skate 229.01.2009, Paul Kautz
skate 2

Im Test:

Der Birdman hat Konkurrenz: Vor anderthalb Jahren schaffte es EA mit skate, an dem sonst unberührbaren Tony Hawk-Monument zu rütteln - genau genommen zu husten und zu pusten, bis all die bequemen Lorbeeren, auf denen sich Neversoft seit Jahren ausruhte, stinkend von dannen wehten. Die innovative Steuerung und das lässige Design sorgten für Freudenlaute unter Funsport-Fans, der Nachfolger war unvermeidlich. Rockt auch er?

Digge Libbe risgiern

Die Jugendkultur und ihre Sprache sind für Außenstehende meist unerklärlich. Das geht bei einfachen Dingen los (mit Grauen denke ich dabei an die morgendlichen Mitfahrer in der S-Bahn und ihre »Ey Digger, kuck dir das an Digger, sowas haste noch nie gesehen, Digger. Kuck, Digger, ey Digger, kuckst du Digger?«-Orgien,

skate ist und bleibt auch im zweiten Teil ein Spiel für den frustresistenten Funsport-Fan - die Steuerung erfordert Gewöhnung, die Aufgaben sind schwer. Dafür ist das Gefühl, eine davon geschafft zu haben, umso schöner.
bei denen die markerschütternde Explosion meines Kopfes nur durch eine extralaute Portion Muse verhindert werden kann) und endet bei schlimmen Synchronisierungen wie bei der Friends-Folge, in der aus dem lässig ausgewürgten »PlayStation, huh? That's whack!« von Joey Tribbiani in der deutschen Fassung ein »PlayStation, was? Das ist grell!« wird. Ja, grell. Das sagt man doch so, wenn man heute unter all den Diggen die diggste Sau sein will. Oder, Digger?

Wie auch immer: Geschätzte Zuleser, ihr könnt mir vielleicht helfen. Denn ich habe so meine Schwierigkeiten mit der deutschen Version von skate 2 (ab 19,98€ bei kaufen) - ich verstehe sie nicht. Oder vielleicht will ich sie nicht verstehen, denn ich habe echte Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass es da draußen Menschen gibt, die ohne zuckende Entgleisung ihrer Gesichtszüge Dinge wie »Sicke Session, Dude!«, »Zieh dir den freshen Clip rein!«, »Hier wollte ich schon immer mal shooten!«, »Üblomatik« oder »Fette Knast-Session!« sagen? Wirklich? Wird da draußen echt so gesprochen? Bin ich mit meinen 32 Lenzen nachweislich zu alt für diesen Scheiß? Oder hat da die Eindeutschungs- und Streetwise-Abteilung von Electronic Arts unter Einfluss von vermutlich nicht völlig legalen Drogen mal gehörig am Rad gedreht?

Skatemädchenjunge!

Ärgerlicherweise führt kein Weg an Üblomaten und Sickfreshreinclippern vorbei, denn EA vermittelt der Zwang zur teutonischen Zunge - steht die Konsole auf Englisch, gibt's Französisch als Belohnung, auch auf der sonst in dieser Hinsicht oft die Ausnahmerolle einnehmenden PS3. Schlucken wir den Ärger also runter und behalten wir den Blick auf der Straße bzw. auf der verhüllten Gestalt, die im langen Intro-Video aus dem Knast in die Freiheit geführt wird. Jup, das seid ihr. Spitzenidee, den Spieler zum Ex-Knacki zu machen, EA! Aber auch von diesem glorreichen Einfall abgesehen ist das Intro leider lange nicht so witzig wie die Krankenhausfahrt des Erstlings. 

Ein Hoch auf die Gleichberechtigung: Jetzt sind auch weibliche Skater möglich. Auch wenn sie dezent maskuline Züge an den Tag legen...
Danach geht es in den Editor, in dem man sich seinen neuen Traumtypen zusammenbastelt - bzw. Traumtypin, denn in skate 2 sind auch weibliche Skater möglich. Zumindest theoretisch, denn mit Ausnahme des Gesichts und der Frisuren teilen sich Männlein und Weiblein den über weite Teile gleichen Editor-Pool, außerdem wirken die Frauen allesamt dezent maskulin. Die Möglichkeiten der Personalisierung sind wie im Vorgänger sehr beschränkt: Ein paar Gesichter, ein paar Frisuren, einige Klamotten, etwas Gefummel am Board - das war's. Da sind wir gerade von den EA-Editoren Umfangreicheres gewohnt!

Steht der Skater, wartet auch schon der Glanz und die Glorie des neuen San Vanelona. Einiges ist neu in Skateland und nicht alles davon ist gut. Fangen wir mal mit den positiven Erweiterungen an: Die im Erstling schmerzlich vermissten Liptricks und Handplants sind mittlerweile möglich und auch sehr einfach auszuführen. Falls ihr keine Lust darauf habt, euch persönlich mit dem Weg zum Ziel herumzuschlagen, könnt ihr neuerdings auch zum »Skitchen« greifen - also euch an vorbeifahrenden Autos festhalten und mitzerren lassen. Wem das immer noch nicht schnell genug geht, der kann auch einfach im Pausenmenü das Ziel der Wahl anklicken und sich direkt hinbeamen lassen - die U-Bahn des ersten Teils gehört der Vergangenheit an.

                

Yay, Handplants! Diese Tricks lassen sich leicht ausführen und prima in Kombos integrieren.
Kommen wir zu den Verschlimmbesserungen: Wie schon anno Tony Hawk's Underground  könnt ihr euch per Knopfdruck vom Skateboard schwingen und zu Fuß weiterlaufen. Das hat schon seinen Sinn: War das Erklimmen einer Treppe in skate eine Unmöglichkeit, die immer mit umständlichen Umwegen einher kam, springt man jetzt einfach vom Brett und läuft die Stufen hoch. Aber dass die sonst so grandiose Steuerung völlig versagt, sobald man seine Beine auf die Muttererde setzt, kann einen in den Wahnsinn treiben: Dass man die Kamera nicht frei um den Skater bewegen kann, mag lästig sein, ist aber noch verschmerzbar. Viel nervender ist, dass der Rollenheld nur flüssig geradeaus laufen kann - ein Richtungswechsel, und sei er auch noch so klein, geht immer mit einem kurzen Zucken einher - furchtbar! Besonders lästig wird dieses Feature in Kombination mit der anderen Neuerung: Ihr könnt jetzt, auch das hat Gevatter Hawk bereits vorgemacht, Objekte verschieben und damit theoretisch eigene Skate-Spots schaffen. Theoretisch deshalb, weil zum einen dieses Feature in der Karriere nur aller Jubeljahre mal gebraucht wird. Und zum anderen, weil die Objekte nur sehr fummelig zu  bewegen sind und scheinbar durch die Bank aus Balsaholz zu bestehen scheinen.

Bezahlte Effektheischerei

Ihr könnt vom Brett absteigen und Objekte verschieben - beides sinnvolle Ideen, die aber schlampig umgesetzt wurden.
Das grundsätzliche Spielprinzip von skate bleibt unverändert - und das ist auch gut so. Denn die FlickIt!-Steuerung sorgt nach wie vor für eine faszinierende Mischung aus Frustmomenten und Erfolgserlebnissen, die größtenteils glaubwürdige Physik lässt den Skater eben nicht magisch an Rails kleben oder problemlos acht 900s hintereinander stemmen. Jeder Ollie, jeder Heelflip, jeder 360 Christ Air und jeder Frontside Flip ist hart erkämpfte Arbeit - das Erfolgerlebnis nach einem gut gelandeten Trick ist hier wie gewohnt weitaus größer als bei jedem Tony Hawk-Teil. Und wenn ein Trick mal in die Hose geht? Kein Problem: Zum einen gibt es mit dem »Session Marker« eine Art Live-Quicksave, mit dem ihr schnell und unkompliziert zu jedem beliebigen Punkt zurückkehren könnt - Challenge-Starts werden automatisch gesichert. Zum anderen gehören Blessuren einfach zum Skate-Erlebnis dazu, dieses Mal werden sie auch visualisiert - der Skater zeigt verdreckende Klamotten sowie oberflächliche Schürfwunden. Zu jedem Sturz gibt's gemeingefährlich gesampelte Fall- und Knackgeräusche; die Soundeffekte sind einmal mehr hervorragend, Skateboards haben sich noch nie besser angehört.

Im Replay-Editor könnt ihr wieder mal schalten und walten, wie euch das Herz begehrt - jedenfalls so lange ihr keine Effekte einsetzen wollt, denn die kosten extra...
San Vanelano, die fiktive Großstadt, in der auch schon der Vorgänger spielte, ist im Großen und Ganzen neu - Kenner des Vorgängers werden allerdings viele vertraute Spots wiedererkennen, die dezent überarbeitet (lies: versifft) eine Rückkehr feiern - wie der Megapark oder der Classic Pool. In der Karriere gibt es erstaunlich viel Freiheit bei der Vorgehensweise: Man kann sich sklavisch an die nach und nach immer öfter aufpoppenden Missionen halten oder frei herumcruisen und nach »ownbaren« Spots oder sonstwie coolen Locations suchen, an denen ihr Mördertricks aus dem Ärmel zaubert. Falls einer davon so gut ist, dass ihr euch davon einen Oscar versprecht, könnt ihr jederzeit zum Replay-Editor wechseln: Hier lassen sich die letzten 30 Sekunden aus verschiedenen Kameraperspektiven betrachten, die sich je nach Situation wechseln oder mit unterschiedlicher Geschwindigkeit abspielen lassen. Das Resultat könnt ihr auf die skate-Server hochladen und von der Community bewerten lassen, auch einzelne Screenshots sind möglich. Aber viel mehr auch nicht, Kenner des Vorgängers werden vor allem die Möglichkeit vermissen, die Videos mit Effekten zu verschönern. Standardmäßig ist die Option auch nicht mehr dabei, Electronic Arts lässt sich diese Spielereien unter dem Namen »Filmer Pack« mit barer Münze extra bezahlen - das ist nicht nett.

          

Jeder ist sich selbst der nächste

Das Aufgabenspektrum ist gleich geblieben: Nach wie vor müsst ihr mal Rails grinden, mal Tricks auf Abruf zünden, Foto- oder Video-Challenges meistern, gegen Profis antreten oder Wettbewerbe gewinnen. Besonders

Ja, skate 2 hat grafisch seine Höhepunkte - aber im Großen und Ganzen ist das Gezeigte bestenfalls solide, schlimmstenfalls grottig.
Letzteres ist nach wie vor ein Geduldsspiel, denn die Mitfahrer-KI ist behämmert: Respekt ist ein Fremdwort, jeder fährt für sich allein, ohne Rücksicht auf andere - mag realistisch sein, schmälert aber den Spaß. In anderen Fällen gibt es Möglichkeiten, sich das Leben zu erleichtern: Zückt man die virtuelle Brieftasche, springen Homies zur Tat: Der eine hält einem Sicherheitsleute vom Hals, der andere befreit Rails von Anti-Skate-Klammern, der nächste legt Pools trocken. Das dafür benötigte Geld erhält man für gemeisterte Aufgaben; zusätzlich gibt's auch Sponsoren-Interesse, Klamotten, neue Kontakte und Ausrüstung fürs Brett.

Skater sind ungern allein: Habt ihr drei Freunde zur Hand, könnt ihr vor einer Konsole nacheinander eure Trick-Bestleistungen überbieten oder möglichst effektvoll stürzen. Viel interessanter sind aber die Online-Modi: Wie vom Vorgänger gewohnt gibt es auch hier sehr unterhaltsame Trick- und Punktwettbewerbe, die jetzt um coole Koop-Modi ergänzt werden. Hier hat die anwesende Mannschaft (bis zu sechs Spieler) in Burnout Paradise -Tradition gruppenspezifische Aufgaben: Bestimmte Gesamtpunktzahlen erreichen (teilweise ohne zu stürzen) oder gemeinsam Tricks ausführen - interessanterweise sind Offline- und Online-Modi insofern miteinander verzahnt, als dass sich beim Internet-Spiel Geld für das lokale Game dazuverdienen lässt. Hier wie da sind die Ladezeiten ziemlich lang, aber auch ziemlich gut getarnt: Während man nämlich auf den Spielbeginn wartet, turnt einem der eigene Skater lässige Zeitlupen-Tricks vor.

Das neue alte San Vanelona ist voller kreativer Skate-Spots, die ideenreich genutzt werden können. Mittlerweile kommt man auch weitaus schneller von A nach B.
skate sah, ich zitiere mich mal aus dem ersten Test selbst, »nicht übel, aber auch nicht spektakulär« aus. Das Highlight des Spiels waren die butterweich animierten Skater, und daran hat sich auch nichts geändert: Die Bewegungen sind grandios und gehen flüssig ineinander über, die Physik wirkt über weite Teile solide und glaubwürdig. Der Rest hingegen ist unterdurchschnittlich, ganz besonders die Figuren an sich wirken wie hochgerechnete PS2-Modelle: detailarme und leblose Gesichter, unscharfe Klamotten-Texturen, hässliche Haare. San Vanelona an sich wirkt als Stadt glaubwürdig, aber aus technischer Sicht ergibt sich auch hier kein schönes Bild; zu matschigen Texturen gesellen sich speziell unansehnliche Bäume und Büsche, die wie aus Klötzen gehauen wirken. Die Geschwindigkeit ist meistens angenehm flüssig, nur selten (besonders bei Kameraschwenks) wird's etwas langsamer, auf PS3 komischerweise spürbarer als auf der 360. Kurz gesagt: Seinen Zweck erfüllt's, aber schön ist anders. Und nicht zu vergessen erwähnte Physik-Bugs: Während des Tests ist es mir ein paar Mal passiert, dass mein Skater beim Ollie mit einem Mal vertikal in der Luft stand oder in der Luft über dem Megapark auf einmal gezuckt hat wie ein Schwarm Zitteraale!         

Fazit

EA Black Box hat mit skate einen modernen Klassiker geschaffen, der sich mutig von den Tony Hawk-Konventionen löste und einen sehr guten eigenen Weg ging. Für den Nachfolger hatten die Entwickler allerdings wohl nur die »Was können wir sonst noch so reinpacken?«-Idee; ein Gedankengang, der schon der Konkurrenzserie mehr geschadet als genützt hat. Resultat:  Das Absteigen vom Board hat seinen Sinn, steuert sich aber furchtbar - genau wie das Verschieben von Objekten. Die Grafik hat meinem Empfinden nach einen Schritt zurück gemacht, besonders die Skater selbst sehen furchtbar aus. Und die deutsche Sprachausgabe... nun, irgendjemand wird's schon cool finden. Verbesserungen im Detail wie das Beamen zu Aufgaben oder die kooperativen Mehrspielermodi sind größtenteils sinnvoll, ändern aber nichts daran, dass sich skate 2 in jeder Hinsicht wie ein Add-On anfühlt; mal ganz davon abgesehen, dass sich EA auch hier mal wieder Standard-Features (in diesem Fall: Die Effekte des Replay-Editors) extra bezahlen lässt. Es ist unterm Strich ein gutes, anspruchsvolles, herausforderndes Spiel - im Vergleich zum großartigen Vorgänger aber eine Enttäuschung.

Update: Die deutsche Fassung von skate 2 (erkennbar am Namen: »Skate 2 (DE)«) ist online nicht kompatibel zu der internationalen Version! Wie schon bei Rainbow Six: Vegas 2  oder Quake 4 bedeutet das im Klartext, dass ihr online nur mit Besitzern der deutschen Fassung spielen könnt. Wollt ihr mit einem Spieler der PEGI-Fassung loslegen, kommt lediglich die Meldung, dass doch bitte die skate 2-Disc einzulegen sei, entsprechende Spiele kommen nicht zustande. Unsere Testfassung betraf das nicht, deswegen ist uns das bislang nicht aufgefallen. Die neue Erkenntnis ändert auch nichts am Testergebnis, sollte aber trotzdem als Warnung an potenzielle Online-Spieler verstanden werden.

Pro

tolle Trick-Steuerung
glaubwürdiges Spielgefühl
tolle Animationen
gute Soundkulisse
sehr große, intelligent designteStadt
herausfordernde Missionen
sinnvolles Hinbeamen zu Aufgaben, keine U-Bahn mehr
spaßige Mehrspielermodi

Kontra

missratene Fußgänger-Steuerung
unterdurchschnittliche Grafik
nervend-pseudocoole deutsche Sprachausgabe
deutsche Version online inkompatibel zu internationaler
steile Lernkurve
problematische Kameraführung
gelegentliche Grafikfehler und Physik-Spinnereien

Wertung

360

Für sich genommen gut, als Nachfolger enttäuschend - EA hat sich für skate 2 in Verschlimmbesserungen verzettelt.

PlayStation3

Mit Ausnahme eines etwas spürbareren Ruckelns ist die PS3-Version zur 360-Fassung identisch.

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