Shin Megami Tensei: Digital Devil Saga15.06.2006, Benjamin Schmädig
Shin Megami Tensei: Digital Devil Saga

Vorschau:

Gut und böse, schwarz und weiß: Der Held sucht Mitstreiter, zieht in den Kampf und rettet die Welt. Langweilig? Weiterlesen! Denn Shin Megami Tensei: Digital Devil Saga (ab 69,98€ bei kaufen) macht euch zum schweigsamen Menschenfresser, der seine dämonischen Triebe befriedigen muss. Die ungewöhnliche Prämisse riecht nach einem Hitkandidaten, aber was hat Atlus’ Final Fantasy-Konkurrent spielerisch auf dem Kasten?

Karma. Atma. Shanti. Mantra. Nirvana.

Ausdrücke aus dem Sanskrit erwarten euch, wenn ihr für Digital Devil Saga die PS2 anknipst. Ebenso ungewohnt die Umgebung, in der Serph mit seinem Clan lebt: Da erstreckt sich z.B. mitten im Zentrum des Schauplatzes ein Tempel, der an indische Stätten der Verehrung erinnert. Dass Rollenspiele aus dem fernen Osten Sagen und Mythen aus aller Welt zitieren ist nichts Neues – der Hinduismus war jedoch selten so präsent wie hier. Nur das brillante Descent: Freespace bediente sich ähnlich großzügig bei den von Kolumbus verfehlten Asiaten.

Einzigartig sind aber nicht die Begriffe, sondern die unterkühlte Inszenierung, welche sich in einem Wort zusammenfassen lässt: Grau. Das klingt schrecklich

Alle Bewohner des Junkyards tragen solche Zeichnen, seit sie unter Anspannung zu Menschen fressenden Monstern mutieren.
eintönig und furchtbar langweilig? Mitnichten! Die Erfinder zeichnen eine postapokalyptische Einöde, in der sechs autonome Clans einerseits um ihr Überleben und andererseits um die Vorherrschaft kämpfen. Das Geschehen wirkt dabei unerwartet bodenständig, denn ihr zieht u.a. mit gewöhnlichen Schießeisen in das Abenteuer. Aber woher kommt dann die Faszination, die mich an das buchstäblich coole Abenteuer fesselt?

Da ist zum einen der ungewöhnliche Stil: Die Charaktere sehen aus, als hätten die Designer sämtliche Figuren mit wenigen Strichen gezeichnet, die Farbgebung wird vom erwähnten Grau bestimmt und ausgerechnet der Protagonist spricht kein einziges Wort – das wirkt angenehm unverbraucht im sonst farbenprächtigen Fantasy-Einerlei. Zum anderen bekommt die Handlung einen erwachsenen Unterton, da sämtliche Bewohner des so genannten Junkyard (Schrottplatz) von einem Virus infiziert wurden, der sie im Kampf in Menschen fressende Dämonen verwandelt. Ein seltsames Wesen ruft alle Clanführer schließlich in den zentralen Tempel und fordert sie auf, sich gegenseitig zu vernichten. Nur dem Sieger wird Zutritt zum mysteriösen Nirvana gewährt...

Unbequem. Moralisch fragwürdig. Klasse!

Wesentlich bequemer ist der Ablauf eures eigentlichen Abenteuers: Ihr erlebt (hervorragend gefilmte) Einspielungen, kauft Waffen, Ausrüstung sowie Fähigkeiten, begebt euch zum vorgegebenen Ziel und schlagt euch über viele Feinde zum Zwischengegner durch. Das Geschehen ist im Gegensatz zur Präsentation leider ausgesprochen statisch – ein Eindruck, der mit ideenlosen, durchgehend rechteckigen Räumen nur verstärkt wird. Auch die martialischen Auseinandersetzungen zitieren Altbekanntes:

Taktisch, fordernd, gut: Die klassischen Rundenkämpfe bieten viel Tiefgang.
Runde um Runde lasst ihr eure Party angreifen, verteidigen oder heilen; anschließend sind die Widersacher am Zug. Falls ihr darauf keine Lust habt, könnt ihr zwar den automatischen Kampf aktivieren, dann verliert ihr allerdings schneller als ihr "Setz' doch auch mal Spezialkräfte ein!" rufen könnt.

Dafür setzt Atlus spannende Geplänkel in Szene so lange ihr eure Mannen selbst steuert, denn ihr könnt sie jederzeit in ihre menschliche Form zurück verwandeln. Das entschärft zwar den erzählerischen Zwang, der die Figuren in ihr unabwendbares dämonisches Schicksal treibt, öffnet aber taktische Möglichkeiten. Als Menschen nutzen sie statt magischer Fähigkeiten nämlich Handfeuerwaffen und setzen ihren Feinden mit starken Kombos zu. Mein Favorit ist das Kreuzfeuer: Alle drei Charaktere ziehen ihre Bleispritzen, drehen sie lässig im Handgelenk, Serph legt seine Pistole quer – kurze Pause – Krawumm!  

Ausblick

Ich bin THQ unglaublich dankbar dafür, dass das ungewöhnliche Abenteuer seinen Weg nach Europa findet. So sehr unter der Oberfläche auch der Charme eines altbackenen Knäckebrots schlummert und die Gestaltung der Levels von uninspirierter Handwerksarbeit zeugt, so sehr begeistern mich die taktischen Kämpfe sowie das einzigartige Szenario. Die Mischung aus indischen Einflüssen, Science Fiction und einem Hauch von Horror fasziniert mich mehr als die tausendste Neuauflage bunter Fantasy-Welten. Schon allein der schweigsame Held verkörpert die unterkühlte Atmosphäre perfekt. Die fertige Version muss allerdings beweisen, dass die lieblose, eckige Umgebung auf Dauer nicht abschreckend wirkt, dass die anspruchsvollen Kämpfe immer wieder neue Strategien fordern und die vielen Zufallsgegner nicht doch zu sehr frustrieren.

Ersteindruck: gut

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