Atelier Rorona: The Alchemist of Arland16.11.2010, Jens Bischoff
Atelier Rorona: The Alchemist of Arland

Im Test:

Die Atelier-Saga führt hierzulande eher ein Schattendasein. Der letzte Ableger, der es bis nach Europa geschafft hatte, war das mittlerweile drei Jahre alte Atelier Iris 3 für die PS2. Mit Atelier Rorona will man erstmals PS3-Besitzer als sammelfreudige Alchemisten in Abenteuer mit Termindruck locken. Gelingt das Experiment?

Wettlauf gegen die Zeit

Wie in Atelier Iris & Co. schlägt man auch im PS3-Debüt eine Karriere als Alchemist ein. Die Umstände sind allerdings alles andere als rosig: Lehrling Rorona wird schon zu Beginn ihrer Laufbahn mit der drohenden Schließung der Ausbildungsstätte konfrontiert und von ihrer Meisterin mehr oder weniger im Stich gelassen.

Gestresste Heldin: Rorona muss sich um viele Dinge gleichzeitig kümmern, steht aber ständig unter Zeitdruck.
Wenn sie nicht auf der Straße landen will, muss sie selbst die Initiative ergreifen und regelmäßige Auflagen erfüllen, um die Stilllegung des Labors abzuwenden. Drei Jahre lang muss sie alle drei Monate vorgeschriebene Erzeugnisse abliefern, damit ihre Lizenz verlängert wird. Wird nur ein Termin nicht eingehalten, heißt es sofort Game Over.

Dieser ständige Termindruck ist sicher nicht jedermanns Sache. Gemütliches Sammeln und Erkunden sowie ausgiebiges Experimentieren kann man sich quasi abschminken. Stattdessen muss man jede Aktion genau abwägen und sich die verfügbare Zeit gut einteilen, auch wenn die Aufgabenstellungen in der Regel recht human sind. Trotzdem kommt man immer wieder in die Zwickmühle: Soll ich Zeit sparen und die nötigen Zutaten im Geschäft kaufen oder besorge ich sie lieber selbst und investiere das dadurch gesparte Geld in neue Rezeptbücher? Soll ich nebenher ein paar Kundenwünsche erfüllen, um mein Ansehen zu steigern und Belohnungen zu kassieren oder doch lieber Freundschaften knüpfen, um meinen bis zu zwei Begleitern weniger Sold zahlen zu müssen?

Doch nicht nur Zeit ist ein kostbares Gut in Arland, auch mit Platzproblemen hat man immer wieder zu kämpfen. Bei längeren Sammelausflügen ist Roronas Rucksack schnell voll und man muss weniger dringend benötigte Zutaten aussortieren oder vorzeitig zurückkehren. Da die in mehrere zusammenhängende Areale unterteilten Schauplätze aber oft mehrere Tagesmärsche von Garland entfernt liegen, muss man auch hier abwägen, wie weit man vordringen will. Das Sammeln selbst kostet zwar keine Zeit, das Wechseln der Areale hingegen schon. Zudem lungern fast überall wilde Tiere, Banditen oder andere Widersacher herum, so dass man auch für handfeste Konfrontationen gerüstet sein muss.

Gehaltlose Gefechte

Das rundenbasierte Kampfsystem präsentiert sich sehr klassisch und schnörkellos: Man kann angreifen, sich verteidigen oder je nach Charakter und Ausrüstung eine Hand voll Fertigkeiten einsetzen. Rorona kann zudem mitgeführte Gegenstände verwenden oder einen ihrer Teamgefährten zur Hilfe rufen, um Gegenangriffe abzufangen oder eigenen Attacken zu verstärken.

Die Kämpfe werden rundenbasiert ausgetragen, jede spezielle Aktion kostet dabei Lebensenergie und wirkt sich mitunter auf das elementare Gefüge der Spielumgebung aus.
Zudem kann man einen Fluchtversuch starten oder die Umgebung durch elementar geladene Angriffe zu seinem Vorteil manipulieren, was man aufgrund der kurzen Kämpfe aber die meiste Zeit getrost ignorieren kann. Wirklich ins Schwitzen kommt man eigentlich nur bei optionalen Bossgegnern oder fiesen Statusbeeinträchtigungen. Mit geeigneter Ausrüstung und Charakterstufe sind aber auch die kein Problem und notfalls zündet man einfach irgendwelche übermächtigen Sprengsatze, die man sich schon früh problemlos zusammenbasteln kann.

Taktische Überlegungen spielen bei den rasch zur Routine werdenden Scharmützeln jedenfalls keine große Rolle, auch wenn es natürlich empfehlenswert ist, bestimmte Feinde zuerst auszuschalten und mit seinen Kräften etwas zu haushalten, da Zauber und Spezialaktionen Lebensenergie kosten - Mana, Aktionspunkte oder dergleichen gibt es nicht. Zudem scheint die Reihenfolge, in der die Kombattanten zum Zug kommen, oft willkürlich. Zwar gibt es extra einen Wert für die individuelle Aktionsgeschwindigkeit, trotzdem kommt der schnellste nicht immer zuerst dran und manchmal ist man auch ohne nachvollziehbaren Grund zweimal direkt hintereinander an der Reihe. Eine Zuganzeige wie in Atelier Iris 3 hätte hier nicht nur für Klarheit, sondern auch mehr Taktik sorgen können. So hängen die einzigen nennenswerten Überlegungen mit der Wahl der maßgeschneiderten Ausrüstung zusammen.         

Ernten im Akkord

Das Sammeln von Rohstoffen ist ebenfalls nicht sonderlich anspruchsvoll. Potentielle Erntepunkte machen schon von Weitem durch Sternsymbole auf sich aufmerksam und befinden sich stets am selben Ort. Besondere Erkundungsreize gibt daher kaum - vor allem weil die einzelnen Areale auch noch sehr kompakt und schlauchförmig sind.

Mögliche Erntepunkte sind unübersehbar markiert und befinden sich immer wieder am selben Ort. Auflauernden Gegnern kann man trotz schmaler Wege meist ausweichen.
Einzige Ausnahme stellen diverse Interaktionspunkte dar, an denen man mit entsprechender Ausrüstung z. B. Durchgänge freisprengen, Eisbrücken erschaffen oder Tauchgänge absolvieren kann. Ortsansässige Gegner kann man zudem per Stockhieb in Gefechte verwickeln, um einen Überraschungsbonus zu erhalten. Den meisten Kreaturen kann man aber auch aus dem Weg gehen, wenn sie nicht gerade einen Schatz oder Durchgang bewachen oder so groß sind, dass man in den engen Korridoren nicht an ihnen vorbei kommt.

Kampf- und Laborerfahrung werden getrennt gesammelt und wirken sich nicht nur auf Statuswerte und Erfolgswahrscheinlichkeiten, sondern auch auf die Qualität der Sammel- und Beuteobjekte aus. Wer nebenher fleißig Quests absolviert, klettert auch auf der örtlichen Beliebtheitsskala nach oben, was nicht nur Geld spart bzw. einbringt, sondern auch zusätzliche Ereignisse auslöst und Aktionsmöglichkeiten eröffnet. So kann man z. B. wohl gesonnene Ladenbesitzer dazu bringen eigene Erzeugnisse ins Sortiment aufzunehmen, Lotteriescheine als Zusatzprämien verdienen oder dafür sorgen, dass sich Reisende dauerhaft in Arland niederlassen. Je nachdem wie man seine Nebentätigkeiten ausrichtet, hat das auch Auswirkungen auf das Spielende, was zusammen mit dem Transfer bestimmter Errungenschaften wie Geldbesitz für einen soliden Wiederspielwert sorgt. Wer will, kann auch in einem Durchgang weit über 50 Stunden in Roronas Werdegang investieren oder die Hälfte der Spielzeit im virtuellen Bett verbringen und nur das Nötigste tun.

Hässliches Entlein

Das Prestige steigernde und ständig wechselnde Questangebot reicht von einfachen Sammel- und Bringaufgaben bis hin zum Synthetisieren hochwertiger Spezialanfertigungen oder Bezwingen ausgeschriebener Bossgegner. Termine müssen auch hier eingehalten werden, wenn die Belohnung nicht ins Gegenteil umschlagen soll.

Je nachdem wie und mit wem man seine Zeit verbringt, bekommt man unterschiedliche Ereignisse und Enden zu Gesicht.
Die Annahme ist jedoch vollkommen freiwillig. Keine Wahlmöglichkeit lassen einem die Entwickler hingegen bei der Installation des Spiels, die für alle obligatorisch ist und 1,4 GB eurer Festplatte in Beschlag nimmt. Weniger schön ist auch das Fehlen deutscher Untertitel - lediglich englisch oder französisch stehen zur Wahl. Dafür kann man bei der Sprachausgabe zwischen englischer Synchro und japanischem Originalton wählen.

Praktisch ist auch die spielinterne Enzyklopädie, die nicht nur mit diversen Tutorien, sondern auch hilfreichen Datenbanken aufwartet. Nach Spielende erhält man darüber hinaus Zutritt zu Bildergalerien und Jukebox, wobei die Musikuntermalung weniger japanophilen Ohren mitunter ziemlich auf den Wecker gehen kann. Auch der Humor wirkt oft reichlich bemüht und abgedroschen. Einen gewissen Charme kann man den kurzen, mit Manga-Portraits garnierten Dialogen zwar nicht absprechen, aber das Charakterdesign wirkt sehr schablonenhaft, Charaktermodelle und Animationen hölzern und plump. Zumindest die Spezialangriffe im Kampf sind teils nett gemacht und berücksichtigen im Gegensatz zur Erkundungsphase auch aktuell ausgerüstete Waffen. Unterm Strich ist die Grafik aber trotz Anime-Stil nicht einmal ansatzweise zeitgemäß und trotzdem hat man es nicht geschafft, eine flüssige Darstellung hinzubekommen...         

Fazit

Atelier Rorona ist ein unterhaltsamer, wenn auch wenig spektakulärer Spielplatz für ausgehungerte PS3-Rollenspieler, die gerne sammeln und experimentieren. Man sucht die Umgebung nach brauchbaren Rohstoffen ab und produziert daraus allerlei Kram, den man verschenkt, verhökert, eintauscht oder selbst verwendet. Dadurch steigert man nicht nur sein alchemistisches Talent, sondern verbessert auch Ausrüstung, Ansehen und Beziehungen. Natürlich wird während dessen auch gekämpft und eine Geschichte erzählt - beides zählt aber definitiv nicht zu den Stärken des an Rune Factory oder Trinity Universe erinnernden Titels. Die ausschließlich von kurzen Dialogen getragene Rahmenhandlung hat eher Alibicharakter, während die simpel gestrickten Rundenkämpfe schnell langweilen. Auch das Abgrasen der immer gleichen und unübersehbar markierten Rohstoffquellen wird trotz netter Interaktionsmöglichkeiten wie Tauchgängen, Felssprengungen oder Eisbrücken irgendwann zur Routine. Spannung kommt lediglich durch optionale Bossgegner oder unumstößliche Abgabetermine auf, die es pünktlich und regelmäßig einzuhalten gilt. Die persönliche Aktionsplanung lässt einem dennoch viele Freiheiten und bietet dank unterschiedlicher Enden und Transfermöglichkeiten auch einen ordentlichen Wiederspielwert. Wer sich nicht an der altbackenen Technik und schlichten Präsentation stört, kann unzählige Stunden in Arland und Umgebung verbringen, auch wenn die Klasse früherer Atelier Iris -Episoden nicht erreicht wird.

Pro

motivierende Sammelei & Synthese
nette Beziehungs- & Charakterpflege

Kontra

dröge Story
altbackene Technik
unspektakuläres Kampfsystem

Wertung

PlayStation3

Solides, aber unspektakuläres Alchemisten-Rollenspiel für stressresistente Sammler und Bastler.

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