No More Heroes: Heroes' Paradise11.05.2011, Jörg Luibl
No More Heroes: Heroes' Paradise

Im Test:

Auf dem Klo wird gespeichert. In der Limousine wird gevögelt. Auf der Straße rollen die Köpfe. Neugierig geworden? Also steht ihr auf Gewalt, Sex und Humor à la Tarantino? Dann müsste No More Heroes theoretisch eure Nerven treffen – wenn auch etwas spät. Das Spiel entführt drei (!) Jahre nach dem technisch katastrophalen Release auf Wii auf die PS3. Kann die Umsetzung mit besserer Kulisse und Move-Unterstützung überzeugen?

Last Killer Standing

Was macht ein schweinecooler Anime-Fan, wenn er bei Ebay ein Beam-Katana aka Laserschwert gewinnt? Er benutzt es. Und zwar professionell. Allerdings hat der ehrgeizige Travis Touchdown ein Problem: Er will die Nummer 1 der Killer werden, ist aber nur die Nummer 11. Also muss er in mühsamer und höchst blutiger Fleißarbeit die Karriereleiter aufsteigen. Da jedes Duell gegen einen ranghöheren Killer eine Gebühr kostet, sollte man auch schnöde Nebenjobs oder kleine Auftragsmorde nicht verschmähen.

Das ist die Story, der Plot und der Handlungsrahmen. Ist das arm? Ja. Aber wenigstens ehrlich. Oder ein wenig geklaut? Der Plot erinnert in seiner fast schon frechen Schlichtheit an den Schwertkampfanime Afro Samurai - kann ich nur empfehlen: da muss sich ein Kämpfer nach oben schlitzen, bevor es zum finalen Duell kommt. Auch ihr müsst letztlich in der städtischen Assassinen-Highscore ganz oben stehen; wie damals am Automaten bei Street Fighter oder Outrun. Und wenn ihr da ankommt, dürft ihr es vielleicht auch mit der blonden Mieze Sylvia Christel treiben, die euch in den Club der Killer eingeführt hat.

Bis dato wird sie euch lediglich mit ihrer verrauchten Stimme betören und beidbeinig aus ihrer Limousine kicken, wenn sich eure Hände auf ihre Schenkel verirren. Hört sich bis hierhin noch alles witzig an, ist erzählerisch schwach, aber thematisch herrlich abgefahren und in Sachen Zwischensequenzen überaus ansehnlich - es gibt gerade in der Vorbereitung wichtiger Kämpfe sehr ansehnliche, bizarr arrangierte Szenen und Schnitte. Sprich: Die Inszenierung der Bosskämpfe ist gelungen. Ein Beispiel gefällig?

Coole Bosskämpfe

Auf der PS3 kann man entweder mit Navigation- und Move-Controller oder dem klassischen Sixaxis-Gamepad loslegen.
Auf der PS3 kann man entweder mit Navigation- und Move-Controller oder dem klassischen Sixaxis-Gamepad loslegen. Letzteres ist präziser.

Da ist ein Baseball-Stadion. Die Kamera schwenkt durchs leere Rund. Ein Mann singt wie Sinatra. Er hat zwei goldene Colts und steht am Wurfpunkt. Sein Name: Dr. Peace. Er ist die Nummer 9 der Killerrangliste. Und ihn müsst ihr besiegen. Oder nehmen wir die Nummer 8, eine kleine flinke Samurai-Lady: Sie kämpft in einer verlassenen Halle gegen euch, verschwindet plötzlich, taucht wieder auf und verspottet euch dabei, bis sie sich die Hand verbrennt.

Wie in guten Bosskämpfen der Marke Metroid Prime oder Zelda führt nur die richtige Taktik zum Erfolg. Man muss seinen Feind beobachten, klug ausweichen und zur richtigen Zeit attackieren. Auf der PlayStation 3 kann man sich in einem neuen, aber absolut verzichtbaren Modus auch komplett auf diese Bosse konzentrieren: In „Score Attack“ darf man sich erneut an den Schergen versuchen, die man in der Kampagne bekämpft – die Motivation dafür ist allerdings nur eine höhere Punktzahl bzw. ein besserer Rang.

In den Bosskämpfen ist No More Heroes richtig gut, richtig spannend. Leider sind das alles nur Augenblicke gehobener Qualität in einem Meer aus durchschnittlicher bis schlechter Technik, das euch zwischen diesen Höhepunkten meterhohe Wellen der Langeweile entgegen wirft. Und so versinkt man trotz theoretisch mehr Power und HD-Auflösung auch an der PlayStation 3 vor allem in einem: In Santa Destroy. In dieser öden, in dieser grottenschlecht präsentierten und an der Schmerzgrenze von Augenkrebs und Kollisionshölle vor sich hin ruckelnden Stadt – daran können auch die besseren Lichteffekte nichts ändern.

Dein Motel, deine Basis

Leider hat man das Kampfsystem für Move nicht verbessert.
Leider hat man das Kampfsystem für Move nicht verbessert. Es ist eher ein Arcdae-Reaktionstest als Schwertkampf - der mit dem Gamepad deutlich präziser von der Hand geht.

Von seinem Motelzimmer aus kann Travis Santa Destroy in Ego- oder Schulterperspektive erkunden. Was kann er in seinem Zimmer machen? Auf dem Klo wird gespeichert, im Wohnzimmer kann er Kleidung wechseln, er kann sich die Stadtkarte mit seinen Resultaten anschauen, seine Katze Jeane kraulen, in der Glotze Trailer oder Wrestlingszenen ansehen, den Anrufbeantworter für Aufträge abrufen, den Kühlschrank nach Essbarem durchwühlen, die Kartensammlung studieren. Hört sich nach viel Abwechslung an, ist aber schnell durchschaut und abgehakt.

Und wie sieht es unterwegs aus? Die Interaktion in der Stadt beschränkt sich auf das Sammeln bzw. Ausgraben von Geld oder Gegenständen: Wer fleißig gegen Abfallcontainer tritt oder mit dem Schwert in den Rasen sticht, wird ab und zu mit Zaster, Klamotten oder Krimskrams belohnt. Großartig auf Glück graben muss man nicht: Gelbe Punkte zeigen an, wo sich etwas verbirgt. Ist das spannend? Nein. Ist das auf Dauer langweilig? Ja. Es gibt immerhin auch ein paar Shops, in denen er T-Shirts, Brillen & Co kaufen kann. Eine Videothek wartet sogar mit Filmen auf - natürlich erstmal nur einer, dann werden es mehr.

Interessanter sind da schon Naomis Labor, wo man neue Katanas erwerben kann oder ein Besuch bei Thunder Ryu. Der Trainer kann euch neue Moves beibringen; ihr könnt aber auch Hanteln stemmen oder Kniebeugen machen - natürlich mit Nunchuk & Remote. Und wenn ihr Lovikoff-Bälle zu Lovikoff bringt, dann bringt er euch neue Techniken bei. Ist das spannend? Nein. Ist das einfach blödes Sammeln und Aufrüsten? Ja. Lebenskraft, Fähigkeiten und Stärke wachsen also im Laufe des Spiels an, so dass ein gewisser Antrieb für die Suche durchaus da ist.

Schema F

Das Spielschema ist aber immer dasselbe, zwingt euch stundenlang in eine Endlosschleife ohne Überraschungen: Nebenjobs erledigen, irgendwann Geld einzahlen, zum Rangkampfort fahren, Aufwärmgemetzel gegen B-Gegner, Duell gegen Bossgegner, in der Highscore aufsteigen, Nebenjobs erledigen, irgendwann Geld einzahlen. Nach knapp zwei Stunden hat man sich Platz 9 erobert. Um für den nächsten Kampf zugelassen zu werden, braucht man schlappe 200.000 Dollar. Also ab auf die Straße und Nebenjobs an Land ziehen. Ist das schnell durchschaut? Ja. Ist das spannend? Nein.

Auch der Rest des Spiels ist inhaltlich eine Wii-Kopie: Kämpfen, rasen, rumlatschen.
Auch der Rest des Spiels ist inhaltlich eine Wii-Kopie: Kämpfen, rasen, rumlatschen. Grafisch natürlich besser als auf Nintendos Konsole, aber weit weg von der Power der Konsole.

Entweder man lässt sich in der Jobvermittlung harmlose Aufträge wie das Kokosnuss sammeln oder gar Rasen mähen geben oder bei der Vereinigung der Killer blutige Auftragsmorde. Dann düst man durch die hässlichen Straßen von Santa Destroy und klappert alle Zielpunkte ab, die in der Minimap erscheinen. Polizei? Reagiert nicht. Straßenverkehr? Lethargisch. Unfälle? Fehlanzeige - bis auf Kickstarts, die euer Bike umhauen. Fahrphysik? Grausam. Ja, man kann Laternen umfahren. Ja, man kann sich auch mal überschlagen.

Aber schon das uralte Headhunter auf Dreamcast hatte ein besseres Fahr- & Stadtgefühl vermittelt als diese kalifornische Geisterstadt mit ihren lethargischen Gestalten. Das ist quasi ein Woodstock für Kontrapunkte - Pop-ups, Tearing, Kanten, Ruckler, Flimmern, Texturtapeten, Kollisionsboxen, fehlende Interaktion und Autos aus der Hölle. Hinzu kommen eine verdammt miese Fahrphysik sowie Passanten, die nicht reagieren oder einfach weg geschoben werden.

Manche Spiele sind zum Schreien. Man möchte sie aufgrund ihrer Coolness lieben, man will mehr von ihren bizarren Helden, aber gleichzeitig will man das technische Drumherum verfluchen. Zumal die Freiheit hier aufgrund des immer gleichen Spielablaufs nur eine Illusion ist, und zwar eine verdammt schlechte. Der einzige Pluspunkt und der so wichtige Kontrapunkt zur wirklich miserablen Version einer "Open World" ist das rasante Kampfsystem.

Das Kampfsystem

Technisch ist die PS3-Version nur leidlich besser: Hübscheres Licht, schärfere Texturen, höhere Auflösung.
Technisch ist die PS3-Version nur leidlich besser: Hübscheres Licht, schärfere Texturen, höhere Auflösung.

Man hat – den Spielegöttern sei Dank - die Wahl zwischen klassischer Steuerung über den Sixaxis-Controller oder einer Move-Steuerung, die allerdings nur mit Zusatz wie Navigation- oder quer gehaltenen Controller funktioniert. Leider gibt es auf PlayStation 3 lediglich eine Kopie, aber keine Erweiterung der Schlagtechnik, hin zum einem authentischen Schwertgefühl; das Ganze fühlt sich eher an wie ein Oben-unten-rechts-links-Reaktionstest. Ihr fixiert einen Feind, könnt komfortabel um ihn herum pirschen und haltet den Move-Controller entweder in niedriger oder hoher Position, um die Art des Schlages festzulegen. Je nachdem, welche Blocks eure Gegner setzen, müsst ihr sie also lediglich anheben oder senken. Danach drückt ihr den Knopf, um den Angriff auszuführen - echtes Herumfuchteln ist nicht nötig.

Soll das nach drei Jahren alles sein? Wie auf Wii wird das echte Schwingen zugunsten eines schnöden Haltungswechsels gar nicht erst versucht - schade. Aber das wäre angesichts des hohen Kampftempos vielleicht auch fatal, denn Travis kann seine Hiebe nicht nur für mächtige Rundumattacken aufladen, sondern ein wahres Feuerwerk an Hieben und Kombinationen auf seine Gegner niederprasseln lassen, bis irgendwann das Symbol für den Todesstoß erscheint: Ein Pixelpfeil in eine bestimmte Richtung. Erst jetzt müsst ihr aktiv mit dem Move-Controller nach links, rechts, oben oder unten schlagen, um den finalen Schlag auszulösen, der dem Feind den Kopf abtrennt oder gleich in der Mitte spaltet; leider gibt es dabei einige Aussetzer in der Schwungabfrage, so dass Move deutlich anfälliger für unfreiwillige Patzer ist.

Danach erscheinen drei Symbole wie bei einem Glücksspielautomaten in der Pommesbude - Glocken, Frösche, Kirschen, Zahlen etc. Habt ihr drei identische, dann kommt ihr je nach Symboltyp in einen der fünf Spezialangriffsmodi: Ihr werdet ultraschnell und tötet alles in der Nähe; die Szene wird überbelichtet und ihr bekommt plötzlich ein Pixelfadenkreuz alter Schule, um damit auf die verbleibenden Feinde zu ballern; ihr kommt in eine Art Berserkerwut und macht jeden Gegner mit einer Kombo nieder; eure Feinde werden verlangsamt; ihr könnt eine alles erschütternde Explosion auslösen. Gerade diese Smartbombs können einen Level in null Komma nichts leerfegen.

Retro trifft Moderne

Einzige wesentliche Neuerung: Ein Bosskampf-Modus zur Verbesserung der eigenen Highscore.
Einzige wesentliche Neuerung: Ein Bosskampf-Modus zur Verbesserung der eigenen Highscore - dort kann man alle Duelle der Kampagne wiederholen und seine Punktzahl übers Internet vergleichen.

Der Komborausch aus Münzen und Blut erinnert an die Explosionsorgien von Vertikalshootern. Diese Stilbrüche überraschen immer wieder und machen den unverkennbaren stilistischen Reiz des Spiels aus: Retro trifft Moderne. Allerdings nutzt sich das Stakkato an visuellen Explosionen sehr schnell ab, denn es wiederholt sich einfach zu oft. Der Rausch ist allgegenwärtig, wird nicht langsam gesteigert und sieht immer gleich aus. Abseits dieser Hiebe kann Travis auch Tritt- und Wurftechniken einsetzen. Wenn er einen Gegner über das wuchtige Anrempeln oder einen Kick ins Taumeln bringt, kann er ihn greifen und spektakulär wie ein Wrestler zu Boden schmettern. Hier wird es schon kniffliger mit dem Erfolg, denn es erscheinen zwei mal jeweils zwei Richtungspfeile - man muss z.B. Sixaxis- oder Navigation-Controller nach oben und den Move-Controller nach links bewegen, um einen Schulterwurf auszulösen. Auch in den Bosskämpfen kann die Wrestlingtechnik sehr hilfreich sein.

Das Blocken funktioniert auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad automatisch, indem man den Gegner fixiert - dann werden seine Schläge pariert. Auch in den großen Duellen kann man damit erfolgreich Geschosse ablenken. Allerdings ist es bei Feinden mit Schusswaffen auf Dauer sinnvoller, per Seitwärtsrolle über das Steuerkreuz auszuweichen, damit man sich ihnen ohne Verluste nähern kann. Außerdem sollte man immer ein Auge auf die Energie des Katana haben: Ist die auf Null, muss man sie über das wilde Move-Schütteln wieder füllen. Die Haltung dabei erinnert übrigens nicht nur entfernt an die Mechanik des Masturbierens.

Fazit

Das ist alles, was man nach drei Jahren „exklusiv“ auf der PlayStation 3 bekommt? Eine biedere Umsetzung mit einem verzichtbaren Boss-Modus, die weder die Power der Konsole nutzt noch spürbar besser ist, was Kampfsystem, KI-Probleme & Co angeht? Move wird zwar relativ gut unterstützt, aber in den schnellen Gefechten bin ich aufgrund der besseren Präzision und kleiner Abfrage-Aussetzer umgehend auf den Sixaxis-Controller gewechselt. Cool, schnell, brutal und witzig? Ja, das ist es. Zwischendurch mal. Und als alter Katana-Fan schlitze ich mich gerne im stylischen Retroflair vorwärts: Der Komborausch aus Münzen und Blut erinnert an die Explosionsorgien von Vertikalshootern. Ist das erfrischend anders? Ja. Und der Rest? No More Heroes hat abseits von seinem bizarrem Grafikstil nichts zu bieten. Es ist zwar nicht ganz so hässlich wie auf Wii, aber leidet immer noch unter technischen Problemen von Tearing bis hin zu Pop-ups, ist redundant, schnell durchschaut und in Sachen Leveldesign fast schon spießig. Das Küstenkaff Santa Destroy wird hier nur leidlich besser inszeniert als auf Wii und bleibt ein Woodstock für Kontrapunkte – so sollte man eine offene Welt nicht inszenieren. No More Heroes fühlt sich in seinen besten Momenten trotzdem an wie ein Tarantino-Streifen auf Speed, es gibt knackige Bosskämpfe und einen sympathisch morbiden Humor. All das rettet es auch nach drei Jahren vor dem dunklen Wertungskeller.

Pro

morbider Humor
gutes Arcade-Kampfsystem
coole Bosskämpfe
bizarrer Retro-Stil
auch mit Sixaxis-Gamepad spielbar

Kontra

sterile Stadtkulisse
Pop-ups, Tearing, Ruckler
Kampfsystem ohne Entwicklung
extrem monotoner Spielablauf
langweilige Nebenquests
schrecklich lethargische Bewohner
Passanten wegschieben, dutzende Klongegner
schlechte Fahrphysik
kaum Sprachausgabe
kein Multiplayermodus
Move-Steuerung etwas fehleranfällig

Wertung

PlayStation3

Nach drei Jahren nicht mehr als eine Kopie des Wii-Originals? Schwach.

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