Under Siege16.06.2011, Jörg Luibl
Under Siege

Im Test:

Echtzeit-Strategie auf der Konsole? Da gab es viele desaströse, einige ambitionierte und nur wenig kreative Ansätze wie etwa RUSE. Die portugiesischen Seed Studios spielen hinsichtlich Schauplatz und Mechanik allerdings keinen riskanten Poker, sondern klassisches Halma: Man führt eine kleine Truppe ohne Basisbau durch einen Fantasykrieg. Wir sind mit den tapferen Rebellen Eirik, Kari und Asgeir marschiert.

Der pure Krieg ohne Basis

Vor Beginn einer Mission wählt man die Startplätze seiner Truppen.
Vor Beginn einer Mission wählt man den Typ und die Startplätze seiner Truppen.
Keine Kasernen, kein Holz, kein Stein: Under Siege verzichtet komplett auf den Basisbau oder Rohstoffe und konzentriert sich ähnlich wie der Klassiker Myth auf das reine Management der Truppen.  In die eigenen Recken kann man im Laufe der Kampagne also sein Herzblut und sein Geld investieren. Entweder kauft man sich bei Verlusten frische, aber unerfahrene Kräfte hinzu oder man steigert die Werte der überlebenden Veteranen – gerade Letzteres sorgt für Motivation, wenn Krieger nicht nur Feinde provozieren, sondern nach einem Aufstieg auch effizienter attackieren können.

Wer seine Leute verheizt,  wird nicht mal das erste Kapitel überstehen und muss vielleicht von vorne beginnen, denn man kann alte Schlachten nicht nochmal schlagen. Nur wer von Anfang auf seine Leute aufpasst, was angesichts des Schwierigkeitsgrades eine schweißtreibende Sisyphosarbeit ist, wird mit der Zeit immer stärkere Gefolgsleute rekrutieren können. Es gibt typische Klassen wie Krieger, Bogenschützen, Schamanen oder Magier, aber für Fantasy auch ungewöhnlichere wie den schweren Kanonier oder watschelnde Bombenfrösche. Hinzu kommen pro Typ bis zu zwei, mitunter angenehm untypische Spezialfähigkeiten, die man auf Knopfdruck aktiviert  – hier heilen z.B. die Schützen oder gar Bomben in einem bestimmten Radius. Obwohl man insg. nur neun Truppentypen unter seine Fittiche bekommt, sind diese gut ausgewählt, da man sie alle kombinieren und ihre Sonderaktionen vom Feuerpfeil bis zur Verlangsamung immer gebrauchen kann.  

Komfortable Steuerung, schwache Story

Auch hinsichtlich der Steuerung haben die Seed Studios gute Arbeitet geleistet - das Gamepad wird optimal genutzt. Man kann seine Truppen, die meist in Dreiergruppen oder als mächtige Kreaturen auch mal solo auftreten, sehr komfortabel auswählen und bewegen: Die Lassomethode wird über einen Kreis simuliert, der sich bei Knopfdruck immer weiter ausdehnt und fast alle Krieger auf einem Bildschirm umfassen kann – ideal für eine große gemischte Gruppe. Innerhalb dieser orientieren sich bei einem Gefecht automatisch die Fernkämpfer nach hinten; sehr schön.

Die Story wird in statischen Comicszenen präsentiert.
Die Story wird in statischen Comicszenen präsentiert.
Wer es klarer getrennt mag, kann spezialisierte Gruppen bilden, indem er den betreffenden Typ einmal anklickt und einer Position auf dem Steuerkreuz zuweist – ideal um Zauberer oder Schützen immer weit hinten, Krieger immer vorne zu bewegen. Hinzu kommt eine gelungene Integration der Move-Steuerung, die ich zwar nicht als ganz so angenehm empfinde wie jene mit dem Gamepad, weil sie doch etwas schwammiger ist, aber sie ist überraschend handlich und sorgt fast für ein Mausgefühl. Bis hierher hört sich das nach einem guten Spiel an - warum kann es dann nicht begeistern?

Die nordisch angehauchte Story um eine Rebellion und den tapferen Widerstand wird ähnlich erzählt wie in Fire Emblem: Zwischen den Aufträgen erscheinen Comicfiguren, die ohne Sprachausgabe miteinander reden und die Lage sondieren, es gibt im Laufe der fünf Kapitel auch einige Wendungen. Die Geschichte kann allerdings nicht an die epische Sogkraft anknüpfen, den die oben erwähnte Reihe mit ihren Konflikten zwischen den Völkern und all den Intrigen entfaltet. Hier wird alles etwas biederer, etwas weniger stimmungsvoll  erzählt, so dass man schon nach wenigen Kapiteln kaum mitfiebert und die Helden schnell vergisst. Obwohl das Figurendesign durchaus seine Reize hat, will die Mischung aus klassischer Fantasy und Steampunk mit Roboterwesen nicht so ganz aufgehen. Die Musik plätschert zudem eher belanglos als episch im Hintergrund. Aber all das wäre für ein Strategiespiel noch kein Beinbruch.

Kaum taktische Finessen

Froschwesen? Und Roboter? Die Fantasywelt ist bunt.
Froschwesen? Und Roboter? Die Fantasywelt ist bunt, aber gnadenlos. Rechts kann man die Spezialangriffe sehen.

Dass die Begeisterung nicht aufkommen will, liegt aber nicht in erster Linie an der seichten Erzählung, sondern am actionlastigen, teilweies frustrierend planungsresistenten Spielgefühl – schließlich ist das kein Hack’n Slay. Aber leider verzichten die Portugiesen auf taktische Standards und Finessen. Es gibt quasi nur die Attacke. Man kann seinen Truppen weder sagen, dass sie eine Stellung halten, nur defensiv verteidigen oder sich auf Sicht zurückziehen sollen. So muss man sich um jeden Schritt selber kümmern und dabei verflucht man des Öfteren die Automatismen, wenn sich plötzlich jemand aus der Reihe bewegt oder zu früh schießt.

Man kann auch keine Formationen außerhalb der automatisch angebotenen festlegen, so dass gezielte Manöver im Gelände nicht möglich sind. Es gibt weder Verstecke im hohen Gras oder Schnee noch die sinnvolle Nutzung von Hügeln für Reichweitenvorteile – mal schießen Schützen von oben in ein Tal, mal nicht. Es gibt auch keine fatalen Attacken von der Seite oder aus dem Hinterhalt, so dass der Anspruch und die Möglichkeiten im Feld auf das Auslösen der knapp achtzehn Spezialfähigkeiten bei Feindkontakt beschränkt bleiben: Feuerpfeile abschicken, dann Heilung, dann Verlangsamung, plus Stampfattacke oder Schutzschild. Man muss hier einfach schnell alles durchklicken, bevor die Schlacht vorbei ist - und das geht ratzfatz.

Frustrierende Situationen

Es kann zudem unheimlich frustrierende Situationen geben, in denen die eigene Mörsereinheit plötzlich die komplette Truppe in die Luft sprengt -  Game Over. Dass man Friendly Fire optional aktivieren kann, hätte hier geholfen, denn so

Gekämpft wird in Schnee, Wäldern und Wüsten.
Gekämpft wird in Schnee, Wäldern und Wüsten - links sind zwei Truppen auf dem Digipad gruppiert.
mutiert der mächtige Kanonier manchmal zu einem Kamikaze-Verbündeten, den man eher verflucht als begrüßt. Das Missionsdesign setzt zudem zu oft auf die Wiederholung: manchmal bekämpft man lediglich Welle um Welle an Feinden. Die Interaktion mit der Spielwelt beschränkt sich auf das Aufsammeln von Heil-, Stärke- oder anderen Tränken, die kurzfristig die Statistiken verbessern. Und man nimmt das gerne an, zumal es sich lohnen kann, die Umgebung danach abzusuchen, um sich vor dem nächsten Gefecht noch einen Kick zu geben, der hier leider lebenswichtiger ist als die Taktik. Die Physik spielt leider nur rudimentär eine Rolle, wenn man mal Hindernisse wegsprengen muss.

Es ist schade, dass die Portugiesen nicht mehr aus den strategischen Möglichkeiten herausgeholt haben. Manchmal fühlt sich Under Siege eher an wie ein kampflastiges Action-Rollenspiel mit Buffs, weil so schnell so viel passiert und man im Grunde nicht viele Befehle geben kann, während auf dem Schlachtfeld um die Wette geschlitzt und geschossen wird. Pausieren ist nicht möglich und sobald sich zwei Truppen aufeinander zu bewegen, kann man bis auf den Rückzug kaum noch sinnvoll eingreifen. Der Vorteil ist, dass die Gefechte ohne viel Mikromanagement sehr knackig ablaufen, der Nachteil ist, dass sie taktisch kaum Fleisch für Planungen oder Cleverness bieten. Und dass man hier in einer Sackgasse landen kein, weil das Spiel vom linearen Fortschritt ohne Rückfahrkarte ausgeht.

Kein Speicherlicht in Sicht

Eine Komponente der Aufstellung gibt es lediglich vor einer Mission: Da entscheidet man, welche Truppentypen auf welchen vorgegebenen Feldern das nächste Gefecht bestreiten sollen. Die können sich schon mal hinziehen, laufen aber immer so ab, dass man am Ende einer Wegstrecke mit vielen kleinen Scharmützeln meist den dicksten Kampf bestreiten muss – und der kann weh tun. Man kann allerdings nicht vorher speichern, so dass man viele  Missionen in Trial Error-Manier wiederholen muss, bis man weiß, woher die Feinde kommen. Die Schwierigkeit besteht zu selten darin, clever zu kontern, sondern meist darin, dass man seine Krieger nicht rechtzeitig geheilt und dann von einer Übermacht überrascht wird, weil man sich zu früh von A nach B vorgewagt hat.

Stimmungsvolle Gefechte bei Nacht.
Stimmungsvolle Gefechte bei Nacht.
Online oder lokal im Splitscreen gegen einen Gegner sieht die Welt schon wieder angenehmer aus: Dort trifft man auf eine im wahrsten Sinne des Wortes menschliche Intelligenz, die auch mal Fehler macht. Allerdings sorgen Deathmatch & Co trotz Ranglisten auch nur kurzfristig für Laune, denn im Internt gilt meist die eine Regel: Wer den oder die besten gemischten Haufen am schnellsten auf den Feind hetzt, der gewinnt.

Under Siege sieht nicht überragend, aber mitunter ansehnlich aus: Man kann mit der Kamera etwas näher an die einzelnen Kämpfer heran zoomen, die mit den Aufstiegen auch ihre Rüstung etwas ändern. Leider wirken sie in Aktion nicht besonders markant animiert – das Hauen und Stechen mutet immer etwas träge an und vor allem die Soundeffekte sind innerhalb eines Gemetzels unheimlich monoton. Ansonsten ist eher das liebevoll designte Gelände ein Hingucker, weil es mit einigen Schluchten, topographischen Merkmalen und Klimazonen von Schnee bis Wüste für Abwechslung sorgt. Leider kommt es trotz der überschaubaren Truppenzahl immer wieder zu Einbrüchen in der Bildwiederholrate; außerdem hatte ich in meinen Schlachten zwei Totalabstürze.

Fazit

Ich habe diesen Feldzug auf „schwer“ gestartet. Das war ein Fehler, für den ich mit so vielen Toten und Neustarts bezahlen musste, dass ich den Schwierigkeitsgrad bald wieder auf „normal“ zurückschraubte – das passiert mir selten, also bitte nicht weiter erzählen. Under Siege ist überraschend hart für ein Strategiespiel, das auf der Konsole erscheint. Normalerweise haben gerade solche Brocken per se einen Stein in meinem Wertungsbrett. Aber in diesem Fall entsteht auf Dauer zu viel Frust und der Anspruch nicht aufgrund fordernder KI oder taktischer Tiefe, sondern aufgrund der schnöden Übermacht des Gegners. Letztlich trübt dieses ewige Trial&Error das Spielgefühl. Die Seed Studios meistern zwar die Steuerung, ihnen gelingen trotz technischer Probleme von Rucklern bis zum Absturz auch einige ansehnliche Landschaften und Einheiten. Sie scheitern auch nicht in erster Linie an der langweiligen Story, sondern vor allem an den armseligen Möglichkeiten im Gelände sowie der Führung – man kann kaum etwas abseits der Attacke planen, es gibt weder Hinterhalte noch Haltungen, so dass irgendwann nervige Automatismen greifen und das Ganze zum Actiongeschnetzel mit der Aktivierung von ein paar Sonderfähigkeiten mutiert. Es ist wahrscheinlich der Stolz, die Beschränkung auf das Wesentliche und das Truppen-Management, das mich trotzdem immer wieder auf das Schlachtfeld trieb. Irgendwie will man ja doch alle Veteranen durchbringen.

Pro

sehr gute Gamepad-Steuerung
motivierendes Veteranen-Management
Fernkämpfer automatisch hinten
farbenfrohes Figurendesign
effiziente Spezialfähigkeiten
ansehnliche Landschaften
Online-Gefechte & Ranglisten
Splitscreen-Unterstützung
inkl. leistungsstarken Editor
gute Move-Unterstützung

Kontra

biedere Story & Klischeehelden
träge Animationen & Soundeffekte
frustrierend viel Trial&Error & Wiederholungen
zu wenig Taktikfinessen im Gefecht
Formationsbildung ohne Vielfalt & Effizienz
kaum strategische Geländenutzung
kein freies Speichern
viele Ruckler trotz wenig Einheiten
einige Totalabstürze

Wertung

PlayStation3

Trotz guter Steuerung und ansehnlicher Kulisse: Es gibt viel Frust, viel Trial&Error und zu wenig Taktik im Gefecht.

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