Sniper Ghost Warrior 219.03.2013, Jan Wöbbeking
Sniper Ghost Warrior 2

Im Test:

Beim zweiten wird alles besser – zumindest laut City Interactive: Die wirren Schießereien wurden gestrichen, der zweite Teil von Sniper: Ghost Warrior soll sich ganz ums Auskundschaften und lautlose Ausknipsen drehen. Wir überprüfen, ob tatsächlich Spannung aufkommt.

Zurück im Dschungel

In den offeneren Arealen macht der weitgehend lineare Shooter am meisten Spaß: Hier studiert man die Wege der Gegner und knipst sie in der richtigen Reihenfolge aus.
In den offeneren Arealen macht der weitgehend lineare Shooter am meisten Spaß: Hier studiert man die Wege der Gegner und knipst sie in der richtigen Reihenfolge aus.
Die Geschichte verfrachtet mich erneut in tropische Gefilde. Ich schlüpfe in die Rolle des ehemaligen Militär-Scharfschützen Captain Cole Anderson, welcher sich als Teil einer Spezialeinheit durch den philippinischen Dschungel schlägt, um einen Biowaffen-Deal zu vereiteln. Der von der CryEngine 3 berechnete Urwald wirkt glaubwürdig, ist aber weit vom Detailüberfluss eines Crysis 3 oder Battlefield 3 entfernt. Wer alle Einstellungen auf die maximale Stufe hochdreht, benötigt zum flüssigen Spielen trotzdem einen sehr starken Rechner. Auf der „hohen“ Einstellung gibt sich das Spiel gutmütig und läuft auch auf einer GeForce GTX 460 flüssig.

Später kämpfe ich mich in einer Rückblende durch das vom Bürgerkrieg zertrümmerte Sarajewo, um die Machenschaften des Kriegsverbrechers Vladic aufzudecken und der dritte Akt führt mich schließlich auf die felsigen Anhöhen des Himalaya. Die Rahmenhandlung dreht sich um den altbekannten moralischen Konflikt zwischen Befehlen und der spontanen Rettung bedrohter Kameraden. Klischeebehaftete Figuren wie Kontaktmann Merinov lassen das Spiel mitunter ziemlich trashig wirken: Schon beim ersten Treffen sinniert unser Informant mit schlecht imitiertem Akzent über Wodka und Frauen. Von ein paar Ausfällen abgesehen ist die deutsche Synchronisation gelungen: Vor allem Hauptfigur Cole spricht gut betont und angenehm unaufgeregt.

Auf leisen Sohlen

In dunklen Kellern kommen je nach Mission Nacht- oder Wärmesicht zum Einsatz.
In dunklen Arealen kommen je nach Mission Nacht- oder Wärmesicht zum Einsatz. Auch die deaktivierbare Bullet-Cam wird ab und zu eingeblendet, wirkt aber bei weitem nicht so brutal wie in Sniper Elite V2.
Beim grundlegenden Spieldesign hat das Team tatsächlich Wort gehalten: Wilde Schusswechsel sind passé. Wenn ich überleben will, muss ich tunlichst lautlos vorgehen. Fliege ich auf, wird der Trip durch den Dschungel um einiges schwerer. Der Spielablauf erinnert stark an die nachgelieferten Bonus-Missionen des Vorgängers. Ähnlich wie ein realer Scharfschütze arbeite ich fast immer mit einem Spotter zusammen, welcher mal neben mir koordiniert zuschlägt oder mir von einer anderen Position aus Hinweise gibt.

Als ich mich z.B. an ein stark bewachtes Lager heranpirsche, sondiere ich erst einmal die Lage: Mein Partner verrät mir die Zahl der Wachen – ich packe derweil das stark vergrößernde Fernglas aus, um ihre Laufwege auszukundschaften. Zunächst kümmere ich mich um zwei getarnte Sniper in den oberen Stockwerken, dann sind die Wachen am Boden dran. Als zwei Gegner ihren Klönschnack beenden und einer davon um die Ecke biegt, schlage ich zu: Anlegen, Luft anhalten, abdrücken – Treffer! Danach ist sein verbleibender Kollege dran. Je nach Schwierigkeitsstufe schaltet das Spiel beim Luftanhalten außerdem in eine leichte Zeitlupe.

Nervenkitzel im Gelände

Im Liegen wackelt die Waffe deutlich weniger als im Stehen und auch der Puls hat Einfluss auf die Zielsicherheit.
Im Liegen wackelt die Waffe deutlich weniger als im Stehen und auch der Puls nimmt Einfluss auf die Zielsicherheit.
Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad gestalten sich manche Manöver richtig spannend: Vergesse ich eine schwer zu sehende Patrouille, alarmiert sie schon bald ihre Kollegen und mein Leben wird deutlich schwerer. Als ich z.B. vor einer Sternwarte Alarm auslöste, kamen nach und nach auch die Wachen von der anderen Seite um den Turm herum gelaufen und flankierten mich. Eine MG-Salve und ich war tot. Auch ein Rückzug erhöht die Chanchen nur leicht: Im Gegensatz zum Genre-Standard lädt sich die Energie nicht automatisch auf, sondern wird mit den in feindlichen Lagern liegenden Verbandskästen regeneriert. Außerdem liegen die Checkpoints für meinen Geschmack ein wenig zu weit auseinander.

Beim nächsten Versuch schalte ich nur die wichtigsten Gegner auf den Dächern aus und schleiche mich hinter ein paar Büschen am Rest der Widersacher vorbei. Ein roter Bogen samt Piepsgeräusch signalisiert, dass ein Gegner misstrauisch wird, weil ich in seinem Sichtfeld herumkrabble. Nach ein paar Sekunden schließt sich der Kreis komplett und der ganze Trupp ist alarmiert. Je nach Helligkeit, Entfernung und meiner Bewegungsgeschwindigkeit passiert das unterschiedlich schnell. Das System funktioniert meist gut und deutlich besser als bei den überempfindlichen Wachen in Crysis 3 – hat aber auch seine Macken: Manchmal bleiben Soldaten z.B. an Hindernissen hängen. Oder sie ignorieren mich, obwohl nur ein kleines Farnblatt die Sicht trübt.

Störende Spielhilfen

In der Ruhe liegt die Kraft.
In der Ruhe liegt die Kraft.
Leider wird der Spaß am Heranpirschen auf den zwei niedrigeren Schwierigkeitsgraden von unnötigen Spielhilfen verdorben: Dort verraten Markierungen, wo sich die Gegner herumtreiben und in welche Richtung sie schauen. Außerdem sorgt nach dem Anlegen ein roter Zielpunkt dafür, dass ich idiotensicher treffe. Schade, denn auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad ist das genaue Anpeilen eines der motivierendsten Spielelemente. Während ich z.B. einen Angriff auf eine Yacht von einer weit entfernten Klippe aus unterstütze, muss ich Wind und Distanz exakt einkalkulieren. In der Hektik rechne ich zwar nicht alles haargenau aus wie ein realer Schütze, im Rahmen eines Computerspiels bietet das System aber einen guten Kompromiss zwischen Realismus und Action. In der Hektik des spannend koordinierten Angriffs muss ich genau abschätzen, wie viele Markierungen ich schräg rechts oben über die Bootswache oder einen Suchscheinwerfer schieße, um ins Ziel zu treffen. Klappt es nicht, müssen die nächsten Schüsse sitzen, bevor sich die alarmierte Wache in Deckung oder gar Alarm schlägt.

Allerdings werden die Grenzen der linear strukturierten Levels zu eng gesetzt: Ich habe zwar etwas mehr Bewegungsfreiheit als bei Call of Duty & Co, trotzdem erscheint oft schon bei kleinen Stellungswechseln ein Countdown und die Nachricht „Zurück aufs Schlachtfeld“. Manchmal stellt sich auch eine Baumwurzel als unüberwindliches Hindernis heraus; diesmal bleibt das Problem aber zum Glück die Ausnahme. Schade auch, dass taktische Tricks möglich sind. Im Gegensatz zu Sniper Elite V2 gibt es z.B. keine Sprengfallen. Ab und zu kann ich aber immerhin Verwirrung stiften, indem ich einen LKW-Tank zur Explosion bringe oder ein Funkgerät ausschieße. Auch aus der eigentlich cleveren Idee des sanften Abdrückens mit dem Analogtrigger des Gamepads hätte man mehr machen können. Anders als angekündigt verreißt das Gewehr nicht, wenn ich mit Wucht auf den Abzug hämmere. Stattdessen schnellt es lediglich nach oben, wodurch das erneute Anlegen etwas länger dauert. Spielt man mit Maus und Tastatur, muss man natürlich ohnehin darauf verzichten.

Starke Konsolen-Umsetzungen, schwacher Multiplayer

Das Waffenarsenal klingt zum Teil etwas dumpf.
Das Waffenarsenal klingt zum Teil etwas dumpf.
Die Konsolenumsetzungen sind ordentlich. Einige Texturen sehen zwar unschärfer aus und die Framerate liegt nur bei rund 30 Bildern pro Sekunde (auf der PS3 manchmal sogar etwas darunter) – davon abgesehen erzeugen die Vegetation und die sanfte Beleuchtung aber auch hier eine glaubwürdige Dschungel-Kulisse. Mit Grafik-Highlights wie Uncharted 3 oder Halo 4 kann das Ergebnis aber bei weitem nicht mithalten.

Eine Gemeinsamkeit aller Versionen ist der steinzeitliche Mehrspieler-Part. Es gibt lediglich zwei Karten, einen Modus (Team-Deathmatch) und nichts zum Aufleveln oder Freischalten. An den zwei Ufern einer Schlucht oder im zerbombten Sarajewo gehen bis zu zwölf Spieler auf Camping-Urlaub und kämpfen gegen die aufkommende Müdigkeit. Auf dem PC startet man selbst einen LAN- oder Internet-Server, auf Konsole erledigt das eine automatische Spielersuche.

Fazit

Es ist schon erstaunlich, wie stark eine winzige Design-Entscheidung das komplette Spielgefühl verändern kann. Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad ist Sniper: Ghost Warrior 2 manchmal richtig spannend, auf Normal oder Leicht verkommt das Scharfschießen durch die Spielhilfen oft zur öden Routine. Warum lassen sich die Zielhilfe und die Gegnermarkierungen nicht frei an- oder abschalten? An anderer Stelle haben die Entwickler zum Glück aufs Feedback gehört: Die wirren Schießereien des Vorgängers wurden komplett gestrichen, der zweite Teil konzentriert sich ganz auf den lautlosen Kampf. Insgesamt liefert City Interactive einen soliden Scharfschützen-Shooter in passabler Kulisse ab. Es mangelt zwar an taktischen Finessen wie den Sprengfallen in Sniper Elite V2 und manchmal stören auch die zu eng gesetzten Grenzen der linearen Levels. Trotzdem sorgen die verschlungenen Pfade und geschickt platzierten Wachen für motivierendes Auskundschaften und Anpeilen. Die belanglose (zum Glück auch nicht störende) Rahmenhandlung kann man dagegen ebenso ignorieren wie den schrecklich öden und minimalistischen Mehrspieler-Modus.

Pro

spannendes Auskundschaften und Zielen auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad...
motivierend platzierte Wachen
Feinde schwärmen aus und gehen gut in Deckung...
professionelle deutsche Synchronisation
ruhiger Soundtrack unterstützt die Spannung

Kontra

...Spielhilfen auf Normal und Leicht verderben die Herausforderung
belanglose Hintergrundgeschichte über klischeehafte Charaktere
...leiden allerdings unter gelegentlichen KI-Aussetzern
kaum taktische Finessen wie die Sprengfallen in Sniper Elite V2
nur rund sechs Stunden kurz
schrecklich öder und minimalistischer Mehrspieler-Modus

Wertung

360

Besser als der Vorgänger aber mit ärgerlichen Design-Macken: Sniper - Ghost Warrior 2 bietet ein solides Scharfschützen-Abenteuer.

PlayStation3

Besser als der Vorgänger aber mit ärgerlichen Design-Macken: Sniper - Ghost Warrior 2 bietet ein solides Scharfschützen-Abenteuer.

PC

Besser als der Vorgänger aber mit ärgerlichen Design-Macken: Sniper - Ghost Warrior 2 bietet ein solides Scharfschützen-Abenteuer.

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