Tiger Woods PGA Tour 0901.09.2008, Benjamin Schmädig
Tiger Woods PGA Tour 09

Im Test:

Endlich: Der Tiger erhält Unterstützung! Jahrelang musste sich der Ausnahmegolfer bei EA Sports im Alleingang an die Spitze der Weltrangliste arbeiten, obwohl es sein reales Ebenbild ohne Trainer Hank Haney nie so weit geschafft hätte. Jetzt ist Haney da und coacht nicht nur Woods, sondern steht auch euch hilfreich zur Seite. Ist das schon alles, was sich an EAs virtuellem Tee geändert hat?

Das internationale Parkett

Erlaubt mir einen kurzen Blick zurück: Im vergangenen Jahr übernahmen die Madden NFL-Macher das Ruder der PGA Tour, konnten der Serie allerdings nicht den erhofften frischen Wind einhauchen. Ganz zu schweigen davon, dass einige der wichtigsten Änderungen den Zugriff auf EAs Internet-Server voraussetzten - die wegen technischer Schwierigkeiten allerdings lange ohne Kundschaft blieben. Allerdings bekamen die virtuellen Golfer einen Wert für Zuversicht verpasst: Falls sie mit ähnlichen Schlägen in der Vergangenheit erfolgreich waren, erhöhte sich die Erfolgschance für den kommenden Schlag. Dynamische Erfahrungswerte, die sich dem

Das überarbeitete GamerNet zeigt, wie nahtlos man On- und Offlinespiel verbinden kann.

Verhalten des Spielers anpassen? Das war eine großartige Idee - die Auswirkung des Systems aber leider vernachlässigbar. Doch EA Sports hat nachgebessert...

Und zwar nicht nur in Sachen Erfahrungswerte, sondern auch beim Online-Service GamerNet. Der funktionierte einige Wochen nach Verkaufsstart immerhin endlich reibungslos und wird in diesem Jahr um ein sinnvolles Detail aufgefrischt: Wenn ihr wollt, wird stets eingeblendet, ob es für euren aktuellen Schlag eine Herausforderung gibt. Hat also ein Spieler irgendwo auf der Welt z.B. über weite Distanz besonders nah ans Loch getroffen und hat er diesen Schuss als Herausforderung hochgeladen, kann jeder andere Spieler versuchen, diesen Rekord einzustellen oder gar zu überbieten. Per Tastendruck gelangt ihr außerdem nach jedem Schlag in ein Menü, über das auch ihr euren letzten Schlag als Herausforderung hochladen und verschiedene Siegbedingungen festlegen dürft. Anders als im vergangenen Jahr müsst ihr also nichts weiter tun, als einfach zu spielen, angezeigte Rekorde zu übertreffen und so Punkte für die GamerNet-Rangliste zu sammeln oder quasi nebenbei eure eigenen Herausforderungen anzubieten. Selten wurde eine Online-Anbindung so nahtlos in eine Solo-Laufbahn integriert!

Bequemes Profi-Golfen

Trotzdem solltet ihr für die Mehrzahl der von Spielern gemachten Aufgaben ins GamerNet-Menü wechseln. Immerhin sucht EA jeden Tag den Teilnehmer mit den meisten Punkten, und im gewöhnlichen Turnier bleibt euer Ball selten genau dort liegen, von wo aus eure weltweiten Kontrahenten Herausforderungen hochgeladen haben. Vielleicht steht euch nach der Punktejagd im GamerNet aber ohnehin nicht der Sinn? Dann dürft ihr euch wie gewohnt auch im herkömmlichen Online-Wettkampf messen. Mit dem Unterschied, dass sich EA bei der Konkurrenz  umgesehen hat und bis zu vier Spieler gleichzeitig abschlagen lässt. Bunte Flugbahnen verdeutlichen dabei, wohin eure Kontrahenten schießen; die zähen Wartezeiten nach jedem Schlag fallen damit weg. Der herkömmliche Wechselmodus steht selbstverständlich ebenfalls zur Wahl.

Ansonsten ändert sich weder in Sachen Abwechslung noch was die Steuerung anbelangt etwas Wesentliches. Ihr könnt weiterhin zwischen einer mit dem linken Analogstick simulierten Ausholbewegung und der im letzten Jahr erstmals auf Konsole eingeführten Drei-Klick-Steuerung wechseln, legt vor dem Schlag unkomplizierter als zuletzt fest, 

Auf den ersten Blick unspektakulär, auf den zweiten der schönste Golfrasen aller Zeiten.

in welche Richtung der Ball abdrehen soll, verpasst ihm über den rechten Stick Vorwärts- oder Rückwärts-Drall, ärger euch nach wie vor, dass eure Schüsse mitunter weiter oder kürzer fliegen als sie es laut der angegebenen Berechnung tun sollten und freut euch über eine ausgesprochen übersichtliche Bildschirmanzeige. Vorbildlich: Wichtige Informationen werden jetzt groß hervorgehoben, anstatt in einer kleinen Ecke aufgezählt zu werden. Merkwürdig nur, dass die Entwickler scheinbar vergessen haben, die Pressure Moments, also das hörbare Herzklopfen vor wichtigen Putts z.B., zu aktivieren. Im Menü kann man sie zwar einschalten - auftauchen tun sie trotzdem nie oder vernachlässigbar selten.

Eindrucksvoller Football-Rasen

So absolviert ihr die komplette PGA Tour einschließlich FedExCup oder beides separat, fordert in einem der zahlreichen Wettbewerbe mit abgeändertem Regelwerk eure Freunde heraus, meistert in der Tiger-Herausforderung abwechslungsreiche Herausforderungen oder versucht euch in diversen Minispielen. Abgesehen davon, dass EA die Anzahl der lizenzierten Kurse und Profis vorsichtig aufstockt, bleibt der (enorme) Umfang praktisch unverändert. Die Anzahl der Spielvarianten bleibt sogar gleich. Am meisten überrascht dabei die inhaltlich fast unveränderte Tiger Challenge, denn EA hatte den kurzweiligen Ausgleich zur realitätsnahen PGA Tour zuvor zumindest im Detail Jahr für Jahr umgekrempelt.    

Immerhin verpassen die Entwickler dem Ganzen einen moderneren Anstrich, der sich spürbar bezahlt macht. Die Farben wirkte durchgehend satter, das Bild damit harmonischer und besonders der Rasen sah nie überzeugender aus! Wer in Richtung Madden NFL 09 schielt, erkennt dabei übrigens sofort, dass EAs Golfer und Footballer im gleichen Haus sitzen. Einige Fairways glitzern von oben betrachtet zwar so stark, als bestünde ihr Boden aus Metall, dafür flimmern Baumkronen sowie Objekte im Hintergrund weitaus weniger als zuletzt. Nein, von fotorealistischer Brillanz kann bei Tiger Woods keine Rede sein - der Unterschied zum Vorjahr ist aber sehr angenehm. Den idyllischen Ausflug an exotische Urlaubsziele fängt es aber nicht zuletzt auch wegen der ausgesprochen stimmungsvollen Geräuschkulisse mit Leichtigkeit ein. Lediglich das Zusammenspiel der beiden neuen Kommentatoren funktioniert nicht. Für sich genommen begleiten Moderatorin Kelly Tillman und Golfprofi Sam Torrance euer Spiel zwar zufriedenstellend; wenn man aber durchgehend spürt, dass die beiden nie gemeinsam im Tonstudio gesessen haben, wirkt ihre Moderation auf Dauer

Neu im Team: Tiger Woods' Trainer Hank Haney.
spröde. Der Abschied vom großartigen Kommentatoren-Gespann Gary McCord und David Feherty ist nach fünf Jahren Dauereinsatz verkraftbar - aber er fällt schwer.

Training & Tuning

Am wichtigsten sind jedoch jene Neuerungen, in denen euch Hank Haney beratend zur Seite steht - auch wenn Tigers Trainer praktisch kaum mehr tut, als nüchternen Textfenstern ein Gesicht zu geben. So unterscheidet sich das Sammeln von Erfahrungswerten in Ausgabe 09 deutlich von dem der vergangenen Jahre. Denn in Zukunft beschränkt ihr euch auf das gezielte Verbessern von vier grundlegenden Fähigkeiten (Schlagstärke, Genauigkeit, Spiel über kurze Distanz sowie Putten), anstatt ein Dutzend Werte zu verwalten. Spielt ihr eine gute Partie, steigen die Werte in den Bereichen, in denen ihr euch geschickt angestellt habt - erwischt ihr einen schlechten Tag, widerfährt euch das Gegenteil. Doch egal, wie ihr abschneidet: Nach jeder Partie kommt Haney auf euch zu und schlägt Trainingssitzungen vor, um wie in den Vorgängern bestimmte Fertigkeiten weiter (oder überhaupt) zu steigern. Allerdings verbessert ihr euch in Haneys Lektionen nicht dauerhaft, sondern erhaltet lediglich einen Werteschub für die darauf folgende Partie. Das ist deshalb sinnvoll, weil eine echte Steigerung so nur im Wettkampf stattfindet und dem Training keine übergroße Bedeutung zukommt.

Tatsächlich liegt darin das Problem des eigentlich cleveren Systems begründet: So lange ihr auf Fairway und Grün eine einheitlich gute Leistung zeigt, verbessern sich auch eure Werte. Falls ihr eurem Können allerdings dauerhaft auf die Sprünge helfen wollte - das Üben sorgt immerhin für einen sehr deutlichen Schub der trainierten Fähigkeiten - verbringt ihr etliche Stunden mit den immer gleichen Lektionen (über unterschiedliche Weiten den Zielkreis treffen). Es mag realistisch sein, dass nur regelmäßiges Training einen Sportler in Form bringt; spielerisch ist das ermüdend! Zudem kommt das mit dem herkömmlichen Stufenaufstieg gekoppelte Erfahrungssystem spätestens dann in Erklärungsnot, wenn die nur durch eigene Leistung gesteigerten Werte zum Selbstläufer werden. Sprich: Irgendwann merkt man allzu deutlich, dass nur der hohe Wert für Präzision den Ball

Hommage oder Zeitnot? Das Club Tuning findet auf einem an ein Football-Feld erinnernden Rasen statt.
so nah am Loch platziert - das eigene Können damit aber gelegentlich wenig zu tun hat.

Welcher Schlägertyp bist du?

Ähnlich skeptisch war ich in Bezug auf das manuelle Einstellen der Schläger. Will ich mich wirklich hinstellen und die Eigenschaften meiner Schläger manuell anpassen, damit sie meine Bälle auf eine dezent andere Flugbahn schicken? Oh, ja, das will ich! Denn zum Einen ist das Justieren der fünf Eigenschaften durch einfaches Verschieben nach links oder rechts im Handumdrehen erledigt (ihr stellt jeweils einen der vier Schlägertypen, nicht jeden einzelnen Schläger ein), zum Anderen  konnte ich die virtuellen Arbeitsgeräte in der Tat meinem Spiel anpassen. Ich bevorzuge kurze Schüsse mit hoher Flugbahn, und was zu Beginn nur schlecht möglich war, fiel mir mit den abgestimmten Schlägern deutlich leichter - hervorragend! Das Tunen steht zwar nicht im Mittelpunkt, da ihr es im besten Fall nur einmal benötigen werdet und euer Handicap dadurch nicht schlagartig sinkt. Es macht die aktuelle PGA Tour aber zugänglicher und befriedigender.

Nicht zuletzt ist es vor allem eine weitere Möglichkeit, den von euch geschaffenen Profi euren Vorlieben anzupassen; in Sachen Identitätsfindung macht Tiger Woods immerhin niemand etwas vor. Allein das im letzten Jahr vorgestellte Photo Game Face, mit dem ihr euer eigenes Gesicht einlesen und als Alter Ego nutzen dürft, ist allen anderen Charaktererstellungen meilenweit voraus. Klar: Wer das Ergebnis mit dem Spiegelbild vergleicht, der sieht den weiten Weg, den virtuelle Charaktere noch vor sich haben. Trotzdem ist es angenehm verblüffend, die eigenen Gesichtszüge auf einer virtuellen Figur zu er entdecken! Vielleicht schaffen es die Entwickler ja in der nächsten Ausgabe auch, dass jedes auf den EA-Server hochgeladene Foto vom Spiel genutzt werden kann... Abgesehen vom individuellen Gesicht streift ihr eurem Golfer im Verlauf seiner Karriere neue Klamotten über, um fernab jeder Realität diverse Fähigkeitswerte marginal zu steigern, kauft (!) ihm oder ihr zusätzliche Animationen für Schwung, Freude sowie Ärger - und absolviert so die mit winzigem Abstand beste PGA Tour dieser Konsolengeneration.  

Fazit

Mit der Einführung der Zuversicht tat schon EAs letztjährige PGA Tour einen wichtigen Schritt, um die individuellen Spielweisen der Hobby-Profis hervorzuheben. Die diesjährigen Fähigkeiten, welche die tatsächliche Klasse der Spieler wiedergeben, sind eine sinnvolle Erweiterung dieser Idee - die Reduzierung auf vier grundlegende Eigenschaften ebenso, da man seine Stärken und Schwächen besser im Blick hat. Schade aber, dass Tiger Woods' Trainer nur als Menü-Verzierung herhalten muss und die von ihm angesetzten, immer gleichen Trainingseinheiten irgendwann entweder langweilig oder überflüssig werden, weil die Charakterentwicklung letztlich ohne sie stattfindet. Abgesehen davon präsentiert sich Ausgabe 09 als souveräner Serienvertreter: Sinnvolles Schläger-Tuning, umfangreiche Karriere, zahlreiche Spielvarianten sowie die vorbildlicher Online-Anbindung machen sie sogar zur besten Golfsimulation dieser Generation - mit ein wenig mehr Feinschliff, gerade in Sachen Fähigkeiten und Erfahrungswerte, hätte der Tiger in diesem Jahr sogar Gold abstauben können. Letztendlich setzt er sich trotz des neuen Anstrichs sowie des Austauschs seiner Kommentatoren allerdings zu wenig von seinem letzten Auftritt ab.

Pro

physikalisch überzeugende Simulation
nahtlose Einbindung der GamerNet-Herausforderungen
übersichtliche Fähigkeiten, die sich der Spielweise anpassen
enorm hilfreiches Schläger-Tunen
detaillierte Charaktererstellung mit Foto-Einbindung
umfangreiche Karriere, etliche Spielvarianten
überarbeitete, idyllische Kulissen, meist glaubwürdiges Gras
stimmungsvolles akustisches Umfeld
zahlreiche Kurse, Zusammenstellen eigener Loch-Abfolgen
True Swing oder Drei-Klick-Steuerung
einfaches Einstellen von Drall 
simultanes Online-Spiel für bis zu vier Teilnehmer
sehr übersichtliche Anzeige

Kontra

keinerlei neue Spielvarianten
einige Schüsse kürzer oder weiter als angezeigt
unpassend: Kleidung wertet Fähigkeiten auf
Hank Haney hat wenig zu tun
ständig gleiches Training kann Nerven kosten
Kommentatoren treten nicht als Duo auf
Game Face kann nicht alle eigenen Fotos vom EA-Server lesen
Erfahrungsstufe des Charakters wiegt stärker als Fähigkeiten des Spielers

Wertung

360

Der Tiger befindet sich auf Golfkurs - kommt aber noch nicht ganz oben an.

PlayStation3

Ein Golfspiel, dass sich seinen Spielern anpasst - die derzeit beste Simulation.

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