Im Test:
Zurück im Dschungel
Später kämpfe ich mich in einer Rückblende durch das vom Bürgerkrieg zertrümmerte Sarajewo, um die Machenschaften des Kriegsverbrechers Vladic aufzudecken und der dritte Akt führt mich schließlich auf die felsigen Anhöhen des Himalaya. Die Rahmenhandlung dreht sich um den altbekannten moralischen Konflikt zwischen Befehlen und der spontanen Rettung bedrohter Kameraden. Klischeebehaftete Figuren wie Kontaktmann Merinov lassen das Spiel mitunter ziemlich trashig wirken: Schon beim ersten Treffen sinniert unser Informant mit schlecht imitiertem Akzent über Wodka und Frauen. Von ein paar Ausfällen abgesehen ist die deutsche Synchronisation gelungen: Vor allem Hauptfigur Cole spricht gut betont und angenehm unaufgeregt.
Auf leisen Sohlen
Als ich mich z.B. an ein stark bewachtes Lager heranpirsche, sondiere ich erst einmal die Lage: Mein Partner verrät mir die Zahl der Wachen – ich packe derweil das stark vergrößernde Fernglas aus, um ihre Laufwege auszukundschaften. Zunächst kümmere ich mich um zwei getarnte Sniper in den oberen Stockwerken, dann sind die Wachen am Boden dran. Als zwei Gegner ihren Klönschnack beenden und einer davon um die Ecke biegt, schlage ich zu: Anlegen, Luft anhalten, abdrücken – Treffer! Danach ist sein verbleibender Kollege dran. Je nach Schwierigkeitsstufe schaltet das Spiel beim Luftanhalten außerdem in eine leichte Zeitlupe.
Nervenkitzel im Gelände
Beim nächsten Versuch schalte ich nur die wichtigsten Gegner auf den Dächern aus und schleiche mich hinter ein paar Büschen am Rest der Widersacher vorbei. Ein roter Bogen samt Piepsgeräusch signalisiert, dass ein Gegner misstrauisch wird, weil ich in seinem Sichtfeld herumkrabble. Nach ein paar Sekunden schließt sich der Kreis komplett und der ganze Trupp ist alarmiert. Je nach Helligkeit, Entfernung und meiner Bewegungsgeschwindigkeit passiert das unterschiedlich schnell. Das System funktioniert meist gut und deutlich besser als bei den überempfindlichen Wachen in Crysis 3 – hat aber auch seine Macken: Manchmal bleiben Soldaten z.B. an Hindernissen hängen. Oder sie ignorieren mich, obwohl nur ein kleines Farnblatt die Sicht trübt.
Störende Spielhilfen
Allerdings werden die Grenzen der linear strukturierten Levels zu eng gesetzt: Ich habe zwar etwas mehr Bewegungsfreiheit als bei Call of Duty & Co, trotzdem erscheint oft schon bei kleinen Stellungswechseln ein Countdown und die Nachricht „Zurück aufs Schlachtfeld“. Manchmal stellt sich auch eine Baumwurzel als unüberwindliches Hindernis heraus; diesmal bleibt das Problem aber zum Glück die Ausnahme. Schade auch, dass taktische Tricks möglich sind. Im Gegensatz zu Sniper Elite V2 gibt es z.B. keine Sprengfallen. Ab und zu kann ich aber immerhin Verwirrung stiften, indem ich einen LKW-Tank zur Explosion bringe oder ein Funkgerät ausschieße. Auch aus der eigentlich cleveren Idee des sanften Abdrückens mit dem Analogtrigger des Gamepads hätte man mehr machen können. Anders als angekündigt verreißt das Gewehr nicht, wenn ich mit Wucht auf den Abzug hämmere. Stattdessen schnellt es lediglich nach oben, wodurch das erneute Anlegen etwas länger dauert. Spielt man mit Maus und Tastatur, muss man natürlich ohnehin darauf verzichten.
Starke Konsolen-Umsetzungen, schwacher Multiplayer
Eine Gemeinsamkeit aller Versionen ist der steinzeitliche Mehrspieler-Part. Es gibt lediglich zwei Karten, einen Modus (Team-Deathmatch) und nichts zum Aufleveln oder Freischalten. An den zwei Ufern einer Schlucht oder im zerbombten Sarajewo gehen bis zu zwölf Spieler auf Camping-Urlaub und kämpfen gegen die aufkommende Müdigkeit. Auf dem PC startet man selbst einen LAN- oder Internet-Server, auf Konsole erledigt das eine automatische Spielersuche.
Fazit
Es ist schon erstaunlich, wie stark eine winzige Design-Entscheidung das komplette Spielgefühl verändern kann. Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad ist Sniper: Ghost Warrior 2 manchmal richtig spannend, auf Normal oder Leicht verkommt das Scharfschießen durch die Spielhilfen oft zur öden Routine. Warum lassen sich die Zielhilfe und die Gegnermarkierungen nicht frei an- oder abschalten? An anderer Stelle haben die Entwickler zum Glück aufs Feedback gehört: Die wirren Schießereien des Vorgängers wurden komplett gestrichen, der zweite Teil konzentriert sich ganz auf den lautlosen Kampf. Insgesamt liefert City Interactive einen soliden Scharfschützen-Shooter in passabler Kulisse ab. Es mangelt zwar an taktischen Finessen wie den Sprengfallen in Sniper Elite V2 und manchmal stören auch die zu eng gesetzten Grenzen der linearen Levels. Trotzdem sorgen die verschlungenen Pfade und geschickt platzierten Wachen für motivierendes Auskundschaften und Anpeilen. Die belanglose (zum Glück auch nicht störende) Rahmenhandlung kann man dagegen ebenso ignorieren wie den schrecklich öden und minimalistischen Mehrspieler-Modus.
Pro
Kontra
Wertung
360
Besser als der Vorgänger aber mit ärgerlichen Design-Macken: Sniper - Ghost Warrior 2 bietet ein solides Scharfschützen-Abenteuer.
PlayStation3
Besser als der Vorgänger aber mit ärgerlichen Design-Macken: Sniper - Ghost Warrior 2 bietet ein solides Scharfschützen-Abenteuer.
PC
Besser als der Vorgänger aber mit ärgerlichen Design-Macken: Sniper - Ghost Warrior 2 bietet ein solides Scharfschützen-Abenteuer.
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