SOCOM: Special Forces14.04.2011, Jan Wöbbeking
SOCOM: Special Forces

Im Test:

Weniger ist mehr - so lautet momentan die Devise bei Zipper Interactive: In den Massenschlachten von MAG tummelten sich noch rekordverdächtige 256 Spieler auf dem Schlachtfeld. Diesmal geht es mit nur 32 Soldaten wieder überschaubarer und traditioneller zu. Im Gegenzug kommen in SOCOM: Special Forces (ab 34,95€ bei kaufen) auch Einzelkämpfer auf ihre Kosten, schließlich  steckt eine vollwertige Kampagne mit Taktik-Einschlag im Spiel.

Zurück in den Dschungel

Bei der Wahl des Schauplatzes haben die Entwickler sich offenbar von John Rambo inspirieren lassen: Eine fiktive Region in Südostasien droht im Chaos zu versinken. Ein Revolutionär versucht, die wichtigste Wasserstraße der Region unter seine Kontrolle zu bringen und so die Weltwirtschaft zu sabotieren. Um das zu verhindern und den Drahtziehern auf die Schliche zu kommen, macht sich eine fünfköpfige internationale Spezialeinheit auf den Weg in den schwülen Dschungel. Mit Stefan Beck und Bernd Kessler sind sogar zwei deutsche KSK-Kräfte dabei. Unterstützt werden sie von zwei koreanischen Mitstreitern - und meinem Alter Ego Cullen Gray.

Die Augen der Protagonisten sind leider nicht so natürlich animiert wie z.B. in Uncharted 2.
Nachdem ich mir eine der übertrieben dramatisch inszenierten Zwischensequenzen angesehen habe, versuche ich mich in den ersten Feuergefechten an die Steuerung zu gewöhnen. Nachdem ich die Empfindlichkeit eine ganze Ecke höher eingestellt habe, bekomme ich das zunächst etwas schwerfällige Fadenkreuz gut in den Griff. Wer mit der Knopfbelegung nicht klar kommt, kann leider nur bedingt etwas daran ändern. Statt frei belegbaren Knöpfen gibt es nur eine Hand voll vorgegebener Layouts.

Schneise der Zerstörung

Ähnlich wie in Gears of War oder älteren Socom-Teilen schaue ich meinem Krieger über die Schulter, während ich durch eine verlassene Stadt laufe. Am Horizont ragen zwei gigantische Wolkenkratzer in den Himmel - davor liegen die Überreste eines kollabierten Fernsehturms auf dem Betonboden. Nur wenn ich mich direkt vor eine Mauer stelle, verwandeln sich die feine Risse und Steinstrukturen in einen unscharfen Texturbrei. Mit der Detailfülle eines Uncharted 2 kann die von der überarbeiteten MAG-Engine berechnete Szenerie nicht konkurrieren und auch die Charaktere bewegen sich etwas weniger natürlich - trotzdem kann sich das Gebotene sich durchaus sehen lassen.

Als ich an eine Brüstung gelange, sehe ich unter mir ein paar feindliche Soldaten. Um nicht zu früh ihre Aufmerksamkeit zu erwecken, schmeiße ich mich hinter einer massiven Mauer in Deckung. Das funktioniert hier ähnlich wie in Gears of War: Ein Knopfdruck und mein Alter Ego klebt am Stein. Geduckt bewege ich mich ein Stückchen nach links und luge hinter der schützenden Wand hervor. Um einen Blick nach unten zu erhaschen, lege ich mit L1 an. Will ich durch das Rotpunktvisier meines Sturmgewehrs schauen, muss ich zusätzlich den rechten Stick klicken. Das ist zu Beginn ein wenig umständlich, doch wenn man die Prozedur einmal erledigt hat, merkt sich das Spiel die Einstellung und schaltet direkt zur gewünschten Sicht um.

Genie oder Wahnsinn?

Ich eröffne das Feuer, stürme bei einem Zweikampf die Treppe hinunter und erledige ein Grüppchen von Widersachern. In diesem Moment zeigt sich, wie stark die Qualität der künstlichen Intelligenz schwankt. Obwohl ein anderer Soldat mich eiskalt beim Nachladen erwischt hat, ergreift er bei meinem Anblick panisch die Flucht. Zwei seiner Kameraden stellen sich bedeutend cleverer an. Sie flankieren mich und schicken mich innerhalb einer Sekunde über den Jordan.

Rund um dieses Schiff gibt es auch im Multiplayer hitzige Gefechte.
Meine Rambo-Taktik war also ein echter Reinfall. Kein Wunder: Obwohl das sich regenerierende Energiesystem und andere Details an Call of Duty, Halo & Co erinnern, steckt immer noch eine gute Portion Taktik im Spiel.

Also kommen meine vier Untergebenen in Spiel. Mein blau gekennzeichneten KSK-Krieger sind die Männer fürs Grobe: Ich schicke sie ein Stückchen zur Seite und befehle ihnen, die Gegner unter Sperrfeuer zu setzen. Ganz so differenzierte Möglichkeiten wie in Socom: Tactical Force habe ich hier natürlich nicht - andererseits lassen sich die Befehle angenehm schnell und unkompliziert erteilen, sobald man die Tastenbelegung verinnerlicht hat. Ich ziele also einfach auf eine Mauer und drücke das Steuerkreuz nach links, um sie auf ihre Position laufen zu lassen. Als nächstes folgt der Feuerbefehl. Praktisch ist, dass ich ihn wie in Tactical Force speichern kann, so dass meine Kameraden erst nach einem zweiten Befehl losschlagen. Vorher schicke ich aber mein auf behutsames Vorgehen spezialisiertes, koreanisches Gold-Team in eine gut geschütze Nische ein Stückchen abseits und lasse als erstes ein paar einzeln patroullierende Wachen mit dem Schafschützengewehr ausschalten. Dann ist das Sperrfeuer dran und ich überrasche meine Widersacher von der Flanke aus.            

Strategie oder Glückssache?

Klingt gut, oder? In der Praxis geht auch mein sorgfältig geplanter zweiter Angriff auf das Gegnergrüppchen im Innenhof schief. Schuld daran ist das blaue Team, welches es schon vor meinem Befehl geschafft hat, die Aufmerksamkeit der Widersacher auf sich zu ziehen. Leider funktionieren geplante Manöver bei weitem nicht so häufig wie in Tactical Strike. Okay, dann packe ich also wieder die Holzhammer-Methode aus:

Vorsicht, explosiv!
Diesmal halte mich etwas defensiver im Hintergrund und gehe nicht so oft aus der Deckung. Jetzt zeigen meine Kameraden sich von ihrer guten Seite, denn sie schalten erheblich mehr Feinde aus als in den meisten Konkurrenz-Shootern. Einen Mitstreiter hat es zwar erwischt, aber ich päppele ihn nach dem Gefecht schnell wieder auf und weiter gehts!

Ein Weilchen später schlagen wir uns durch den dicht bewachsenen Dschungel. Als wir uns hinter einem Felsvorsprung  um eine Biegung schreiten, entdecke ich auf einer Anhöhe zwei Scharfschützen. Jetzt ist wieder das goldene Gold an der Reihe: Ich markiere die beiden Camper und ein paar Sekunden später hat sich das Problem erledigt. Da sich der Rest der Baggage zwischen  einigen Holzhütten verschanzt hält, gibt es kurz darauf noch ein hitzige Schießerei.

Auf leisen Sohlen

Als Ausgleich dazu stehen ein paar ruhigere Schleich-Missionen auf dem Programm, in denen ich auf ein schallgedämpftes Scharfschützengewehr zurückgreife und wie Sam Fisher die Leichen im Schatten verstecken kann. In einem Dörfchen hefte ich mich z.B. an die Fersen meiner Zielperson, damit ich ihm eine Wanze unterjubeln kann. Zunächst harre ich ein Weilchen am Startpunkt aus, bis die zwei ersten Wachen ihr Schwätzchen beendet haben und husche im Schatten über eine Treppe bis auf das Dach einer Hütte, um die Lage zu überblicken.   Ich schleiche mich hinterrücks an den dort patrouillierenden Gegner heran und erledige ihn mit einer lautlosen Messer-Attacke. Obwohl die ersten Wachen sich schon ein Stückchen hinter mir befinden, haben sie Wind von dem Mord bekommen, rufen im Nu ihre Kollegen herbei und umstellen mich: Mission gescheitert. Auch als ich sie beim nächsten Mal mit einer geworfenen Patronenhülse ablenken will, wird das nicht von Erfolg gekrönt. Also überdenke ich meinen Plan und probiere einen komplett anderen Weg: Ich schleiche am linken Rand des Hangs hinunter.

Diese Route war eine gute Entscheidung, denn dort  gibt es deutlich mehr schattige Verstecke und weniger Personen, die mir in die Quere kommen können. In  solchen Momenten sorgen die spielerischen Freiheiten für diebische Freude. An anderer Stelle funken aber verwirrende Aufgabenstellungen oder automatische Scripts dazwischen: Als ich z.B. am Hafen am Rande einer Schiffsreling entlang renne, werde ich wieder und wieder entdeckt. Was ich auch versuche, es endet mit dem Bimmeln der Alarmglocke und endlosen Schusssalven. Kurze Zeit später merke ich allerdings, dass die Szene dank eines Scripts gar nicht anders ablaufen kann - ich muss schlicht und einfach die Beine in die Hand nehmen und so schnell wie möglich vorm Kugelhagel zum nächsten Zielpunkt fliehen.

Gemeinsam sind wir stark!

Ein kleines Highlight sind die sechs Koop-Missionen: Dort können fünf Spieler Seite an Seite in den Kampf ziehen. Je nach Variante muss entweder geheime Informationen oder ein feindlicher Commander lokalisiert werden. Wenn man vor einer Runde die Anzahl der Feinde hochschraubt, wird es fast so hitzig wie in einem Arena-Shooter. Wer taktisches Geschick und Team-Fähigkeit unter Beweis stellen will, sollte die Zahl der Widersacher herunterregeln und ihnen eine gute KI verpassen. Dann nämlich will jeder Schritt gut überlegt sein:

Die Leiste unter der Karte verrät in den Stealth-Missionen, wie auffällig sich der Spieler verhält.
Wenn alle fünf blindlinks losstürmen, ist die Runde schon nach wenigen Sekunden vorbei. Erinnert eure Freunde aber daran, vor dem Match ihre Headsets aufzuladen. Wenn man sich abspricht und koordiniert vorgeht, macht der Angriff auf die verschanzten Gegner einen Heidenspaß. All zu lang währt die Freude allerdings nicht, denn die fünf Missionen in zwei Spielvarianten sind schnell durchgezockt und bieten bei weitem nicht so viele Konfigurationsmöglichkeiten wie z.B. die Feuergefechte in Halo: Reach.

Wer sich länger mit dem Spiel beschäftigen möchte, sollte sich also in die Online-Matches stürzen. Bis zu 32 Teilnehmer tummeln sich auf den meist mittelgroßen Karten. Im klassischen Team-Deathmatch geht es recht hektisch zu, Taktiker kommen dagegen in Bomb Squad auf ihre Kosten: Das Team muss einen Bombenspezialisten sicher zu den feindlichen Sprengladungen eskortieren, damit er sie entschärfen kann. Hier kommt es auf eine gute Kommunikation an - in meinen Matches erwiesen sich die Mitspieler meist als recht kommunikativ und gaben kurze, klare Kommandos, welche deutlich in meinem Jabra-Headset ankamen. Auch beim Netzcode gibt sich Zipper wieder keine Blöße: Sogar wenn ich mit US-Amerikanern von der Westküste zusammen spielte, liefen die Matches erfreulich flüssig ab. Starke Lags traten so gut wie überhaupt nicht auf. In nationalen Lobbys kann man sich bei Ranglisten-Spielen aber nicht mehr treffen - stattdessen landet man beim Start einer Runde direkt in der Spielervermittlung und bekommt einige Gegner zugelotst.         

Klassische und neue Modi

Zwei weitere Modi sind Uplink und Last Defense. Bei Ersterem müssen geheime Daten des Feindes beschafft werden, beim Letzteren werden Kontrollpunkte gesichert, um das feindliche Hauptquartier zu finden und dort den fetten Luftschlag mit einem Signal einzuleiten. Zusätzlich gibt es die erwähnten Spielvarianten jeweils in einer klassischen Version: Dort lädt sich die Energie nach Treffern nicht automatisch auf und wenn jemand ausgeschaltet wird, muss er bis zum Ende der Runde Däumchen drehen. Außerdem lassen sich für private und Clan-Matches auch Spielvarianten mit eigenen Regeln erstellen, damit sich man zum Beispiel ein Katz- und Mausspiel nur mit Sniper-Gewehren und Schrotflinten liefern kann.

Im Unterschied zu manch anderem Shooter darf ich mir in Socom eine starke Zweitwaffe einpacken: Während ich unsere Bombe bewache, erwische ich zum Beispiel einen um die Ecke sprintenden Gegner mit einer Schrotflinte und lege kurz danach mit einem Scharfschützengewehr auf einen Angreifer an, der auf einer weit entfernten Brüstung steht. Die 32 Sturm-, Maschinen- und Präzisionsgewehre sowie Schrotflinten lassen sich beliebig miteinander mixen, solange man nicht zwei mal die gleiche Klasse einpackt.  Mit steigendem Level werden immer mehr Exemplare freigeschaltet, welche sich mit nützlichen Extras ausstatten lassen: Dazu gehören Reflexvisiere, Schalldämpfer, stabilisierende Frontgriffe, den Rückstoß verringernde Mündungsbremsen und mehr.

Steuerungsmacken

Die demolierten Skylines sind ein Augenschmaus.
Auch an einige freischaltbare Auszeichnungen für spezielle Leistungen hat Zipper gedacht. Positiv aufgefallen ist mir auch, dass die Sturmgewehre mehr streuen als die unrealistisch präzisen Gegenstücke in MAG. Andererseits hatte ich mitunter Probleme, eine Granate durch schmale Fenster oder unter niedrigen Brüstungen zu werfen. Da kein Bogen angezeigt wird, lässt sich die Wurfbahn schwer einschätzen - stattdessen schmeißt man einfach in Richtung Zielkreuz. Für Verwirrung sorgten manchmal auch die zu spät erscheinenden Symbole über den Spielerköpfen. Auch die Deckungsmechanik könnte etwas unkomplizierter flutschen: Oft musste ich nur wenige Zentimeter weiter an den  Rand einer Mauer schreiten, damit ich endlich auf den dahinter lauernden Feind anlegen konnte.

Besitzer eines 3D-Fernsehers bekommen das Kriegs-Szenario noch räumlicher zu Gesicht. Der Effekt wirkt natürlich bei weitem nicht so spektakulär wie in Killzone 3 oder Motorstorm mit all seinen Trümmern, welche direkt an der Kamera vorbei zischen. Stattdessen gibt es eine dezente, aber gelungene räumliche Darstellung, bei der sich Stärke und Tiefe des 3D-Effekts stufenlos einstellen lassen. Leider geht hier die Bildrate ein wenig in die Knie - allerdings nicht so weit, dass der Spielfluss beeinträchtigt wird. Außerdem besitzt das Spiel eine optionale Move-Steuerung, welche ähnlich funktioniert wie die in diversen Wii-Shootern: In der Mitte des Schirms ziele ich direkt auf meine Gegner. Bewege ich Zielkreuz an den Rand, beginnt der Bildschirm, sich dorthin zu drehen. Wie üblich dürfen die Größe dieser beiden Bereiche und die Empfindlichkeit stufenlos verändert werden.  Gelaufen wird wie gewohnt mit dem Analogstick des zusätzlichen Navigation-Controllers (oder dem Stick eines normalen Dual-Shock-Controllers). Wer sich ein wenig in die Move-Steuerung hineinfuchst, kann sein Zielkreuz schneller zu einem Widersacher huschen lassen als mit dem rechten Analogstick. Andererseits erweist sich das Drehen der Kamera als deutlich schwammiger, daher bin ich nach einiger Zeit wieder auf die klassische Variante umgestiegen. Auch Sonys optional erhältlicher Waffen-Aufsatz »Sharp Shooter« wird unterstützt - ein Special zu der knallroten Hardware findet ihr hier.     

Fazit

Socom: Special Forces wirkt wie ein kaltes Büffet für Shooter-Freunde: Für sich genommen macht keines der in mundgerechten Happen portionierten Bestandteile satt. Doch wenn man sich die Rosinen herauspickt, besitzen diese doch genug Nährwert. Die nur sieben Stunden kurze Kampagne geht leider den gleichen Weg wie der PSP-Ableger Fireteam Bravo 3. Es steckt auch hier eine gute Portion Taktik im Spiel. Doch statt die Einsätze minuziös zu planen und auch einmal einen gesprächigen Gegner am Leben zu lassen, führt in Special Forces häufig auch die Holzhammermethode ans Ziel. Sehr spannend gestalten sich dagegen die Koop-Missionen, denn wenn man die Gegner-KI entsprechend gewieft einstellt, muss man sich gut absprechen. Auch wenn in Online-Matches der Bombenspezialist beschützt werden soll, kommen Alleingänger nicht weit. Dank des flüssigen Netzcodes laufen die Gefechte für bis zu 32 Spieler erfreulich flüssig ab, bieten aber nicht ganz so viel Abwechslung und Dynamik wie z.B. Battlefield: Bad Company 2 oder Call of Duty mit all seinen Perks und Extras.

Pro

Terrain ermöglicht alternative Routen…
KI-Gegner flankieren den Spieler…
launige Koop-Missionen für fünf Spieler
Online-Modi sehr flüssig und stabil
ansehnliche Kriegs-Panoramen
detailreiche Charaktere
plastische Wasserdarstellung

Kontra

…Areale sind aber schmaler als in Fireteam Bravo 2
…machen anderswo aber dumme Fehler
belanglose, gewollt dramatische Zwischensequenzen
Deckungssystem mitunter etwas fummelig
Kampagne nur rund sieben Stunden kurz
Team-Markierungen werden manchmal zu spät eingeblendet- weniger frische Ideen als in den Massenschlachten von MAG

Wertung

PlayStation3

Das Missionsdesign wirkt nicht immer durchdacht, wird aber durch launige Koop-Aufträge und den konservativen, aber sauberen Online-Modus aufgewertet.

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