Odin Sphere27.03.2008, Jens Bischoff
Odin Sphere

Im Test:

Nach fast einjähriger Wartezeit hat es Vanillawares Action-RPG Odin Sphere (ab 22,90€ bei kaufen) endlich auch nach Europa geschafft. Wer brav ausgeharrt hat, darf sich nicht nur über eine liebevolle Lokalisierung, gelungene PAL-Anpassung und einen günstigen Preis, sondern auch über eines der wohl hübschesten 2D-Spiele aller Zeiten freuen. Doch können auch die inneren Werte überzeugen?

Fünf Helden, eine Geschichte

In Odin Sphere durchlebt ihr fünf Einzelschicksale, die in einer von Magie und Krieg geprägten Fantasywelt eng miteinander verflochten sind.

Bezaubernd: Die schmucke 2D-Optik zieht einen unweigerlich in ihren Bann.
Die Zusammenhänge werden euch allerdings erst mit der Zeit bewusst, da jeder der Protagonisten zunächst sein eigenes Abenteuer erlebt. Als erstes schlüpft ihr in die Rolle von Odins Tochter Gwendolin, einer tapferen Walküre, die erbittert um die Anerkennung ihres Vaters kämpft, bevor sich die Ereignisse überschlagen...

Später erlebt ihr das Geschehen dann auch aus der Sicht des verwunschenen Prinzen Kornelius, der Feenprinzessin Maresa, des Schattenkriegers Oswald und der Waldhexe Velvette, bevor es zum großen Finale kommt. Die Handlung präsentiert sich jedenfalls ungemein vielschichtig. Wer die Übersicht verliert, kann bereits Geschehenes aber jederzeit in einer Art kollektiver Chronik nochmals Revue passieren lassen.

Ansonsten ist der Spielablauf sehr linear: Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen Story-Sequenz auf die dann ein kleiner Feldzug mit abschließendem Bossfight folgt. Die einzelnen Schauplätze bestehen dabei aus aneinander gereihten 360°-Levels à la Defender - es gibt sogar ein mit scrollendes Übersichtsradar wie im Shoot'em-Up-Klassiker, um in der Nähe befindliche Feinde sowie abgefeuerte Zauber oder Wurfgeschosse über die Grenzen des Bildschirms hinaus zu erkennen.

Levelschläuche einmal anders

Dargestellt wird das Kampfgeschehen wie auch der Rest des Spiels in aufwändigem 2D. Die Spielabschnitte selbst sind allerdings völlig eindimensional, 

Die Kämpfe sind rasant, aber taktisch - blindes Tastenhämmern führt schnell ins Verderben.
d. h. ihr könnt weder irgendwelche Leitern erklimmen, noch auf vorhandene Plattformen springen. Hüpfen könnt ihr trotzdem, wenn auch nur um Angriffen auszuweichen oder selbst zu luftigen Attacken anzusetzen. Manche Charaktere wie Gwendolin können sogar fliegen. Viel Platz für Erkundungen gibt es in den gürtelähnlich aufgebauten Arealen aber nicht. Nur am Boden hört ihr manchmal beim Gehen ein leises Quieken, das auf eine verborgene Erdfrucht hinweist.

Im Mittelpunkt stehen eindeutig die Kämpfe gegen allerlei Widersacher zu Luft und zu Boden, wozu euch neben einfachen Schlägen bzw. Schüssen auch Combos, Spezialangriffe und Blocks zur Verfügung stehen. Habt ihr einen Schauplatz komplett von Gegnern gesäubert, gibt es eine Schatzkiste mit leistungsbezogener Belohnung und ihr könnt über einen der Ausgänge in angrenzende Gebiete wechseln. Dort erwartet euch dann entweder die nächste Gegnerwelle, ein Händler, der diverse Items und Ausrüstungsgegenstände feil hält, oder ein Zwischen- bzw. Endboss. Habt ihr letzteren ausfindig gemacht und besiegt, ist das Kapitel abgeschlossen und ihr brecht zu neuen Ufern auf.      

Guten Appetit!

Ihr habt allerdings auch die Möglichkeit bereits absolvierte Gebiete jederzeit wieder zu betreten. Sei es, um euren Protagonisten aufzuleveln, eure Finanzen aufzubessern oder weitere Items zu ergattern. Letztere dienen übrigens nicht nur zum Heilen von Statusveränderungen, Auffrischen verlorener Lebensenergie oder Bekämpfen von Gegnern,

Auf der Weltkarte wählt ihr euer Ziel - auch vorherige Schauplätze stehen zur Auswahl.
sondern können auch zu nahrhaften Speisen verarbeitet, für alchemistische Experimente verwendet oder zum Pflanzen und Ernten seltener Gewächse eingesetzt werden. Um zu gedeihen benötigen eure Setzlinge aber meist eine gewisse Anzahl Seelen getöteter Gegner, die ihr alternativ auch mit eurer Waffe aufsaugen könnt, um ihre Durchschlagskraft zu steigern.

Im Prinzip gibt es nämlich nur zwei verbesserbare Statuswerte: Angriffsstärke und Lebensenergie. Beide steigen nicht automatisch, sondern nur durch das Absorbieren von Seelen (Stärke) bzw. Vertilgen von Nahrung (Leben) an. Speisen füllen nämlich nicht nur verbrauchte Lebensenergie auf, sondern können diese auch dauerhaft erhöhen. Besonders effektiv sind dabei Gerichte, die euch Wirte aus einer Reihe gefundener Zutaten zubereiten, die einzeln verkostet deutlich weniger nahrhaft sind. Ihr selbst könnt leider nicht kochen, dafür aber Alchemie wirken, um Heil-, Angriffs- und Spezialtränke zu brauen. Die Rezepturen dafür müssen allerdings erst ausfindig gemacht werden.

In der Ruhe liegt die Kraft

Außerdem lernt ihr mit der Zeit eine Reihe magischer Spezialangriffe wie Wirbelstürme und Explosionen sowie die Möglichkeit, Seelen frei zu setzen, um Pflanzen auch abseits von Kämpfen gedeihen zu lassen. Auch auf eure Kondition müsst ihr ein Auge haben,

Zäher Drache: Bei den Bosskämpfen ist die richtige Taktik meist wichtiger als reines Geschick.
da ihr euch sonst zu sehr verausgabt und dann eine kurze Verschnaufpause einlegen müsst, in der ihr euch weder bewegen, noch verteidigen könnt. Das bremst zwar zugegeben den Spielfluss, verleiht den Auseinandersetzungen aber auch eine taktische Komponente, die zudem blindem Tastenhämmern einen Riegel vorschiebt. Doch spätestens bei den Bossfights ist taktische Planung ohnehin wichtiger als Fingerfertigkeit.

Zudem verfügt jeder Charakter über spezielle Angriffe und Bewegungsabläufe, so dass die Kämpfe auch dann nicht an Reiz verlieren, wenn ihr mit neuen Helden dieselben Levels durchstreift und Gegner plättet, wie schon mit den vorherigen Protagonisten. Gekämpft wird sowohl mit Speer, Schwert, Armbrust oder Kette, am Boden, im Sprung oder im Flug. Eine gewisse Monotonie lässt sich auf Dauer trotzdem nicht abstreiten, die gerade in Kombination mit den originellen, aber eindimensionalen Rundleveln wohl das gravierendste Manko von Odin Sphere darstellt und noch höhere Wertungsregionen versperrt.   

Jeder wie er will

Lob verdient hingegen der jederzeit änderbare Schwierigkeitsgrad: Die normale Stufe ist angenehm fordernd, macht manchmal aber zusätzliches Farmen von Gegenständen und Aufleveln unverzichtbar. 

Insgesamt schlüpft ihr in die Rollen von fünf Protagonisten mit unterschiedlichen Fähigkeiten.
Wer darauf keine Lust hat, setzt die Stufe bei besonders haarigen Bosskämpfen einfach herab und anschließend wieder hoch. Und wer sich unterfordert fühlt, kann die Stufe bedenkenlos anheben - ohne Angst zu haben, irgendwann auf verlorenem Posten zu stehen. So kann man das Spielerlebnis jederzeit seiner persönlichen Spielweise anpassen ohne Frust oder Langeweile ausgesetzt zu sein - vorbildlich.

Ebenfalls vorbildlich präsentieren sich PAL-Anpassung und Lokalisierung. Zwar gibt es keine deutsche Sprachausgabe, dafür aber hervorragend eingedeutschte Texte und Untertitel. Zudem habt ihr die Wahl zwischen englischer und japanischer Synchro, wobei wirklich jeder noch so kleine Dialog vertont wurde. Dabei leisten die Sprecher erstklassige Arbeit und sorgen zusammen mit den stimmungsvollen Kompositionen Hitoshi Sakimotos (Final Fantasy XII ) für eine äußerst dichte Soundkulisse.

Beeindruckende Präsentation

Doch auch optisch ist Odin Sphere ein echtes Meisterwerk. Selbst wer handgemalte 2D-Grafik verpönt, muss zugestehen, dass die kunst- und liebevolle Präsentation ihresgleichen sucht. Von den malerische Kulissen über die bezaubernden Charaktere bis hin zu den aufwändige Animationen und Effekten. Gerade die schon aus GrimGrimoire bekannte Detailverliebtheit ist bemerkenswert.

Die Schauplätze sind alle kreisförmig - auch bei Bosskämpfen geratet ihr nie in eine Sackgasse.
Hier wird selbst das Laden von Spielständen oder der Besuch beim örtlichen Händler mit so viel Liebe präsentiert, dass es eine wahre Freude ist. Und das selbst bei 50Hz ohne lästige PAL-Balken, wobei der ebenfalls vorhandene 60Hz-Modus aufgrund der flüssigeren Darstellung natürlich  vorzuziehen ist.

Auch der Umfang ist enorm. Je nach Schwierigkeitsgrad und Spielweise könnt ihr zirka fünf bis zehn Stunden Spielzeit pro Charakter einrechnen, wobei euch niemand daran hindert auch noch mehr Zeit mit Gwendolin, Kornelius, Maresa, Oswald und Velvette zu verbringen. Allerdings solltet ihr euch daran gewöhnen, häufig Platz- und Geldmangel ausgesetzt zu sein. Ihr könnt euer knappes Inventar zwar durch zusätzliche Taschen erweitern und in bereits gemeisterten Abschnitten die Portokasse aufbessern. Gerade zu Beginn ist zusätzlicher Stauraum allerdings recht kostspielig und nur begrenzt verfügbar. Zudem dauert es eine ganze Weile bis man größere Beträge zusammen hat. Und wer sich intensiver mit Alchemie und Kochkunst beschäftigt wird auch mit voller Montur Platzprobleme haben - gerade weil auch Ausrüstungsgegenstände wie Schutzringe, Giftamulette oder Sprintgürtel Platz im Gepäck beanspruchen... 

Fazit

Vor der kunst- und liebevollen Präsentation von Odin Sphere kann man einfach nur den Hut ziehen. Was Vanillaware hier an handgemalter 2D-Pracht präsentiert, ist auf der PS2 wohl kaum noch zu toppen. Auch die stimmungsvolle Soundkulisse mit wahlweise durchgehender japanischer oder englischer Sprachausgabe begeistert. Zudem dürft ihr euch über vorbildlich eingedeutschte Texte und eine balkenfreie PAL-Anpassung freuen, ohne auf den flüssigeren 60Hz-Modus des Originals verzichten zu müssen. Dadurch kann man auch hierzulande ohne Abstriche in die bezaubernde Fantasywelt abtauchen und aus der Sicht von fünf unterschiedlichen Protagonisten eine genauso epische wie vielschichtige Story um Krieg, Liebe und Verrat erleben. Die Spielwelt erkundet ihr dabei über originelle, aber völlig eindimensionale 360°-Abschnitte im Defender-Stil. Zudem durchstreift ihr quasi mit jedem Helden dieselben Areale und vermöbelt größtenteils auch dieselben Widersacher, wodurch sich auf Dauer leider eine gewisse Monotonie breit macht. Individuelle Fähig- und Angriffsmöglichkeiten gleichen dieses Manko jedoch teilweise wieder aus. Die Spielfluss hemmenden Angriffspausen zum Wiederaufladen der eigenen Ausdauer dürften dem ein oder anderen allerdings ein Dorn im Auge sein, bewahren die Kämpfe aber andererseits davor zu stupiden Button-Mashing-Orgien zu verkommen, während der jederzeit änderbare Schwierigkeitsgrad gekonnt Frust oder Langeweile vorbeugt. Auch die Charakterpflege ist dank Alchemie, Kochkunst und Pflanzenkunde ungemein charmant und motivierend. Odin Sphere ist ein Action-RPG-Kleinod, das sich kein Genreliebhaber entgehen lassen sollte.

Pro

enormer Umfang
vielschichtige Story
fünf spielbare Helden
stimmungsvolle Soundkulisse
motivierende Charakterpflege
bezaubernde 2D-Präsentation

Kontra

eindimensionales Leveldesign
wiederholungsanfälliger Spielverlauf

Wertung

PlayStation2

Grandios inszeniertes und erzähltes Action-RPG mit leichten spielerischen Abnutzungserscheinungen.

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