Street Fighter X Tekken09.03.2012, Paul Kautz
Street Fighter X Tekken

Im Test:

Street Fighter und Tekken. Prügelspiele, ja. Aber in ihrem Kern doch so unterschiedlich, dass sie eigentlich kaum miteinander vergleich-, geschweige denn kombinierbar sind. Oder vielleicht doch? Ist Street Fighter X Tekken (ab 21,00€ bei kaufen) das Ei des Kolumbus der Beat-em-Ups - oder doch nur ein überambitionierter Mischmasch für niemanden?

Mehr Crossover geht immer!

Wenn eine Firma Erfahrung darin hat, sich regelmäßig einen offiziell lizenzierten Schlagabtausch mit anderen zu leisten, dann ist es Capcom. Im Laufe der Jahre haben sich die Japaner mit sehr vielen klangvollen Namen im Ring getroffen: Mal ging es gegen Marvel, mal gegen Tatsunoko, SNK bekam ebenso aufs Maul wie die X-Men. Zeit für einen Neuzugang - und wer würde sich da eher anbieten, als Gevatter Eisenfaust?

Die sichtbarste Veränderung findet im Kader statt: 19 Kämpfer aus dem Street-Fighter-Universum zur linken, ebenso viele aus Tekkenhausen zur rechten. Im Großen und Ganzen bilden diese 38 Figuren einen guten Querschnitt aus beiden Reihen. Allerdings muss man sich bei einzelnen Recken (wie der absurd proportionierten Final-Fight-Statistin Poison) schon fragen, aus welchem Grund genau ihnen vor populäreren Fightern, die es nicht ins Spiel geschafft haben, der Vorzug gegeben wurde. Aber gut, das ist mittelfristig vermutlich nur eine Frage des DLCs. PS3-Besitzer haben die Faust vorn, denn sie bekommen direkt vom Start weg fünf Bonusklopper: inFamous-Held Cole MacGrath, Sonys japanische Maskottchen Toro und Kuro sowie der auf Mokujin kämpfende Pac-Man und den

Standardmäßig sind 38 Kämpfer verfügbar, 19 aus Srteet Fighter, 19 aus Tekken. PS3-Spieler bekommen noch fünf Bonusfighter extra.
Standardmäßig sind 38 Kämpfer verfügbar, 19 aus Srteet Fighter, 19 aus Tekken. PS3-Spieler bekommen noch fünf Bonusfighter extra.
Schreckliches-Artwork-Mega-Man (hier ein Video).

Die Quadratur des Klopperkreises

Wer nicht gerade zum ersten Mal vor dem Street-Fighter- oder Tekken-Logo steht, der dürfte wissen, dass beide Spielsysteme unterschiedlicher kaum sein könnten. Das geht schon damit los, dass SF ein 2D-Klopper ist, während Tekken auch in der dritten Dimension zuhause ist. Wie vereint man nun beide Mechaniken, ohne den jeweils einzigartigen Stil zu verlieren? Antwort: Man macht zwei Spiele aus der Idee, beide mit unterschiedlichem Fokus. Street Fighter X Tekken (SFXT) ist von vorn bis hinten Street Fighter: Es gibt sechs Angriffsknöpfe pro Figur, die Kampfmechanik ist sehr schnell und Viertelkreis- sowie EX-geprägt. Das bedeutet, dass die Tekken-Kämpfer verstreetfighterisiert wurden: Hwoarang, Lili, Jin und Co. Sehen zwar aus wie in Tekken und verfolgen noch ihre bekannten Kampfstile, aber ihre Steuerung muss von Grund auf neu gelernt werden, weil sie mit der bekannten Tekken-Variante nichts mehr zu tun hat. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen SF- und Tekkenkader ist, dass

Der Comic-Grafikstil aus Street Fighter 4 wird hier nochmals verbessert - das Ergebnis ist schlicht der Hammer!
Der Comic-Grafikstil aus Street Fighter 4 wird hier nochmals verbessert - das Ergebnis ist schlicht der Hammer!
Letzerer nur wenige Fernangriffe in petto hat - die Fighter der Eisenfaust sind eher Meister des Nahkampfes. Alle Recken sind von Anfang an verfügbar, niemand muss freigespielt werden. Alle Kämpfer quasseln entweder Englisch oder Japanisch drauflos; in den Optionen darf man jedem individuell eine Sprache zuweisen.

Dieser erhebliche Zuwachs im Aufgebot sowie der damit einhergehende, unvermeidliche Lernprozess führen u.a. dazu, dass man gleich nach dem exzellenten Intro mit der Frage begrüßt wird, ob man das Tutorial aufsuchen möchte. »Waaaaaas?«, höre ich da die entrüsteten Rufe der Experten, »Diese Impertinenz soll nicht ungesühnt bleiben!« ist eine verständliche Reaktion. Trotzdem empfiehlt sich der Gang in den Dojo, denn auch Profis sollten wieder die Schulbank drücken - es gibt viel Neues zu lernen.

Die Büchse ist geöffnet

Da wäre z.B. das neue »Gems«-System. Diese Klunker, von denen man drei pro Nase verteilen darf, wirken sich auf sehr unterschiedliche Weise auf die Kämpfer aus: Sie machen stärker, schneller oder erhöhen die Verteidigungswerte - alles nur innerhalb eines kurzen Zeitrahmens, versteht sich. Allerdings kann man sich nicht einfach mit Supergems zupflastern und danach grollend wie Godzilla durch die Welt ziehen - die Eigenschaften der Steine wollen verdient sein. Jeder einzelne hat unterschiedliche Aktivierungseigenschaften: Mal muss man eine bestimmte Zahl Angriffe gelandet oder geblockt haben, mal muss man unter eine bestimmte Energiegrenze rutschen, mal eine satte Kombo landen. Das System ist zwar etwas fummelig zu bedienen, aber eine interessante Erweiterung, die vor allem Einsteigern entgegen kommt - denn dadurch hat wenigstens auch eine mächtige Ladung Aufsmaul etwas Gutes. Diese profitieren auch von den »Quick Combos«. Das sind frei definierbare Angriffsabfolgen, deren Ausführung man sich auf die Buttons der Analogsticks legen darf. Klingt nach einem serienmäßigen Cheat? Ist es nicht, denn die Nutzung einer Quick Combo kostet ein Drittel der Spezialenergie.

Dieses Bild hat keine spezielle Aussage. Wir wollten nur nochmal die... äh... Teambildung betonen.
Dieses Bild hat keine spezielle Aussage. Wir wollten nur nochmal die... äh... Teambildung betonen.
Also alles nur für Klopper-n00bs? Mitnichten! Profis erfreuen sich an den mächtigen »Super Arts«, den Tekken-inspirierten Juggles und den Cross-Systemen, die u.a. dafür sorgen, dass man mitten in einer Kombo den Partner ins Spiel bringt und dieser dann den Angriff nahtlos fortsetzt. Denn wie z.B. Tekken Tag Tournament ist auch SFXT ein Spiel, bei dem man nie allein kämpft. Profis können also allein mit den Partner-Aktionen für Schrecken unter weniger begabten Spielern sorgen. Außerdem gibt es den neuen Pandora-Modus, der mehr als alles andere den Team-Gedanken in den Vordergrund stellt. Folgendes Hintergrundwissen ist wichtig: Anders als bei Team-Kloppern wie Marvel vs. Capcom 3 ist hier eine Runde vorbei, wenn ein Fighter zu Boden geht. Zwar kann man jederzeit den anderen nach vorn holen, während sich der Verletzte im Hintergrund regeneriert, aber wenn Lebensenergie weg, dann Runde verloren. »Pandora« nutzt das, indem es auch die Möglichkeit gibt, euren aktiven Kämpfer zu opfern, wenn er bereits weniger als 25% Lebensenergie hat. Dadurch erhält der Partner nicht nur ein diabolisches Äußeres, sondern auch deutlich mehr Kraft und eine volle Spezialenergieleiste - allerdings auch nur zehn Sekunden Zeit, diese Verbesserungen in einen Sieg zu verwandeln.
Das Gem-System kommt vor allem Einsteigern entgegen. Aber vor allem Profis können es gezielt einsetzen.
Das Gem-System kommt vor allem Einsteigern entgegen. Aber vor allem Profis können es gezielt einsetzen.
Schafft man das nicht, ist die Runde verloren. Eine sehr mächtige, aber entsprechend auch riskante Technik.

Die entscheidende Schlacht - jetzt aber wirklich!

Das Schöne an den Teams ist, dass sie aus allen unterschiedlichen Typen zusammengewürfelt werden können - und dennoch herrscht gibt es zwischen den meisten von ihnen eine unterhaltsame Chemie: Asuka und Lili zicken sich an, Zangief und Rufus bilden ein mächtiges Superteam, Bob und Julia flirten herum, Heihachi und Kuma sind ein Fell und eine Seele - und nach jeder gewonnenen Runde gibt es individualisierte Sprüche in Richtung Verlierer. Neuerdings darf man seine Kämpfer sogar ein wenig personalisieren, was aber nicht mal ansatzweise so weit wie in Tekken 6 oder Soul Calibur V geht. Genau genommen können hier wieder Ränge und Titel verteilt werden, außerdem darf man die Farbgestaltung seiner Lieblingsfighter ändern. Mehr Outfits, Gems und Systemerweiterungen dürfen im Online-Shop erworben werden.

Technisch führt SFXT die nach wie vor grandiose Comicstil-Linie von SF4 fort, verfeinert sie aber nochmals: Die Tusche wird etwas zurückgefahren, dafür sind die Ränder und Schraffuren etwas deutlicher, die Farben kräftiger. Die Bewegungen sind vollendet und flüssig, selbst Kleinigkeiten wie herrlich bizarre Gesichtsausdrücke bei mächtigen Treffern sind detailliert ausgearbeitet. Und dann sind da noch die Hintergründe: Es gibt gegenwärtig kein Beat-em-Up, in dem im Hintergrund so wunderbar viel los ist wie hier! Mal fährt man in einem Lift nach oben, während hinten ein Robo-Zangief die Wände hochklettert und gegen Scheiben tritt. Mal rast man in einem Hovercraft durch eine Eiswüste, während man von mutierten Mammuts verfolgt wird. Mal wird man Zeuge einer wunderbar abgefahrenen Kabuki-Show mit Headbangern und einem Kameo-Auftritt von Final-Fight-Muskelprotz Haggar. Und dann ist da natürlich noch der fantastische Baustellen-Level, in dem nach und nach ein riesiges Banner ins Bild gehievt wird, das den finalen Kampf eines wie Blanka aussehenden Herrn Ono gegen einen im

Einsteiger bekommen viele Trainingsmöglichkeiten - inkl. der teilweise hammerharten »Missionen«.
Einsteiger bekommen viele Trainingsmöglichkeiten - inkl. der teilweise hammerharten »Missionen«.
Bärenfell gekleideten Herrn Harada bewirbt - wer die beiden Köpfe hinter Street Fighter und Tekken kennt (oder sie durch unser Interview kennengelernt hat), liegt angesichts dieser wunderbaren Selbstverarschung am Boden. Vor Lachen, wohlgemerkt. Unterm Strich ergibt das eine fantastische Kulisse, mit der gegenwärtig kein anderes Beat-em-Up mithalten kann. Die allerdings auch den Preis der recht langen Ladezeiten fordert.

Schöne blutige Online-Welt?

Solisten bekommen jede Menge Modi in die Hand gedrückt: Zum einen die »Arcade«, in der eine bizarre Geschichte um Pandoras Büchse gesponnen und die vom aus Tekken 3 bekannten Obermotz Ogre abgeschlossen wird - der mir tausend Mal lieber als Nervkröte Seth ist. Die gehabt darf man hier aktivieren, zwischendurch von Online-Duellanfragen gestört zu werden - was aber u.U. dazu führen kann, dass man eine Anfrage nach der anderen abhakt, ohne im eigentlichen Spielmodus einen Millimeter weiter zu kommen. Der Herausforderungs-Modus ist zweigeteilt: Bei »Trial« muss man wie üblich

Auch online geht es kräftig zur Sache, u.a. gibt es einen wunderbar chaotischen Modus, in dem man mit allen vier Kämpfern gleichzeitig antritt. Allerdings gibt es z.Z. noch teilweise heftige Lags sowie einen sehr störenden Soundbug.
Auch online geht es kräftig zur Sache, u.a. gibt es einen wunderbar chaotischen Modus, in dem man mit allen vier Kämpfern gleichzeitig antritt. Allerdings gibt es z.Z. noch teilweise heftige Lags sowie einen sehr störenden Soundbug.
vorgeschriebene Kombos ausführen, bei »Mission« den Gegner unter speziellen Siegesbedingungen schlagen - wie nur mit normalen oder Spezialangriffen. Klingt unspektakulär, wird für Fortgeschrittene und Profis aber dadurch interessant, dass die Gegner-KI hier ordentlich nach oben gekurbelt wird.

Der Online-Modus ist grundsätzlich eine prima Sache: Man kann allein oder im tatsächlichen Team antreten, sich Replays anderer Spieler zu Gemüte führen oder im »Scramble«-Modus wie beim Wrestling vier Kämpfer gleichzeitig im Bild haben. Leider wird das Online-Erlebnis durch ärgerliche Bugs geschmälert: Zum einen ist der Team-Modus aus mysteriösen Gründen nur in der PS3-Fassung komplett enthalten, 360-Spieler dürfen nur 1v1 loslegen. Zum anderen existiert gegenwärtig noch ein bizarrer Soundbug, der die Effekte immer wieder deutlich hörbar verkürzt oder ganz weglässt - was natürlich sehr irritierend ist.

Fazit

Meine beiden Lieblings-Prügelserien in einem Spiel! Wer hätte gedacht, dass ich das noch erleben würde, wo die beiden doch so grundverschieden sind, dass sie eigentlich unvereinbar erscheinen. Und in gewisser Weise sind sie das auch, denn obwohl SFXT hier scheinbar das Ei des Kolumbus gefunden hat, hat der Tekken-Part nicht viel mit Tekken zu tun - klar, die Kämpfer und ihre Stile sind vertraut, aber die Steuerung ist ganz klar Street Fighter. Egal, die Kombination, ein Mittelding aus Super Street Fighter 4 und Marvel vs. Capcom 3, ist toll, braucht aber natürlich Gewöhnung. Das Ganze ist trotzdem mehr als einfach nur eine weitere SF4-Erweiterung: Die vielen frischen Erweiterung (wie Gems, Pandora oder die Cross-Systeme) kommen zwar in erster Linie Einsteigern zugute, halten aber auch für Seriencracks interessante Überraschungen bereit. Nochmals bessere Grafik mit herrlich viel (zum Teil extrem alberner) Hintergrundaktivität, mehr Personalisierung, starke Betonung des Teamspiels - das hier ist ein extrem rundes Paket für Beat-em-Up-Fans aller Erfahrungsstufen! Vorzugsweise mit PS3-Controller in der Hand, denn nur die bekommen das komplette Erlebnis mit allen Bonusfiguren und Spielmodi. Schade nur, dass gerade der Online-Modus gegenwärtig noch mit so vielen Macken behaftet ist.

Wertung

360

Prächtige Präsentation, motivierendes Spielprinzip, erstaunlich viel Tiefe - das Aufeinanderprallen der beiden Beat-em-Up-Universen ist ein Volltreffer!

PlayStation3

Die PS3-Fassung bietet die leicht bessere Steuerung, mehr Bonuskämpfer und den kompletten Online-Modus - dafür gibt's eine leichte Aufwertung.

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