ein leicht verlängertes Zeitfenster ausgeglichen, das es

In der Stuntarena wird der Fantasie nur durch eure Vorstellungskraft (und ggf. noch nicht freigespielte Goodies) eine Grenze gesetzt.
unter dem Strich erlaubt, einfacher an Punkte zu kommen - wobei "einfach" im Zusammenhang mit Stuntman Ignition wieder deutlich macht, wie relativ dieser Begriff genutzt werden kann. Denn auch auf der PS2 ist euer ganzes Können gefragt.

Doch auch wenn die Teufelsfahrer noch einen ordentlichen Eindruck auf der in Ehren ergrauten Sony-Konsole hinterlassen, führt für Spieler mit Wahlmöglichkeit kein Weg an der 360-Variante vorbei. Satte Farben, gleißende Explosionen, fette Action: Die ganze Glorie des Effekt geladenen Popcorn-Kinos lässt sich nur in HD erleben - und das, obwohl Stuntman Ignition auch mit der geballten Power der Microsoft-Konsole nur eher durchschnittliche Kost abliefert. Denn für jeden imposanten Feuerball, für jeden abstürzenden Helikopter und für jeden brennenden Baum, den ihr eindrucksvoll mit dem Motorrad überspringt, für jedes detonierende Fahrzeug werden findige Augen eine Textur entdecken, die nicht unbedingt in die gegenwärtige Generation gehört. Oder aber Figuren, die keine großen Unterschiede zwischen PS2 und 360 erkennen lassen.

Doch unter dem Strich -und das ist das Wesentliche- kann ich angesichts der fulminanten Inszenierung der einzelnen Abschnitte, deren Umfang allerdings stark variiert, über solche Ungereimtheiten hinwegsehen. Verzeihen kann ich sie dennoch nicht, da der cineastische Eindruck, der in den rasant und interessant geschnitten entsteht, durch eine erhöhte Optimierung der Technik und schönere Kulissen noch deutlich intensiver hätte sein können.   

Fazit

Paradigm hatte eine schwere Aufgabe. Immerhin musste das Team die Fortsetzung zu einem ungeschliffenen Rohdiamanten auf die Reifen stellen. Dazu hat man behutsam versucht, das Konzept beizubehalten, den seinerzeit happigen Schwierigkeitsgrad zu entschärfen und die Kulissen vor allem im Falle der 360-Version gewaltig aufzumotzen. Das Ergebnis: Ein Spiel, das trotz aller Modernisierungen alle Stärken, aber auch fast alle Schwächen mit dem Ur-Stuntman gemeinsam hat- und das technisch zwar zweifelsfrei zur gegenwärtigen Generation gezählt werden kann, aber weder auf 360 und schon gar nicht auf PS2 Bäume ausreißt. Es macht nach wie vor Spaß, sich durch die anspruchsvollen Szenen zu kämpfen, manchmal sogar zu quälen und schließlich in den schönen Widerholungen die Früchte seiner Arbeit zu genießen. Aber das z.B. die eigenen fahrerischen Leistungen nicht in den Trailern auftauchen, mindert das Vergnügen etwas. Die zusätzlichen Inhalte wie Stunt-Arena oder die Online-Duelle auf 360 –die PS2 bleibt im Splitscreen offline- bleiben alle im Stadium "nett, aber letztlich belanglos" hängen. Vielleicht hätte Paradigm etwas mehr Risiko in Kauf nehmen, mehr eigene Ideen einbringen und das Spiel mit einer nochmals verfeinerten Kulisse ausstatten sollen. Dann nämlich hätte Ignition die Chance gehabt, in die Wertungssphären des sechs Jahre alten Vorgängers zu stoßen. So bleibt unter dem Strich eine klasse Präsentation, aber letztlich nur gute und etwas zu kurze Unterhaltung.

Pro

viel freizuschalten
sechs Filme
frei konfigurierbare Stunt-Arena
kinoreife Wiederholungen
realistische Physik

Kontra

viel Trial-and-Error
Filmtrailer nicht mit eigenen Fahrsequenzen
Multiplayer nur Offline-Splitscreen (PS2)
für Geübte zu kurz

Wertung

360

Gute Popcorn-Unterhaltung mit aufwändigen Effekten - leider unter dem Strich zu kurz.

PlayStation2

Inhaltlich identisch zur 360-Version, bleibt die Kulisse leider selbst hinter PS2-Standards zurück...

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