Im Test:
Kurze Wartezeit, große Erwartung
Bislang musste man für die Veröffentlichung der Titel von Vanillaware hierzulande viel Geduld mitbringen: Odin Sphere, ein 2D-Prügler-Rollenspiel-Mix auf PS2 hat sich elf Monate Zeit zwischen dem Japan- und Europa-Release gelassen. Bei dem ähnlich gelagerten Wii-Titel Muramasa verging etwas mehr als ein halbes Jahr. Daneben nehmen sich die drei Monate für Dragon's Crown (DC) geradezu sparsam aus. Und wie bei den genannten Titeln hat sich die Wartezeit mehr als gelohnt. Obwohl und gerade weil sich Vanillaware nicht übermäßig weiter entwickelt hat. Immer noch baut man auf das alt hergebrachte Arcade-Prinzip des seitwärts scrollenden Brawlers à la Streets of Rage, Final Fight & Co. Und immer noch schafft man es, dieses Prinzip nicht nur mit Rollenspielelementen wie umfangreichen Fähigkeitsbäumen oder Inventar-Management, sondern mit einer atemberaubenden handgezeichneten Kulisse zu etwas Besonderem zu machen.
Die Geschichte hingegen ist erschreckend bieder und einer der großen Schwachpunkte: Das Fantasy-Reich Hydeland ist in Gefahr. Ein paar unerschrockene Helden sind das einzige Bollwerk gegen kleinere oder größere Monster in den zahlreichen Dungeons sowie den Drachen, der am Horizont mit einem Angriff droht. Zwar werden sämtliche Story-Elemente von einem gut besetzten Sprecher vorgetragen, der mich mit seiner sonoren Stimme an Sky Dumont erinnert. Doch nur durch einen interessanten Erzähler wird die Geschichte noch lange nicht interessant. Zumal bei vielen Standard-Aktionen in der Stadt, die als Ausgangspunkt für alle Abenteuer dient, die Samples ohne Varianten ständig wiederholt werden und dadurch zunehmend an Faszination verlieren.
Animierte Gemälde
Gelegentlich erinnert der Stil der Zwischeneinblendungen an den amerikanischen Künstler Benjamin West. Die Frauendarstellung mit ihren üppigen Rundungen kreuzt japanische Manga-Kultur mit Rubens, dann wiederum erinnern die Figuren an Rembrandt-Gemälde. Die Umgebungen erinnern mal an klassische Fantasy-Comics mit klaren Strukturen, nur um dann doch wieder mit leichten impressionistischen Einflüssen in eine andere Richtung getrieben zu werden. Sie legen sich nie wirklich fest und überraschen dadurch vor allem beim Gegnerdesign und den feinen Animationen immer wieder, ohne das Gespür für Stimmungen oder den Einsatz von Licht und Schatten aus den Augen zu verlieren. Mitunter geht ihr Arbeitseifer zwar mit ihnen durch, so z.B. beim üppigen Auf-und-Ab bestimmter Teile der weiblichen Anatomie, die selbst Team Ninjas Dead or Alive-Ladies vor Neid erblassen lassen dürfte. Doch das Gesamtbild ist sehr stimmig und einfach nur schön anzuschauen - auch beim x-ten Anlauf oder nach dutzenden Stunden.
Sechs Helden, sechs Stile, ein Team
Sechs Archetypen stehen zur Verfügung, um das Abenteuer in Angriff zu nehmen, das übrigens von bis zu vier Helden lokal oder online (Vita natürlich nur online bzw. per Ad-Hoc-Modus) gespielt werden kann. Während sich die erzählerischen Wege zum Ziel zwar nicht in Abhängigkeit von der gewählten Figur verändern, sorgen die unterschiedlichen Spielweisen bzw. Anforderungsprofile für ein erstaunlich vielfältiges Erleben der Rettung Hydelands.
Doch egal, mit wem man schließlich durch die Dungeons zieht, die vielfältigen Gegnerhorden bekämpft, Schätze oder geheime Räume findet und schließlich die abwechslungsreichen Bosse zu plätten versucht: Man ist nie allein unterwegs. Zum einen wird man sehr schnell von einer Fee sowie dem Dieb Rannie begleitet, der sich im Kampf vornehm zurückhält, aber immer in der Lage ist, Schatztruhen oder Türen zu öffnen. Allerdings löst er auch die eine oder andere Falle aus, die einen fluchend zurücklässt, während wieder ein gehöriges Stück der häufig zu knappen Lebensenergie verschwindet. Zum anderen gesellen sich auch offline immer wieder Kämpfer zur Gruppe, die maximal vier Recken aufnehmen kann. Falls man sich nicht auf diese Zufallsbegegnungen verlassen möchte, sollte man die überall zu findenden Gebeine gefallener Helden mitnehmen und diese später in der Kirche gegen eine kleine Gebühr wiederbeleben lassen. Alle Wiederbelebten lassen sich in der Taverne aufrufen und in die Party verschieben. In den Kampfgebieten fällt dabei auf, dass die KI-Freunde angenehm effektiv helfen, die Feinde zu dezimieren. Sie nehmen temporäre Gesundheitsupgrades ebenso eigenständig auf wie Bonuswaffen mit limitiertem Einsatz und nutzen auch Reittiere selbstständig. Dabei warten sie generell darauf, was der Spieler macht (bzw. was der Spieler ihnen übrig lässt). Und nehmen sie doch mal auf einem Vieh Platz, mit dem man eigentlich selbst die Gegner erledigen wollte oder schnappen sich eine bestimmte Waffe, kann man sie problemlos auffordern, euch alles zu überlassen.
Einer für alle
Savegames lassen sich übrigens zwischen der PS3 und Vita hin- und herschieben, so dass man sowohl zu Hause als auch unterwegs seiner Sammel- und Kampfleidenschaft frönen kann. Es ist allerdings noch nicht möglich, beide Systeme so miteinander zu verbinden, dass ein Spieler auf dem großen TV-Bildschirm zaubert und einer parallel mit ihm auf der Vita zum Schwert geift - schade. Allerdings ist in Japan vor kurzem ein Update vom Stapel gelaufen, das genau diese Funktionalität ermöglicht. Bis zum Patch-Release hierzulande wird es allerdings noch etwas dauern.
Chaotisch, praktisch, gut
Dass man nicht so einfach von Dragon's Crown loskommt, sobald man sich einmal in die ersten Gewölbe hinab begeben hat, liegt nicht nur an der Kompaktheit der Abschnitte - nur selten dauert es vom Betreten des Levels bis zum Sieg über den Boss länger als 20 Minuten. Und damit ist es prädestiniert für das berühmt-berüchtigte "Ein Spiel geht noch." Dank übersichtlicher Steuerung, die aber dennoch abhängig vom Charakter beeindruckende Angriffsketten ermöglicht, kommt schnell ein angenehmer Spielfluss auf.
Ein anderer Grund, weshalb man immer wieder gerne in Hydeland abtaucht, sind die ständigen Erweiterungen und Ergänzungen, die einen vor neue Herausforderungen stellen. Mit Nebenquests kann man relativ einfach Erfahrung, Gold und Fähigkeitspunkte erlangen. Mit dem Zusammenstellen von Runenkombinationen (was parallel zum Kampf nicht immer einfach von der Hand geht) kann man das Spielgeschehen verändern und z.B. Waffenkisten beschwören, Schutzzauber aktivieren oder sich gar ein zusätzliches Leben ergattern. In der zweiten Hälfte der Kampagne bekommt man nicht nur die Option, aus zwei verschiedenen Wegen samt unterschiedlicher Bosse in den Abschnitten wählen zu können. Zusätzlich kann man immer wieder entscheiden, ob man in den schützenden Schoß der Stadt zurückkehrt oder sich im gegenwärtigen Zustand der Party vielleicht in den nächsten zufällig ausgewählten Dungeon traut.
Kleine Stolpersteine
Trotz der angesprochenen Abzweigungen ist es schade, dass es unter dem Strich mit neun Katakomben nur eine verhältnismäßig kleine Auswahl gibt. Denn so ansehnlich die Landschaften und Verliese auch sind, verlieren sie nach einigen Stunden den Reiz des Besonderen. Auch hinsichtlich der Kampfmechanik stellt Dragon's Crown trotz aller Dynamik und positiver Hektik nicht alle Wünsche zufrieden. So fehlt beispielsweise die Möglichkeit, gemeinsame Kombos zu initiieren. Zugegeben: Sich akkurat aufeinander abzustimmen und ggf. gleichzeitig den Angriff zu beginnen, ist in der Hektik zweifellos eine Herausforderung, doch mit dieser Option hätte das Koop-Spektakel eine neue Dimension erreichen können. Doch auch so ist trotz der angesprochenen Mankos gewährleistet, dass Dragon's Crown vor allem mit drei Mitstreitern auf dem heimischen Sofa neben Diablo 3 zu den besten Titeln gehört, wenn es um gemeinsame Action geht, die man nach dem ersten Durchlauf auch im spröden PvP-Modus erleben darf.
Fazit
Dragon's Crown ist das Ergebnis, wenn man klassische 2D-Brawler vom Schlage eines Final Fight oder Golden Axe mit der Jäger-und-Sammler-Motivation eines Diablo kreuzt und das Ganze in ein unglaublich schönes Artdesign verpackt. Die handgezeichneten Figuren und Schauplätze sind immer wieder ein Hingucker - auch wenn es mit gerade mal neun Abschnitten (immerhin mit A-/B-Varianten) ein nicht gerade üppiges Angebot an Kulissen gibt, durch die man sich kämpft. Die Auseinandersetzungen sind angenehm hektisch und gut zu kontrollieren. Allerdings gleitet das Hacken & Slayen bei großer Gegneranzahl und explosiven Effekten mitunter von der Hektik ins absolute Chaos - wobei es nur selten dazu kommt, dass man in diesen Momenten ein Ableben zu beklagen hat. Zwar gibt es keine besonderen Team-Angriffe, doch wer nach Diablo 3 auf der Suche nach einer weiteren unterhaltsamen Koop-Action ist und sich dem Sog von Figurenentwicklung sowie immer besserer Beute nicht entziehen kann, wird hier auf lange Sicht ebenfalls glücklich.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation3
Dragon's Crown bietet ein einzigartiges 2D-Artdesign, hektische Kämpfe für bis zu vier Spieler sowie eine motivierende Jagd nach immer besserer Ausrüstung.
PS_Vita
Dragon's Crown bietet ein einzigartiges 2D-Artdesign, hektische Kämpfe für bis zu vier Spieler sowie eine motivierende Jagd nach immer besserer Ausrüstung.
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